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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 670/05
Rechtsgebiete: SGB III, BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

SGB III § 37 b
BGB § 123
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 312
BGB § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BGB § 355
BGB § 626 Abs. 1
ZPO § 319 Abs. 1
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 524
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 670/05

Entscheidung vom 14.12.2005

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 27.07.2005, AZ: 6 Ca 1630/03, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 586,71 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2003 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Der Kläger hat 99 % und die Beklagte 1% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages sowie über Vergütungsansprüche des Klägers.

Der am 13.07.1961 geborene Kläger war seit dem 15.10.1998 in dem von der Beklagten betriebenen Baumarkt, zuletzt als "Teamleiter Verkauf" beschäftigt. Im Hinblick auf die von der Beklagten beabsichtigte Schließung dieses Baumarktes wurde dem Kläger im Februar 2003 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ab dem 01.04.2003 in den selben Räumlichkeiten ein Gartencenter zu betreiben. Dem Kläger wurde angeboten, dort als Marktleiter tätig zu werden. Hinsichtlich der Gehaltsfrage wurde zwischen den Parteien vereinbart, dass der Kläger ab dem 01.04.2003 ein Gehalt in Höhe von 3.000,00 € brutto, ab Juni 2003 ein Gehalt in Höhe von 3.300,00 € brutto und schließlich ab November 2003 ein noch höheres Gehalt beziehen sollte, dessen Höhe jedoch noch durch weitere Verhandlungen festgesetzt werden sollte.

Am 01.04.2003 wurde der Kläger von Seiten der Beklagten mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe in mehreren Fällen Waren zu billig verkauft bzw. Kunden zu hohe Rabatte gewährt, ohne hierzu befugt gewesen zu sein. Am 02.04.2003 wurde dem Kläger sodann von einem Vertreter der Beklagten mitgeteilt, dass sich die Beklagte außerstande sehe, ihn weiterzubeschäftigen. Dem Kläger wurde sodann ein Aufhebungsvertrag vorgelegt mit der Aufforderung, diesen zur Vermeidung einer fristlosen Kündigung zu unterzeichnen. Der Kläger unterzeichnete sodann diesen Aufhebungsvertrag, der u. a. folgende Bestimmungen enthält:

"1. Beendigung

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen mit Ablauf des 30.04.2003 enden wird.

2. Freistellung

Bis zu seinem Ausscheiden wird der Mitarbeiter, unter Anrechnung von Resturlaub und eventuell angefallener Überstunden, freigestellt.

3. Gehaltszahlung

Der Mitarbeiter erhält bis zu seinem Ausscheiden seine monatlichen Bezüge.

...

6. Schlussbestimmungen

Mit der Erfüllung der sich aus den Ziffern 2 bis 5 ergebenden Verpflichtungen sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner am 30.04.2003 eintretenden Beendigung abgegolten, gleich welchen Rechtsgrundes, ob bekannt oder unbekannt.

Frühzeitige Arbeitssuche: Gemäß § 37 b SGB III ist der Mitarbeiter verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden.

Der Mitarbeiter erklärt, dass er die Aufhebungsvereinbarung sorgfältig gelesen und nach reiflicher Überlegung freiwillig unterzeichnet hat."

Bereits am 05.06.2000 hatte die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat - bezugnehmend auf einen Interessenausgleich vom 22.03.2000 - einen Sozialplan abgeschlossen, der unter bestimmten Voraussetzungen im Falle betriebsbedingter Kündigungen die Zahlung von Abfindungen an die betroffenen Arbeitnehmer vorsieht. Wegen des Inhalts dieses Sozialplans im Einzelnen wird auf Blatt 56 bis 61 der Akte Bezug genommen.

Mit seiner am 06.06.2003 beim Arbeitsgericht eingereichten und erstinstanzlich mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Aufhebungsvereinbarung vom 02.04.2003 nicht aufgelöst worden ist, sowie die Zahlung von Arbeitsvergütung für die Monate April 2003 bis einschließlich Mai 2005 und Urlaubsgeld für die Jahre 2003/2004, hilfsweise die Zahlung einer Abfindung auf der Grundlage des Sozialplans vom 05.06.2000 in Höhe von 9.045,00 € geltend gemacht.

Zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 27.07.2005 (Bl. 221 - 232 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.07.2005 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Aufhebungsvereinbarung vom 02.04.2003 aufgelöst worden ist. Darüber hinaus hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger für den Monat April 2003 restliche Arbeitsvergütung in Höhe von 586,71 € brutto sowie Arbeitsvergütung für die Monate Mai 2003 bis August 2003 in Höhe von jeweils 3.000,00 € brutto und für die Monate September 2003 bis einschließlich Mai 2005 in Höhe von monatlich 3.300,00 € brutto, jeweils abzüglich des vom Kläger bezogenen Arbeitslosengeldes zu zahlen. Im Übrigen, d. h. hinsichtlich der geltend gemachten Urlaubsgeldansprüche hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 15 bis 23 (= Bl. 232 - 240 d. A.) des Urteils vom 27.07.2005 verwiesen.

Gegen das beiden Parteien am 05.08.2005 zugestellte Urteil haben die Beklagte am 10.08.2005 und der Kläger am 05.09.2005 Berufung eingelegt. Die Berufung der Beklagten ist am 04.10.2005, die des Klägers am 05.10.2005 begründet worden.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen vor, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei der Aufhebungsvertrag vom 02.04.2003 wirksam. Der Kläger habe diese Vereinbarung nicht wirksam angefochten, da das Inaussichtstellen einer Kündigung für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrages nicht als widerrechtliche Drohung i. S. von § 123 Abs. 1 BGB angesehen werden könne. Im Hinblick auf die bereits erstinstanzlich dargelegten Pflichtverletzungen des Klägers treffe es keineswegs zu, dass sie - die Beklagte - den Ausspruch einer Kündigung nicht habe ernsthaft in Erwägung ziehen dürfen. Der Kläger habe durch eigenmächtige Preisreduzierungen die arbeitgeberseitigen Vermögensinteressen missachtet. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger - wie bereits erstinstanzlich vorgetragen - die betreffenden Preisreduzierungen gegenüber den Kassiererinnen verfügt und diese ohne Rechtfertigung angewiesen habe, die Verbuchung der Artikel nicht korrekt vorzunehmen, sodass eine genaue Nachprüfung des Einkaufsvorgangs unmöglich geworden sei. Das erstinstanzliche Urteil beruhe auch auf einer Verkennung der hinsichtlich der Anfechtbarkeit des Aufhebungsvertrages vorgegebenen Beweislastverteilung.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit der Klage stattgegeben wurde und trägt unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag im Wesentlichen vor, wegen der Abwesenheit des Marktleiters S ab dem 18.03.2003 sei er als dessen Stellvertreter berechtigt gewesen, Waren preisreduziert zu verkaufen. Entgegen den Behauptungen der Beklagten treffe es auch nicht zu, dass bereits Anfang März 2003 in der Schließungsphase andere Personen als Marktleiter bzw. stellvertretende Marktleiter anstelle des Herrn Z. eingesetzt worden seien. Falsch sei auch die Behauptung der Beklagten, er habe Kassiererinnen zur unkorrekten Verbuchung der betreffenden Artikel angewiesen.

Zur Begründung seiner eigenen Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass sich bei der Formulierung seiner Klageanträge im Schriftsatz vom 31.03.2005 ein Tippfehler eingeschlichen habe, indem die für die Monate Juni, Juli und August 2003 geltend gemachte Arbeitsvergütung nicht mehr - wie in den vorherigen Schriftsätzen - mit jeweils 3.300,00 € sondern nur noch mit 3.000,00 € brutto beziffert worden sei. Hierbei handele es sich jedoch um eine offenbare Unrichtigkeit i. S. von § 319 Abs. 1 ZPO. Bereits das Arbeitsgericht sei an sich verpflichtet gewesen, diese Unrichtigkeit im Wege einer Korrektur des Urteilstenors zu berichtigen. Hilfsweise mache er - der Kläger - die im erstinstanzlichen Urteil unberücksichtigten Beträge nunmehr im Wege einer Klageerweiterung geltend.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 27.07.2005, zugestellt am 05.08.2005, Az.: 6 Ca 1630/03, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger

für den Monat Juni 2003 über den ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 300,00 € brutto, mithin also ein Bruttogehalt in Höhe von 3.300,00 € abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit gezahlter 1.243,80 €,

für den Monat Juli 2003 über den ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 300,00 € brutto, mithin also ein Bruttogehalt in Höhe von 3.300,00 € abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit gezahlter 1.285,26 € und

für den Monat August 2003 über den ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 300,00 € brutto, mithin also ein Bruttogehalt in Höhe von 3.300,00 € abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit gezahlter 1.285,26 €

nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus den jeweils fälligen Monatsgehältern seit dem 30. des jeweiligen Monats zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 221 - 232 d. A.), auf die Schriftsätze der Beklagten vom 04.10.2005 (Bl. 292 - 297 d. A.) und vom 13.10.2005 (Bl. 321 d. A.) sowie auf die Schriftsätze des Klägers vom 05.10.2005 (Bl. 308 - 315 d. A.) und vom 17.11.2005 (Bl. 345 - 360 d. A.).

Entscheidungsgründe:

I.

1.

Die Berufung der Beklagten ist nur zum Teil zulässig.

Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den Monat April 2003 eine restliche Arbeitsvergütung in Höhe von 586,71 € brutto zu zahlen, so fehlt es der auf vollumfänglicher Klageabweisung gerichteten Berufung an einer ordnungsgemäßen Begründung gemäß § 520 Abs. 3 ZPO. Die Berufungsbegründung der Beklagten enthält keinerlei Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (dort unter II. 1.) bezüglich des von der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages unabhängigen Nachzahlungsanspruchs des Klägers für den Monat April 2003.

Die Berufung der Beklagten war daher insoweit als unzulässig zu verwerfen, ohne dass dies im Urteilstenor gesondert zum Ausdruck zu bringen war.

2.

Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Insoweit hat das Rechtsmittel auch in der Sache Erfolg.

a)

Die auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtete Feststellungsklage (Klageantrag zu 1) ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der am 02.04.2003 getroffenen Aufhebungsvereinbarung zum 30.04.2003 geendet.

Der Kläger hat die Beendigungsvereinbarung in Ermangelung eines Anfechtungsgrundes nicht wirksam angefochten.

Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt ist, die Erklärung mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anfechten. Eine Drohung im Sinne dieser Norm setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig dargestellt wird. Die Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer nicht bereit sei, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, stellt die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels dar, dessen Verwirklichung in der Macht des ankündigenden Arbeitgebers liegt. Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung kann sich regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des erfolgten Zwecks (Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung) kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, so ist die Drohung widerrechtlich. Dabei ist jedoch nicht erforderlich, dass sich die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte (BAG v. 30.09.1993 - 2 AZR 268/93). Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit anstelle des Kündigungsausspruchs noch eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre. Von einem verständigen Arbeitgeber kann nicht generell verlangt werden, dass er bei seiner Abwägung das Ergebnis der in einem Kündigungsschutzprozess vom Arbeitsgericht vorzunehmenden Beurteilung "trifft". Nur wenn er unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Fall ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigung nicht in Aussicht stellen um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen (BAG v. 27.11.2003 - 2 AZR 135/03 - m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Kündigungsandrohung der Beklagten nicht als widerrechtlich im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB.

Der Kläger hat unstreitig im Zeitraum vom 05.03. bis 31.03.2003 in mehreren Fällen Waren mit einem mehr als 25 %igen Preisnachlass an Kunden verkauft. Hierzu war er jedenfalls hinsichtlich des von ihm am 05.03.2003 getätigten Verkaufs eines Hochdruckreinigers, bei dem er einen 50 %igen Preisnachlass gewährt hat, nicht berechtigt. Unstreitig durften Preisreduzierungen auch für beschädigte Waren nur vom Marktleiter vorgenommen werden. Lediglich bei dessen Abwesenheit stand auch dem Kläger in seiner Eigenschaft als stellvertretender Marktleiter diese Befugnis zu. Während der ab Anfang März 2003 einsetzenden Schließungsphase durfte allerdings nach dem Vorbringen der Beklagten eine Preisreduzierung bis zu 25 % auch ohne Zustimmung der Marktleitung erfolgen. Es bestehen indessen keinerlei ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass während dieser Schließungsphase weitergehende Preisnachlässe ohne Zustimmung der Marktleitung vorgenommen werden durften. Die Einräumung einer solchen Befugnis hat der Kläger nicht vorgetragen. Es ist daher unerheblich, ob die vom Kläger bestrittene Behauptung der Beklagten zutrifft, wonach er Anfang März 2003 auch noch ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass er höhere als 25 %ige Preisreduzierungen erst nach Zustimmung des Vorgesetzten vornehmen dürfe. Auf das Zeitungsinserat der Beklagten (Bl. 104 d. A.), in welchem mit einer 60 %igen Preisreduzierung auf Restposten geworben wird, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Das betreffende Inserat datiert nach seinem eigenen Vorbringen vom 13.04.2003 und somit zeitlich erst nach den von ihm bereits im März 2003 gewährten Preisnachlässen. Soweit der Kläger vorträgt, es sei bei der Beklagten "usus" gewesen, dass für Musterteile - um ein solches habe es sich bei dem am 05.03.2003 verkauften Hochdruckreiniger gehandelt - ein 50 %iger Preisnachlass gewährt werde, so erweist sich dieses Vorbringen zum einen als unsubstantiiert und zum anderen bereits deshalb als unerheblich, weil die Entscheidung über die Gewährung solcher Preisnachlässe unstreitig dem Marktleiter und lediglich bei dessen Abwesenheit dem Kläger oblag. Am 05.03.2003 war der Marktleiter indessen nicht abwesend. Nach Behauptung des Klägers, dem die Beklagte nicht entgegengetreten ist, begab sich dieser erst am 18.03.2003 (bis zum 01.04.2003) in Urlaub. Es steht somit fest, dass der Kläger jedenfalls am 05.03.2003 unbefugt Ware preisreduziert verkauft hat, indem er einen Hochdruckreiniger unter Gewährung eines 50 %igen Preisnachlasses für 144,98 € an einen ihm nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Beklagten persönlich bekannten Kunden abgegeben hat.

Durch dieses Verhalten hat der Kläger in zumindest nicht unerheblicher Weise gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass er dabei auch Vermögensinteressen der Beklagten verletzt hat. Denn die Beklagte allein, d. h. vorliegend der zuständige Marktleiter, war berechtigt, darüber zu befinden, was mit ihrem Eigentum geschieht bzw. zu welchem Preis dieses an Dritte abgegeben wird. Das Fehlverhalten des Klägers war daher geeignet, einen an sich den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigenden Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Keinesfalls musste die Beklagte davon ausgehen, die Pflichtverletzung des Klägers werde in einem Kündigungsschutzprozess vom Arbeitsgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB angesehen.

Die Beklagte musste auch nicht davon ausgehen, dass sich der Ausspruch der von ihr angedrohten Kündigung bereits wegen Fehlens einer vorherigen einschlägigen Abmahnung als unwirksam erweisen würde. Einer Abmahnung bedarf es nämlich dann nicht, wenn der Arbeitnehmer in Ansehung der Schwere seiner Pflichtverletzung mit einer Duldung des Fehlverhaltens durch den Arbeitgeber ohnehin nicht rechnen kann. Im Streitfall konnte der Kläger jedoch nicht mit vertretbaren Gründen annehmen, sein Verhalten, welches die Vermögensinteressen der Beklagten verletzte, werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen. Besondere Umstände, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, hat der hinsichtlich der Widerrechtlichkeit der Drohung i. S. v. § 123 Abs. 1 BGB darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht dargetan.

Letztlich musste die Beklagte auch unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht davon ausgehen, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten. Zwar wären bei der Prüfung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung zugunsten des Klägers insbesondere dessen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Ehefrau und drei Kindern zu berücksichtigen. Allerdings war der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt erst etwa 4,5 Jahre bei der Beklagten beschäftigt gewesen und verfügte unter Berücksichtigung seines Lebensalters (41 Jahre) noch über relativ gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. Zugunsten der Beklagten wäre zu berücksichtigen, dass durch das Fehlverhalten des Klägers das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht unerheblich beschädigt wurde und dass die Beklagte als Einzelhandelsunternehmen in besonderer Weise auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer mit dem Verkauf von Waren betrauten Mitarbeiter angewiesen ist.

Zwar konnten auf Seiten der Beklagten in Ansehung des Fehlverhaltens des Klägers sowie unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles und der gegenseitigen Interessen durchaus Zweifel bestehen, ob die von ihr angedrohte außerordentliche Kündigung einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung standhält. Keineswegs musste sie jedoch davon ausgehen, dass sich die Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtsunwirksam erweisen würde. Die Drohung stellt sich somit nicht als widerrechtlich im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB dar.

Eine Widerrechtlichkeit der Drohung ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Kläger vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages keine Bedenkzeit eingeräumt wurde. Allein das Drängen auf unverzügliche Abgabe einer Willenserklärung erfüllt nicht den Anfechtungstatbestand des § 123 BGB (vgl. DLW/Hoß, 3. Auflage, D Rz. 2491 m.N.a.d.Rspr.).

Auch der vom Kläger im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens schriftsätzlich erklärte Widerruf der Beendigungsvereinbarung führt nicht zu deren Wegfall. Eine am Arbeitsplatz geschlossene arbeitsrechtliche Beendigungsvereinbarung ist nämlich kein Haustürgeschäft im Sinne von § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB. Der Arbeitnehmer ist deshalb nicht zum Widerruf seiner Erklärung nach §§ 312, 355 BGB berechtigt (BAG v. 27.11.2003 - 2 AZR 135/03).

b)

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien somit zum 30.04.2003 geendet hat, ist auch die auf Zahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit ab dem 01.05.2003 gerichtete Klage unbegründet. Ein den Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung auslösender Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten bestand nach dem 30.04.2003 nicht mehr.

c)

Der auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 9.045,00 € gerichtete Hilfsantrag des Klägers ist ebenfalls nicht begründet.

Die in Ziffer 5.1 des Sozialplans vom 05.06.2000 enthaltenen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung sind nicht erfüllt. Nach dieser Regelung steht nur denjenigen Arbeitnehmern eine Abfindung zu, die infolge einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung aus dem Unternehmen ausscheiden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat indessen nicht infolge einer solchen Kündigung geendet. Der zwischen den Parteien geschlossene Aufhebungsvertrag ist auch nicht von der Beklagten im Hinblick auf die anstehende Betriebsschließung veranlasst worden; sein Zustandekommen beruht vielmehr ausschließlich auf der Drohung seitens der Beklagten mit einer auf das Fehlverhalten des Klägers gestützten außerordentlichen Kündigung.

II.

1.

Die Berufung des Klägers ist als solche unzulässig.

Soweit der Kläger mit seinem Berufungsantrag eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils dahingehend begehrt, dass die Beklagte verurteilt wird, an ihn über die für die Monate Juni bis August 2003 ausgeurteilten Beträge weitere 300,00 € brutto zu zahlen, fehlt es an der für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlichen Beschwer des Klägers.

Eine Berufung ist unzulässig, wenn mit ihr keine Abhilfe gegen eine Beschwer aus dem erstinstanzlichen Urteil gesucht wird. Die klagende Partei kann daher - von Ausnahmefällen abgesehen - eine Berufung nur einlegen zur Weiterverfolgung eines durch die Vorinstanz aberkannten Anspruchs oder Anspruchsteil (BAG v. 23.06.1993 - 2 AZR 56/93). Eine Abweisung bzw. Aberkennung der für den Zeitraum Juni bis einschließlich August 2003 geltend gemachten Arbeitsvergütungsansprüche ist durch das erstinstanzliche Urteil erkennbar nicht erfolgt. Das Arbeitsgericht hat vielmehr, wie sich sowohl aus dem Tatbestand als auch aus den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils eindeutig ergibt, insoweit lediglich über die auf Zahlung von 3.000,00 € brutto abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes gerichteten Anträge entschieden und diesen in vollem Umfang stattgegeben. Eine zur Statthaftigkeit der Berufung führende Klageabweisung liegt daher insoweit nicht vor.

2.

Die wegen fehlerhafter Beschwer nicht statthafte Berufung des Klägers war jedoch in eine Anschlussberufung gemäß § 524 ZPO umzudeuten (vgl. Zöller, ZPO, 24. Auflage, § 524 Rz. 4 m.N.a.d.Rspr.). Hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Anschlussberufung bestehen vorliegend keinerlei Bedenken.

Die Anschlussberufung erweist sich jedoch als unbegründet, da Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit nach dem 30.04.2003 - wie bereits ausgeführt - ohnehin nicht bestehen.

III.

Nach alledem war das erstinstanzliche Urteil nur insoweit aufrechtzuerhalten, als die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger für April 2003 eine restliche Arbeitsvergütung von 586,71 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen war die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen. Die Berufung des Klägers unterlag (als Anschlussberufung) der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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