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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 21.10.2009
Aktenzeichen: 1 Ta 241/09
Rechtsgebiete: RVG, GKG, KSchG, GewO


Vorschriften:

RVG § 2 Abs. 2
RVG § 33 Abs. 3
GKG § 42 Abs. 4 S. 1
KSchG § 4
GewO § 109
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.9.2009 - 8 Ca 1651/09 - wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen. 2. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben. Gründe:

I. Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes seiner anwaltlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit einem im Jahr 2009 vor dem Arbeitsgericht Mainz geführten Verfahren. Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1.10.2005 als Verkaufshelfer zu einem durchschnittlichen Bruttoverdienst von zuletzt 900,- € beschäftigt. Mit seiner Klage vom 20.7.2009 hat sich der Kläger gegen eine außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.7.2009 gewendet und zusätzlich einen allgemeinen Feststellungsantrag auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gestellt. Nachdem die Beklagte am 23.7.2009 eine weitere, ordentliche Kündigung, die auf den gleichen Sachverhalt gestützt wurde, zum 31.8.2009 ausgesprochen hat, erweiterte der Kläger seine Klage entsprechend und griff auch diese weitere Kündigung an. Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht endete am 20.8.2009 durch Vergleich. Neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.7.2009 protokollierten die Parteien im Vergleich unter anderem die umgehende Erteilung eines wohlwollenden Zeugnisses, welches über Führung und Leistung Aufschluss gibt, durch die Beklagte an den Kläger. Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 22.9.2009 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf 2.700,- € und für den Vergleich auf 3.711,21 € festgesetzt.

Es hat dabei den allgemeinen Feststellungsantrag und die weitere Kündigung vom 23.7.2009 nicht werterhöhend berücksichtigt. Einen Mehrwert für die Aufnahme des Zeugnisses hat das Arbeitsgericht im Rahmen der Festsetzung des Gegenstandswertes für den Vergleich nicht angenommen. Gegen diesen, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 30.9.2009 zugestellten, Beschluss hat dieser mit Schriftsatz vom 8.10.2009, Eingang beim Arbeitsgericht Mainz am 12.10.2009, Beschwerde eingelegt, mit dem Ziel, den Gegenstandswert für das Verfahren aufgrund des allgemeinen Feststellungsantrages auf 3.600,- € und für die Regelung des Zeugnisses einen Vergleichsmehrwert festzusetzen. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. II. 1. Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführer ist gegeben. Eine (hinreichende) Beschwer setzt eine Abweichung zwischen der angegriffenen Entscheidung und dem ursprünglichen Begehr des Antragsstellers voraus (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 07.07.2006 - 3 Ta 114/06). Da der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Festlegung des Vergleichsmehrwertes bzgl. des Zeugnisses nicht beziffert war, ist dieser dahingehend auszulegen, dass der übliche Gegenstandswert bei einem Streit über ein qualifiziertes Zeugnis begehrt wird. Durch die Nichtberücksichtigung des entsprechende Wertes im Rahmen der Festlegung des Gegenstandswertes für den Vergleich ist der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beschwert. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt auch 200,- €. 2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit sowohl für das Verfahren als auch für den Vergleich zutreffend festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat den ersten Kündigungsschutzantrag vom 20.7.2009 zu Recht mit drei Bruttomonatsverdiensten, also 2.700,- € bewertet.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 30.11.1984 - 2 AZN 572/82 (B) - NZA 1985, 369 ff. zu § 12 Abs. 7 ArbGG a.F.) und der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Beschwerdekammer (vgl. mit weiteren Nachweisen LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06.06.2007 - 1 Ta 105/07) enthält § 42 Abs. 4 S. 1 GKG keinen Regelstreitwert. Der Vierteljahresverdienst ist vielmehr nur die Obergrenze für den vom Gericht nach freiem Ermessen (§ 3 ZPO) festzusetzenden Streitwert. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist in typisierender Betrachtungsweise bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von bis zu sechs Monaten grundsätzlich auf einen Monatsverdienst, bei einem Bestand von sechs bis 12 Monaten grundsätzlich auf zwei Monatsverdienste und bei einem Bestand ab 12 Monaten grundsätzlich auf drei Monatsverdienste festzusetzen. Im vorliegenden Fall bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 1.10.2005 und damit im Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung vom 17.7.2009 beinahe vier Jahre lang. Der Gegenstandswert dieser Kündigung ist daher vorliegend mit drei Bruttomonatsverdiensten festzusetzen. Die Klageerweiterung aus dem Schriftsatz vom 30.7.2009, mit der sich der Kläger gegen die zweite Kündigung vom 23.7.2009 wandte, ist bei der Festsetzung des Gegenstandswertes nicht zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. instruktiv LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 06.06.2007 - 1 Ta 105/07; Beschl. v. 11.06.2007 - 1 Ta 103/07) gelten bei einem Streit um die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen folgende Grundsätze: Wird die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen, die in einem nahen zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen worden sind, in einem Verfahren angegriffen und liegt ihnen ein identischer Kündigungssachverhalt zugrunde, dann ist die erste Kündigung abhängig von der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses mit bis zu drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten, während jede weitere Kündigung sich nicht gegenstandswerterhöhend auswirkt. Hierunter fallen auch solche Fälle, in denen auf eine Kündigung im nahen zeitlichen Zusammenhang zur Heilung möglicher Unwirksamkeitsgründe eine weitere Kündigung mit identischem Kündigungssachverhalt folgt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.06.2007 - 1 Ta 103/07). Nur wenn die angegriffenen Kündigungen keinen unmittelbaren Bezug zueinander haben, ist die zeitlich erste Kündigung abhängig von der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses mit bis zu drei Bruttomonatsverdiensten und jede weitere Kündigung mit dem auf ein Bruttomonatsgehalt gedeckelten Betrag zu bewerten, der dem durchschnittlichen Verdienst entspricht, den der Arbeitnehmer bei Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes aufgrund der weiteren Kündigung mehr bzw. bei Vorschieben des Beendigungszeitpunkts durch diese weniger verdienen würde (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.06.2207 - 1 Ta 103/07).

Vorliegend wurde die ordentliche Kündigung nur 6 Tage nach der außerordentlichen Kündigung mit fast gleichem Wortlaut ausgesprochen. Einen geänderten Kündigungssachverhalt hat die Beklagte weder im Kündigungsschutzprozess noch im Beschwerdeverfahren vorgetragen. Mithin wirkt sich die Kündigung vom 23.7.2009 nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht streitwerterhöhend aus. Auch die allgemeine Feststellungsklage war vorliegend nicht gegenstandswerterhöhend.

Nach der Rechtsprechung der für Gegenstandswertbeschwerden zuständigen Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06.06.2007 - 1 Ta 105/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.06.2007 - 1 Ta 156/07) ist der neben dem Kündigungsschutzantrag gestellte allgemeine Feststellungsantrag dann nicht gegenstandswerterhöhend, wenn die Parteien im Prozess keinen Streit über einen konkreten weiteren Beendigungstatbestand geführt haben (vgl. Schwab, NZA 1998, 342, 346). Zwar hat die Beklagte im vorliegenden Fall mit Schreiben vom 23.7.2009 eine weitere Kündigung ausgesprochen. Gegen diese hat sich der Kläger jedoch eigenständig mit seiner Klageerweiterung vom 30.7.2009 mittels eines Antrags nach § 4 KSchG gewandt, so dass der allgemeine Feststellungsantrag diese weitere Kündigung nicht erfassen konnte. Weitere konkrete Beendigungstatbestände standen nicht im Raum. Die im Vergleich vereinbarte Regelung über die Erteilung eines wohlwollenden Zeugnisses, welches über Führung und Leistung Aufschluss gibt, war ebenfalls nicht gegenstandswerterhöhend.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 81/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.06.2007 - 1 Ta 135/07) ist der Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses in typisierender Betrachtungsweise grundsätzlich mit einem Bruttomonatsverdienst festzusetzen.

Nach Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG entsteht die Einigungsgebühr "für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht". Voraussetzung für die Erhöhung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit durch eine in einem "Vergleich" getroffene Regelung ist demnach zunächst, dass durch diese Regelung der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (vgl. mit weiteren Nachweisen LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6.8.2007 - 1 Ta 181/07).

Im vorliegenden Fall bestand zwischen den Parteien, was sich aus den Gründen der Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts vom 13.10.2009, denen der Beschwerdeführer nicht widersprochen hat, ergibt, kein Streit über den Zeugnisanspruch der Klägerin. Der Zeugnisanspruch war - soweit ersichtlich - weder gerichtlich noch außergerichtlich bestritten worden noch befand sich die Beklagte im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs mit der Erstellung eines Zeugnisses in Verzug. Der Zeugnisanspruch wurde nur anlässlich der gerichtlichen Auseinandersetzung schlicht mitgeregelt.

Über das Bestehen bzw. die Erfüllung des Zeugnisanspruchs bestand - soweit ersichtlich - auch keine Ungewissheit. Mit der vorliegenden Formulierung wurde nur der gesetzlich gemäß § 109 GewO ohnehin bestehende Zeugnisanspruch auch im Vergleich festgeschrieben. Der Zeugnisanspruch wurde damit lediglich um eine weitere Anspruchsgrundlage erweitert, ohne dass irgend eine substanzielle "Verbesserung" gegenüber der Gesetzeslage im Vergleich vereinbart wurde. Da die Parteien im Vergleich keine Regelungen über den Zeugnisinhalt getroffen haben, würde dem Kläger auch eine Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich nicht weiter helfen, falls sich die Parteien im Anschluss über den Inhalt des Zeugnisses nicht einig werden. In diesem Fall müsste der Arbeitnehmer die gewünschte Zeugniserteilung ohnehin neu einklagen. Ein sogenanntes "Titulierungsinteresse" kann daher bei der Aufnahme der bloßen Verpflichtung zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht angenommen werden (anders LAG Hessen, Beschluss vom 23.4.1999 - 15/6 Ta 426/98 in NZA-RR 1999, 382 ff., LAG Düsseldorf, Beschluss vom 29.8.2005 - 17 Ta 499/05, zitiert nach juris; Krönig in Düwell/Lipke, ArbGG, § 12 Rn 59, Wenzel in GK-ArbGG, § 12 Rn 330 f.). Jedenfalls lässt der Wortlaut der jetzigen gesetzlichen Regelung von Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG die Berücksichtigung eines bloßen Titulierungsinteresses nicht zu. Wird durch den Vergleich ein Streit oder eine Ungewissheit der Parteien über den Zeugnisanspruch tatsächlich beseitigt, dann ist zudem der volle - und nicht lediglich ein auf das "Titulierungsinteresse" reduzierter - Streitwert anzusetzen. In allen anderen Fällen, insbesondere bei solchen Regelungen, die nur zur Abrundung des Vergleichs aufgenommen werden und über die nachweislich kein Streit oder eine Ungewissheit der Parteien bestand, rechtfertigt der Wortlaut von Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG keine Streitwerterhöhung. Ausreichend wäre schon die Beseitigung eines möglichen oder künftigen Streits oder einer entsprechenden Unsicherheit. Dafür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Auch Sinn und Zweck des arbeitsrechtlichen Verfahrens zur "Beseitigung" arbeitsrechtlicher Streitpunkte lässt keine erweiternde Auslegung der Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses zu. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.

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