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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 12.01.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 612/04
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, GewO


Vorschriften:

BGB § 275 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
GewO § 106
GewO § 106 Satz 1
GewO § 106 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 612/04

Verkündet am: 12.01.2005

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.04.2004, AZ: 8 Ca 78/04, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin als Krankenschwester auf einer ganz bestimmten Station des Klinikums der Universität M zu beschäftigen.

Die am 16.01.1960 geborene, schwerbehinderte Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 05.05.1981, zuletzt als Krankenschwester beschäftigt. Als solche wurde sie während der Dauer des Arbeitsverhältnisses in der Neurochirurgie, in der Unfallchirurgie, in der III. medizinischen Klinik und in der I. medizinischen Klinik auf unterschiedlichen Stationen eingesetzt. U. a. war sie während bestimmter Zeiträume, so auch von Januar bis Juni 2002 auf der Station 206 I b der I. medizinischen Klinik als Krankenschwester tätig. Seitdem ist die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Ein Arbeitsversuch der Klägerin in der Zeit vom 18./19.03. und Anfang April 2004 musste aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen werden.

Mit Schreiben vom 23.11.2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis. Die hiergegen von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage war in zweiter Instanz erfolgreich (LAG Rheinland - Pfalz, Urteil vom 06.11.2002, AZ: 10 Sa 483/02).

In der Folgezeit fanden zwischen den Parteien zahlreiche Gespräche hinsichtlich des zukünftigen Arbeitseinsatzes der Klägerin statt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, sie auf der Station 206 I b der I. medizinischen Klinik als Krankenschwester zu beschäftigen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.628,13 € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.06.2004 (Bl. 46 bis 50 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.06.2004 abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 12 dieses Urteils (= Bl. 50 bis 55 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 28.06.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.07.2004 Berufung beim Landesarbeitsgericht Rheinland - Pfalz eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 27.08.2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Klageantrag zu 1. weiter.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe sich ihre Arbeitspflicht als Krankenschwester auf die Station 206 I b konkretisiert. Nachdem man sie im Jahr 2002 wieder auf die betreffende Station umgesetzt habe, habe sie davon ausgehen können, dass sie auch fortan dort beschäftigt werde. Aus der ärztlichen Bescheinigung vom 07.10.2003 sowie aus den Attesten vom 05.01.2004 ergebe sich auch, dass eine Beschäftigung auf der Station 206 I b aus medizinischer Sicht dringend geboten sei, da sie dort trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen ohne wesentliche Probleme arbeiten könne und durch die gute Integration in das Team auch ihr psychisches Leiden erheblich gelindert werden könne. Sie gehe davon aus, dass sie im Anschluss an die derzeitige Reha - Maßnahme arbeitsfähig sei und ihre Arbeitsleistung dauerhaft auf der nephrologischen Station verrichten könne. Der Konflikt zwischen ihr und der früheren Stationsleiterin sei zwischenzeitlich ausgeräumt. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die frühere Stationsleiterin mittlerweile nicht mehr unmittelbar für die Station zuständig sei sondern als übergeordnete Pflegedienstleiterin für die medizinischen Kliniken I, II und III fungiere. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts treffe es auch nicht zu, dass sie den körperlich schweren Tätigkeiten auf der nephrologischen Station wegen ihrer orthopädischen Beschwerden nicht gewachsen sei.

Die Klägerin beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, sie auf der Station 206 I b der I. medizinischen Klinik der Universität M als Krankenschwester zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil und trägt im Wesentlichen vor, eine Konkretisierung der Arbeitspflicht der Klägerin als Krankenschwester habe sich nicht auf eine bestimmte Station konkretisiert. Als Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes stehe ihr - der Beklagten - das Recht zu, die Klägerin als Krankenschwester mit Tätigkeiten im Rahmen der vereinbarten tariflichen Vergütungsgruppe zu beschäftigen. Die Klägerin sei wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch gar nicht in der Lage, auf der Station 206 I b zu arbeiten. Die Arbeit auf dieser Station - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - unterfalle der höchsten und schwersten Pflegestufe. Demgemäß sei die in der Radiologie anfallende Tätigkeit wesentlich leichter und daher für die Klägerin geeignet. Darüber hinaus sei auch aus sonstigen Fürsorgegründen ein Einsatz der Klägerin auf der Station 206 I b nicht möglich. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Rahmen einer derzeit noch beim Landesarbeitsgericht Rheinland - Pfalz anhängigen Klage (AZ: 10 Sa 340/02) die Erteilung einer Abmahnung gegenüber der Pflegedienstleiterin K begehre und dabei unhaltbare Vorwürfe gegenüber Frau K erhebe. Eine Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und Frau K sei daher nicht mehr möglich.

Zur Darstellung des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren im Übrigen wird auf die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin vom 29.09.2004 (Bl. 83 bis 88 d. A.), auf den weiteren Schriftsatz der Klägerin vom 05.01.2005 (Bl. 124 bis 126 d. A.) sowie auf die Berufungserwiderungsschrift der Beklagten vom 07.12.2004 (Bl. 114 bis 123 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Beschäftigung als Krankenschwester auf der Station 206 I b sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Die Klage ist bereits deshalb jedenfalls derzeit unbegründet, weil sie auf die Erbringung einer Leistung gerichtet ist, deren Erbringung der Beklagten zur Zeit nicht möglich ist. Die Klägerin ist unstreitig seit längerer Zeit durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Zwar geht sie davon aus, dass sie im Anschluss an eine noch durchzuführende Reha - Maßnahme wieder arbeitsfähig sein wird; gleichwohl ist jedoch der Zeitpunkt einer etwaigen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit derzeit nicht konkret absehbar. Infolge ihrer Arbeitsunfähigkeit kann die Klägerin ihre arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zur Zeit nicht erbringen. Demzufolge kann die Beklagte ihrerseits die Klägerin während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht vertragsgemäß beschäftigen. Ein diesbezüglicher Leistungsanspruch der Klägerin ist somit nach § 275 Abs. 1 BGB derzeit ausgeschlossen.

Die Klägerin hat jedoch auch bei Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit keinen Anspruch gegen die Beklagte, auf der Station 206 I b der I. medizinischen Klinik der Universität M als Krankenschwester beschäftigt zu werden. Das Berufungsgericht folgt den ausführlichen und in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter A I. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (dort Seiten 7 bis 10 = Bl. 50 bis 53 d. A.) und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen erscheinen lediglich folgende ergänzende Anmerkungen angezeigt:

Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist Wesensmerkmal eines jeden Arbeitsverhältnisses und ermöglicht es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort zu bestimmen, wobei dieses Recht nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden darf.

Im Streitfall ist das Direktionsrecht der Beklagten nicht dahingehend eingeschränkt, die Klägerin ausschließlich auf der Station 206 I b einzusetzen. Die arbeitsvertragliche Arbeitspflicht der Klägerin besteht unstreitig in der Tätigkeit einer Krankenschwester. Eine arbeitsvertragliche Festlegung auf eine bestimmte Station ist nicht erfolgt. Weder enthält der Arbeitsvertrag der Parteien eine diesbezügliche Regelung, noch hat sich die Arbeitspflicht der Klägerin im Laufe des Arbeitsverhältnisses auf eine bestimmte Station konkretisiert. Die Klägerin war während der Dauer des Arbeitsverhältnisses unstreitig nicht nur auf der Station 206 I b der I. medizinischen Klinik sondern vielmehr auf verschiedenen Stationen eingesetzt. Darüber hinaus könnte auch allein die langjährige Tätigkeit auf der betreffenden Station nicht zu einer Konkretisierung der Arbeitspflicht der Klägerin führen. Hierzu bedürfte es nämlich vielmehr zusätzlicher Umstände, welche die Klägerin zu der schutzwürdigen Annahme berechtigen konnten, dass sie von der Beklagten künftig nur noch auf dieser Station eingesetzt werde. Solche Umstände sind im Streitfall nicht erkennbar. Ebenso wenig stehen Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines Tarifvertrages oder sonstige gesetzliche Vorschriften einer Beschäftigung der Klägerin außerhalb der nephrologischen Station entgegen.

Das von der Beklagten nach § 106 GewO bei der Bestimmung der Art der zu leistenden Arbeit auszuübende billige Ermessen ist auch nicht dahingehend eingeschränkt, der Klägerin ausschließlich eine Tätigkeit auf der nephrologischen Station zuzuweisen. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden (vgl. BAG, Urteil vom 23.09.2004, AZ: 6 AZR 567/03 m. w. N.). Nach § 106 Satz 3 GewO hat der Arbeitgeber bei der Leistungsbestimmung insbesondere auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen überschreitet die Beklagte den Rahmen billigen Ermessens nicht, wenn sie der Klägerin eine Tätigkeit als Krankenschwester außerhalb der Station 206 I b zuweist. Ein überwiegendes Interesse der Klägerin an einer Beschäftigung auf dieser Station ist nicht erkennbar. Soweit sich die Klägerin auf die ärztlichen Bescheinigungen bzw. Atteste vom 07.10.2003 (Bl. 131 d. A.) und vom 05.01.2004 (Bl. 13 und 14 d. A.) beruft, so kann dem Inhalt dieser Schriftstücke nicht entnommen werden, aus welchen medizinischen Gründen die Klägerin auf der nephrologischen Station eingesetzt werden soll. Die betreffenden Atteste erweisen sich insoweit als völlig substanzlos, worauf bereits das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (dort Seite 10 Absatz 3) hingewiesen hat. Demgegenüber macht die Beklagte zu Recht geltend, dass die Arbeit auf der Station 206 I b der höchsten und schwersten Pflegestufe unterfällt. Auf dieser Station sind schwerkranke nephrologische Patienten, teilweise auch Intensiv - Patienten zu pflegen, was mit der Erbringung einer sowohl psychisch als auch körperlich schweren Arbeit verbunden ist. In Anbetracht der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin (dauernde Bandscheibenverlagerung, grundlegende orthopädisch - rheumatologische Erkrankung, Thrombose, chronisches Schmerzsyndrom, HWS - Syndrom, chronische Autoimmunerkrankung, gastro - internistische Erkrankung, Fibromyalgiesyndrom) geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass ein Einsatz der Klägerin auf dieser Station nicht sinnvoll erscheint. Die Klägerin ist darüber hinaus dem Vorbringen der Beklagten nicht entgegengetreten, wonach aus den gesundheitlichen Beeinträchtigungen mehrere Leistungseinschränkungen resultieren (kein Einsatz im Schichtdienst; Einsatz nur von 07:00 Uhr bis 14:30 Uhr; Arbeitseinsatz nur im ständigen Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen; kein Heben von Lasten, insbesondere von Patienten; kein Arbeiten unter Zeitdruck). In Anbetracht dieser Umstände lässt sich weder aus dem Sachvortrag der Klägerin noch aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen auch nur ansatzweise herleiten, dass eine Tätigkeit auf der nephrologischen Station ihrem Gesundheitszustand eher gerecht würde, als ein Einsatz auf einer anderen Station, beispielsweise auf der von der Beklagten für die Klägerin vorgesehene Station Radiologie. Darüber hinaus macht die Beklagte zu Recht geltend, dass die Klägerin im Rahmen eines derzeit noch anhängigen Arbeitsgerichtsprozesses von ihr - der Beklagten - die Erteilung einer Abmahnung gegenüber der Mitarbeiterin K begehrt, die als Pflegedienstleiterin u. a. auch für die nephrologische Station zuständig ist. Es erscheint von daher auch im Hinblick auf den Betriebsfrieden und die Erforderlichkeit eines gedeihlichen Zusammenarbeitens zwischen der Pflegedienstleiterin K und den ihr unterstellten Arbeitnehmern nicht angebracht, die Klägerin in der Abteilung 206 I b einzusetzen. Zwar trägt die Klägerin diesbezüglich vor, sie habe sich mit der Mitarbeiterin K ausgesöhnt; dies steht indessen in Widerspruch zu dem Umstand, dass die Klägerin nach wie vor gerichtlich die Erteilung einer Abmahnung gegenüber der Pflegedienstleiterin K begehrt und dabei gegen sie auch nicht unerhebliche Vorwürfe erhebt.

Nach alledem war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung.

Gegen diese Entscheidung ist daher kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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