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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: 10 Sa 1169/03
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 314
ArbGG § 67
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 1169/03

Verkündet am: 21.01.2004

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 03.07.2003, AZ: 7 Ca 805/03, wie folgt abgeändert:

1. Das Versäumnisurteil vom 17.02.2003 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten im Termin am 17.02.2003 entstandenen Kosten, die dem Beklagten auferlegt werden.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen.

Der Beklagte war bei der Fa. A als Versicherungsvermittler beschäftigt. Darüber hinaus schloss er - unter Vermittlung des Geschäftsführers der Fa. A - unter dem Datum vom 29.09.2000/12.10.2000 mit der Klägerin einen Vertrag, nach dessen Inhalt er ab dem 01.10.2000 auch für die Klägerin als Versicherungsvertreter tätig sein sollte. Wegen der Einzelheiten dieses Vertrags wird auf die von der Klägerin zur Akte gereichte Kopie der Vertragsurkunde (Bl. 13 bis 16 d. A.) verwiesen. Zum Abschluss dieses Vertrages kam es, nachdem der Beklagte der Klägerin über die Firma A GmbH bzw. deren Geschäftsführer einen Bewerbungsbogen zugesandt hatte. Auf Blatt 1 dieses Bewerbungsbogens (Bl. 82 d. A.), welches nach Behauptung des Beklagten vom Geschäftsführer der Firma A GmbH ausgefüllt wurde, ist eine Bankverbindung angegeben, welche nicht dem Beklagten sondern vielmehr der Fa. A zuzuordnen ist.

Die Klägerin überwies nach ihrer Behauptung auf das im Bewerbungsbogen angegebene Konto der Fa. A u. a. zwei für den Beklagten bestimmte Vorschusszahlungen in Höhe von jeweils 3.600,- DM. Die Fa. A hat diese Beträge unstreitig nicht an den Beklagten weitergeleitet.

Der Beklagte hat während des zweimonatigen Bestehens des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin für diese keine Verträge vermittelt.

Die Klägerin begehrt nunmehr vom Beklagten im Hinblick auf die oben genannten Vorschusszahlungen die Rückzahlung von 1.219,43 €.

Mit Versäumnisurteil vom 17.02.2003 hat das Arbeitsgericht M den im Gütetermin nicht erschienenen Beklagten zur Zahlung von 1.219,43 € nebst Zinsen verurteilt. Gegen dieses, ihm am 27.02.2003 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte am 28.02.2003 Einspruch eingelegt. Das Arbeitsgericht M hat sich sodann mit Beschluss vom 29.04.2003 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Kaiserslautern verwiesen.

Mit Urteil vom 03.07.2003 hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil vom 17.02.2003 aufrechterhalten. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 9 dieses Urteils (= Bl. 100 bis 104 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihm 14.08.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 10.09.2003 Berufung beim Landesarbeitsgericht Rheinland - Pfalz eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 13.10.2003 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Der Beklagte bestreitet in seiner Berufungsbegründung, dass die Klägerin überhaupt Vorschusszahlungen in der behaupteten Höhe vorgenommen hat. Darüber hinaus trägt der Beklagte im Wesentlichen vor, die Klage sei bereits deshalb unbegründet, weil etwaige Zahlungen ausschließlich der Fa. A , einem Koorporationspartner der Klägerin, zugeflossen seien. Er selbst habe mit der Klägerin weder bei Vertragsanbahnung, noch bei Vertragsabschluss, noch in der Folgezeit bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses einen direkten Kontakt gehabt. Ausschließlicher Ansprechpartner in dieser Angelegenheit sei für ihn die Fa. A gewesen, die ihre eigene Kontonummer auf dem Bewerbungsbogen eingetragen und ihm die Vertragsausfertigung zur Unterschriftsleistung vorgelegt habe. Die unter Ziffer 9 des Vertrages genannten Anlagen "Provisionsvorschuss" und "Starthilfe" seien ihm bei Vertragsunterzeichnung nicht vorgelegt worden. Von etwaigen Zahlungen der Klägerin, welche dem Konto der Fa. A zugeflossen seien, habe er keinerlei Kenntnis erlangt. Ebenso wenig seien ihm jemals irgendwelche Abrechnungen bzw. Kontoauszüge betreffend das Vertragsverhältnis mit der Klägerin vorgelegt worden.

Der Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 17.02.2003 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, es sei dem Beklagten verwehrt, nunmehr im Berufungsverfahren zu bestreiten, dass sie - die Klägerin - auf das Konto der Fa. A zwei Vorschusszahlungen in Höhe von jeweils 3.600,- DM überwiesen habe. Dieses Bestreiten widerspreche nämlich dem vom Arbeitsgericht im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils festgestellten Sachverhalt. Insoweit findet die Vorschrift des § 314 ZPO Anwendung. Ebenso wenig könne der Beklagte bestreiten, dass er die in Ziffer 9 des Vertrages bezeichneten Anlagen erhalten habe, da er deren Erhalt durch Vertragsunterzeichnung bestätigt habe. Die vertraglichen und sonstigen Absprachen zwischen dem Beklagten und der Fa. A seien vorliegend ohne Belang. Ihr - der Klägerin - sei lediglich bekannt gewesen, dass der Beklagte von dieser Firma betreut worden sei.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die von den Parteien im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

II.

Der Beklagte hat gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts M vom 17.02.2003 form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Dieser Einspruch führt vorliegend unter Abänderung des mit der Berufung angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage bei gleichzeitiger Aufhebung des Versäumnisurteils vom 17.02.2003.

Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung von Vorschüssen.

1.

Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) scheitert im Streitfall bereits daran, dass der Beklagte durch etwaige Zahlungen der Klägerin auf das Konto der Fa. A nicht bereichert ist. Die betreffenden Beträge wurden unstreitig nicht an den Beklagten weitergeleitet und sind somit dessen Vermögen nicht zugeflossen. Ein auf Zahlung gerichteter Bereichungsanspruch gegen den Beklagten ist daher nicht entstanden. Soweit der Beklagte durch die behaupteten Zahlungsvorgänge seinerseits Ansprüche gegen die Fa. A erworben hat, so besteht zu Gunsten der Klägerin allenfalls ein Anspruch gegen den Beklagten auf Abtretung dieser Forderungen.

2.

Auch ein vertraglicher Anspruch auf Rückzahlung des mit der Klage geltend gemachten Betrages besteht nicht.

Dabei kann offen bleiben, ob die Überweisung von Geldbeträgen auf ein im Bewerbungsbogen angegebenes Konto der Fa. A geeignet war, Ansprüche des Beklagten auf Zahlung von Vorschüssen zu erfüllen und damit zugleich etwaige Rückforderungsansprüche auszulösen. Ebenso kann offen bleiben, ob zwischen den Parteien überhaupt eine vertragliche Vereinbarung über die Zahlung monatlicher Provisionsvorschüsse in Höhe von jeweils 3.600,- DM zustande gekommen ist. Diesbezügliche Zweifel ergeben sich aus dem Umstand, dass weder das vom Beklagten unterzeichnete Vertragsformular noch die ihm unstreitig bei Vertragsschluss übergebenen "allgemeinen Bestimmungen" (Bl. 17 bis 18 R d. A.) irgendwelche Vereinbarungen über die Gewährung eines solchen Provisionsvorschusses und dessen Rückzahlung beinhalten. Regelungen über eine monatliche Vorschusszahlung in Höhe von 3.600,- DM finden sich lediglich in der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2004 vorgelegten Anlage zum Vertrag mit dem Titel "Provisionsvorschuss" (Bl. 156 d. A.). Einer wirksamen vertraglichen Inbezugnahme der dort enthaltenen Regelungen könnte u. U. entgegenstehen, dass - unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beklagten - die betreffende Anlage den Vertragstext nicht beigefügt war und dem Beklagten auch nicht im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss von Seiten der Fa. A vorgelegt wurde. Insoweit bestehen auch Bedenken, ob der unter Ziffer 9 des Vertrages als wesentlicher Vertragsbestandteil genannte "Provisionsvorschuss" eine hinreichend konkrete Bezeichnung der betreffenden Anlage darstellt, was zu einer wirksamen vertraglichen Inbezugnahme der betreffenden Anlage führen könnte.

All dies bedarf im Streitfall jedoch keiner weiteren Überprüfung, da die Klägerin nicht unter Beweis gestellt hat, dass sie die von ihr behaupteten Zahlungen auf das Konto der Fa. A , die unter u. U. einen Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten auslösen könnten, überhaupt erbracht hat. Der Beklagte hat in seiner Berufungsbegründung die Vornahme diesbezüglicher Überweisungen ausdrücklich bestritten. Dieses Bestreiten ist auch prozessual zulässig. Entgegen der Ansicht der Klägerin steht dem nicht § 314 ZPO, wonach der Tatbestand eines Urteils Beweis für das mündliche Parteivorbringen liefert, entgegen. Die prozessuale Befugnis einer Partei, ihren Sachvortrag in der Rechtsmittelinstanz zu ändern, zu ergänzen und neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorzubringen, wird durch diese Vorschrift in keiner Weise eingeschränkt. Die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel beurteilt sich im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren nach § 67 ArbGG. Bei Anwendung der in dieser Norm enthaltenen Vorschriften war das Bestreiten der seitens der Klägerin behaupteten Zahlungsvorgänge durch den Beklagten in seiner Berufungsbegründung als Verteidigungsmittel zuzulassen. Dies ergibt sich im Streitfall bereits daraus, dass die Zulassung dieses Verteidigungsmittels die Erledigung des Rechtsstreits letztlich nicht verzögern konnte. Eine Verzögerung wäre allenfalls dann eingetreten, wenn die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung Beweis angeboten hätte und dadurch im Hinblick auf eine etwa durchzuführende Beweisaufnahme eine Vertagung des Rechtsstreits notwendig geworden wäre. Ein diesbezügliches Beweisangebot ist jedoch - auch in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2004 nach gerichtlichem Hinweis auf die Zulässigkeit des Bestreitens der betreffenden Zahlungsvorgänge - nicht erfolgt. Die von der Klägerin erstinstanzlich vorgelegten Abrechnungen (Bl. 20 bis 23 R d. A.) sind nicht geeignet, die behaupteten Zahlungen zu beweisen. Dies gilt auch für die (erstinstanzlich) unter Beweis gestellte Behauptung, "sämtliche sich aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Vertragsverhältnis ergebenden Zahlungen und Gutschriften" seien auf das Konto der A vorgenommen worden. Aus diesem Vorbringen ergibt sich bereits nicht, wann genau welche Beträge, insbesondere die beiden Vorschusszahlungen zu je 3.600,- DM überwiesen wurden. Der diesbezügliche Sachvortrag der Klägerin erweist sich von daher als unsubstantiiert. Da es sich bei den betreffenden Zahlungsvorgängen unstreitig um Tatsachen handelt, die weder eigene Handlungen des Beklagten noch Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung gewesen sind, konnten sie auch mit bloßem Nichtwissen bestritten werden (§ 138 ZPO). Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die behaupteten Vorschusszahlungen zu je 3.600,- DM dem Konto der Fa. A tatsächlich zugeflossen sind.

III.

Die Klage war daher unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils sowie unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 17.02.2003 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand in Ansehung der in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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