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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 12.07.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 137/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ZPO, SGB III


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 119 Abs. 1
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 123 Abs. 1, 2. Alternative
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 241 Abs. 2
BGB § 249 S.1
BGB § 280
BGB § 623
BGB § 626 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
SGB III § 144
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Sa 137/07

Entscheidung vom 12.07.2007

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.12.2006 - Az.: 4 Ca 1637/06 -wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit vorliegender Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit eines zwischen den Parteien geschlossenen Aufhebungsvertrags.

Von einer wiederholten Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.12.2006 (dort Seite 2 bis 4 = Bl. 45 bis 47 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 05.05.2006 nicht zum 30.06.2006 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.12.2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung dieser Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, eine widerrechtliche Drohung der Beklagten, die den Kläger zur Abgabe der Aufhebungserklärung bestimmt haben soll, liege selbst unter alleiniger Zugrundelegung des bestrittenen klägerischen Vortrags nicht vor. Wenn der Kläger einräume, dass bereits in dem Gespräch vom 04.05.2006 die Beklagte gesagt habe, dass sie das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2006 beenden wolle und sodann der Marktleiter am Nachmittag des 05.05.2006 sinngemäß den Ausspruch einer Kündigung bei Nichtunterzeichnung angekündigt hätte, könne hierin nicht mehr eine für die Abgabe der Aufhebungserklärung des Klägers kausale widerrechtliche Drohung gesehen werden. Zudem gebe der Kläger selbst an, dass er den Aufhebungsvertrag nicht unterschrieben hätte, wenn die Beklagte ihn über die möglichen sozialrechtlichen Folgen aufgeklärt hätte. Dies zeige deutlich, dass er nicht von der von ihm behaupteten und von der Beklagten bestrittenen Androhung einer Kündigung am 05.05.2006 zur Abgabe der Aufhebungsvereinbarungserklärung bestimmt worden sei.

Der vom Kläger angeführte Irrtum über den möglichen Bezug von Arbeitslosengeld ab dem 01.07.2006 betreffe allein den Beweggrund, so dass es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum handele. Daher habe die Verletzung einer Aufklärungspflicht nicht die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts zur Folge, sondern könne lediglich einen Anspruch auf Schadensersatz begründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 4 ff. des Urteils vom 20.12.2006 (= Bl. 47 ff. d. A.) verwiesen.

Der Kläger, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 06.02.2006 zugestellt worden ist, hat am 26.02.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 26.03.2007 sein Rechtsmittel begründet.

Der Kläger trägt vor,

indem die Beklagte ihm im Gespräch am 04.05.2006 bereits mitgeteilt habe, dass sie das Arbeitsverhältnis mit ihm auf jeden Fall zum 30.06.2006 beenden (aufheben) wolle, habe sie ihm in Aussicht gestellt, das Arbeitsverhältnis von sich aus zu beenden. Eine von ihr einseitig herbeigeführte Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe bei Nichtunterzeichnung eines Aufhebungsvertrages nur durch eine von ihr ausgesprochene Kündigung, und zwar, angesichts der vorgeschriebenen ordentlichen Kündigungsfrist eine außerordentliche Kündigung bewirkt werden können.

Diese konkludent angekündigte außerordentliche Kündigung sei auch das in Aussichtstellen eines künftigen Übels, welches in der Hand der Beklagten gelegen hätte, und damit eine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1, 2. Alternative, BGB. Diese Drohung sei auch widerrechtlich gewesen, da sie nicht zu rechtfertigen gewesen sei. Ein verständiger Arbeitgeber hätte die Kündigung zum damaligen Zeitpunkt nicht ernsthaft in Betracht ziehen können, da auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde und ein eine Kündigung rechtfertigender Grund weder vorgelegen hätte, noch erkennbar gewesen sei. Auch fehle es an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.

Durch das Verhalten der Beklagten am 04.05.2006 sei er in eine Zwangslage versetzt worden, die sich am 05.05.2006 verfestigt habe. So habe die Beklagte und der Zeuge Sch. ihm kurz vor Dienstschluss sinngemäß mitgeteilt, falls er den angebotenen Aufhebungsvertrag nicht unterschreibe, könnten auch ganz andere Seiten aufgezogen werden. Diese Formulierung habe er abermals nur als Ankündigung der bereits am Vortag in den Raum gestellten Kündigung verstehen können.

Die hieraus folgende Drohung sei auch ursächlich für seine Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages geworden. Ohne die Drohung am 04.05.2006 und die Verfestigung derselben am 05.05.2006 hätte er den Aufhebungsvertrag nicht unterschrieben.

Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu einer nicht gegebenen Kausalität der Drohung für die Abgabe seiner Willenserklärung unter Berücksichtigung des erstinstanzlich dargelegten Schadensersatzanspruchs wegen der fehlenden Belehrung über die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen seiner Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag, könnten nicht nachvollzogen werden und überzeugten nicht.

Gemäß § 142 Abs. 1 BGB sei wegen der begründeten Anfechtung des Aufhebungsvertrages dieser von Anfang an nichtig, so dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.06.2006 habe beendet werden können.

Der Arbeitgeber habe bei Abschluss des Aufhebungsvertrages grundsätzlich besondere Hinweis- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Arbeitnehmer. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber ausgehe und dieser durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages einen Schaden im Hinblick auf seine Ansprüche auf Arbeitslosengeld erleiden könne.

Er habe schließlich auch keine angemessene Bedenkzeit gehabt.

Die Rechtsfolge in diesen Fällen sei ein Anspruch auf Schadensersatz, wobei der Ersatzanspruch grundsätzlich Naturalrestitution vorsehe. Wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden, dann hätte er den Aufhebungsvertrag nicht unterschrieben.

Soweit die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung verschiedene Verhaltensweisen seiner Person erstmals rüge, seien diese Ausführungen neu und daher verspätet. Zudem seien sie nicht dazu geeignet, die in Aussicht gestellte außerordentliche Kündigung zum 30.06.2006 zu rechtfertigen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz - 4 Ca 1637/06 - vom 20.12.2006 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 05.05.2006 nicht zum 30.06.2006 aufgelöst wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie führt aus,

der Kläger habe weder die tatsächlichen Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung noch die tatsächlichen Voraussetzungen einer widerrechtlichen Drohung substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt. Soweit es unstreitig sei, dass am 04.05.2006 ein Gespräch zwischen dem Kläger, dem Geschäftsführer und dem Zeugen Sch. in Bezug auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers stattgefunden habe, entbehre die Behauptung des Klägers, sie habe bereits am 04.05.2006 "konkludent" eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses "angekündigt", jedweder Grundlage. Bereits aus dem eigenen Sachvortrag des Klägers werde deutlich, dass sie während des Gespräches am 04.05.2006 mit keinem Wort eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers angedroht hätte.

Vielmehr sei festzuhalten, dass der Kläger sich am Ende des Gespräches am 04.05.2006 mit der vorgeschlagenen einvernehmlichen Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2006 einverstanden erklärt hätte.

Das Gespräch am 04.05.2006, sei für den Kläger auch nicht unerwartet gekommen. So sei das Arbeitsverhältnis aufgrund des gravierenden Fehlverhaltens des Klägers nachhaltig gestört gewesen. Mit der Aktennotiz vom 20.02.2006 habe sie ein Fehlverhalten des Klägers vom 15.02.2006 und vom 17.02.2006 festgehalten. Mit dem Schreiben vom 14.03.2006 habe sie das dort im Einzelnen geschilderte Fehlverhalten des Klägers vom 07.03.2006 abgemahnt. Mit der Aktennotiz vom 12.04.2006 habe sie ein weiteres Fehlverhalten des Klägers vom 08.04.2006 festgestellt. Am 03.05.2006 sei der Kläger in der Zeit von 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr in dem Schnäppchen-Markt eingeteilt gewesen. Gegen 14.30 Uhr habe der Zeuge Sch. festgestellt, dass der Kläger in gebeugter Haltung rechts von der Kassentheke an einem Tisch gesessen und die Zeitung gelesen hätte.

Vor diesem Hintergrund sei es nachvollziehbar, dass die Parteien, also auch der Kläger, am 04.05.2006 übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen seien , dass es für beide Seiten an sinnvollsten wäre, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden. Nachdem man sich im Gespräch am 04.05.2006 auf eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2006 geeinigt hätte, sei dem Kläger dann Morgen des 05.05.2006 der Aufhebungsvertrag in Schriftform vorgelegt worden. Erst am Nachmittag gegen 16.30 Uhr habe der Kläger den streitbefangenen Aufhebungsvertrag unterschrieben. Eine irgendwie geartete Zwangslage werde bestritten.

Im Übrigen habe das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, das die Geschehensabläufe vom 05.05.2006 für den Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht mehr kausal seien.

Es werde bestritten, dass der Kläger über den möglichen Bezug von Arbeitslosengeld ab dem 01.07.2006 geirrt habe. Hinweis- und Aufklärungspflichten ihrerseits hätten nicht bestanden. Im Übrigen hätte die Verletzung einer solchen Hinweis- und Aufklärungspflicht lediglich einen Schadensersatz zur Folge, der nicht im Wege der Naturalrestitution die Beseitigung des Aufhebungsvertrages beinhalte, sondern Geldersatz.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gemäß den §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Anfechtung des Aufhebungsvertrages vom 05.05.2006 weder wegen widerrechtlicher Drohung bzw. arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB noch wegen Irrtums des Beklagten im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB vorliegen.

1.

Der Vortrag des Klägers zu den Geschehnissen am 04.05.2006 sowie 05.05.2006 reicht nicht aus, eine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB anzunehmen.

Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist, die Erklärung mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anfechten.

Eine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird; darunter fällt auch die Androhung einer außerordentlichen Kündigung oder ordentlichen Kündigung (vgl. BAG, Urteil vom 12.08.1999 - 2 AZR 832/98 -, AP Nr. 51 zu § 123 BGB; BAG, Urteil vom 30.09.1993 -2 AZR 268/93 -, AP Nr. 37 zu § 123 BGB). Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung bzw. ordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte; dabei ist es nicht erforderlich, dass die angekündigte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte (vgl. BAG, a.a.O.).

Vorliegend kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte dem Kläger mit einer (außerordentlichen) Kündigung gedroht hat. Ausdrücklich hat die Beklagte auf die Möglichkeit einer Kündigung nicht hingewiesen, da nach dem eigenen Vortrag des Klägers den Begriff Kündigung weder im Gespräch der Parteien am 04.05.2006 noch am 05.05.2006 durch die Beklagte verwendet worden ist. Nach unstreitigen Vorbringen der Parteien hat die Beklagte im Gespräch am 04.05.2006 ausgeführt, dass sie das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2006 aufheben/beenden wolle. Am 05.05.2006 soll die Beklagte - von dieser bestritten - sinngemäß mitgeteilt haben, "dass auch andere Seiten aufgezogen werden" könnten, wenn er nicht den Aufhebungsvertrag unterschreibe.

Unter Berücksichtigung dieses Sachvorbringens des Klägers könnte daher allenfalls eine Drohung durch schlüssiges Verhalten angenommen werden.

Selbst hiervon ist jedoch nicht auszugehen. Soweit die Beklagte am 04.05.2006 im Gespräch mit dem Kläger zumindest gesagt hat, dass sie das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2006 aufheben/beenden wolle, wobei sich die Parteien nach strittigem Vortrag der Beklagten bereits an diesem Tag auf eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mündlich geeinigt hätten, ist zunächst festzustellen, dass mit dem 04.05.2006 kein schriftlicher Aufhebungsvertrag geschlossen worden ist. Ein etwaiger mündlich abgeschlossener Aufhebungsvertrag am 04.05.2006 wäre ohne rechtliche Bedeutung, da dieser gemäß § 623 BGB der Schriftform bedarf.

Der formwirksame Aufhebungsvertrag wurde erst am Nachmittag des 05.05.2006 durch die Parteien abgeschlossen.

Soweit die Beklagte nach streitigem Vortrag des Klägers anlässlich der Vorlage des schriftlichen Aufhebungsvertrages am 05.05.06 sinngemäß mitgeteilt haben soll, dass auch ganz andere Seiten aufgezogen werden könnten, wenn er den Aufhebungsvertrag nicht unterschreibe, ist bereits fraglich, ob damit schlüssig vorgetragen worden ist. Denn durch die Verwendung des Begriffes "sinngemäß" nimmt der Kläger bereits eine Bewertung eines (behaupteten) Sachverhalts vor, ohne dass der bewertete Sachverhalt konkret vorgetragen wurde. Es liegt somit eine Wertung vor, die vielleicht aus bestimmten Tatsachen gezogen werden konnte, welche aber seitens des Klägers nicht im Einzelnen dargetan wurden. Insoweit ist auch der Sachvortrag keinem Beweise zugänglich. Selbst wenn man also das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung, das Arbeitsgericht hätte den erstinstanzlichen Zeugen Sch. zu den Geschehnissen am Nachmittag des 05.05.2006 vernehmen müssen als einen Beweisantritt auslegt, wäre ein etwaiger Beweisantrag also nicht ordnungsgemäß. Der Beweisantrag hat zum notwendigen Inhalt das Beweisthema sowie das Beweismittel. Das Beweisthema muss die spezifizierte Bezeichnung der Tatsachen beinhalten, welche bewiesen werden sollen. Tatsachen sind dabei alle der äußeren Wahrnehmung zugänglichen Geschehnisse oder Zustände, aus denen das objektive Recht Rechtswirkungen herleitet (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 25. Auflage, § 286, Rz. 9). Hierbei sind der beweiserhebliche Tatsachenvortrag von unmaßgeblichen Werturteilen und Tatsachenurteilen zu trennen. Es stellt aber einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar, wenn das Gericht einem Zeugenbeweis nachgehen soll, der erkennbar dem Zweck dient, den fehlenden Tatsachenvortrag der Partei durch die Aussage des Zeugen zu ersetzen (vgl. Zöller-Greger, a.a.O. und vor § 284, Rz. 5 a, m.w.N.).

Aber selbst wenn dem Kläger gegenüber diese Äußerung gemacht worden sein soll, kann dem nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden, dass die Beklagte bzw. der Zeuge Sch. damit die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber gemeint hat. Es gibt auch andere Möglichkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses "andere Seiten aufzuziehen". Dies kann etwa auch durch den Ausspruch einer Abmahnung, die Vornahme einer Versetzung oder sonstige durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckte Maßnahmen erfolgen. Eine Kündigung - sei es außerordentlich oder ordentlich - ist durch diese Äußerung nicht mit der seitens des Klägers angenommenen Eindeutigkeit erfasst.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte im Gespräch am Vortrag, dem 04.05.2006, geäußert hat, dass sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.06.2006 aufheben/beenden wolle. Diese Äußerung, die die Beklagte am 04.04.2006 und nicht am 05.05.2006 gemacht hat, enthält lediglich die angekündigte Absicht, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Sie enthält jedoch keine Festlegung darauf, auf welche Art bzw. in welcher Form das Arbeitsverhältnis beendet werden soll. Dies kann eine Kündigung sein, muss es aber nicht. Insoweit kann die Erklärung ebenso gut den Willen der Beklagten beinhalten, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden, so wie die Beklagte auch im vorliegenden Verfahren vorträgt und wofür der Begriff "aufheben", den der Kläger selbst verwendet, spricht. Die "Aufhebung" bzw. "Beendigung" des Arbeitsverhältnisses bedeutet nicht automatisch die "Kündigung" des Arbeitsverhältnisses. Gerade das seitens der Beklagten gewählte Beendigungsdatum 30.06.2006 deutet nicht daraufhin, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewollt gewesen ist. Der Kläger weist selbst darauf hin, dass die ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten wäre. In Betracht käme daher nur eine außerordentliche Kündigung. Die außerordentliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang. Zwar gibt es sogenannte "soziale" Auslauffristen, die die Wirkung einer außerordentlichen Kündigung verzögern. Die sog. "fristlose" Kündigung ist jedoch der Regelfall der außerordentlichen Kündigung. Mithin kann auch aufgrund des beabsichtigten Beendigungsdatums 30.06.2006, welches im Gespräch am 04.05.2006 durch die Beklagte angesprochen worden ist, nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit auf eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung durch die Beklagte geschlossen werden.

Somit kann selbst bei Unterstellung des Sachvortrags des Klägers aus dem Voranstehenden die Kammer nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass die Beklagte tatsächlich mit ihrer unstreitigen Äußerung am 04.05.2006 sowie der strittigen Äußerung vom 05.05.2006 mit einer Kündigung des Klägers gedroht haben soll und zwar für den Fall, dass der Kläger den ihm am 05.05.2006 vorgelegten Aufhebungsvertrag nicht unterschreibt.

2.

Soweit dem Sachvortrag des Klägers entnommen werden kann, dass er bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages am 05.05.2006 einem seitens der Beklagten ausgeübten Zeitdrucks ausgesetzt gewesen sein soll, wäre dieser Umstand rechtlich ohne Bedeutung. Eine Anfechtung wegen Zeitdrucks kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass eine derartige Behauptung zunächst durch Beweisaufnahme geklärt werden müsste, weil die Beklagte behauptet, bereits am Vortag, dem 04.05.2006, habe man sich mündlich auf eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses verständigt, könnte ein Zeitdruck eine Anfechtung nicht rechtfertigen. Selbst dann, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aufgefordert wird, den Aufhebungsvertrag ohne Bedenkzeit abzuschließen oder der Arbeitgeber sogar eine vom Arbeitnehmer gewünschte Bedenkzeit ablehnt, kann in dem aufgebauten Zeitdruck keine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB gesehen werden. Nur eine durch widerrechtliche Drohung verursachte Zwangslage berechtigt zur Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB. Die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Einzelnen wird nicht allgemein gegen jede Art von Beeinträchtigung durch eine Zwangslage geschützt, sondern nur gegen rechtswidrige Beeinflussung durch arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung (vgl. BAG Urteil vom 30.09.1993 - 2 AZR 268/93 -, a.a.O.).

3.

Eine arglistige Täuschung durch die Beklagte etwa im Hinblick auf die sozialrechtlichen Folgen eines Aufhebungsvertrages behauptet der Kläger selbst nicht einmal.

4.

Sollte der Kläger über die Folgen des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages in sozialrechtlicher Hinsicht geirrt haben, handelt es sich auch nicht um einen Irrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat. Ein etwaiger Irrtum über die aus dem Abschluss des Aufhebungsvertrages sich ergebenden Nachteile wie der Eintritt einer Sperrfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld gem. § 144 SGB III, ist als bloßer Motiv- bzw. Rechtsfolgen-Irrtum unbeachtlich (vgl. BAG 14.02.1996 - 2 AZR 234/95 -, NZA 1996, 811).

5.

Soweit der Kläger darauf verweist, die Beklagte habe als Arbeitgeberin bei Abschluss des Aufhebungsvertrages grundsätzlich besondere Hinweis- und Aufklärungspflichten und den Arbeitnehmer immer zusätzlich aufzuklären, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Beklagte tatsächlich eine Hinweis-Aufklärungspflicht in Bezug auf die sozialversicherungsrechtlichen Folgen eines Aufhebungsvertrages und zwar konkret in Bezug auf die Arbeitslosenunterstützung trifft. Jedenfalls würde die Verletzung möglicher Aufklärungspflichten des Arbeitgebers nicht zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages führen. Allenfalls kann sie eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers nach §§ 241 Abs. 2, 280 BGB auslösen (BAG 10.03.1988, AP Nr. 99 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist der Anspruch jedoch immer nur auf Geldersatz gerichtet. Dagegen kann der Arbeitnehmer nicht gemäß § 249 S.1 BGB im Wege der sogenannten Naturalrestitution die Beseitigung des Aufhebungsvertrages bzw. die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verlangen. Es ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer bei einer sachgemäßen Belehrung seine Eigeninteressen in vernünftiger Weise gewahrt hätte (BAG 18.12.1984, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen). Der Arbeitnehmer hätte den Aufhebungsvertrag zu anderen Konditionen abgeschlossen mit einem Inhalt, der nicht zu einem Schaden geführt hätte (Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 7. Aufl., I Rz. 156). In aller Regel wird es daher an der erforderlichen Kausalität zwischen der Fürsorgepflichtverletzung und dem Schaden fehlen (vgl. Weber/Ehrich in NZA 1997, 414, 420). Für einen anderen Kausalverlauf, wie z.B. den Nichtabschluss eines Aufhebungsvertrages bei sachgemäßer Belehrung, trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Zwar behauptet der Kläger, bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte er die von der Beklagten angebotene Aufhebungsvereinbarung nicht unterschrieben. Eine schlüssige Darlegung geschweige denn ein Beweisangebot ist hierzu nicht erfolgt.

III.

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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