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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 29.03.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 883/05
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 883/05

Entscheidung vom 29.03.2006 Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.09.2005, Az.: 9 Ca 1194/04, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier ordentlicher Kündigungen. Der am 22.05.1968 geborene, verheiratete und einem minderjährigen Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten, die in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, seit dem 20.07.2000 als Kommissionierer beschäftigt. Im Jahr 2001 war der Kläger an insgesamt 12, im Jahr 2002 an 50, im Jahr 2003 an 44 und im Jahr 2004 (bis einschließlich 26.03.2004) an 26 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Während dieses Gesamtzeitraumes erbrachte die Beklagte an den Kläger Entgeltfortzahlung (ohne Berücksichtigung des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung) in Höhe von insgesamt 9.752,62 EUR. Hinsichtlich der Krankheitszeiten, den den Erkrankungen zugrunde liegenden ärztlichen Diagnosen und den Entgeltfortzahlungskosten im Einzelnen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 06.09.2005 (dort S. 3 = Bl. 275 d. A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 23.04.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.05.2004. Gegen diese Kündigung richtete sich die vom Kläger am 30.04.2004 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage. Nach Kündigungsausspruch war der Kläger erneut in der Zeit vom 26.04. bis einschließlich 28.05.2004 (25 Arbeitstage) an Lumboischialogie arbeitsunfähig erkrankt. Diesbezüglich erbrachte die Beklagte Entgeltfortzahlung für insgesamt 20 Arbeitstage, nämlich für die Zeit bis einschließlich 21.05.2004, in Höhe von 1.612,20 EUR (ohne Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung). Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin mit Schreiben vom 29.07.2004 (nochmals) ordentlich zum 31.08.2004. Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 13.08.2004 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht. Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, mit weiteren Fehlzeiten sei in Zukunft nicht mehr zu rechnen, da die Krankheiten, welche für die Fehlzeiten in der Vergangenheit ursächlich gewesen seien, nach Auskunft der behandelnden Ärzte ausgeheilt seien. Bei dem Leistenbruch handele es sich zudem um eine einmalige Erkrankung. Hinsichtlich der Erkältungen und dem Rückenleiden müssten zudem die betrieblichen Arbeitsbedingungen berücksichtigt werden. Diese seien für die aufgetretenen Rückenerkrankungen zumindest mitursächlich. Der Kläger hat (zuletzt) beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristgemäße Kündigung vom 23. April 2004 aufgelöst worden ist, 2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristgemäße Kündigung vom 29. Juli 2004 aufgelöst worden ist. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, dass auch in Zukunft mit weiteren erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers und den damit einhergehenden Entgeltfortzahlungskosten gerechnet werden müsse. Neben den wirtschaftlichen Belastungen durch die Entgeltfortzahlung sei es auch zu betrieblichen Beeinträchtigungen gekommen, weil andere Arbeitnehmer die Tätigkeit des Klägers hätten erledigen müssen, was zu einer erheblichen Belastung der betroffenen Arbeitnehmer führe. Die häufigen Fehlzeiten führten zudem zu einer nicht mehr zumutbaren Planungsunsicherheit. Das Rückenleiden des Klägers sei zum Zeitpunkt der Kündigungen nicht ausgeheilt gewesen, was auch durch die erneute Erkrankung ab dem 26.04.2004 belegt werde. Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Zeugenaussagen der den Kläger behandelnden Ärzte Dr. K., Dr. L. und Dr. M. sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Zeugenaussagen (Bl. 145 f., 153, 154 ff. d. A.) sowie auf den Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens vom 27.06.2005 (Bl. 209 - 218 d. A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 06.09.2005 stattgegeben. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 15 dieses Urteils (= Bl. 279 bis 287 d. A.) verwiesen. Gegen das ihr am 07.10.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.11.2005 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 05.12.2005 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 21.12.2005 begründet. Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft ohne Durchführung einer Beweisaufnahme hinsichtlich der Erkrankungen Gastroösoph Reflux Ösophagitis, Gastroenteritis und Kolitis, wegen der der Kläger am 12.06.2001 sowie am 09.02.2004 krankgeschrieben gewesen sei sowie der Migräne, wegen der vom 11.05.2001 bis 13.05.2001 eine Krankschreibung erfolgt sei, stillschweigend von einer fehlenden negativen Prognose ausgegangen. Diese Erkrankungen seien bei Kündigungsausspruch nicht ausgeheilt gewesen. Die Annahme, dass es sich hierbei um chronische Erkrankungen handele, scheitere auch nicht daran, dass der Kläger wegen der betreffenden Erkrankungen erst ein- oder zweimal erkrankt sei. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Fehlzeiten des Klägers wegen Nasenblutens. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts könne auch das Vorliegen erheblicher betrieblicher bzw. wirtschaftlicher Beeinträchtigungen in Folge der Ausfallzeiten des Klägers nicht verneint werden. Letztlich sei die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Insbesondere könne das Rückenleiden des Klägers nicht auf die Arbeitsbedingungen im Tiefkühllager zurückgeführt werden. Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil. Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 274 - 278 d. A.), auf die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 21.12.2005 (Bl. 326 - 339 d. A.), auf den Schriftsatz der Beklagten vom 22.03.2006 (Bl. 360 f. d. A.) sowie auf die Berufungserwiderungsschrift des Klägers vom 15.02.2006 (Bl. 351 - 354 d. A.). Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr zu Recht stattgegeben. Die Klage ist insgesamt begründet, da das Arbeitsverhältnis der Parteien durch keine der beiden streitbefangenen Kündigungen aufgelöst worden ist. Die Kündigungen erweisen sich vielmehr mangels sozialer Rechtfertigung als rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1, 2 KSchG). Die soziale Rechtfertigung einer wegen häufiger Kurzerkrankungen ausgesprochenen Kündigung des Arbeitgebers ist nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. BAG v. 29.07.1993, Az. 2 AZR 155/93 m. w. N.) in drei Stufen zu prüfen. Zunächst ist eine negative Zukunftsprognose erforderlich. Es müssen zum Zeitpunkt der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dann darf der Arbeitgeber sich zunächst darauf beschränken, die Indizwirkung entfaltenden Fehlzeiten in der Vergangenheit darzulegen. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Neben Betriebsablaufstörungen kann Kündigungsgrund auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers sein. Auch außergewöhnlich hohe Entgeltfortzahlungskosten können den Arbeitgeber erheblich belasten, wenn hierdurch das Austauschverhältnis auf unbestimmte Zeit ganz erheblich gestört wird. Davon ist auszugehen, wenn für die Zukunft mit immer neuen, außergewöhnlich hohen Entgeltfortzahlungskosten zu rechnen ist, die pro Jahr jeweils für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind. Liegt nach diesen Grundsätzen eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vor, so ist in der dritten Stufe im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, und ob bzw. wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist, ferner das Alter und der Familienstand des Arbeitnehmers. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich beide streitbefangenen Kündigungen als sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG. Zum Zeitpunkt der mit Schreiben vom 23.04.2004 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung lagen keine objektiven Tatsachen vor, welche die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen konnten. Die häufigen Kurzerkrankungen des Klägers in der Vergangenheit sprechen nämlich vorliegend nicht für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes. Die sich aus den Fehlzeiten ergebende Indizwirkung ist in Ansehung der einzelnen Ursachen der jeweiligen Fehlzeiten sowie des Ergebnisses der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme entkräftet. Für die erforderliche Prognose sind zunächst diejenigen Erkrankungen, die auf Arbeitsunfällen beruhen - vorliegend: 12./13. November 2002, 04. - 06. Februar 2004 -, auszunehmen, da insoweit grundsätzlich keine Wiederholungsgefahr besteht und besondere Umstände, die Anlass zu einer anderen Beurteilung geben könnten, nicht vorgetragen sind. Zudem sind solche Erkrankungen ausgenommen, die ihrer Art nach keine Wiederholungsgefahr aufweisen, wie offenkundige einmalige Gesundheitsschäden (vgl. KR - Etzel, 6. Auflage, § 1 KSchG Rz. 328 m. N. a. d. Rspr.). So verhält es sich im Streitfall in Bezug auf die 48 Fehltage im Jahr 2002, die auf einem Leistenbruch des Klägers beruhen. Aber auch ansonsten erweisen sich die meisten den Ausfallzeiten zugrunde liegenden Erkrankungen des Klägers in der Vergangenheit als nicht geeignet, eine negative Prognose zu begründen. Dies gilt zunächst für die Bronchialerkrankungen, an denen der Kläger vom 18.07. - 25.07.2003, vom 18.09. - 24.09.2003 sowie vom 12.01. - 23.01.2004 litt. Diesbezüglich stellt das Sachverständigengutachten vom 27.06.2005 ausdrücklich fest, dass insoweit keine Chronifizierungstendenzen bestehen. Dies steht in Einklang mit dem Inhalt der schriftlichen Zeugenaussage des behandelnden Arztes Dr. L., der sich seinerseits auf den Befund des behandelnden Facharztes, Herrn F., bezieht und der diesbezüglich ausdrücklich eine positive Prognose für den Kläger bescheinigt. Nicht relevant für eine negative Prognose sind darüber hinaus die Fehlzeiten des Klägers vom 23.02.2001, vom 02.07. - 04.07.2001 sowie vom 22.08. - 25.08.2001. In Ansehung der diesen Ausfallzeiten zugrunde liegenden Diagnosen ist nämlich festzustellen, dass die betreffenden Erkrankungen seit dem Jahr 2001 beim Kläger nicht mehr aufgetreten sind, so dass bereits von daher nicht mit künftigen gleichartigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers zu rechnen ist. Auch die Ursache der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 10.02.2004 (Laryngitis) ist während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses nur einmal eingetreten und daher zur Stützung einer negativen Zukunftsprognose ungeeignet. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Arbeitsgericht auch die Ausfallzeiten des Klägers wegen Migräne (11.05. - 13.05.2001), wegen Kolitis (12.06.2001) und wegen Nasenblutens (28.02. - 01.03.2003) als nicht prognoserelevant angesehen. Die betreffenden Erkrankungen lagen bei Kündigungsausspruch schon lange Zeit zurück und sind nach dem im erstinstanzlichen Tatbestand getroffenen Feststellungen, denen die Beklagte im Berufungsverfahren nicht entgegen getreten ist, jeweils nur ein einziges Mal aufgetreten. Die pauschale Behauptung der Beklagten, die betreffenden Krankheiten seien bei Kündigungsausspruch nicht ausgeheilt gewesen, erscheint daher wenig nachvollziehbar. Entsprechendes gilt, soweit sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründungsschrift auf Fehlzeiten des Klägers vom 12.06.2001 und 09.02.2004 wegen Gastroösoph Reflux Ösophagitis, Gastroenteritis und Kolitis beruft. Die ausweislich des Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils, dessen Richtigkeit die Beklagte nicht in Abrede stellt, der Fehlzeit vom 12.06.2001 zugrunde liegende Erkrankung ist während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses nur ein einziges Mal und darüber hinaus mehrere Jahre vor Kündigungsausspruch aufgetreten. Am 09.02.2004 ist der Kläger - soweit ersichtlich - überhaupt nicht seiner Arbeit wegen Arbeitsunfähigkeit fern geblieben. Prognoserelevant bleiben somit (lediglich) die im Zusammenhang mit dem Rückenleiden des Klägers aufgetretenen Fehlzeiten, denen die Diagnose Radikulopathie bzw. Lumboischialogie zugrunde lag. Die Indizwirkung dieser Fehlzeiten, die der (ersten) Kündigung der Beklagten vom 23.04.2004 vorangingen, rechtfertigte zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs indessen nicht die Besorgnis zukünftiger krankheitsbedingter Ausfallzeiten in einem solchen Ausmaß, das zu erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen führen könnte. Der Kläger war während der letzten 24 Monate vor Kündigungsausspruch an insgesamt 44 Arbeitstagen wegen eines Rückleidens arbeitsunfähig erkrankt. Dies entspricht einer durchschnittlichen Fehlzeit von 22 Arbeitstagen pro Jahr. Unter Zugrundelegung dieser bei Kündigungsausspruch zu prognostizierenden zukünftigen krankheitsbedingten Fehlzeiten stand noch nicht zu befürchten, dass die Beklagte in Zukunft mit solchen Entgeltfortzahlungskosten belastet sein wird, die pro Jahr jeweils für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind. Die Annahme einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung in Folge außergewöhnlich hoher Entgeltfortzahlungskosten war daher zum Kündigungszeitpunkt nicht gerechtfertigt. Betriebsablaufstörungen oder sonstige betriebliche Belastungen, die durch die Fehlzeiten des Klägers eintreten könnten, hat die Beklagte - wie bereits das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt hat - nicht ausreichend dargetan. Der diesbezügliche pauschale Sachvortrag der Beklagten lässt nicht erkennen, ob und welche betrieblichen Auswirkungen die Fehlzeiten des Klägers in Bezug auf die betrieblichen Arbeitsabläufe hervorgerufen haben. Auch bei Ausspruch der Kündigung vom 29.07.2004 lagen keine objektiven Tatsachen vor, welche die Besorgnis weiterer, zukünftiger Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen konnten. Zwar war der Kläger in der Zeit vom 26.04. - 28.05.2004 und damit an weiteren 25 Arbeitstagen wegen einer Rückenerkrankung arbeitsunfähig. Die einschlägigen, eine Indizwirkung entfaltenden Krankheitszeiten während der letzten 24 Monate vor Ausspruch dieser Kündigung belaufen sich somit auf insgesamt 69 Arbeitstage, was einem Jahresdurchschnitt von 34,5 Arbeitstagen und somit einem Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr entspricht. Die Indizwirkung dieser Fehlzeiten ist jedoch in Ansehung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach Überzeugung des Berufungsgerichts entkräftet. Der den Kläger behandelnde Facharzt für Orthopädie Dr. M. hat in seiner schriftlichen Aussage vom 23.11.2004 ausdrücklich bekundet, dass im Zeitpunkt der letzten Untersuchung des Klägers am 25.06.2004 bereits von einem ausgeheilten Zustand ausgegangen werden konnte. Umstände, die geeignet sein könnten, die Richtigkeit dieser Zeugenaussage in Zweifel zu ziehen, sind nicht ersichtlich. War jedoch bereits am 25.06.2004 von einer Ausheilung der Rückenerkrankung des Klägers auszugehen, so stand dies der Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang entgegen. Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - aus dem Inhalt des vom Arbeitsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens. Die Sachverständige Dr. W. kommt in ihrem Gutachten vom 27.06.2005 lediglich zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein "erhöhtes" Risiko überdurchschnittlicher Ausfallzeiten besteht und dass mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von weiteren Fehlzeiten auszugehen ist. Die Sachverständige stellt jedoch in ihrem Gutachten in keiner Weise in Abrede, dass die Rückenerkrankung des Klägers, wie vom Zeugen Dr. M. bekundet, ausgeheilt ist und führt darüber hinaus auch aus, dass beim Kläger eine manifestierte Pathomorphologie des Muskel- und Skelettapparates nicht objektivierbar sei. Die Annahme eines erhöhten Risikos überdurchschnittlicher Fehlzeiten stützt die Sachverständige nahezu ausschließlich auf die Bedingungen, unter denen der Kläger seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, deren Ursächlichkeit für die Erkrankungen des Klägers seitens der Beklagten allerdings vehement bestritten wird. Unter Berücksichtigung der am 25.06.2004 vom behandelnden Facharzt festgestellten Ausheilung kann aus der von der Sachverständigen angenommenen Gefahr des Rezidivierens der Schmerzattacken im Muskel-Skelettapparat des Klägers noch nicht geschlossen werden, dass der Kläger zukünftig in erheblichem zeitlichen Umfang, d. h. mehr als sechs Wochen pro Kalenderjahr arbeitsunfähig erkranken wird. Diesbezüglich enthält das Sachverständigengutachten auch keinerlei konkrete Angaben. Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die im § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbstständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird.

Ende der Entscheidung

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