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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 27.11.2003
Aktenzeichen: 9 Ta 154/03
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 10
Wird mit der Freistellungsvereinbarung in einem den Kündigungsrechtsstreit beendenden Vergleich kein zuvor geführter Streit der Parteien über die Beschäftigung bzw. Entgeltzahlung einer Nichtbeschäftigung während der Kündigungsfrist beigelegt, ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Arbeitsgericht diesbezüglich keinen überschießenden Vergleichswert festsetzt.
9 Ta 154/03

IM NAMEN DES VOLKES Beschluss

in dem Rechtsstreit

in Sachen

wegen Kündigung

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Streitwertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 12.08.2003 - Az.: 8 Ca 5831/03 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger war bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 28.08.1984 als Kraftfahrer beschäftigt und bezog zuletzt eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung von EUR 2.300,--.

Mit seiner zum Arbeitsgericht Nürnberg erhobenen Klage vom 16.06.2003 wandte sich der Kläger gegen die mit Schreiben vom 26.05.2003 ausgesprochene ordentliche Arbeitgeberkündigung zum 30.11.2003.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers teilten noch vor Durchführung einer Güteverhandlung mit, dass sich die Parteien außergerichtlich verständigt hätten und auf der Basis ihrer Einigung ein gerichtlicher Vergleichsvorschlag ergehen möge, um einen feststellenden Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO zu ermöglichen.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 28.07.2003 das Zustandekommen folgenden Vergleiches festgestellt:

1.

Die Parteien sind darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche, betriebsbedingte, fristgerechte Arbeitgeberkündigung zum Ablauf des 30.11.2003 sein Ende finden wird.

2.

Die Beklagte zahlt an den Kläger aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Verlust des Arbeitsplatzes und zum Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes gemäss § 3 Ziffer 9, 34, 24 EStG sowie in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG einen Betrag in Höhe von 28.000,00 Euro (i.W.: achtundzwanzigtausend Euro) brutto, zahlbar zum Ablauf des 30.11.2003.

3.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger seit 17.06.2003 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung seiner Bezüge in Höhe von 2.300,81 Euro brutto nebst Zuschuß zur VWL in Höhe von 26,59 Euro (i.W.: sechsundzwanzig, 59/100 Euro) unter Anrechnung auf den ihm noch zustehenden Jahresurlaub sowie gegebenenfalls vorhandene Mehrarbeitsvergütung von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt wird.

4.

Soweit der Kläger vor dem 30.11.2003 eine neue Arbeitsstelle findet und dies der Beklagten mit einer Ankündigungsfrist von 2 Wochen mitteilt, kann das Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt vor dem 30.11.2003 beendet werden. Für diesen Fall erhöht sich für jeden vollen Monat der früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisse die Abfindung gemäss Ziffer 2.) dieses Vergleichs um jeweils 1.150,00 Euro (i.W.: eintausendeinhundertfünfzig Euro).

5.

Die Beklagte zahlt an den Kläger für das Jahr 2003 anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von jeweils 11/12 des Jahresbetrages.

6.

Der Kläger erhält zum Beendigungstermin ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis.

7.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Mit Beschluss vom 12.08.2003 hat das Arbeitsgericht Nürnberg den Streitwert für das Verfahren auf EUR 6.900,-- und für den Vergleich auf EUR 10.732,23 festgesetzt.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der begehrt wird, im Hinblick auf die Regelung in Ziffer 3 des Vergleiches einen zusätzlichen überschießenden Vergleichswert in Höhe von EUR 6.900,-- festzusetzen.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 02.09.2003 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung wird darauf verwiesen, wegen der mit § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG beabsichtigten Beschränkung der Prozesskosten eines Bestandsstreits könne für die vergleichsweise getroffene Freistellungsvereinbarung kein über die Höchstgrenze des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG hinausgehender Streitwert festgesetzt werden.

Bezüglich näherer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 78 ArbGG, 10 Abs. 3 BRAGO, zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens den Streitwert zutreffend für das Verfahren auf EUR 6.900,-- und für den Vergleich auf EUR 10.732,23 festgesetzt.

1.

Das Arbeitsgericht hat sein bei der Streitwertfestsetzung gegebenes Ermessen nachvollziehbar ausgeübt und die hierbei gegebenen Grenzen nicht überschritten. Das Beschwerdegericht hat nach ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (Beschluss vom 05.05.1986 - 1 Ta 3/85 - LAGE Nr. 53 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; Beschluss vom 01.07.2003 - 6 Ta 85/03 - und vom 12.09.2003 - 9 Ta 127/03 - beide zur Veröffentlichung vorgesehen) die Ermessensentscheidung des Erstgerichts zwar auf Ermessensfehler zu überprüfen, aber keine eigene, hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen.

2.

Unter Berücksichtigung des für das Beschwerdegericht eingeschränkten Prüfungsmaßstabes ist es nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht für die vergleichsweise vereinbarte Freistellung innerhalb der laufenden Kündigungsfrist über den für den Kündigungsschutzantrag festgesetzten Höchstbetrag nach § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG keinen weiteren überschießenden Vergleichswert festgesetzt hat.

Die vom Erstgericht getroffene Ermessensentscheidung hält jedenfalls für den Fall, dass zwischen den Parteien vor Abschluss des Vergleiches über die Frage der Freistellung bzw. der tatsächlichen Beschäftigung kein außergerichtlicher oder gerichtlicher Streit bestand, einer rechtlichen Überprüfung stand. Insoweit deckt sich die Entscheidung des Erstgerichts mit den Beschwerdeentscheidungen mehrerer Landesarbeitsgerichte (vgl. LAG Köln vom 29.01.2002 - 7 Ta 285/01 - LAGE Nr. 127 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; LAG Schleswig-Holstein vom 06.06.1997 - 4 Ta 110/96 - MDR 1999, 814 f.; LAG Hamm vom 17.03.1994 - 8 Ta 465/93 - MDR 1994, 625).

Zwar wird von einem Großteil der Rechtsprechung der unwiderruflichen Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung der Vergütung streitwerterhöhende Bedeutung beigemessen (vgl. LAG Hamburg, NJW 1977, 2327; LAG Sachsen-Anhalt vom 20.09.1995 - 1(3) Ta 93/95 - LAGE Nr. 104 zu § 12 ArbGG Streitwert; LAG Schleswig-Holstein vom 20.05.1998 - 3 Ta 37/98 - LAGE Nr. 113 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; vgl. zum Meinungsstand Arand/Faecks, NZA 1998, 281 ff.). Dies ist jedoch nur dann geboten, wenn durch die vergleichsweise Vereinbarung ein Streit der Parteien über die tatsächliche Beschäftigung während der Kündigungsfrist oder die Zahlung bzw. Nichtzahlung des Entgelts während der Zeit der Nichtbeschäftigung beigelegt wurde. Ist dagegen hinsichtlich der Frage der Beschäftigung bzw. Nichtbeschäftigung oder der Entgeltzahlung während der Nichtbeschäftigung überhaupt kein Streit der Parteien geführt worden, kann die Festsetzung eines den Verfahrensstreitwert überschießenden Vergleichswertes diesbezüglich unterbleiben.

Im Beschwerdeverfahren stützt sich die Beschwerdeführerin nicht darauf, durch die Ziffer 3 des Vergleiches sei ein Streit der Parteien über die Freistellung des Klägers und die damit zusammenhängenden Vergütungsfragen beigelegt worden. Insoweit ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Erstgericht im Hinblick auf die mit der Regelung des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG beabsichtigten Beschränkungen der Verfahrenskosten eines Kündigungsrechtsstreits von der Festsetzung eines überschießenden Vergleichswertes abgesehen hat.

III.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, vgl. § 78 Satz 3 ArbGG.

Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 10 Abs. 2 Satz 4, 5 GKG.

Ende der Entscheidung

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