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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 20.06.2008
Aktenzeichen: 1 Ta 105/08
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG, GKG, ArbGG


Vorschriften:

RVG § 23
RVG § 23 Abs. 1
RVG § 23 Abs. 3 Satz 1
RVG § 23 Abs. 3 Satz 2
RVG § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9
BetrVG § 40
GKG § 2 Abs. 2
GKG § 3 Abs. 2
GKG § 40
ArbGG § 2 a
ArbGG §§ 80 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 23.04.2008 - 9 BV 10/06 - wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe:

I. Die Beschwerdeführerin begehrt die Festsetzung eines niedrigeren Gegenstandswerts im Zusammenhang mit einem auf die Durchsetzung zweier Gesamtbetriebsvereinbarungen gerichteten Beschlussverfahren.

Antragsteller ist der bei der Antragsgegnerin (Arbeitgeberin) gebildete Gesamtbetriebsrat. Er schloss am 16.08.2001 und am 14.12.2001 mit der Arbeitgeberin zwei Gesamtbetriebsvereinbarungen ab, die die Einführung und das Tragen von einheitlicher Dienstkleidung sowie hierauf bezogene Unterstützungsleistungen der Arbeitgeberin an die Arbeitnehmer regeln. Dabei war die zeitliche Reihenfolge, in der die insgesamt 57 Residenzen der Arbeitgeberin mit der neu einzuführenden Dienstkleidung ausgestattet werden sollten, in der Anlage 2 zur Gesamtbetriebsvereinbarung vom 14.12.2001 festgelegt. Gemäß dem in dieser Anlage enthaltenen zeitlichen Stufenplan sollte die Einführung der Dienstkleidung in denjenigen Residenzen, welche nicht bereits über laufende Berufskleidungsverträge verfügten, bis April 2003 abgeschlossen sein. Nachdem sich die Einführung der Dienstkleidung in der Folgezeit mehrfach verzögerte - etwa im Hinblick auf bevorstehende Tarifverhandlungen zwecks einer Vereinheitlichung der Dienstkleidung, wegen zwischen der Arbeitgeberin, dem Gesamtbetriebsrat und dem bei der Arbeitgeberin gebildeten Konzernbetriebsrat zwecks einer konzernweiten Einführung einheitlicher Dienstkleidung geführter Gespräche, im Zusammenhang mit dem Wegfall eines seinerzeit vorgesehenen Dienstleisters zur Gestellung der Dienstkleidung oder infolge erneuter Verhandlungen mit dem Hersteller aufgrund einer laut gewordenen Kritik an der in einigen Pilothäusern bereits eingeführten Dienstkleidung -, wurde die Einigungsstelle angerufen, die mit Beschluss vom 14.12.2004 die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Umsetzung der o. g. Gesamtbetriebsvereinbarungen ab dem 01.08.2005 festlegte. Als auch hierauf die notwendigen Maßnahmen - jedenfalls nicht vollständig - durchgeführt wurden, leitete der Gesamtbetriebsrat mit Schriftsatz vom 14.02.2006 das vorliegende Beschlussverfahren ein, in dem er sinngemäß beantragte,

der Arbeitgeberin die Ausstattung der in der Anlage 2 zur Gesamtbetriebsvereinbarung vom 14.12.2001 näher benannten Residenzen in der dort vorgesehenen örtlichen und zeitlichen Reihenfolge aufzugeben, beginnend ab dem 01.08.2005.

Mit Beschluss vom 23.04.2008 hat das Arbeitsgericht das Verfahren eingestellt. Auf Antrag der Arbeitgeberin hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 23.04.2008 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Gesamtbetriebsrats auf 20.000,00 EUR festgesetzt. Dabei hat es die Verfünffachung des in § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG genannten Hilfswerts in Höhe von 4.000,00 EUR mit dem in tatsächlicher Hinsicht erheblichen Umfang des Streitstoffs sowie der für die Arbeitgeberin nicht unerheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit begründet.

Gegen diesen Beschluss hat die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 21.05.2008 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert auf 4.000,00 EUR herabzusetzen. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Gesamtbetriebsrats liege ausschließlich in deren unzureichender Vorbereitung der Angelegenheit begründet. So hätte eine kurze, rechtzeitige Nachfrage bei den einzelnen Residenzen der Arbeitgeberin die Einleitung des Beschlussverfahrens hinsichtlich solcher Residenzen, bei denen eine Ausstattung mit Dienstkleidung längst erfolgt sei, verhindern können. Zudem sei es nicht um die Gesamtbetriebsvereinbarungen als solche gegangen, sondern lediglich um die Frage der Reihenfolge, in der die Residenzen mit der Dienstkleidung zu bestücken gewesen seien. Schließlich habe sich auch in der öffentlichen Sitzung vom 17.05.2006 gezeigt, dass mehrere der vom Gesamtbetriebsrat benannten Residenzen entweder von der Gesamtbetriebsvereinbarung gar nicht erfasst seien oder die Dienstkleidung dort bereits eingesetzt werde.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 EUR und ist auch sonst zulässig. Im Hinblick auf die Regelung des § 40 BetrVG ist die Arbeitgeberin zur Einlegung der Beschwerde befugt, obgleich der Beschluss des Arbeitsgerichts den Gegenstandswert für die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Gesamtbetriebsrats betrifft.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden.

Ausgangspunkt für die Festsetzung des Gegenstandswerts ist vorliegend die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Danach kann das Gericht den Gegenstandswert, soweit er sich nicht aus den übrigen Regelungen des § 23 RVG ergibt und auch sonst nicht feststeht, nach billigem Ermessen bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4.000,00 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzunehmen. Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet vorliegend schon deswegen keine Anwendung, da im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i. V. m. den §§ 2 a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG genannten Gebührentatbestände der Kostenordnung finden im Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende Anwendung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.07.2007 - 1 Ta 173/07). Da der Gegenstandswert auch sonst nicht feststeht und es sich bei dem gestellten Antrag um einen nicht vermögensrechtlichen Streitgegenstand handelt - denn weder beruht er unmittelbar auf einer vermögensrechtlichen Beziehung noch ist er auf Geld oder Geldeswert gerichtet -, bestimmt sich der Gegenstandswert insoweit nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Dabei stellt der dort genannte Wert von 4.000,00 EUR nach ständiger Rechtsprechung des Beschwerdegerichts keinen Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern vielmehr einen Hilfswert, auf den nur dann zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind. Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, inwieweit durch das Beschlussverfahren finanzielle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer berührt werden, aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache sowie dem objektiven Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts im Einzelfall (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.03.2008 - 1 Ta 26/08; Beschluss vom 17.07.2007 - 1 Ta 173/07; Beschluss vom 14.06.2007 - 1 Ta 147/07).

Danach hat das Arbeitsgericht den Hilfswert hier zu Recht deutlich erhöht. Dies erscheint im Hinblick auf den Umfang des Streitstoffs in tatsächlicher Hinsicht wie auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache für die Arbeitgeberin gerechtfertigt. So hat der Gesamtbetriebsrat unwidersprochen vorgetragen, dass die streitgegenständlichen Gesamtbetriebsvereinbarungen ca. 2.300 Arbeitnehmer der Arbeitgeberin in 57 Residenzen (laut Neufassung der Anträge im Schriftsatz vom 18.04.2006 immerhin noch 40 namentlich benannten Residenzen) betreffen und für die Arbeitgeberin, ausgehend von einem finanziellen Zuschuss zur Dienstkleidung in Höhe von 15,00 EUR pro Arbeitnehmer pro Monat ein jährliches Kostenvolumen in Höhe von mehr als 400.000,00 Euro bedeuten.

Hiergegen kann die Beschwerdeführerin nicht eine unzureichende Vorbereitung durch den Gesamtbetriebsrat einwenden. Zum Einen betrifft die Frage, ob dieser seine Anträge ganz oder teilweise bei entsprechender Vorbereitung wegen mangelnder Erfolgsaussichten nicht gestellt hätte, die materielle Begründetheit des Antrages, welche bei der Wertfestsetzung nicht zu berücksichtigen ist. Zum Anderen zeigt der Ablauf des Verfahrens eindrucksvoll, dass eine schlichte telefonische Rückfrage bei den einzelnen Residenzen, auf die sich die Beschwerdeführerin beruft, zur Beilegung des vorliegenden Streits gerade nicht ausreicht. So blieb die Ausstattung einer Vielzahl von Residenzen mit der Dienstkleidung bis zuletzt streitig, was sich u. a. an dem Auflagen- und Beweisbeschluss des Arbeitsgerichts vom 22.10.2007 (Bl. 251 ff. d. A.) zeigt. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin selbst unter ausdrücklicher Berufung auf die Vielzahl der Residenzen und die umfangreiche Sachverhaltsaufklärung wiederholt um Fristverlängerung gebeten (vgl. etwa die Schriftsätze vom 19.12.2006 (Bl. 192 ff. d. A.) und vom 05.06.2007 (Bl. 223 ff. d. A.)).

Weiterhin kann sich die Beschwerdeführerin nicht darauf berufen, es sei lediglich um die zeitliche Reihenfolge der Umsetzung der Gesamtbetriebsvereinbarungen gegangen. Der Gesamtbetriebsrat hat bereits mit seinem das Verfahren einleitenden Antrag deutlich gemacht, dass es ihm vor allem auch erst einmal um die Umsetzung der beiden Gesamtbetriebsvereinbarungen durch die Beschwerdeführerin überhaupt geht. Dies sollte dann in der zeitlichen Reihenfolge gemäß der Anlage 2 zur Gesamtbetriebsvereinbarung vom 14.12.2001 geschehen.

Schließlich kommt es für die Gegenstandswertfestsetzung auch nicht darauf an, hinsichtlich wie vieler Residenzen eine Ausstattung mit Dienstkleidung im Zeitpunkt der öffentlichen Sitzung vom 17.05.2006 noch streitig war. Soweit manche Residenzen zwischenzeitlich mit Dienstkleidung ausgestattet worden waren, ist auch dies wiederum eine Frage der materiell-rechtlichen Begründetheit, die für die Wertfestsetzung grundsätzlich keine Rolle spielt. Zum Anderen kommt es für die Wertberechnung auf den Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragstellung an, vgl. § 40 GKG. Der das Beschlussverfahren einleitende Antrag des Gesamtbetriebsrats vom 14.02.2006 bezog sich aber auf sämtliche in der Anlage 2 zur Gesamtbetriebsvereinbarung vom 14.12.2001 aufgeführten Residenzen, lediglich abzüglich zweier bereits mit Dienstkleidung ausgestatteter Residenzen.

Aufgrund der genannten Umstände war der Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG deutlich zu erhöhen. Wenn das Arbeitsgericht ihn insoweit verfünffacht hat, hat es damit sein Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist anders als das Verfahren nach § 33 Abs. 9 RVG nicht gebührenfrei. Dies gilt auch im Beschlussverfahren (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.11.2007 - 1 Ta 256/07). Die in § 2 Abs. 2 GKG bestimmte Kostenfreiheit der Gerichtsgebühren des Beschlussverfahrens erfasst nicht das sich anschließende Beschwerdeverfahren wegen des festgesetzten Gegenstandswerts (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.11.2007 - 1 Ta 256/07; LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.2007, NZA-RR 2007, 491; a. A. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16.11.2000, NZA 2001, 1160).

Die Gerichtsgebühr hat die Beschwerdeführerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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