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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 24.04.2007
Aktenzeichen: 1 Ta 50/07
Rechtsgebiete: RVG, GKG, ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

RVG § 23
RVG § 23 Abs. 1
RVG § 23 Abs. 3 S. 1
RVG § 23 Abs. 3 S. 2
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9 S. 1
RVG § 33 Abs. 9 S. 2
GKG § 2 Abs. 2
GKG § 3 Abs. 2
GKG § 42 Abs. 4 S. 2
GKG § 66 Abs. 8
GKG § 68 Abs. 3
ArbGG § 2a
ArbGG §§ 80 ff.
BetrVG § 80 Abs. 2 S. 2
BetrVG § 99
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 1 Ta 50/07

Entscheidung vom 24.04.2007

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 12.02.2007 - 8 BV 27/06 - wie folgt teilweise abgeändert:

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates wird auf 12.000,00 Euro festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 5/6 zu tragen.

4. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer begehren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes.

Der Beteiligte zu 1, der Betriebsrat der Beteiligten zu 2 (im Folgenden Arbeitgeberin), hat das vorliegende Beschlussverfahren mit Antrag vom 29.09.2006 eingeleitet und darin zuletzt beantragt, der Antragsgegnerin aufzugeben,

(1.a.) die Arbeitnehmer im Betrieb der Q. Residenz C-Stadt gemäß dem Manteltarifvertrag vom 24.09.2004 zwischen der Q. und C. für Senioreneinrichtungen AG und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) entsprechend der Anlage B zum Manteltarifvertrag vom 24.09.2004 einzugruppieren,

(1.b.) hilfsweise die Arbeitnehmer im Betrieb der Q. Residenz C-Stadt mit Ausnahme der Residenzleitung, der Assistenten der Geschäftsleitung, der Pflegedienstleitungen sowie sonstigen leitenden Angestellten und Schülerinnen der Altenpflege gemäß dem Manteltarifvertrag vom 24.09.2004 zwischen der Q. und C. für Senioreneinrichtungen AG und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) entsprechend der Anlage B zum Manteltarifvertrag vom 24.09.2004 einzugruppieren,

(1.c.) äußerst hilfsweise die Arbeitnehmer im Betrieb der Q. Residenz C-Stadt mit Ausnahme der Residenzleitung, der Assistenten der Geschäftsleitung, der Pflegedienstleitungen sowie sonstigen leitenden Angestellten und Schülerinnen der Altenpflege gemäß dem Manteltarifvertrag vom 24.09.2004 zwischen der Q. und C. für Senioreneinrichtungen AG und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) entsprechend der Anlage B zum Manteltarifvertrag vom 24.09.2004 einzugruppieren,

(2.) die Zustimmung des Betriebsrates zu den Eingruppierungen dieser Arbeitnehmer zu beantragen,

(3.) im Falle der Zustimmungsverweigerung durch ihn die Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen,

(4.) den Arbeitnehmern die entsprechende Eingruppierung verbindlich mitzuteilen. (6.a.) die Arbeitsverträge aller Arbeitnehmer der Residenz C-Stadt vorzulegen und die jeweilige gegenwärtige Eingruppierung mitzuteilen und

(6.b.) hilfsweise eine Liste aller Arbeitnehmer der Residenz C-Stadt nebst gegenwärtiger Eingruppierung vorzulegen und mitzuteilen, auf welcher Grundlage die Eingruppierung erfolgt ist.

Des Weiteren begehrte der Betriebsrat, (5.) der Arbeitgeberin für jeden Tag der Zuwiderhandlung gegen die Ziffern 1. bis 4. ein Zwangsgeld bis zu 250,00 Euro anzudrohen sowie (7.) der Arbeitgeberin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung ein Zwangsgeld für den Einzelfall bis zu 25.000,00 Euro anzudrohen.

Das erstinstanzliche Hauptsacheverfahren endete mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 15.01.2007, gegen den sowohl der Betriebsrat als auch die Arbeitgeberin Beschwerde eingelegt haben.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 12.02.2007 den Gegenstandswert ihrer anwaltlichen Tätigkeit auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Gegen diesen haben die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats mit Schriftsatz vom 16.02.2007 (Blatt 223 d.A.) Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert auf 200.000,00 Euro festzusetzen, da nach ihrer Auffassung der Hilfswert von 4.000,00 Euro für jeden der rund 50 betroffenen Arbeitnehmer festzusetzen sei. Es sei allenfalls ein angemessener Abschlag vorzunehmen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts habe der Betriebsrat kein wirtschaftliches Interesse an den verfolgten Anträgen. Er begehre - vereinfacht ausgesprochen - lediglich, dass im Haus der Tarifvertrag angewendet werde. Der Antrag beziehe sich gerade nicht auf einzelne Mitarbeiter. Zudem sei nicht ersichtlich, wie viele Arbeitnehmer einzugruppieren wären und ob sich an deren Vergütung etwas ändern würde.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro und ist somit zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch nur zu einem geringen Teil begründet. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit ist auf 12.000,00 Euro festzusetzen.

Nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG ist der Gegenstandswert soweit er sich nicht aus den übrigen Regelungen das § 23 RVG ergibt und auch sonst nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4.000,00 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 Euro anzunehmen.

Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet vorliegend schon deshalb keine Anwendung, weil im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i.V.m. §§ 2a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 S.1 RVG genannten Gebührentatbestände der Kostenordnung finden im Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende Anwendung (vgl. Steffen, AR-Blattei SD, Arbeitsgerichtsbarkeit XIII A, 160.13.1, Rn. 14). Der Gegenstandswert steht auch sonst nicht fest. Die Bestimmung des Gegenstandswertes richtet sich daher nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen nichtvermögensrechtlichen Streitgegenstand. Von einem solchen ist dann auszugehen, wenn der im Verfahren erhobene Anspruch auf keiner vermögensrechtlichen Beziehung beruht bzw. nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet ist (vgl. Steffen, AR-Blattei SD, Arbeitsgerichtsbarkeit XIII A, 160.13.1, Rn. 199). Dabei kommt nach ständiger Rechtsprechung des Beschwerdegerichts eine Wertfestsetzung nach billigem Ermessen erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. In den Fällen, in denen ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es auch im Beschlussverfahren in erster Linie auf die Feststellung dieses Wertes an (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 01.02.2006 - 10 TaBV 193/05; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.08.2005 - 6 Ta 199/05; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07). Vorliegend hat der Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 S.2 BetrVG Auskunft über die bisherige Eingruppierung mehrerer Arbeitnehmer und des Weiteren die Einleitung eines Eingruppierungsverfahrens nach § 99 BetrVG sowie damit verbunden die Eingruppierung der vom neuen Tarifvertrag erfassten Arbeitnehmer gefordert. Diese Anträge beruhen nicht auf einer vermögensrechtlichen Beziehung und sind auch nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet. Sie sind auch nicht unmittelbar von dem konkret zu zahlenden Gehalt bzw. der Gehaltsdifferenz der vermeintlich zur Eingruppierung anstehenden Mitarbeiter abhängig. Selbst wenn man die geltend gemachten Anträge als vermögensrechtlich ansehen wollte, weil die wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer an einer Höhergruppierung betroffen sind, und auf den dreijährigen Unterschiedsbetrag des § 42 Abs. 4 S. 2 GKG in direkter bzw. analoger Anwendung abstellen wollte (vgl. dazu Meier, Streitwerte im Arbeitsrecht, 2000, Rn. 394 ff. mit weiteren Nachweisen), ist vorliegend nicht einmal eine Schätzung möglich. Der Beschwerdeführer trägt zwar vor, es seien ca. 50 Arbeitnehmer neu einzugruppieren. Es ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich und somit - wie das Arbeitsgericht zu Recht konstatiert - völlig offen, ob sich das Entgelt der betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich verändert. Der dreijährige Unterschiedsbetrag, auf den § 42 Abs. 4 S. 2 GKG abstellt, lässt sich daher nicht einmal schätzen. Der Gegenstandswert ist somit nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG mit 4.000,00 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 Euro anzunehmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.05.2006 - 2 Ta 79/06; vgl. auch Arbeitsrechtslexikon/Schwab: Streitwertgegenstandswert II 3) stellt der Wert von 4.000,00 Euro dabei keinen Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern einen Hilfswert, auf den nur zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind. Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, inwieweit durch das Beschlussverfahren finanzielle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer berührt werden, aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache. Unter Umständen ist auch der objektive Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts im Einzelfall nicht ganz außer Acht zu lassen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze erscheint vorliegend eine Festsetzung des Gegenstandswertes auf 12.000,00 Euro als angemessen. Für eine Erhöhung des Hilfswertes auf 12.000,00 Euro spricht vorliegend vor allem die Anzahl der vermeintlich betroffenen Mitarbeiter sowie die verschiedenen Anträge des Betriebsrates und der mit diesen verbundene Arbeitsaufwand aller Beteiligten. In dem vorliegenden Beschlussverfahren soll nicht nur geklärt werden, ob ein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis von einem oder einigen wenigen Arbeitnehmern im Betrieb Anwendung findet, sondern ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, die individuell geregelten Arbeitsbedingungen von rund 50 Arbeitnehmern durch tarifliche Regelungen zu ersetzen. Da sich die Arbeitgeberin dagegen zur Wehr setzt, ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass diese Frage für sie von besonderer Bedeutung ist, was sich auch auf den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auswirkt. Auf das wirtschaftliche Interesse aller 50 Arbeitnehmer, die vermeintlich neu einzugruppieren wären, konnte entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht abgestellt werden, da es vorliegend nicht um deren Individualansprüche, sondern um kollektive Rechte des Betriebsrats geht. Auch lässt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht auf den 50fachen Hilfswert abstellen, berücksichtigt dies doch nicht, dass die zu klärenden Rechtsfragen unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer sind und es dem Betriebsrat "lediglich" um die Anwendung des Tarifvertrags geht und dies in nur einem Beschlussverfahren zu klären ist.

Die Gerichtsgebühr für das vorliegende Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 von Teil 8 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG wird anders als das Verfahren über den Antrag von § 33 Abs. 9 S. 1 und S. 2 RVG nicht gebührenfrei gestellt (vgl. auch LAG Hamburg, Beschluss vom 30.06.2005 - 8 Ta 5/05 - juris, mit weiteren Nachweisen). Auch § 68 Abs. 3 GKG und § 66 Abs. 8 GKG finden vorliegend keine Anwendung. Es fallen somit grundsätzlich Gerichtsgebühren an (vgl. Schwab, in: Arbeitsrechtslexikon, Streitwert/Gegenstandswert, S. 6; Natter, NZA 2004, S. 689; Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage 2006, § 33 RVG Rn. 26). Dies gilt auch im Beschlussverfahren(vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07; a.A. noch LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 01.08.2006 - 2 Ta 128/06). Die in § 2 Abs. 2 GKG bestimmte Kostenfreiheit der Gerichtsgebühren des Beschlussverfahrens erfasst nicht das anschließende Gegenstandswertbeschwerdeverfahren des § 33 Abs. 3 RVG (so auch LAG Köln, Beschluss vom 31.03.2000 - 10 Ta 50/00 MDR 2000, 1256; a.A. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16.11.2000 - 1 Ta 67/00 - NZA 2001, 1160). In diesem Beschwerdeverfahren werden gerade keine betriebsverfassungsrechtlichen Ansprüche, sondern eigenständige finanzielle Ansprüche der Verfahrensbevollmächtigten geltend gemacht, die ihren Ursprung allein im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz haben und nicht in den Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens wurzeln.

Da die Beschwerde bezogen auf die Anwaltsgebühren nur zu ca. einem Sechstel erfolgreich war, haben die Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 5/6 zu tragen.

Ende der Entscheidung

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