Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 11.06.2007
Aktenzeichen: 1 Ta 103/07
Rechtsgebiete: RVG, GKG


Vorschriften:

RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9 S. 1
RVG § 33 Abs. 9 S. 2
GKG § 3 Abs. 2
GKG § 42 Abs. 4 S. 1
GKG § 66 Abs. 8
GKG § 68 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 1 Ta 103/07

Entscheidung vom 11.06.2007

Tenor:

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16.01.2007 - 2 Ca 1614/06 - wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes im Zusammenhang mit mehreren Kündigungen

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.04.2004 bzw. 06.09.2004 zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst in Höhe von zuletzt 2.650,00 Euro beschäftigt. Im vorliegenden Klageverfahren hat er sich gegen eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.11.2006 zum 31.12.2006 gewendet.

Das Verfahren wurde vor dem Arbeitsgericht durch einen umfassenden Vergleich vom 04.12.2006 erledigt. Die Parteien einigten sich in Ziffer 1 des Vergleichs über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2006. Mit Abschluss des Vergleichs haben die Parteien auch das Verfahren 2 Ca 1664/06 mit erledigt. In diesem Verfahren hatte sich der Kläger gegen eine außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 23.11.2006 gewendet.

Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 16.01.2007 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auf 7.950,00 Euro für das Verfahren und auf 10.600,00 Euro für den Vergleich festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss, der ihm am 22.01.2007 zugestellt wurde, hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 25.01.2007, eingegangen beim Arbeitsgericht am selben Tag, Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert für den Vergleich auf 15.900,00 Euro festzusetzen.

Nach Auffassung des Beschwerdeführers sei auch das zweite Kündigungsschutzverfahren mit drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten.

Das Arbeitsgericht hat am 15.05.2007 erneut einen im Übrigen von Wortlaut und Inhalt her mit dem Beschluss vom 16.01.2007 identischen Beschluss erlassen. Damit hat das Arbeitsgericht jedenfalls konkludent der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro und ist auch sonst zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Beschwerdeführers zutreffend mit 10.600,00 Euro für den Vergleich festgesetzt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 30.11.1984 - 2 AZN 572/82 (B) - NZA 1985, 369 ff. zu § 12 Abs. 7 ArbGG a.F.; kritisch Vollstädt, in: Schwab/Weth, ArbGG, 2004, § 12 Rn. 170 ff. mit weiteren Nachweisen) und der ständigen Rechtsprechung der für Gegenstandswertbeschwerden nunmehr allein zuständigen Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.03.2007 - 1 Ta 55/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06.06.2007 - 1 Ta 105/07) enthält § 42 Abs. 4 S. 1 GKG keinen Regelstreitwert. Der Vierteljahresverdienst ist vielmehr nur die Obergrenze für den vom Gericht nach freiem Ermessen (§ 3 ZPO) festzusetzenden Streitwert. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist in typisierender Betrachtungsweise bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von bis zu sechs Monaten grundsätzlich mit einem Monatsverdienst, bei einem Bestand von sechs bis 12 Monaten grundsätzlich mit zwei Monatsverdiensten und ab einem Bestand von 12 Monaten grundsätzlich mit drei Monatsverdiensten festzusetzen.

Im vorliegenden Fall bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 01.04.2004 bzw. dem 06.09.2004 und damit im Zeitpunkt des Ausspruchs der zeitlich ersten Kündigung am 13.11.2006 über zwei Jahre. Die zeitlich erste Kündigung vom 13.11.2006 war daher grundsätzlich mit drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten.

Wird die Unwirksamkeit mehrerer Kündigungen geltend gemacht, so ist in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte seit langem umstritten (vgl. die Zusammenstellung in KR-Friedrich, 8. Aufl., § 4 KSchG Rz 279), wie sich dies auf den Gegenstandswert auswirkt. Hauptstreitpunkt ist dabei mit Blick auf die oben aufgestellten Grundsätze, ob die Obergrenze des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG (§ 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG a.F.) für jede Kündigung gilt und damit für jede Kündigung ein Gegenstandswert bis zur Obergrenze des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG festgesetzt werden kann oder ob die Obergrenze für alle Kündigungen insgesamt gilt und somit für alle Kündigungen nur ein Gegenstandswert bis zur Obergrenze des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG festgesetzt werden kann (vgl. zur Problematik auch Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, 5. Auflage 2004, § 12 Rn. 89 ff.; Arbeitsrechtslexikon/Schwab, Streitwert/Gegenstandswert, II 2; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, L Rn. 454; Dingeldey, Fachanwalt Arbeitsrecht (Spezial) 2006, S. 5).

Nach der Rechtsprechung der für Gegenstandswertbeschwerden allein zuständigen Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. instruktiv LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06.06.2007 - 1 Ta 105/07) gelten bei mehreren Kündigungen folgende Grundsätze:

- a) Wird die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen, die in einem nahen zeitlichen Zusammenhang - in der Regel in einem Kündigungsschreiben (z.B. außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung) - ausgesprochen worden sind, in einem Verfahren angegriffen und liegt ihnen ein identischer Kündigungssachverhalt zugrunde, dann ist die erste Kündigung abhängig von der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses mit bis zu drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten und jede weitere Kündigung ist nicht gegenstandswerterhöhend.

b) Hierunter fallen auch solche Fälle, in denen eine Kündigung in einem nahen zeitlichen Zusammenhang zur Heilung möglicher Unwirksamkeitsgründe - z.B. bei Streit über den Zugang des ersten Kündigungsschreibens oder bei Zweifeln an der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung zur ersten Kündigung - eine weitere Kündigung mit identischem Kündigungssachverhalt nachgeschoben wird. Auch in diesen Fällen sind alle Kündigungen mit maximal drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten.

- Wird die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen, die keinen unmittelbaren Bezug zueinander haben, mit verschiedenen Beendigungszeitpunkten angegriffen und sind diese in einem zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen worden, dann ist die zeitlich erste Kündigung abhängig von der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses mit bis zu drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten. Jede weitere Kündigung ist grundsätzlich mit einem Betrag zu bewerten, der dem durchschnittlichen Verdienst entspricht, den der Arbeitnehmer bei Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes aufgrund der weiteren Kündigung mehr bzw. bei Vorschieben des Beendigungszeitpunkts durch diese weniger verdienen würde. Allerdings ist dieser Verlängerungs- bzw. Verkürzungszeitraum auf maximal einen Monatsverdienst begrenzt (Deckelung).

- Bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob die unterschiedlich zusammenhängenden Kündigungen in einem einzigen Klageverfahren im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) oder in jeweils selbständigen Klageverfahren angegriffen werden. Diese (taktischen) Aspekte des prozessualen Agierens beeinflussen nicht den objektiv zu ermittelnden Wert eines bestimmten Streitgegenstandes.

Bei Anwendung dieser Grundsätze war vorliegend der Gegenstandswert aller Kündigungen auf vier Bruttomonatsverdienste festzusetzen.

Die zeitlich erste Kündigung vom 13.11.2006 zum 31.12.2006 war mit drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten. Der weiteren im Verfahren 2 Ca 1664/06 angegriffenen außerordentlichen Kündigung vom 23.11.2006 lag - soweit ersichtlich - kein identischer Kündigungssachverhalt zugrunde. Sie hätte den Beendigungszeitpunkt im Vergleich zur Kündigung vom 13.11.2006 zum 31.12.2006 um ungefähr eineinhalb Monate verkürzt, sodass sie abstellend auf die unterschiedlichen Beendigungszeitpunkte ohnehin nur mit eineinhalb Monatsverdiensten zu bewerten wäre. Da jedoch jede weitere Kündigung maximal nur mit einem Bruttomonatsverdienst zu bewerten ist (Deckelung), war der Gegenstandswert für diese Kündigung auf ein Bruttomonatsverdienst festzusetzen.

Die Gerichtsgebühr für das vorliegende Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 von Teil 8 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG wird anders als das Verfahren über den Antrag von § 33 Abs. 9 S. 1 und S. 2 RVG nicht gebührenfrei gestellt. Auch § 68 Abs. 3 GKG und § 66 Abs. 8 GKG finden vorliegend keine Anwendung. Es fallen somit grundsätzlich Gerichtsgebühren an (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06.06.2007 - 1 Ta 105/07 mit weiteren Nachweisen). Diese hat der Beschwerdeführer nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

Zurück