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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 21.08.2009
Aktenzeichen: 1 Ta 190/09
Rechtsgebiete: RVG, ArbGG, GKG, BGB


Vorschriften:

RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 3 S. 1
RVG § 33 Abs. 3 S. 3
ArbGG § 9 Abs. 5 S. 3
GKG § 42 Abs. 4 S. 1
BGB § 174
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 1 gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 06.07.2009 - 3 Ca 267/09 - wird als unzulässig verworfen. 2. Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2 gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 06.07.2009 - 3 Ca 267/09 - wird zurückgewiesen. 3. Die Kosten des Verfahrens haben die Beschwerdeführerin zu 1 und der Beschwerdeführer zu 2 als Gesamtschuldner zu tragen. 4. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben. Gründe:

I. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren begehrt der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sowohl in ihrem als auch im eigenen Namen die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes. Der Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten seit dem 01.09.2008 mit einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von ca. 3.125,- € im Außendienst beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis hat die Beklagte durch ein von der Assistentin der Geschäftsleitung unterzeichnetes Schreiben vom 17.02.2009 fristlos gekündigt. Der Kläger wies diese Kündigung wegen fehlender Vollmacht der Unterzeichnenden zurück und hat mit Schriftsatz vom 26.02.2009 Kündigungsschutzklage erhoben. Im Klageantrag zu 2 hat er Feststellung des Fehlens anderer Beendigungstatbestände und im Klageantrag zu 3 vertragsgemäße Weiterbeschäftigung begehrt. Mit einer Klageerweiterung vom 05.03.2009 hat er sich außerdem gegen eine mit Schreiben vom 26.02.2009 erfolgte zweite Kündigung gewandt. Die streitgegenständlichen Kündigungen sind wortgleich. Mit Beschluss vom 27.04.2009 hat das Arbeitsgericht Trier das Zustandekommen eines Beendigungsvergleichs festgestellt, der unter anderem die Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Arbeitszeugnisses regelt. Mit Beschluss vom 06.07.2009 hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf 6.250,- € festgesetzt. Dabei hat das Arbeitsgericht sowohl für den Kündigungsschutzantrag als auch für den Weiterbeschäftigungsanspruch jeweils ein Bruttomonatsgehalt angesetzt und die anderen Anträge wertmäßig nicht berücksichtigt. Gegen diesen, der Beklagten ausweislich der Zustellungsurkunde am 10.07.2009 und ihrem Prozessbevollmächtigten am 13.07.2009 zugestellten, Gegenstandsfestsetzungsbeschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 27.07.2009 sowohl im Namen der Beklagten als auch im eigenen Namen Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, der Kündigungsschutzantrag sei bei einer Dauer des streitgegenständlichen Arbeitsverhältnisses von 6 Monaten mit zwei Bruttomonatsgehältern anzusetzen. Gleiches gelte für den Weiterbeschäftigungsanspruch. Hinsichtlich der Klageerweiterung seien ebenfalls zwei, mindestens aber ein weiteres Bruttomonatsgehalt zu berücksichtigen und schließlich sei für die Regelung hinsichtlich des Zeugnisses ein Vergleichsmehrwert von einem Bruttomonatsgehalt festzusetzen. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. II. 1. Wie bereits das Arbeitsgericht in seinem umfangreichen und sorgfältig begründeten Nichtabhilfebeschluss ausgeführt hat, ist die Beschwerde unzulässig, soweit sie im Namen der Beklagten eingelegt worden ist. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 1 ist verfristet. Nach § 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der angegriffenen Entscheidung eingelegt wird.

Nach § 9 Abs. 5 S. 3 ArbGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 04.07.2007 - 1 Ta 146/07). Diesen Anforderungen genügt der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 06.07.2009.

Die Zweiwochenfrist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist von der Beschwerdeführerin zu 1 vorliegend nicht eingehalten worden. Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde ihr ausweislich der Zustellungsurkunde bereits am 10.07.2009 zugestellt. Der Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten ging aber erst am 27.07.2009 und somit deutlich später als zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung beim Arbeitsgericht ein. Damit ist die Beschwerde wegen Versäumens der Frist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG unzulässig.

Im Übrigen ist die Beschwerde der Beklagten auch deswegen unzulässig, weil sie durch den Gegenstandswertsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts nicht beschwert im Sinne des § 33 Abs. 3 RVG ist. Wie jedes Rechtsmittel, so setzt auch die Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG eine Beschwer des Rechtsmittelführers voraus, d. h. dieser muss durch die von ihm angefochtene Entscheidung benachteiligt werden und Ziel seines Rechtsmittels soll es sein, diese Benachteiligung zu beseitigen (vgl. BAG, Urteil v. 10.02.2005, NZA 2005, 597; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 21.11.2008 - 1 Ta 208/08 m. w. N.; Schwab/Weth, ArbGG, 2. Auflage, § 78 Rn. 9 und § 64 Rn. 14 f.). Vorliegend wird mit der Beschwerde von der Partei die Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts begehrt. Ein Erfolg des Rechtsmittels hätte mithin zur Folge, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine höhere Vergütung geltend machen könnte. Mithin belastet die behauptete zu niedrige Gegenstandswertsfestsetzung die Beklagte nicht, sondern begünstigt sie sogar. Damit hat nur der Prozessbevollmächtigte selbst Anlass, eine solche Beschwerde einzulegen. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Beschwerde keine Beseitigung einer sie benachteiligenden Beschwer, so dass ihr Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen war (vgl. Schwab/Weth, a. a. O., § 78 Rn. 9). 2. Die im eigenen Namen geführte Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten (Beschwerdeführer zu 2) ist hingegen zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Auch übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- €, wie § 33 Abs. 3 S. 1 RVG es erfordert. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die im Nichtabhilfebescheid umfassend begründete Gegenstandswertsfestsetzung des Arbeitsgerichts erweist sich in Ergebnis und Begründung als zutreffend. Der Beschwerdeführer zu 2 hat trotz Einräumung einer Stellungnahmefrist im Beschwerdeverfahren keinen neuen Vortrag gehalten. a) Den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 17.02.2009 hat das Arbeitsgericht zu Recht mit einem Bruttomonatsgehalt (3.125,- €) bewertet. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 30.11.1984 - 2 AZN 572/82 (B) - NZA 1985, 369 ff. zu § 12 Abs. 7 ArbGG a.F.) und der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. beispielhaft LAG Rheinland-Pfalz Beschl. v. 22.05.2009 - 1 Ta 105/09; Beschl. v. 03.01.2006 - 7 Ta 243/05; Beschl. v. 18.11.2005 - 6 Ta 253/05) enthält § 42 Abs. 4 S. 1 GKG keinen Regelstreitwert. Der Vierteljahresverdienst ist vielmehr nur die Obergrenze für den vom Gericht nach freiem Ermessen (§ 3 ZPO) festzusetzenden Streitwert. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist in typisierender Betrachtungsweise bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von bis zu sechs Monaten grundsätzlich mit einem Monatsverdienst, bei einem Bestand von 6 bis 12 Monaten grundsätzlich mit zwei Monatsverdiensten und ab einem Bestand von 12 Monaten grundsätzlich mit drei Monatsverdiensten festzusetzen. Maßgeblich ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und nicht etwa der in der Kündigung bestimmte oder im Prozessvergleich festgelegte Endtermin des Arbeitsverhältnisses (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.11.2008 - 1 Ta 206/08). Vorliegend bestand das am 01.09.2008 begründete Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der Kündigung am 17.02.2009 noch keine 6 Monate. Der Gegenstandswert für den Kündigungsschutzantrag war daher auf ein Bruttomonatsgehalt festzusetzen. b) Das Arbeitsgericht hat den Weiterbeschäftigungsantrag zutreffend ebenfalls mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.05.2009 - 1 Ta 105/09; Beschl. v. 20.01.2009 - 1 Ta 1/09) ist die Bewertung mit einem Bruttomonatsgehalt grundsätzlich angemessen und ausreichend, wenn - wie hier - keine besonderen Anhaltspunkte vorliegen, die für eine niedrigere oder höhere Wertfestsetzung sprechen. c) Die Klageerweiterung aus dem Schriftsatz vom 05.03.2009, mit der sich der Kläger gegen die zweite Kündigung vom 26.02.2009 wandte, ist bei der Festsetzung des Gegenstandswertes nicht zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des LAG Rheinland-Pfalz (vgl. instruktiv LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 06.06.2007 - 1 Ta 105/07; Beschl. v. 11.06.2007 - 1 Ta 103/07) gelten bei einem Streit um die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen folgende Grundsätze: Wird die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen, die in einem nahen zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen worden sind, in einem Verfahren angegriffen und liegt ihnen ein identischer Kündigungssachverhalt zugrunde, dann ist die erste Kündigung abhängig von der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses mit bis zu drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten, während jede weitere Kündigung sich nicht gegenstandswerterhöhend auswirkt. Hierunter fallen auch solche Fälle, in denen auf eine Kündigung in nahem zeitlichen Zusammenhang zur Heilung möglicher Unwirksamkeitsgründe eine weitere Kündigung mit identischem Kündigungssachverhalt folgt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.06.2007 - 1 Ta 103/07). Nur wenn die angegriffenen Kündigungen keinen unmittelbaren Bezug zueinander haben, ist die zeitlich erste Kündigung abhängig von der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses mit bis zu drei Bruttomonatsverdiensten und jede weitere Kündigung mit dem auf ein Bruttomonatsgehalt gedeckelten Betrag zu bewerten, der dem durchschnittlichen Verdienst entspricht, den der Arbeitnehmer bei Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes aufgrund der weiteren Kündigung mehr bzw. bei Vorschieben des Beendigungszeitpunkts durch diese weniger verdienen würde (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.06.2207 - 1 Ta 103/07).

Vorliegend wollte die Beklagte mit der Kündigung vom 26.02.2006 auf die vom Klägervertreter gegenüber der ersten Kündigung ausgesprochene Zurückweisung gem. § 174 BGB reagieren. Beide Kündigungen sind wortgleich und unterscheiden sich lediglich im Datum und der Person des Unterzeichners. Ein geänderter Kündigungssachverhalt wurde weder im Kündigungsschutzprozess noch im Beschwerdeverfahren vorgetragen. Mithin wirkt sich die Kündigung vom 26.02.2009 nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht streitwerterhöhend aus. d) Dem Arbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass ein Vergleichsmehrwert nicht anzuerkennen war. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts setzt die Veranschlagung eines Vergleichsmehrwerts zwar nicht notwendigerweise einen gerichtlichen Streit der Parteien über den entsprechenden Punkt im vorherigen Verfahren voraus; sie kommt aber gem. Nr. 1000 Abs. 1 der VV-RVG dennoch nur dann in Betracht, wenn durch die vergleichsweise Regelung ein Streit oder eine Ungewissheit der Parteien hinsichtlich des jeweiligen Regelungsgegenstandes beseitigt wird (vgl. beispielhaft LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 06.05.2008 - 1 Ta 66/08; ferner LAG Düsseldorf, Beschl. v. 08.05.2007 - 6 Ta 99/07; LAG Hamm, Beschl. v. 17.04.2007 - 6 Ta 145/07). Vorliegend hat der Beschwerdeführer zu 2 trotz entsprechender Ausführungen des Arbeitsgerichts im Nichtabhilfebeschluss weder das Eine noch das Andere dargelegt. Auch aus dem sonstigen Inhalt der Gerichtsakte ergibt sich nicht, dass zwischen den Parteien zu irgendeinem Zeitpunkt Streit oder Ungewissheit über die Erstellung eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses bestanden hätte. Nach alldem war die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen. 3. Die Gerichtsgebühr haben die Beschwerdeführer zu 1 und zu 2 als Gesamtschuldner gemäß den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO zu tragen. Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist gem. § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.

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