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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.07.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 281/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 519
ZPO § 520
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Sa 281/07

Entscheidung vom 19.07.2007

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.03.2007, Az.: 10 Ca 2815/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit vorliegender Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aufgrund Kündigung vom 13.11.2006 weder fristlos noch hilfsweise ordentlich zum 30.06.2007 beendet worden ist.

Von einer wiederholten Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.03.2007 (dort S. 3 - 6 = Bl. 59 - 62 d. A.) mit der Einschränkung Bezug genommen, dass anders - als im unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils - es nunmehr zwischen den Parteien strittig ist, ob der vom Kläger verwendete Schraubstock im Werkzeugschrank des Klägers von diesem nach Arbeitsende weggeschlossen wird, so dass dieser vor unberechtigtem Zugriff Dritter geschützt ist.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose, hilfsweise ordentlich ausgesprochene Kündigung aufgelöst wurde, sondern über den 13.11.2006 bzw. 30.06.2007 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.03.2007 der Klage voll umfänglich stattgegeben und zur Begründung dieser Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könnte sich verdächtig gemacht haben, einen Diebstahl zum Nachteil der Beklagten zumindest begehen zu wollen. Der Verdacht einer strafbaren oder vertragswidrigen Handlung sei allerdings gegenüber anderen Kündigungssachverhalten ein eigenständiger Kündigungsgrund, der im jeweiligen Tatvorwurf nicht zwangsläufig enthalten sei. Dagegen habe die Beklagte die Kündigung erklärt, nachdem der bei ihr eingerichtete Betriebsrat entsprechend beteiligt worden sei, weil der Kläger eine pflichtwidrige Handlung begangen haben soll, nicht allein, weil es gerade der Verdacht gewesen sei, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers zerstört habe. Das gesamte tatsächliche Vorbringen der Beklagten genüge nicht, um bei dem Gericht die Überzeugung zu begründen, der Kläger habe sich nicht nur verdächtig gemacht, sondern tatsächlich in Zueignungsabsicht gehandelt und die Beklagte bestehlen wollen. Zwar gebe es gegen den Kläger verwendbare Verdachtsmomente. Die seitens der Beklagten vertretene Auffassung, die einzig plausible Erklärung für das Verhalten des Klägers am 08.11.2006 könne nur darin bestehen, durch das Einladen des Abfallholzes habe er davon ablenken wollen, dass er auch noch das Paket mit dem Schraubstock in seinem Auto habe verstauen wollen, teile es aber nicht. Es werde für möglich gehalten, dass der Kläger die Ausleiherlaubnis habe einholen wollen und die Absicht der Ausleihe bereits aufgegeben hätte, bevor er mit dem Pkw auf das Firmengelände gefahren sei, weil er den von ihm für zuständig gehaltenen Meister S. nicht habe finden können. Es sei auch möglich, dass der Kläger nicht für erfolgversprechend gehalten habe, den Schichtmeister G. auf den Verbleib des Werkzeugs anzusprechen, weil er einen schlechten Scherz seiner unmittelbaren Arbeitskollegen vermutet hätte. Zudem sei die Beklagte nicht dem Vortrag des Klägers entgegen getreten, wonach der Schraubstock von diesem selbst nach Arbeitsende stets in dem ihm zugeordneten Werkzeugschrank weggeschlossen worden sei. Ein Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens hätte daher sofort und zunächst auf den Kläger fallen müssen, sobald das Fehlen des Werkzeugs bemerkt worden wäre. Entbehre die von der Beklagten erklärte fristlose Kündigung ungeachtet der gegen den Kläger gerichteten Verdachtsmomente des wichtigen Grundes, fehle es zugleich an der sozialen Rechtfertigung der von der Beklagten hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 6 ff. des Urteils vom 15.03.2007 (= Bl. 62 ff. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 04.04.2007 zugestellt worden ist, hat am 02.05.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 01.06.2007 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Beklagte macht geltend,

tatsächlich gebe es in ihrem Betrieb keinen einzigen Werkzeugschrank, der den Zweck hätte, den Inhalt vor unberechtigtem Zugriff Dritter zu schützen. Zwar existierten eine ganze Reihe von Werkzeugschränken, die auch zum Teil mit Schlössern ausgerüstet seien. Die Erstschlüssel verblieben jedoch immer in unmittelbarer Nähe der Schränke, damit jeder Mitarbeiter während der Schicht auf den Inhalt der Schränke zugreifen könne. Überdies hänge der jeweilige Zweitschlüssel in einem Schlüsselkästchen im Meisterbüro, das ebenfalls jedermann zugänglich sei. Bei dem Werkzeugschrank des Klägers handele es sich also um nichts anderes als Stauraum, der vorliegend unter der Werkbank des Klägers zur Verfügung stehe. Dort sei auch der Schraubstock deponiert gewesen. Die Tür dieses Werkzeugschrankes sei so konstruiert gewesen, dass sich die Tür nur durch Verriegeln mit dem Schlüssel gegen unkontrolliertes Auffallen habe sichern lassen. Der Abstand zwischen der NC-Maschine und der Werkbank am Arbeitsplatz des Klägers betrage nur 85 cm. Da die Tür des Werkzeugschrankes ihrerseits 54 cm breit gewesen sei, habe der Kläger diesen Werkzeugschrank fortwährend verschließen müssen, allerdings nicht um dessen Inhalt vor dem unberechtigten Zugriff Dritter zu schützen, sondern um sich bei der Arbeit nicht fortwährend an der offen stehenden Tür zu stoßen.

Mithin hätte das Verschwinden des Schraubstocks nicht zwangsläufig den Verdacht auf den Kläger als Täter gelenkt. Er hätte mit Recht darauf verweisen können, dass "sein Werkzeugschrank" für jeden anderen Mitarbeiter zugänglich gewesen sei, weil beide Schlüssel immer im Betrieb verbleiben würden.

Nicht nachvollziehbar sei, dass das Arbeitsgericht nicht ihre Auffassung habe teilen können, dass der Kläger das Paket verschwörerisch in der Nähe des Abfallholzes versteckt habe. Ausweislich der als Anlage eingereichten Fotos A 3 - A 8 könne festgestellt werden, dass der gesamte Bereich gepflastert sei und mit dem Auto befahren werden könne. Mithin hätte der Kläger das Paket auch drei Meter hinter der Tür abstellen können, mit seinem Fahrzeug vorfahren und von dort aus den Schraubstock direkt einladen können. Dies habe der Kläger nicht getan, obwohl ihm das Tragen schwerer Lasten schwerfallen soll; vielmehr habe er den Schraubstock noch rund 30 Meter quer über den gepflasterten Bereich bis zum Schlammcontainer geschleppt. Das Paket mit dem Schraubstock habe er hinter dem Schlammcontainer, genauer gesagt hinter dem hochgeklappten weißen Seitenteil des unter dem Schlammcontainer befindlichen Auffangbeckens deponiert gehabt. Diese Stelle sei von keiner Stelle des Gebäudes aus einsehbar gewesen.

Der Kläger habe den Zeugen S. noch am gleichen Tag gegen 12:00 Uhr gefragt, ob er an diesem Tag länger arbeiten könnte, was der Zeuge S. dem Kläger zugestanden habe. Der Zeuge S. arbeite üblicherweise bis 15:45 Uhr, was der Kläger selbstverständlich gewusst hätte. Am 08.11.2006 habe der Zeuge S. um 16:20 Uhr abgestempelt und den Betrieb verlassen. Mithin sei die Aussage des Klägers, er habe die Absicht der Ausleihe bereits aufgegeben, bevor er mit dem Pkw auf das Firmengelände gefahren sei, weil er den von ihm für zuständig gehaltenen Meister S. nicht habe finden können, unglaubwürdig. Zum einen habe der Kläger mit Sicherheit davon ausgehen können, dass der Zeuge S. nicht mehr im Betrieb gewesen sei. Zum anderen seien zu diesem Zeitpunkt noch drei Vorgesetzte im Betrieb gewesen, nämlich die Zeugen G., Sch. sowie die Geschäftsführerin der Beklagten, die dem Kläger die Erlaubnis hätten erteilen können und auch erteilt hätten, den Schraubstock leihweise mit nach Hause zu nehmen.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.03.2007, Az.: 10 Ca 2815/06, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus,

die Geschäftsführerin der Beklagten sei in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht der Frage, ob der Kläger für diesen speziellen Schraubstock verantwortlich sei und letztendlich auch in Haftung genommen werden könne, nicht entgegen getreten. Es sei zwar zutreffend, dass bestimmte Werkzeuge nicht formell den jeweiligen Arbeitnehmern zugewiesen würden. Tatsächlich bestünden für die verschiedenen Arbeitsstellen in dem Betrieb der Beklagten verschiedene Bedürfnisse für bestimmte Werkzeuge. Diese speziellen Werkzeuge würden von den jeweiligen Mitarbeitern verwahrt und wie in seinem Falle, nach Arbeitsende weggeschlossen. Wenn einziger Zweck der Schränke die Lagerung und das Verstauen von Werkzeugen, Arbeitsmaterialien und sonstigen Gerätschaften in dem Schrank wäre, stelle sich die Frage, wieso ein Schloss angebracht sei. Der Zweitschlüssel könne auch nicht einfach beim Meisterbüro von jedem geholt werden. Vielmehr könnten nur auf Nachfrage bei dem Meister die ihnen nicht zugewiesenen Schlüssel verlangt werden.

Gegenüber der von ihm bedienten Maschine befinde sich ein Werkbankschrank, ca. 80 cm hoch. Daneben befinde sich ein Aufziehschrank mit mehreren Schubladen, mit ca. gleicher Höhe. In etwa vier Meter Entfernung von dem Arbeitsplatz befinde sich ein ca. zwei Meter hoher, ein Meter breiter und 50 cm tiefer Werkzeugschrank. In diesem Schrank sei der Schraubstock auf dem Boden abgestellt worden. Der jetzt von der Beklagtenseite beschriebene Schrank sei zu keinem Zeitpunkt von ihm für die Lagerung des Schraubstocks benutzt worden. An der von ihm bedienten CNC-Maschine nicht NC-Maschine, würde auch kein Schichtdienst gearbeitet. Allein er bediene diese Maschine.

Von dem Arbeitsplatz bis zur Halleninnentür habe er ca. 15 Meter zurücklegen müssen, von dort bis zum Schlammcontainer seien es wiederum ca. 15 Meter gewesen, so dass die gesamte Wegstrecke ca. 30 Meter betragen hätte und nicht insgesamt ca. 50 Meter, wie die Beklagte behaupte. Genau an der Ecke des Schlammcontainers zum Holz hin habe er das Paket abgestellt. Wenn er nunmehr mit seinem Fahrzeug zu diesem Holzstapel fahre, habe sich dort in unmittelbarer Nähe dann auch der Karton mit dem Schraubstock befunden, den er sodann leicht in den Wagen hätte einladen können. Gerade dies sei der kürzeste Weg. Es habe dementsprechend überhaupt keine Veranlassung bestanden, den Karton in etwa fünf bis sechs Meter weiterer Entfernung abzustellen. Hätte er den Weg von seiner Arbeitsstelle bis zu seinem Pkw auf dem Parkplatz zurücklegen wollen, so hätte er ca. 150 Meter Wegstrecke gehabt. Der Schraubstock sei für andere Personen gut einsehbar gewesen. Er sei sowohl durch das gegenüberliegende Rollentor, als auch von Richtung Parkplatz aus erkennbar gewesen. Hätte er das Paket verstecken wollen, so hätte er neben dem Holzhaufen auf dem Boden genug Möglichkeiten gehabt, das Paket vor der Möglichkeit der Einsichtnahme zu verbergen.

Er habe den Zeugen S. nicht gefragt, ob er an diesem Tag länger arbeiten könnte, vielmehr habe er dies schriftlich beantragen müssen, was auch in der Vergangenheit stets so geschehen sei. Es sei dementsprechend im Betrieb bekannt, dass er regelmäßig mittwochs länger arbeite. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass der Zeuge S. regelmäßig bis 15:45 Uhr arbeite. Der Zeuge S. sei des Öfteren weit länger als bis 16:00 Uhr tätig. Seine Arbeitszeit sei von 07:00 Uhr bis 15:45 Uhr und nach seiner Kenntnis der Arbeitsbeginn des Herrn S. erst um 08:30 Uhr, so dass dessen Arbeitsende wohl später sein müsste. Als er sich durch die Halle in Richtung Parkplatz begeben hätte, habe er noch die Hoffnung gehabt, den Zeugen S. anzutreffen. Als ihm dies wiederum nicht gelungen sei, habe er abgestempelt, wobei er sich entschlossen hätte, das Werkzeug wieder zurückzubringen. Die drei Vorgesetzten des Betriebes, die er angeblich hätte fragen können, seien überhaupt keine geeigneten Ansprechpartner, wie er bereits erstinstanzlich dargelegt hätte. Die Geschäftsführung der Beklagten habe man mit solchen Kleinigkeiten nicht behelligen sollen. Der Zeuge G. sei ständig in der Halle 2 beschäftigt und weder sein Vorgesetzter noch Ansprechpartner.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie auf das Protokoll vom 19.07.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass das gesamte tatsächliche Vorbringen der Beklagten nicht genügt, die Überzeugung zu gewinnen, der Kläger habe bei Mitnahme des Schraubstocks tatsächlich in Zueignungsabsicht gehandelt und die Beklagte bestehlen wollen. An dieser Feststellung vermögen auch die Angriffe der Berufung nichts zu ändern.

Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass gegen den Arbeitgeber gerichtete strafbare Handlungen regelmäßig an sich das Recht zur außerordentlichen Kündigung begründen können, mithin auch ein vollendeter oder versuchter Diebstahl. Das Arbeitsgericht geht auch zu Recht davon aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur eine erwiesene strafbare Handlung oder eine erwiesene Vertragsverletzung eines Arbeitnehmers, sondern auch der Verdacht, dieser habe eine strafbare Handlung oder eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung sein kann (vgl. BAG, 13.09.1995 -2 AZR 587/94-, AP Nr. 25 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen). Der Verdacht einer strafbaren oder vertragswidrigen Handlung stellt jedoch gegenüber der erwiesenen strafbaren oder vertragswidrigen Handlung einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der im jeweiligen Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Dem gegenüber kann eine Verdachtskündigung gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen und die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu erschüttern (vgl. BAG 10.02.2005, NZA 2005, 1056). Deshalb liegt eine Verdachtskündigung dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber (obwohl er objektiv nur einen Verdacht hat) die Verfehlung des Arbeitnehmers für nachweisbar oder nachgewiesen hält und mit dieser Begründung die Kündigung erklärt (vgl. LAG R.-P., 27.01.2004, - 2 Sa 1221/03 -, NZA - RR 2004, 473).

Vorliegend wurde durch das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, dass die Beklagte eine Kündigung wegen begangener pflichtwidriger Handlung ausgesprochen hat und nicht allein wegen des Verdachts dieser Handlung. Auch das Berufungsgericht konnte unter Berücksichtigung der Einwände der Beklagten in der Berufung nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger tatsächlich in der Absicht gehandelt hat, sich den Schraubstock anzueignen.

Für einen entsprechenden Verdacht spricht der Umstand, dass der Kläger den Karton mit dem Schraubstock bereits auf dem Schlammcontainer deponiert hat, ohne sich zuvor bei einem Vorgesetzten die Erlaubnis zur Mitnahme einzuholen. Ferner können die Umstände, dass der Kläger bei Einbruch der Dämmerung so vorgegangen ist und, es unterlassen hat, den Zeugen G. auf den Verbleib des Kartons anzusprechen, nachdem er den Karton nicht mehr vorgefunden hat, weitere Verdachtsmomente begründen.

Insbesondere die Einlassungen des Klägers zu diesen Verdachtsmomenten lassen jedoch nicht zu, eine Überzeugung über die Täterschaft des Klägers zu gewinnen. Insoweit müssen zur Abgrenzung zwischen Tat- und Verdachtskündigung die Täterschaft des Klägers verstärkende Verdachtsmomente vorliegen. Bereits die Verdachtskündigung setzt voraus, dass der Verdacht objektiv durch bestimmte, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegende (Indiz-)Tatsachen begründet ist. Der Verdacht muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Er muss darüber hinaus schwerwiegend sein. Es ist also zu prüfen, ob eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der gekündigte Arbeitnehmer eine Straftat oder die Pflichtverletzung begangen hat (vgl. BAG 18.11.1999 -2 AZR 743/98-, AP Nr. 32 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen).

Der Kläger hat sich in Erwiderung auf das Vorbringen der Beklagten zur Begründung der Kündigung dahingehend eingelassen, dass ihm erst ca. 15 Minuten vor Dienstende eingefallen sei, den Schraubstock für private Zwecke auszuleihen und er sich, nachdem er den Schraubstock auf dem Schlammcontainer abgestellt habe, auf die Suche gemacht habe, um die Ausleiherlaubnis von seinem Vorgesetzen S. einzuholen, wobei er nicht gewusst haben will, dass der Zeuge S. schon Dienstschluss hatte. Nach dem er seinen Vorgesetzten nicht gefunden hätte, sei er zu seinem Fahrzeug gegangen und mit diesem zum Schlammcontainer gefahren, wobei er zu diesem Zeitpunkt bereits den Entschluss gefasst habe, das Werkzeug zurückzubringen, weil er seinen Vorgesetzten nicht gefunden habe.

Diese Einlassung des Klägers ist nicht zu widerlegen. Es kann - wie das Arbeitsgericht festgestellt hat - eine Plausibilität in Anspruch nehmen. Soweit die Beklagte ausführt, der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, sich wegen der Ausleihe des Schraubstocks an den Schichtführer Herrn G., an Herrn Sch. (Vertreter der Geschäftsführung), dem er zwei Minuten vor dem beschriebenen Vorfall noch über den Weg gelaufen sei oder an die Geschäftsführerin der Beklagten, Frau D. zu wenden, hat der Kläger grundsätzlich nachvollziehbar erläutert, warum er hiervon abgesehen hat. So sollen Herr Sch. und Frau D. nicht die geeigneten Ansprechpartner sein, weil üblicherweise beim Meister die Zustimmung zur Ausleihe eingeholt werde und jene Personen über die Praxis in der Fabrikation keine konkreten Kenntnisse hätten und somit auch nicht beurteilen könnten, ob die zu entleihenden Gegenstände tatsächlich entbehrlich gewesen wären. Aus dem gleichen Grund will der Kläger auch den Schichtführer G., der in der anderen Produktionshalle tätig ist, nicht als geeigneten Ansprechpartner angesehen haben. Diese Einlassung des Klägers ist nicht durch das Vorbringen der Beklagten widerlegt. Zumindest kann nicht festgestellt werden, dass diese Behauptungen des Klägers unplausibel sind.

Auch das Berufungsgericht hält es nicht für ausgeschlossen, dass der Kläger, nachdem er den Karton mit dem Schraubstock nicht mehr am Schlammcontainer vorgefunden hat, einen Streich seiner Arbeitskollegen vermutet hat und davon ausgegangen ist, dass der Zeuge G. hierüber nichts gewusst haben kann. Unstreitig befand sich der Schraubstock am 08.11.2006 im Werkzeugschrank des Klägers, von wo er ihn dann auch durch die Halle getragen hat, so dass der Kläger nicht ausschließen konnte, dass er dabei beobachtet wurde.

Auch wenn die Beklagte den Ort des deponierten Kartons mit dem Schraubstock als einen wesentlichen Verdachtsmoment wertet, sind auch in dieser Hinsicht die Erklärungen des Klägers plausibel. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob sich der Schlammcontainer, auf dem der Karton abgestellt wurde, lediglich 15 oder 30 Meter entfernt von dem Gebäude, das der Kläger verlassen hat, befunden hat. Der Kläger hat insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass er den Karton an der Ecke des Schlammcontainers abgestellt habe, weil er mit seinem Fahrzeug zu dem Holzstapel gefahren sei in dessen unmittelbarer Nähe sich der Schlammcontainer befunden hat, so dass er den Karton mit dem Schraubstock leicht in den Wagen hätte laden können. Es ist insoweit nachvollziehbar, dass es einen weiteren Umstand gemacht hätte, vom Holzstapel weiter zur Tür des Gebäudes zu fahren, um eine dort abgestellten Karton aufzunehmen und im Pkw zu verladen anstatt ihn gleichzeitig mit dem Holz an der gleichen Stelle einzuladen. Die Tatsache, dass der Kläger den Karton dafür 30 Meter hat weiter tragen müssen, macht den Kläger auch unter Berücksichtigung seiner körperlichen Beeinträchtigungen nicht zwangsläufig verdächtiger.

Letztlich ist der strittige Umstand, ob der Schraubstock vom Kläger nach Arbeitsende in seinem Werkzeugschrank weggeschlossen wird oder nicht, nicht von so entscheidender Bedeutung, dass daran festgemacht werden kann, ob nunmehr der Kläger Täter einer erwiesenen Straftat ist oder einer derartigen Tat lediglich verdächtigt werden kann. Zwar begründet das Arbeitsgericht seine Annahme, keine Überzeugung über die Täterschaft des Klägers finden zu können mit diesem Umstand im Hinblick darauf, dass in einem derartigen Fall zunächst der Verdacht auf den Kläger hätte fallen müssen, sobald das Fehlen des Werkzeugs bemerkt worden wäre. Selbst wenn - worauf die Beklagte abstellt - Dritte jederzeit Zugriff auf den Schraubstock des Klägers nehmen können, weil auch Dritte den Werkzeugschrank des Klägers öffnen können, könnte dieser Umstand nicht einen weiteren Verdachtsmoment zur Annahme der Täterschaft des Klägers begründen, vielmehr würde lediglich ein Umstand, der gegen eine Täterschaft des Klägers sprechen würde, ausscheiden.

Es bleibt daher festzuhalten, dass sämtliches Vorbringen der Beklagten nicht ausreicht, um eine Täterschaft des Klägers im Hinblick auf eine rechtswidrige Zueignung des Schraubstocks tatsächlich anzunehmen, weil eine Täterschaft des Klägers nicht mit letzter Sicherheit erwiesen scheint.

Vielmehr können die seitens der Beklagten vorgetragenen Umstände einen Verdacht begründen, der Kläger habe versucht, sich den Schraubstock anzueignen. Ob dieser Verdacht letztendlich ausgereicht hätte eine Verdachtskündigung auszusprechen, kann letztendlich dahin gestellt bleiben, weil die Beklagte gerade keine Verdachtskündigung, sondern eine Tatkündigung ausgesprochen hat.

Die seitens der Beklagten erhobene Rüge, die Entscheidung des Arbeitsgerichts erscheine wirklichkeitsfremd, ist nicht gerechtfertigt, sondern Folge des rechtlichen Umstandes, dass die Beklagte bei Ausspruch und Begründung ihrer Kündigung nicht hinreichend differenziert hat zwischen einer Verdachtskündigung und einer Tatkündigung.

III.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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