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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 29.03.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 875/05
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG, HGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 23 Abs. 1 S. 2
KSchG § 23 Abs. 1 S. 4
HGB § 84 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 875/05

Entscheidung vom 29.03.2006 Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.09.2005, Az.: 7 Ca 1048/05, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Der Kläger war bei dem Beklagten seit 1991 als Musiklehrer beschäftigt. Der Beklagte erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 30.05.2005 eine Abmahnung und kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.06.2005 fristlos sowie vorsorglich auch ordentlich zum 31.12.2005. Mit seiner am 21.06.2005 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger zunächst die Entfernung des Abmahnungsschreibens aus seiner Personalakte begehrt und mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 14.07.2005 Kündigungsschutzklage hinsichtlich der ihm mit Schreiben vom 29.06.2005 ausgesprochenen Kündigung(en) erhoben. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.09.2005 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 29.06.2005 aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Soweit das Arbeitsgericht die gegen die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung gerichtete Klage abgewiesen hat, hat es in den Entscheidungsgründen seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, die streitbefangene ordentliche Kündigung sei nicht auf ihre soziale Rechtfertigung hin zu überprüfen, da der Beklagte - dies war zwischen den Parteien in erster Instanz unstreitig - in der Regel nicht mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftige, sodass sich die ordentliche Kündigung in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe als rechtswirksam erweise. Gegen das ihm am 29.09.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.10.2005 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 25.11.2005 verlängerte Berufungsbegründungsfrist am 27.12.2005 begründet.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, der Beklagte beschäftige zwei Vollzeitkräfte sowie zwei weitere Arbeitnehmer, die ebenso wie er - der Kläger - lediglich eine "halbe Stelle" (19,25 Stunden pro Woche) inne hätten. Darüber hinaus sei noch ein Herr O., der zwar bei der Volkshochschule E. beschäftigt sei, aber zugleich als stellvertretender Musikschulleiter fungiere, im zeitlichen Umfang einer Halbtagsstelle beim Beklagten als Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Zwar ergebe sich bei Berücksichtigung all dieser Personen noch nicht, dass der Beklagte mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftige. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass für den Beklagten ca. 70 Honorarkräfte tätig seien, von denen ein Teil lediglich "den Namen zur Verfügung stelle", ohne hingegen die Schüler des Beklagten selbst zu unterrichten. Eine vertragliche Beziehung der tatsächlich Unterrichtenden zum Beklagten bestehe nicht. Nachdem folglich bereits aus diesem Personenkreis eine Vielzahl von Musiklehrern eine abhängige Tätigkeit ausübe, liege die Zahl der Arbeitnehmer des Beklagten deutlich über der für die Anwendung des Kündungsschutzgesetzes erforderlichen Anzahl. Der Beklagte behandele seine Honorarkräfte auch wie fest angestellte Lehrkräfte. So erteile er z. B. Weisungen dahingehend, wie musikalische Früherziehung stattzufinden habe und halte seine Honorarkräfte dazu an, bei verschiedenen Veranstaltungen mitzuwirken. Darüber hinaus seien Mitarbeiter der Kreisverwaltung E. dem Beklagten als Arbeitnehmer zuzurechnen. Dies ergebe sich u. a. daraus, dass die Dezernentin der Kreisverwaltung E. bestimmte Arbeitsleistungen erbringe, die zumindest auch den Beklagten beträfen. Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die ordentliche Kündigung vom 29.06.2005 nicht aufgelöst worden ist. Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Der Beklagte verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil und macht im Wesentlichen gelten, er beschäftige regelmäßig lediglich eine Vollzeitkraft und zwei Teilzeitkräfte. Die als Musiklehrer eingesetzten Honorarkräfte seien nicht als Arbeitnehmer, sondern vielmehr als freie Mitarbeiter tätig. Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die von den Parteien im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die gegen die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 29.06.2005 gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Die gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch diese Kündigung aufgelöst worden. Die Kündigung ist nicht auf ihre soziale Rechtfertigung i. S. von § 1 Abs. 1, 2 KSchG hin zu überprüfen, da diese Vorschrift gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung findet. Der Kläger hat nämlich nicht dargetan, dass der Beklagte in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Im Kündigungsschutzprozess trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (BAG v. 04.07.1957 - 2 AZR 86/55; v. 09.09.1982 - 2 AZR 253/80; v. 18.01.1990 - 2 AZR 355/89; v. 15.03.2001 - 2 AZR 151/00). Ein solcher Vortrag gehört grundsätzlich zur Begründung der Klage. Dabei dürfen allerdings keine unzumutbar strengen Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers gestellt werden. Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast regelmäßig bereits dann, wenn er die für eine entsprechende Arbeitnehmerzahl sprechenden Tatsachen schlüssig darlegt (BAG v. 24.02.2005 - 2 AZR 373/03). Im Streitfall hat der Kläger die für die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes erforderliche Anzahl der beim Beklagten regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nicht schlüssig dargetan. Soweit er zunächst geltend macht, der Beklagte beschäftige außer ihm (als Teilzeitkraft) zwei Arbeitnehmer in Vollzeit sowie weitere drei Arbeitnehmer in Teilzeit, so räumt er diesbezüglich selbst ein, dass damit gemäß § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG die erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern nicht erreicht wird. Hinsichtlich der von dem Beklagten als sogenannte Honorarkräfte beschäftigten Musiklehrer liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass deren Beschäftigungsverhältnisse als Arbeitsverhältnisse rechtlich zu qualifizieren sind. Vielmehr ist in Ermangelung eines ausreichenden Sachvortrages des Klägers davon auszugehen, dass die Honorarkräfte - entsprechend dem Vorbringen des Beklagten - als freie Mitarbeiter beschäftigt werden. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Arbeitnehmer ist danach derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 S. 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Dessen Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass er einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dieses Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Diese Grundsätze gelten auch für Unterrichtstätigkeit. Entscheidend ist danach, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist und in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise seiner Erteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten kann. Musikschullehrer können auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden. Arbeitnehmer sind sie nur dann, wenn die Parteien dies vereinbart haben oder im Einzelfall festzustellende Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass der für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit gegeben ist (vgl. zum Ganzen: BAG v. 24.06.1992 - 5 AZR 384/91, m. w. N.). Bei Anwendung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den zwischen dem Beklagten und den von ihm als Honorarkräfte beschäftigten Musiklehrern um Arbeitsverhältnisse handelt. Die Honorarkräfte werden unstreitig auf Grundlage des von dem Beklagten vorgelegten Mustervertrages (Bl. 118 bis 120 d. A.) der die Überschrift "Lehrauftrag" trägt, für den Beklagten tätig. Dieser Vertrag enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die betreffenden Musiklehrer einem für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses erforderlichen Weisungsrecht des Beklagten unterliegen. Abgesehen davon, dass nach § 2 des Vertrages gerade kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Honorarkraft begründet werden soll, ist der Musiklehrer gemäß § 6 des Vertrages hinsichtlich der didaktischen und methodischen Gestaltung des Unterrichts frei. Er entscheidet auch ausweislich des § 3 selbst über Unterrichtsort- bzw. gebäude. Anhaltspunkte dafür, dass der Musiklehrer hinsichtlich der zeitlichen Lage der einzelnen Unterrichtsstunden einem Weisungsrecht des Beklagten unterliegt, lassen sich dem Vertragswerk nicht entnehmen. Nach § 6 des Vertrages ist er lediglich verpflichtet, die mit dem Schüler vereinbarten Unterrichtszeiten einzuhalten. Auch ansonsten lassen sich dem Mustervertrag keinerlei Regelungen entnehmen, aus denen sich das Bestehen eines nennenswerten Weisungsrechts des Beklagten hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit ableiten ließe. Der Kläger hat auch nicht dargetan, dass die praktische Durchführung der betreffenden Lehraufträge von den getroffenen schriftlichen Vereinbarungen in einem solchen Maß abweicht, dass die Annahme eines Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt wäre. Soweit sich der Kläger diesbezüglich darauf beruft, der Beklagte halte die als Honorarkraft beschäftigten Musiklehrer dazu an, an verschiedenen musikalischen Veranstaltungen teilzunehmen, so lässt sich hieraus das Bestehen eines Weisungsrechts des Beklagten nicht ableiten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Umstände die Honorarkraft zur Teilnahme an den betreffenden Veranstaltungen aufgrund einseitiger Anordnung des Beklagten verpflichtet sein soll. Soweit der Kläger geltend macht, für den Beklagten seien darüber hinaus auch Personen tätig, die mit diesem nicht in vertraglichen Beziehungen stünden, so lässt sich auch hieraus für das Bestehen weiterer Arbeitsverhältnisse nichts ableiten. Der Kläger behauptet diesbezüglich lediglich pauschal, die betreffenden Personen unterlägen einem Weisungsrecht des Beklagten, ohne indessen diese Behauptung in irgendeiner Weise zu substantiieren. Entgegen der Ansicht des Klägers sind auch nicht einzelne Mitarbeiter der Kreisverwaltung E. dem Beklagten als Arbeitnehmer zuzurechnen. Dies wäre allenfalls dann möglich, wenn der Beklagte zusammen mit der Kreisverwaltung E. einen gemeinsamen Betrieb führen würde. Hierfür hat jedoch weder der insoweit darlegungsbelastete Kläger ausreichende Tatsachen vorgetragen, noch sind (ansonsten) Umstände ersichtlich, welche die Annahme eines gemeinsamen Betriebes rechtfertigen könnten. Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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