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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 21.07.2008
Aktenzeichen: 1 Ta 116/08
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG, GKG, ArbGG


Vorschriften:

RVG § 23
RVG § 23 Abs. 1
RVG § 23 Abs. 3 Satz 1
RVG § 23 Abs. 3 Satz 2
RVG § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9
BetrVG § 40
BetrVG § 99 Abs. 4
GKG § 2 Abs. 2
GKG § 3 Abs. 2
GKG § 42
GKG § 42 Abs. 3
GKG § 42 Abs. 4 Satz 2
ArbGG § 2 a
ArbGG §§ 80 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.05.2008 - 2 BV 42/07 - wie folgt abgeändert: Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners wird auf 12.738,42 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin zu 3/4. 3. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben. Gründe:

I. Die Beschwerdeführerin begehrt die Festsetzung eines niedrigeren Gegenstandswertes im Zusammenhang mit einem Zustimmungsersetzungsverfahren bezüglich der Eingruppierung eines Arbeitnehmers. Der Antragsgegner und Beteiligte zu 2) ist der bei der Antragstellerin und Beteiligten zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) gebildete Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat). Zum 01.08.2007 führte die Arbeitgeberin das neu erstellte sogenannte Entgeltrahmenabkommen (ERA) für die Metall- und Elektroindustrie im Bereich Rheinland-Rheinhessen ein. In diesem Entgeltrahmenabkommen war u. a. eine völlig neuartige Vergütungsstruktur der Arbeitnehmer vorgesehen, die es in den einzelnen Betrieben umzusetzen galt. Dementsprechend war jeder Arbeitnehmer angesichts der von ihm auszuübenden Tätigkeit in eine der neu geschaffenen Entgeltgruppen des Entgeltrahmenabkommens einzugruppieren. Gegenstand des der Beschwerde zugrunde liegenden Beschlussverfahrens war die von der Arbeitgeberin vorgenommene Eingruppierung des Mitarbeiters K. S. in die Entgeltgruppe E9, welcher der Betriebsrat nicht zustimmte, da er bei diesem Arbeitnehmer eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E11 für angezeigt hielt. In dem von ihr eingeleiteten Beschlussverfahren beantragte die Arbeitgeberin sinngemäß die Ersetzung der versagten Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung des benannten Arbeitnehmers in die Entgeltgruppe E9, hilfsweise Feststellung der Unbeachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat. Das Verfahren endete durch Beschluss (§84 ArbGG) des Arbeitsgerichts vom 16.04.2008. Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht letztlich mit Beschluss vom 30.05.2008 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats auf 15.286,11 EUR festgesetzt. Dabei hat es das 36-fache der Vergütungsdifferenz zwischen den Entgeltgruppen E9 und E11, welche für den Kläger unter Zugrundelegung einer 39-Stunden-Woche monatlich 707,69 EUR beträgt, veranschlagt und hiervon sodann einen Abschlag in Höhe von 40 % vorgenommen. Gegen diesen Beschluss hat die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 16.06.2008 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert auf 4.000,00 EUR herabzusetzen. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an, es handele sich vorliegend um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit, weswegen der in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG genannte Hilfswert in Höhe von 4.000,00 EUR zu veranschlagen sei. Mit Schriftsatz vom 08.07.2008 hat die Beschwerdeführerin hilfsweise sinngemäß beantragt, jedenfalls einen niedrigeren Gegenstandswert als das Arbeitsgericht festzusetzen. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. II. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro und ist auch sonst zulässig. Wegen der Kostentragungspflicht aus § 40 BetrVG ist die Arbeitgeberin auch zur Einlegung der Beschwerde befugt, obgleich der Beschluss des Arbeitsgerichts den Gegenstandswert für die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats betrifft. In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert vorliegend zu hoch festgesetzt. 1. Der Gegenstandswert war gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG zu bestimmen. Nach dieser Norm ist der Gegenstandswert, soweit er sich nicht aus den übrigen Regelungen des § 23 RVG ergibt und auch sonst nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4.000,00 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzunehmen. Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet hier schon deswegen keine Anwendung, weil im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i. V. m. §§ 2 a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG genannten Gebührentatbestände der Kostenordnung finden im Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende Anwendung (vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.07.2007 - 1 Ta 173/07). Der Gegenstandswert steht auch sonst nicht nach anderen Regelungen fest. Bei dem vorliegend gestellten Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG handelt es sich um einen nicht vermögensrechtlichen Streitgegenstand (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.03.2008 - 1 Ta 35/08; Beschluss vom 15.10.2007 - 1 Ta 232/07). Der Antrag beruht auf keiner vermögensrechtlichen Beziehung zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat und ist auch weder auf Geld noch auf Geldeswert gerichtet. Damit ist der Gegenstandswert gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG grundsätzlich mit 4.000,00 EUR, nach Lage des Falls niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzunehmen. Dabei stellt der Wert von 4.000,00 EUR allerdings nach ständiger Rechtsprechung des LAG Rheinland-Pfalz (vgl. die Beschlüsse vom 15.10.2007 - 1 Ta 232/07 - und vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07) keinen Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern einen Hilfswert, auf den nur dann zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind. Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, inwieweit durch das Beschlussverfahren finanzielle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer berührt werden, aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache. Auch ist der objektive Arbeitaufwand des Rechtsanwalts im Einzelfall nicht ganz außer Acht zu lassen (zu alledem LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.03.2008 - 1 Ta 35/08). Nach diesen Grundsätzen war hier nicht auf den Hilfswert von 4.000,00 EUR zurückzugreifen, da vorliegend genügend tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung des Gegenstandswertes gegeben sind. Wird die Ersetzung der Zustimmung zu einer Ein- oder Umgruppierung begehrt, kann insoweit auf die Regelung des § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG zurückgegriffen werden (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.03.2008 - 1 Ta 35/08; LAG Hamm, Beschluss vom 19.10.2006 - 13 Ta 549/06). Danach ist bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrages zur begehrten Vergütung maßgeblich, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistung geringer ist. Dies wären hier die vom Arbeitsgericht zunächst zugrunde gelegten 25.476,84 EUR (36 x 707,69 EUR). Insoweit ist das Arbeitsgericht zutreffend nicht von der Vergütung für die tariflich vorgesehene 35-Stunden-Woche ausgegangen, sondern von der nach diesen Maßgaben zu errechnenden und von dem betroffenen Arbeitnehmer auch tatsächlich erhaltenen Vergütung für die von ihm vertragsgemäß geleistete 39-Stunden-Woche. 2. Der so errechnete Betrag ist jedoch mit einem Abschlag zu versehen (ebenso, wenngleich mit unterschiedlicher Begründung, LAG Köln, Beschluss vom 19.03.2008 - 10 Ta 43/08; LAG Hamm, Beschluss vom 16.07.2007 - 13 Ta 236/07; LAG Hamm, Beschluss vom 22.08.2005 - 10 TaBV 94/05; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.2004 - 17 Ta 445/04). Dieser Abschlag rechtfertigt sich neben der verminderten Rechtskraftwirkung des geführten Beschlussverfahrens vor allem daraus, dass Gegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens allein die betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte und -pflichten des Betriebsrats sind, durch das Verfahren aber keine unmittelbare Rechtsposition des ein- bzw. umzugruppierenden Arbeitnehmers betroffen wird oder gar Rechte des Arbeitnehmers begründet werden. Der Betriebsrat nimmt bei der Frage der Zustimmungserteilung bzw. -verweigerung dabei eine reine Rechtsprüfung der tariflichen Eingruppierung des Arbeitnehmers vor. Die individualrechtliche Stellung des Arbeitnehmers bleibt dagegen unberührt, ein etwaiger Beschluss entfaltet für diesen keinerlei Bindungswirkung. Demgegenüber sind die Regelungen des § 42 Abs. 3 bzw. Abs. 4 Satz 2 GKG auf Fälle individualrechtlicher Klagen zugeschnitten, die unmittelbar eine Rechtsposition begründen und zu einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers führen. Dies ist im Beschlussverfahren nicht der Fall, weswegen der Gegenstandswert hier deutlich niedriger als nach § 42 Abs. 3 bzw. Abs. 4 Satz 2 GKG zu bemessen ist. Obgleich andere Landesarbeitsgerichte einen solchen Abschlag mit 20 % (LAG Köln, Beschluss vom 19.03.2008 - 10 Ta 43/08), mit 25 % (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.2004 - 17 Ta 445/04) oder mit 40 % (LAG Hamm, Beschluss vom 16.07.2007 - 13 Ta 236/07; Beschluss vom 22.08.2005 - 10 TaBV 94/05) bemessen, erscheint dem Beschwerdegericht angesichts der aufgezeigten Unterschiede zwischen Individualklagen von Arbeitnehmern und der gesetzlichen Befugnisse des Betriebsrats bei der Beurteilung der tarifgerechten Eingruppierung die von den genannten Gerichten vorgenommenen Abschläge zu gering zu sein. Vielmehr scheint ein Abschlag in Höhe von 50 % erforderlich und angemessen. Dies entspricht im vorliegenden Fall einem Betrag von 12.738,42 EUR. Hierin liegt auch kein Widerspruch zu den Entscheidungen der erkennenden Kammer vom 15.10.2007 (1 Ta 232/07) und vom 26.03.2008 (1 Ta 35/08), in denen das Beschwerdegericht den dreijährigen Differenzbetrag auf jeweils eineinhalb Monatsgehälter gedeckelt hat. Im ersten Fall ging es um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung und der damit verbundenen Herabgruppierung eines Arbeitnehmers. Dort hat die erkennende Kammer die vorgenommene Deckelung für erforderlich gehalten, da auch für eine einseitige Herabgruppierung durch den Arbeitgeber im Wege der Änderungskündigung der Gegenstandswert auf eineinhalb Bruttomonatsgehälter zu begrenzen gewesen wäre (dazu LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.07.2007 - 1 Ta 179/07). Eine solche Herabgruppierung, die notfalls mittels Änderungskündigung durchgesetzt werden könnte, stand bei dem Streitgegenstand des vorliegenden Beschlussverfahrens zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion. Vielmehr ging es um die Mitbeurteilung des Betriebsrats bei der erstmaligen Eingruppierung des betroffenen Arbeitnehmers in die Strukturen eines völlig neuen Vergütungssystems, welches durch das Entgeltrahmenabkommen geschaffen wurden und in den Betrieb der Arbeitgeberin neu einzuführen war. In der zweiten Entscheidung hat die erkennende Kammer die Deckelungsgrenze von eineinhalb Bruttomonatsgehältern für eine Fallkonstellation bejaht, in der es um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Einstellung und der damit einhergehenden Ersteingruppierung eines Arbeitnehmers ging. Auch die diesbezüglich angestellten Erwägungen lassen sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Zwar geht es auch hier um die erstmalige Eingruppierung eines Arbeitnehmers in ein Vergütungssystem. Der wesentliche Unterschied liegt jedoch darin, dass es sich in dem bereits entschiedenen Fall um einen neu eingestellten Arbeitnehmer und damit um ein rechtlich noch vollkommen ungesichertes Arbeitsverhältnis handelte, wohingegen es vorliegend um ein laufendes, langjährig praktiziertes Arbeitsverhältnis geht, das lediglich einer neuartigen Vergütungsstruktur unterworfen werden soll. Der Arbeitnehmer S. ist seit dem 01.01.1990 bei der Arbeitgeberin beschäftigt gewesen. Wenn in einem solchen Fall Veränderungen bei der Vergütungshöhe streitig werden, erscheint es durchaus gerechtfertigt, wiederkehrende Leistungen im Sinne von § 42 GKG anzunehmen. Demgegenüber ist bei einem neu eingestellten Arbeitnehmer, gerade auch angesichts der üblicherweise vereinbarten Probezeit, ungewiss, wie lange dieser im Betrieb beschäftigt bleiben wird. Sein Arbeitsverhältnis unterliegt noch keinem besonderen Bestandsschutz und hat sich noch nicht soweit rechtlich verfestigt, dass dieser Fall mit einer Konstellation wie der hier vorliegenden vergleichbar wäre. Daher war der Beschluss des Arbeitsgerichts teilweise abzuändern. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist anders als das Verfahren nach § 33 Abs. 9 RVG nicht gebührenfrei. Dies gilt auch im Beschlussverfahren (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.11.2007 - 1 Ta 256/07). Die in § 2 Abs. 2 GKG bestimmte Kostenfreiheit der Gerichtsgebühren des Beschlussverfahrens erfasst nicht das sich anschließende Beschwerdeverfahren wegen des festgesetzten Gegenstandswertes (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.11.2007 - 1 Ta 256/07; LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.2007, NZA-RR 2007, 491; a. A. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16.11.2000, NZA 2001, 1160). Die Gerichtsgebühr hat die Beschwerdeführerin gemäß § 92 Abs. 1 ZPO zu 3/4 zu tragen. Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht gegeben.

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