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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 6/06
Rechtsgebiete: BGB, BPersVG, ArbGG, TVAL II, EFZG, SchutzTV


Vorschriften:

BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BPersVG § 72
ArbGG § 69 Abs. 2
TVAL II § 45
EFZG § 5 Abs. 1
EFZG § 5 Abs. 1 Satz 1
SchutzTV § 8 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 6/06

Entscheidung vom 31.05.2006 Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 01.12.2005, AZ: 2 Ca 1257/05, unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten wie folgt teilweise abgeändert: 1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und den US-Stationierungsstreitkräften weder durch die seitens der Beschäftigungsdienststelle mit Schreiben vom 08.07.2005 zum 11.07.2005 ausgesprochene Kündigung noch durch die seitens der Beschäftigungsdienststelle mit Schreiben vom 20.07.2005 zum 28.02.2006 ausgesprochene Kündigung aufgelöst worden ist. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. II. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen. Der am 26.11.1954 geborene Kläger war seit dem 21.03.1977 bei den US-Stationierungssteitkräften, zuletzt bei der Dienststelle ABCD in T. als Hilfsmechaniker beschäftigt. Auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung finden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des TVAL II und der diesen ergänzenden Tarifverträge Anwendung. Mit Schreiben seiner Dienststelle vom 02.12.2002, 06.01.2003, 10.06.2003, 05.01.2004, 10.08.2004 und vom 04.04.2005 wurden dem Kläger Abmahnungen erteilt. Hinsichtlich deren Inhalt wird auf die von der Beklagten in Kopie vorgelegten Abmahnungsschreiben (Bl. 22 - 28 und Bl. 106 d. A.) Bezug genommen. Für die Zeit vom 15.06. bis zunächst 24.06.2005 war der Kläger arbeitsunfähig krank geschrieben. Am Montag, dem 27.06.2005, erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Am darauffolgenden Tag, an welchem der Kläger ebenfalls der Arbeit fernblieb, übergab seine Lebensgefährtin an der vor der betreffenden US-Liegenschaft befindlichen Wache eine ärztlich ausgestellte Folgebescheinigung, in welcher dem Kläger eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 27.06. - 01.07.2005 attestiert worden war. Eine vorherige mündliche oder schriftliche Anzeige des Klägers gegenüber seiner Dienststelle oder dem Personalbüro über die fortdauernde Erkrankung war nicht erfolgt. Mit Schreiben vom 01.07.2005 hat die Beschäftigungsdienststelle des Klägers die bei ihr bestehende Betriebsvertretung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers zum 11.07.2005 angehört. Die Betriebsvertretung gab hierzu keine Erklärung ab. Mit Schreiben vom 08.07.2005 kündigte die Dienststelle sodann dem Kläger außerordentlich zum 11.07.2005. Eine weitere Anhörung der Betriebsvertretung, dieses mal hinsichtlich einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer Auslauffrist zum 28.02.2006, erfolgte mit Schreiben der Dienststelle vom 05.07.2005. Auch hierzu äußerte sich die Betriebsvertretung nicht. Mit Schreiben vom 20.07.2005 kündigte die Dienststelle sodann das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut außerordentlich unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist zum 28.02.2006. Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen ihm und den US-Stationierungsstreitkräften bestehende Arbeitsverhältnis durch die seitens der Beschäftigungsdienststelle mit Schreiben vom 08.07.2005 zum 11.07.2005 ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht beendet worden ist. 2. festzustellen, dass das zwischen ihm und den US-Stationierungsstreitkräften bestehende Arbeitsverhältnis durch die seitens der Beschäftigungsdienststelle mit Schreiben vom 20.07.2005 unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist zum 28.02.2006 ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht beendet wird. Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.12.2005 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 08.07.2005 aufgelöst worden ist und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 - 7 dieses Urteils (= Bl. 58 - 61 d. A.) verwiesen. Gegen das ihm am 07.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.01.2006 Berufung eingelegt und diese am 07.02.2006 begründet. Die Beklagte, der die Berufungsbegründungsschrift des Klägers am 10.02.2006 zugestellt worden ist, hat am 09.03.2006 Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet. Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, soweit das Arbeitsgericht die Kündigung vom 20.07.2005 für wirksam erachtet habe, begegne die erstinstanzliche Entscheidung in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden Bedenken. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts liege kein Grund vor, der den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen könne. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei den US-Stationierungsstreitkräften unter den gegebenen Umständen keineswegs unzumutbar. Das Arbeitsgericht habe darüber hinaus auch eine fehlerhafte Interessenabwägung vorgenommen und zu Unrecht das durch die verspätete Einreichung einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründete Interesse der US-Streitkräfte an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses höher bewertet als sein Interesse, das immerhin bereits seit 28 Jahren bestehende Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Schließlich habe das Arbeitsgericht auch verkannt, dass die US-Streitkräfte in Ansehung der Kündigung vom 20.07.2005 die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätten. Die Beklagte könne sich diesbezüglich nicht darauf berufen, die der Betriebsvertretung gem. § 72 BPersVG zustehende Überlegungs- und Erklärungsfrist sei erst nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB abgelaufen und schon aus diesem Grunde hätte die Kündigung noch nach Fristablauf ausgesprochen werden dürfen. Die Streitkräfte seien vielmehr auch hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist gehalten gewesen, das diesbezüglich notwendige personalvertretungsrechtliche Mitwirkungsverfahren so rechtzeitig einzuleiten, dass die der Betriebsvertretung zur Verfügung stehende Überlegungs- und Erklärungsfrist noch innerhalb der Frist des § 626 BGB ablaufe. Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und festzustellen, dass das zwischen ihm und den US-Stationierungsstreitkräften bestehende Arbeitsverhältnis durch die seitens der Beschäftigungsdienststelle mit Schreiben vom 20.07.2005 unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist zum 28.02.2006 ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht beendet worden ist. Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Die Beklagte trägt in Erwiderung auf die Berufung des Klägers im Wesentlichen vor, das Arbeitsverhältnis sei jedenfalls durch die mit Schreiben vom 20.07.2005 ausgesprochene Kündigung aufgelöst worden. Der Kläger habe nämlich - wie bereits erstinstanzlich ausgeführt - am 27. und 28.06.2005 gegen seine Verpflichtung verstoßen, sich bei Krankheit zu melden, obwohl er einschlägig abgemahnt sei. In Ansehung der zahlreichen fruchtlosen Abmahnungen sei es den US-Streitkräften nicht mehr zumutbar, den Kläger bis zu dessen Renteneintritt, d. h. noch 14 Jahre weiterzubeschäftigen. Der Kläger habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er nicht bereit sei, die ihm gegebenen Anweisungen einzuhalten. Die Kündigung sei auch nicht wegen Versäumung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Da die Äußerungsfrist für die Betriebsvertretung bei außerordentlichen Kündigungen mit sozialer Auslauffrist der Äußerungsfrist bei ordentlichen Kündigungen entspreche, könne die Zwei-Wochen-Frist in solchen Fällen nicht gewahrt werden. Vielmehr sei es ausreichend, wenn die Betriebsvertretung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist informiert werde und wenn die Kündigung unmittelbar nach Ablauf der Äußerungsfrist von 10 Arbeitstagen ausgesprochen werde. Zur Begründung ihrer Anschlussberufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, das Arbeitsverhältnis sei bereits durch die Kündigung vom 08.07.2005 zum 11.07.2005 aufgelöst worden. Das Verhalten des mehrfach abgemahnten Klägers zeige, dass er nicht bereit sei, seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige einer Arbeitsunfähigkeit in Zukunft nachzukommen. Der Ausspruch einer fristlosen Kündigung sei daher gerechtfertigt gewesen. Die unerwarteten Abwesenheitszeiten des Klägers führten in dessen Dienststelle zu erheblichen Mehrbelastungen der anderen Mitarbeiter, die kurzfristig zu ihren eigenen Arbeiten noch diejenigen des Klägers mit übernehmen müssten. Dies belaste die Arbeitsmoral in der betreffenden Abteilung. Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil insoweit abzuändern, als der Klage stattgegeben wurde und die Klage insgesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen. Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 56 - 58 d. A.), auf die Schriftsätze des Klägers vom 06.02.2006 (Bl. 76 - 86 d. A.) und vom 12.04.2006 (Bl. 112 - 115 d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 08.03.2006 (Bl. 99 - 105 d.A.). Entscheidungsgründe:

I.

Die statthafte Berufung des Klägers ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist hingegen nicht begründet. II.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Kläger und den US-Streitkräften ist durch keine der streitbefangenen außerordentlichen Kündigungen aufgelöst worden. 1.)

Die mit Schreiben vom 08.07.2005 zum 11.07.2005 ausgesprochene außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Nach § 626 Abs. 1 BGB, § 45 TVAL II kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es den Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gem. § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen. Der Kläger hat gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen, indem er seinen Arbeitgeber nicht bereits am frühen Vormittag des 27.06.2005 von seiner fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis gesetzt hat. Nach allgemeiner und zutreffender Ansicht ist der Arbeitnehmer nämlich nicht nur nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG gegenüber seinem Arbeitgeber zur unverzüglichen Mitteilung des (erstmaligen) Eintritts der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlichen Dauer verpflichtet; vielmehr trifft ihn diese Verpflichtung auch im Falle der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit über den zunächst bescheinigten Termin hinaus. Im Streitfall ist der Kläger dieser Mitteilungspflicht erst am 28.06.2005 und somit verspätet nachgekommen, indem er seine Lebensgefährtin um 11.30 Uhr des betreffenden Tages eine ärztliche Folgebescheinigung an der Wache der US-Liegenschaft zur Weiterleitung an die Dienststelle abgeben ließ, wobei die Dienststelle darüber hinaus auch erst in dem Zeitpunkt vom Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis gesetzt wurde, als die Folgebescheinigung einer diesbezüglich empfangsberechtigten, dienststellenzugehörigen Person zuging. Gründe, die das Fehlverhalten des Klägers entschuldigen könnten, sind nicht gegeben. Soweit der Kläger geltend macht, er sei aufgrund seines damaligen körperlichen bzw. gesundheitlichen Zustandes nicht in der Lage gewesen, seine Dienststelle bereits am frühen Vormittag des 27.06.2005 fernmündlich zu informieren, so erweist sich sein Vorbringen als völlig substanzlos. Die Verletzung der in § 5 Abs. 1 EFZG normierten Anzeigepflicht rechtfertigt zwar in der Regel - auch nach vorheriger Abmahnung - lediglich den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung. Ein an sich wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB kann jedoch gegeben sein, wenn die Krankmeldung mehrfach trotz Abmahnung unterlassen worden ist und sich das Fehlverhalten des Arbeitnehmers daher als beharrliche Arbeitspflichtverletzung darstellt. Im Streitfall war der Kläger vor Kündigungsausspruch mehrfach abgemahnt worden. Zwar betrifft keine der Abmahnungen exakt dasjenige Fehlverhalten (Nichtanzeige einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit), welches die US-Streitkräfte zum Anlass genommen haben, eine Kündigung auszusprechen. Gleichwohl erweisen sich sämtliche Abmahnungen mit Ausnahme derjenigen vom 10.08.2004 insoweit als einschlägig, als sie durchweg (zumindest auch) die Rüge enthalten, der Kläger sei nicht zur Arbeit erschienen bzw. habe seinen Arbeitsplatz verlassen, ohne jeweils seine Verhinderung gegenüber der Dienststelle unverzüglich angezeigt zu haben. Die Abmahnungen vom 02.12.2002 (Bl. 106 d. A.), 06.01.2003 (Bl. 22. d. A.), 10.06.2003 (Bl. 23. d. A.), 05.01.2004 (Bl. 25 d. A.) und vom 04.04.2005 (Bl. 28 d. A.) betreffen daher den selben Pflichtenkreis wie das letztlich den Kündigungsausspruch veranlassende Fehlverhalten des Klägers. Da der Kläger auch lediglich (pauschal) geltend gemacht hat, die betreffenden Abmahnungen seien ungerechtfertigt, ohne durch konkreten Tatsachenvortrag die inhaltliche Richtigkeit der Abmahnungsschreiben in Abrede zu stellen, ist auch davon auszugehen, dass diese jeweils zu Recht erteilt wurden. Geht man somit davon aus, dass im Streitfall ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB bzw. § 45 TVAL II vorliegt, so erweist sich die zum 11.07.2005 ausgesprochene Kündigung vom 08.07.2005 gleichwohl als unwirksam. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und den US-Streitkräften finden unstreitig die Vorschriften des TVAL II und den diesen ergänzenden Tarifverträge Anwendung. Das Arbeitsverhältnis des bei Kündigungsausspruch 55-jährigen und bereits seit mehr als 15 Jahren bei den US-Streitkräften beschäftigten Klägers konnte daher nach § 8 Nr. 1 SchutzTV nicht mehr durch ordentliche Kündigung beendet werden. Bei einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer ist stets zu prüfen, ob als milderes Mittel gegenüber einer außerordentlichen fristlosen Kündigung eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist in Betracht kommt. Eine außerordentliche Kündigung ohne Gewährung einer derartigen Auslauffrist ist nur dann gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht einmal zumutbar ist, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer auch nur bis zum Ablauf der "fiktiven" Frist zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter zu beschäftigen. Wäre bei einem vergleichbaren ordentlich kündbaren Arbeitnehmer nur eine fristgerechte Kündigung gerechtfertigt, so kommt bei dem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer nur eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist in Betracht. Im Streitfall war es den US-Streitkräften nicht unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger jedenfalls noch bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsschluss (§ 44 Nr. 1 b TVAL II) fortzusetzen. Bei einem auch hinsichtlich der maßgeblichen Sozialdaten mit dem Kläger vergleichbaren, ordentlich kündbaren Arbeitnehmer wäre vorliegend (allenfalls) eine fristgerechte Kündigung gerechtfertigt. Zwar ist zu Gunsten der US-Streitkräfte zu berücksichtigen, dass der Kläger - wie bereits ausgeführt - trotz mehrfacher Abmahnungen, die denselben Pflichtenkreis betrafen, seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist, und sein Fehlverhalten daher auch von einer gewissen Uneinsichtigkeit getragen zu sein scheint. Auch handelt es sich bei der Anzeigepflicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG zwar nur um eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Arbeitnehmers; diese ist jedoch höher zu bewerten als die Verpflichtung des Arbeitnehmers zum Nachweis seiner Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitgeber ist nämlich regelmäßig darauf angewiesen, frühstmöglich davon Kenntnis zu erhalten, ob der Arbeitnehmer zur Arbeit erscheinen wird und daher in die Arbeitsplanung einbezogen werden kann oder nicht. Eine wiederholte Verletzung der Anzeigepflicht muss der Arbeitgeber daher regelmäßig nicht hinnehmen. Zu Gunsten des Klägers spricht jedoch die immens lange Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses bei Kündigungsausspruch von 28 Jahren sowie sein Lebensalter (50 Jahre), was die Erlangung eines anderweitigen adäquaten Arbeitsplatzes - insbesondere auch im Hinblick auf die angespannte Arbeitsmarktsituation - nicht unwesentlich erschwert. Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch der Umstand, dass der Kläger seiner Anzeigepflicht zwar nicht, wie vom Gesetz gefordert, unverzüglich nachgekommen ist, jedoch seinen Arbeitgeber immerhin noch am zweiten Arbeitstag, an welchem seine Arbeitsunfähigkeit fortbestand, informiert hat. Das Fehlverhalten des Klägers, welches für die US-Streitkräfte letztlich Anlass zur Kündigung gab, ist zwar unter Berücksichtigung der vorherigen Abmahnungen erheblich, erscheint indessen bei isolierter Betrachtung keineswegs besonders schwerwiegend. Konkrete, durch die Verletzung der Anzeigepflicht eingetretene betriebliche Beeinträchtigungen, die zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen wären, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Soweit sie geltend macht, die Fehlzeiten des Klägers führten zu erheblichen Mehrbelastungen anderer Mitarbeiter, so kann dieses Argument bereits deshalb vorliegend nicht durchgreifen, weil die betreffende Mehrbelastung anderer Mitarbeiter auch im Falle einer unverzüglichen Anzeige durch den Kläger eingetreten wäre. Bei Abwägung all dieser Gesichtspunkte kann keineswegs davon ausgegangen werden, dass es den US-Streitkräften unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger jedenfalls noch bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist (28.02.2006) fortzusetzen. Vielmehr überwiegt das Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis zumindest für die Dauer einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist fortzusetzen gegenüber dem Interesse der US-Streitkräfte an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. 2.)

Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und den US-Streitkräften ist auch nicht durch die mit Schreiben vom 20.07.2005 unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist zum 28.02.2006 ausgesprochene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Dabei kann offen bleiben, ob sich diese Kündigung bereits wegen Nichteinhaltung der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam ist. Eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist kommt nur dann in Betracht, wenn ein wichtiger Grund zur Kündigung gerade darin zu sehen ist, dass wegen des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung der Arbeitgeber den Arbeitnehmer notfalls bis zum Erreichen der Pensionsgrenze weiterbeschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar ist. Eine solche außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist, die die tariflich ausgeschlossene Kündigung ersetzt, kommt allerdings nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Es geht im Wesentlichen darum, zu vermeiden, dass der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber Unmögliches oder evident Unzumutbares aufbürdet und abverlangt (BAG v. 24.06.2004 - 2 AZR 656/02). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar ist das Fehlverhalten des Klägers (Nichtanzeige seiner ab dem 27.06.2005 fortdauernden Arbeitsunfähigkeit) - wie bereits ausgeführt - unter Berücksichtigung der vorherigen Abmahnungen geeignet, einen an sich wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Es ist den US-Streitkräften indessen (noch) nicht unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger notfalls bis zu dessen Renteneintritt fortzusetzen. Dies ergibt sich bei Abwägung der gegenseitigen Interessen unter Berücksichtigung der bereits oben unter II. 1.) genannten Umstände bzw. Gesichtspunkte, wobei sich auch hier insbesondere die lange Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses zu Gunsten des Klägers auswirkt. Darüber hinaus erscheint der Pflichtenverstoß des Klägers vom 27./28.06.2005 - wie bereits ausgeführt - bei isolierter Betrachtung keineswegs besonders schwerwiegend. Das Gesamtverhalten des Klägers lässt auch noch nicht zwingend die Schlussfolgerung zu, dass er auch im Falle einer erneuten (letztmaligen) Abmahnung nicht gewillt wäre, seiner Anzeigepflicht nachzukommen. Gegen eine solche Annahme spricht der Umstand, dass der Kläger immerhin noch am zweiten Tag der Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit die Dienststelle unterrichtet hat. Es darf zwar nicht verkannt werden, dass der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit keineswegs einen "Freibrief" für den Arbeitnehmer bilden kann, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu verletzen. Insgesamt überwiegt jedoch im vorliegenden Fall (gerade noch) das Interesse des Klägers an der unbefristeten Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Beendigungsinteresse der US-Streitkräfte. III.

Nach alledem war der Berufung des Klägers unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und gleichzeitiger Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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