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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 11.02.2004
Aktenzeichen: 10 Sa 1245/03
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 256 Abs. 1
BGB § 611
BGB § 615
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 1245/03

Verkündet am: 11.02.2004

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 03.06.2003, AZ: 6 Ca 3331/02, wie folgt abgeändert:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin über den 31.07.2001 hinaus bis zum 31.12.2002 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Der Kläger war bei der Fa. N C. GmbH als Meister im Steinmetz - und Bildhauerhandwerk beschäftigt. Im Februar 2002 wurde der Betrieb stillgelegt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Neuwied vom 06.08.2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. N C. GmbH eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter ernannt. In der Folgezeit vertrat der Beklagte gegenüber dem Kläger die Auffassung, dessen Arbeitsverhältnis sei bereits aufgrund einer vom Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin ausgesprochenen schriftlichen Kündigung vom 26.03.2001 zum 31.07.2001 beendet worden. Der Kläger hat daraufhin mit seiner am 04.11.2002 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage zunächst die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Gemeinschuldnerin nach wie vor fortbesteht und nicht beendet ist. Der Beklagte hat sodann mit Schreiben vom 25.11.2002 das Arbeitsverhältnis vorsorglich zum 31.12.2002 gekündigt.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, entgegen der Behauptung des Beklagten habe er keine schriftliche Kündigungserklärung vom 26.03.2001 erhalten. Im September 2001 habe der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin lediglich eine mündliche und damit formunwirksame Kündigung ausgesprochen und erklärt, er beabsichtige einen neuen Meister einzustellen. Am 11.10.2001 habe der Geschäftsführer jedoch erklärt, er könne keinen neuen Meister finden, so- dass das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden solle. Er - der Kläger - habe dann auch tatsächlich bis ins Jahr 2002 bei der Insolvenzschuldnerin weiter- gearbeitet. Von der Frage, wie lange das Arbeitsverhältnis bestanden habe, hänge auch die Frage ab, ob er einen Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld habe. Darüber hinaus hänge davon auch die Frage ab, ob er gegen den Beklagten bzw. die Insolvenzschuldnerin weitere Vergütungsansprüche habe, die durch eine Sicherungsgrundschuld zu seinen Gunsten gesichert seien.

Der Kläger hat erstinstanzlich (zuletzt) beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Gemeinschuldnerin nicht durch Kündigung vom 26.03.2001 beendet wurde, sondern erst aufgrund Kündigung des Insolvenzverwalters vom 25.11.2002 zum 31.12.2002.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor, das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Insolvenzschuldnerin sei durch Kündigung vom 26.03.2001 zum 31.07.2001 beendet worden. Das Kündigungsschreiben sei dem Kläger vom damaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin am 26.03.2001 persönlich übergeben worden. Zwar treffe es zu, dass der Kläger über den 31.07.2001 hinaus für die Insolvenzschuldnerin tätig gewesen sei. Diese Tätigkeit habe sich jedoch auf Einzelaufträge beschränkt. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sei hingegen nicht fortgesetzt worden. Der Kläger habe ab August 2001 nur noch bei Bedarf und in einem Gesamtumfang von nicht mehr als 30-40 Stunden Arbeiten ausgeführt.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dirk T und Thorsten B . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 03.06.2003 (Bl. 33-39 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 03.06.2003 stattgegeben. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 und 5 dieses Urteils (= Bl. 44 und 45 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 17.09.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 30.09.2003 Berufung beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und diese am 15.10.2003 begründet.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.06.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Hauptsache erledigt ist.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die von den Parteien im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren und auf die Sitzungsniederschrift vom 10.12.2003 (Bl. 72-75 d. A.).

Entscheidungsgründe:

I.

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

II.

Der Hauptantrag erweist sich als unzulässig. Der auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichtete Hilfsantrag ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

1.

Der Hauptantrag ist unzulässig, da es an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.

Der Antrag des Klägers, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin nicht durch eine Kündigung vom 26.03.2001 zum 31.07.2001 beendet wurde, sondern erst aufgrund der Kündigung des Beklagten vom 25.11.2002 zum 31.12.2002 ist - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2003 auch ausdrücklich erklärt hat - dahingehend auszulegen, dass er die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis über den 31.07.2001 hinaus bis zum 31.12.2002 fortbestanden hat. Diesbezüglich ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger über den 31.07.2001 hinaus für die Insolvenzschuldnerin Tätigkeiten erbracht hat. Streitig ist hingegen, ob die diesen Tätigkeiten zugrunde liegende vertragliche Beziehung der Parteien als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen. Dabei hat das Gericht den Sachverhalt nicht selbständig zu untersuchen, vielmehr hat der Kläger die erforderlichen Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. BAG, AP Nr. 22, 40 und 53 zu § 256 ZPO 1977).

Im Streitfall ist die Klage auf die Feststellung gerichtet, dass ein bereits beendetes Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis gewesen ist. Anders als im bestehenden Vertragsverhältnis, in dem der Beschäftigte jederzeit ein rechtliches Interesse daran hat, dass seine Rechtsstellung als Arbeitnehmer alsbald festgestellt wird, Bedarf das Interesse an der Feststellung, dass ein vergangenes Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis war, einer besonderen Begründung. Dieses ist nur dann gegeben, wenn sich gerade aus dieser Feststellung Rechtsfolgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben (vgl. BAG AP Nr. 40, 53, 59 und 60 zu § 256 ZPO 1977). Die bloße Möglichkeit des Eintritts solcher Folgen reicht nicht aus. Mit der Feststellung des Arbeitsverhältnisses muss vielmehr zugleich feststehen, dass eigene Ansprüche des Klägers gerade aus dem Arbeitsverhältnis zumindest dem Grunde nach noch bestehen oder gegnerische Ansprüche zumindest in bestimmten Umfang nicht mehr gegeben sind. Andernfalls könnte die Feststellungsklage weder dem Rechtsfrieden noch der Prozessökonomie dienen.

Gegenwärtige oder zukünftige Rechtsfolgen sind für den Kläger mit der Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses in der Zeit vom 01.08.2001 bis 31.12.2002 nicht verbunden.

Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, falls festgestellt werde, dass er bis zum 31.12.2002 in einem Arbeitsverhältnis zur Insolvenzschuldnerin gestanden habe, stehe zugleich fest, dass er aus diesem Zeitraum noch Vergütung beanspruchen könne, so kann dem nicht gefolgt werden. Vergütungsansprüche für den betreffenden Zeitraum können auch dann bestehen, wenn sich der Kläger in einem freien Mitarbeiterverhältnis befand; § 611 BGB und § 615 BGB gelten auch für dieses. Die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses ist für etwaige Vergütungsansprüche des Klägers deshalb keine notwendig Bedingung. Für mögliche Vergütungsansprüche ist der Kläger auf die entsprechende Leistungsklage verwiesen.

Zur Begründung seines Feststellungsinteresses hat der Kläger außerdem vorgetragen, von der Frage, wie lange das Arbeitsverhältnis bestanden habe, hänge auch die Frage ab, ob er einen Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld habe. Auch damit hat der Kläger jedoch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung nicht dargetan. Dieses ergibt sich nämlich nicht daraus, dass die Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte an eine arbeitsgerichtliche Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gebunden wären. Eine solche präjudizielle Wirkung müsste gesetzlich vorgeschrieben sein, was jedoch nicht der Fall ist. Vielmehr sind arbeitsgerichtliche Urteile für das sozialrechtliche Leistungsrecht nicht bindend, da die Sozialverwaltung den wahren Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat und sich Arbeitsvertragsparteien z. B. nicht auf Kosten der Bundesagentur für Arbeit einigen können (vgl. BAG, AP Nr. 60 zu § 256 ZPO 1977; BSG, Urteil vom 09.05.1995 - 10 Rar 5/94-).

Soweit der Kläger letztlich geltend macht, etwaige Vergütungsansprüche seien durch eine Sicherungsgrundschuld zu seinen Gunsten gesichert, so lässt sich hieraus das Bestehen des erforderlichen Feststellungsinteresses ebenfalls nicht herleiten. Es ist weder dargetan noch ansonsten ersichtlich, dass gerade die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses während der Zeit vom 01.08.2001 bis 31.12.2002 Auswirkungen auf die bestehende Sicherung etwaiger Vergütungsansprüche des Klägers hat.

Der Hauptantrag war somit als unzulässig abzuweisen.

2.

Der auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichtete Hilfsantrag ist nicht begründet.

Die Hauptsache, d. h. der Streitgegenstand des Hauptantrages ist nicht erledigt. Ein erledigendes Ereignis ist nach Rechtshängigkeit des Hauptantrages nicht eingetreten. Der Kläger hat den betreffenden Feststellungsantrag erstmals in der mündlichen Verhandlung des Arbeitsgerichts am 15.04.2003 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war das Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin unstreitig bereits beendet. Umstände, welche sich auf die Zulässigkeit oder Begründetheit dieses Antrages hätten auswirken können, sind nach dessen Rechtshängigkeit (15.04.2003) nicht eingetreten. Der auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses in einem bereits abgeschlossenen Zeitraum gerichtete Antrag war vielmehr von Anfang an unzulässig. Soweit der Kläger ursprünglich, d. h. mit der Klageschrift vom 30.10.2002 den Antrag gestellt hatte, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin nach wie vor fortbesteht und nicht beendet ist, so hat sich der Streitgegenstand dieses Feststellungsantrages möglicherweise mit der unstreitigen Beendigung des Rechtsverhältnisses zum 31.12.2002 erledigt. Es wäre daher Sache des Klägers gewesen, nach dem 31.12.2002 die Hauptsache hinsichtlich seines ursprünglichen Feststellungsantrages für erledigt zu erklären.

III.

Nach alledem war die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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