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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 18.11.2004
Aktenzeichen: 11 Sa 408/04
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, ZPO, KSchG, RVO, SGB VII


Vorschriften:

BGB § 242
ArbGG § 8 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 139
ZPO § 278
ZPO § 516
ZPO § 518
ZPO § 519
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 23
KSchG § 23 Abs. 1
RVO § 636
RVO § 637
SGB VII § 104
SGB VII § 104 Abs. 1 Satz 1
SGB VII § 105
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Sa 408/04

Verkündet am: 18.11.2004

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 08.04.2004 - 4 Ca 3594/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I.

Der Kläger macht mit seiner Klage die Unwirksamkeit einer seitens des Beklagten ausgesprochenen Kündigung und einen Schmerzensgeldanspruch geltend.

Der am 05.10.1967 geborene Kläger war bei dem Beklagten seit 01.09.2001 als Schreiner beschäftigt; am 28.12.2001 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag, wegen dessen Inhalt auf die vom Kläger mit Schriftsatz vom 05.10.2004 zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen wird. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung beschäftigte der Beklagte, der einen Handwerksbetrieb betreibt, neben dem Kläger den 40 Jahre alten Arbeitnehmer VV, der verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, sowie den Zeugen UU, der nach einem Praktikum im Betrieb des Beklagten von diesem im Jahr 2003 eingestellt worden war. Ob ihm, ebenso wie dem Kläger - allerdings lediglich mit zweiwöchiger Frist innerhalb der Probezeit - zum 30.11.2003 gekündigt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger hat geltend, die ihm mit Schreiben vom 30.10.2003 zum 30.11.2003 ausgesprochene Kündigung sei unwirksam. Das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung und selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, erweise sie sich nach § 242 BGB als unwirksam. Der Zeuge UU habe an seiner Stelle entlassen werden müssen.

Diesen habe er noch im Januar 2003 in Arbeitskleidung im Betrieb des Beklagten gesehen. Die Zeugin TT - die Mutter des Beklagten - sei regelmäßig dann, wenn der Beklagte auf Montage sei, was häufig vorkomme, täglich mehrere Stunden im Büro. Sie bediene das Telefon und übe ansonsten eine gewöhnliche Bürotätigkeit aus und erledige die gesamte Buchhaltung des Betriebs. Es sei davon auszugehen, dass sie hierfür normal entlohnt werde. Auch die Ehefrau des Beklagten sei regelmäßig im Büro beschäftigt, mache Bürodienst und bediene das Telefon. Der Zeuge RR - der Lebensgefährte der Zeugin TT - sei "mehrere Zeit" damit beschäftigt gewesen, im Betrieb des Beklagten zu mauern, zu betonieren, einen Ringanker und Fundamente zu legen und Rasensteine zu setzen. Schließlich sei auch der Zeuge QQ keineswegs nur einmal bei einer größeren Baustelle in C-Stadt beschäftigt gewesen - ohnehin eine Renovierung von 20 Wohnungen und damit eine sich über einen längeren Zeitraum hinziehende Tätigkeit. Er habe darüber hinaus auch schon bei der Renovierung und dem Büroumbau des Anwesens C. mitgearbeitet. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass auch diese Arbeiten unentgeltlich ausgeführt worden seien, der Beklagte müsse von Wohltätern umgeben sein.

Der Kläger hat weiterhin geltend gemacht, der Beklagte habe ihn in den beiden Jahren der Beschäftigung regelmäßig und systematisch überbeansprucht, Arbeitstage mit einer Dauer von 9-16 Stunden seien die Regel gewesen. Was eine Mehrzahl von Verschleißerkrankungen, einen Meniskusschaden, ein chronisches HWS-Syndrom und ähnliche Erkrankungen zur Folge gehabt habe. Es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass bei der körperlichen Beanspruchung, der er ausgesetzt gewesen sei, zwangsläufig Überlastungsschäden auftreten, was der Beklagte auch gewusst habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 30.10.2003 nicht beendet worden ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.01.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat

Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte hat vorgetragen, dem Zeugen UU sei zum 30.11.2003 gekündigt worden. Er trage regelmäßig Zimmermannskluft. Er habe privat noch etwas zu erledigen gehabt, was ihm vom Beklagten in den Betriebsräumen gestattet worden sei. Die Zeugin TT sei etwa ein- bis zweimal pro Monat im Büro, wo sie sich unentgeltlich für etwa drei Stunden damit beschäftige, die Löhne zu machen und angefallenen Schriftverkehr zu erledigen. Die Buchhaltung werde vom Steuerberaterbüro PP in C-Stadt geführt. Die Zeugin C. betreue die fünfjährige Tochter und sei in Teilzeit bei einem anderen Arbeitgeber berufstätig. Im Rahmen familiärer Mithilfe von ca. ein bis drei Stunden im Monat erledige sie angefallene Überweisungen per Online-Banking und hefte die zugrunde liegenden Rechnungen ab. Der Zeuge RR sei zurzeit arbeitsloser Maurermeister. Er habe aus familiärer Verbundenheit zwei oder dreimal kurzzeitig unentgeltlich ausgeholfen, damit Werkverträge des Betriebs fristgerecht hätten erfüllt werden können. Im Übrigen habe er in seinem - des Beklagten - Privatbereich Betonarbeiten ausgeführt. Der Zeuge QQ habe in freundschaftlicher Verbundenheit während seines Urlaubes etwa dreimal auf der größeren Baustelle des Betriebes in C-Stadt ausgeholfen, um die fristgerechte Ausführung des Auftrages zu gewährleisten. Im Übrigen habe er privat im Garten geholfen. Insgesamt verhalte es sich so, dass er regelmäßig zwei Arbeitnehmer beschäftigt habe und die Zahl wegen eines größeren Auftrags zwischenzeitlich einmal auf drei Arbeitnehmer erhöht habe. Wegen erheblichen Umsatzrückgangs habe er nunmehr zwei der drei Arbeitnehmer entlassen müssen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens und der Verfahrensgeschichte erster Instanz wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.04.2004, auf das Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Gegen dieses ihm am 10.05.2004 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 27.05.2004 eingegangenen und am 23.06.2004 begründeten Berufung.

Er vertritt unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Vorbringens die Auffassung, er habe die regelmäßige Beschäftigung von mindestens fünf Arbeitnehmern ausreichend dargelegt, jedenfalls sei die Kündigung nach Treu und Glauben unwirksam. Auch habe er hinreichend dargestellt, dass sich der Vorsatz des Beklagten nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern als bedingter Vorsatz auch auf den Erfolg beziehe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 30.10.2003 nicht beendet worden ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.01.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt Zurückzuweisung der Berufung

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf den Berufungsbegründungsschriftsatz sowie den Erwiderungsschriftsatz, jeweils nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 516, 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Die Berufung ist somit insgesamt zulässig.

II.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klage insgesamt unbegründet ist. Die Kündigung vom 30.10.2003 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.11.2003 aufgelöst. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht nicht.

1.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat mit dem 30.11.2003 sein Ende gefunden. Das Arbeitsverhältnis unterfällt nicht dem Kündigungsschutzgesetz, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt wurden, § 23 KSchG aF. Ein Unwirksamkeitsgrund nach § 242 BGB ist zu verneinen. Die Kündigungsfrist ist gewahrt.

a) Das Arbeitsgericht ist unter zutreffender Darlegung der Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen von § 23 KSchG zu Recht in Bewertung des Vorbringens des Klägers zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger nicht darlegen konnte, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt waren. Die Berufungskammer stellt hiermit fest, dass sie den entsprechenden Gründen des Arbeitsgerichts unter 2. a) und b) der Entscheidungsgründe folgt und von der erneuten Darstellung absieht, § 69 Abs. 2 ArbG. Ergänzend sei lediglich noch folgendes ausgeführt:

Der Kläger hat seinen Vortrag im Berufungsverfahren nicht ergänzt. Lediglich hinsichtlich der Zeugin TT wird nunmehr der Begriff "vollschichtig" verwandt. Ob der Kläger damit seiner Darlegungslast genügt hat, kann indes dahin stehen, denn es verbleibt bei dem, was schon das Arbeitsgericht ausgeführt hat. Selbst wenn man zugunsten des Klägers annimmt, sowohl die Zeugin TT als auch die Zeugin C. - obwohl sie nach dem nicht in Abrede gestellten Vorbringen des Beklagten die fünfjährige Tochter betreut und in Teilzeit anderweitig beschäftigt ist - seien entgeltlich mit mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt und somit als Vollzeitkräfte nach § 23 KSchG zu berücksichtigen, führt dies nicht zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. Denn auch das Vorbringen des Klägers zur Beschäftigung Zeugen RR und QQ ist nicht ausreichend, um sie als Beschäftigte im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG zu zählen, so dass selbst bei unterstellter Arbeitnehmerstellung der Zeuginnen TT und C. mit mehr als dreißig Stunden und Berücksichtigung des Zeugen UU die Zahl von fünf Arbeitnehmern nicht überschritten wird.

Das Gesetz geht nämlich von einer regelmäßigen Beschäftigtenzahl aus. Diese Beschäftigtenzahl ist zu ermitteln für den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Abzustellen ist auf die Zahl der regelmäßig beschäftigten ständigen Arbeitnehmer bei normaler Betriebstätigkeit. Diese Beschäftigtenlage, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist, ist festzustellen durch einen Rückblick auf die bisherige personelle Situation und einer Einbeziehung der zukünftigen Entwicklung. Es kommt nicht auf eine Zufallszahl am Tag des Zugangs der Kündigung an (BAG 31.01.1991 - 2 AZR 356/90 - AP KSchG 1969, § 23 Nr. 11; 22.01.2004 - 2 AZR 237/03 - NZA 2004, 479, jurisRz. 13; ErfK/Ascheid § 23 KSchG Rz. 13).

Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren seinen Vortrag nicht so ergänzen und vervollständigen können, dass nach diesem davon auszugehen gewesen wäre, die Zeugen RR und QQ seien als in der Regel ständig beschäftigt im soeben genannten Sinne anzusehen. Er hat vielmehr in der Berufungsbegründung nur darauf verwiesen, dass er entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung im Einzelnen dargestellt habe, wo die Zeugen "im vollem Umfang im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses" beschäftigt gewesen seien.

Die Darstellungen des Klägers erster Instanz, auf die er mit diesem Vortrag Bezug genommen hat, lassen aber jegliche zeitliche Konkretisierung vermissen. Hinsichtlich des Zeugen RR lässt die im Tatbestand wiedergegebene Darstellung nur erkennen, dass der Kläger nicht von einer ganz kurzzeitigen Beschäftigung ausgeht, ohne das auch nur annähernd deutlich wird, von wann bis wann überhaupt der Zeuge beschäftigt gewesen ist. Damit genügt das Vorbringen aber nach dem oben dargestellten Grundsätzen nicht. Im Ergebnis nichts anderes gilt hinsichtlich des Zeugen QQ. Insoweit ist davon die Rede, dass die Tätigkeit bei der Renovierung von 20 Monaten einen längeren Zeitraum eingenommen habe. Außerdem habe der Zeuge auch schon bei der Renovierung und dem Büroumbau des Beklagten mitgearbeitet. Auch hier kann nicht angenommen werden, der Zeuge habe zu den in der Regel ständig beschäftigten Arbeitnehmern gehört und sei nicht lediglich bei besonderen Gelegenheiten - Büroumbau oder besonders großer Auftrag - eingesetzt worden.

Da somit, wie schon das Arbeitsgericht angenommen hat, es hinsichtlich der Zeugen QQ und RR schon an der Darstellung des für § 23 Abs. 1 KSchG notwendigen Umfangs und der Dauer der Beschäftigung mangelt, kommt es auf die Frage, ob der Einsatz entgeltlich oder unentgeltlich war, nicht mehr an. Da die Zeugen nicht als regelmäßig beschäftigte im Sinne von § 23 KSchG anzusehen werden können, können - wie schon das Arbeitsgericht angenommen hat - Dauer und Umfang der Beschäftigung der übrigen Personen dahinstehen, da jedenfalls nicht mehr als fünf Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung beschäftigt waren. Den vom Kläger angebotenen Beweisen war nicht nachzugehen. Auch sein Hinweis in der Berufungsbegründung auf §§ 139, 278 ZPO geht ins Leere. Selbst wenn das Arbeitsgericht die Verpflichtung gehabt hätte, ihn auf seinen nicht hinreichenden Vortrag hinzuweisen und dieser Hinweis unterblieben sein sollte, so blieb dies doch ersichtlich folgenlos. Der Kläger war auch in Kenntnis der Auffassung des Arbeitsgerichts, wie sie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, nicht in der Lage, die für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes notwendigen Tatsachen vorzutragen.

b) Die somit nicht anhand des Kündigungsschutzgesetzes zu überprüfende Kündigung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 242 BGB unwirksam. Die Berufungskammer macht sich insoweit im Sinne von § 69 Abs. 2 ArbGG wiederum die entsprechenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter Ziffer 3 a) und b) zu Eigen und ergänzt lediglich noch folgendes:

Es erscheint fraglich, ob der Kläger, der die Darlegungs- und Beweislast für die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 242 BGB trägt, mit dem Hinweis darauf, dass er den Zeugen UU einmal im Januar in Arbeitskleidung im Betrieb des Beklagten gesehen hat, dieser entsprochen hat. Die Frage kann aber dahin stehen. Auch wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, der Zeuge UU werde über den 30.11.2003 hinaus vom Beklagten beschäftigt, ergibt sich auf der Grundlage des eigenen Vortrags des Klägers nicht die Unwirksamkeit der Kündigung nach Treu und Glauben.

Der Kläger beruft sich in der Berufungserwiderung vergeblich auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 06.02.2003 (2 AZR 672/01 - NZA 2003, 717). In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht im Anschluss an die vom Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil zitierte Rechtssprechung erneut ausgeführt, dass dann, wenn bei einer Kündigung eine Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern zu treffen ist, auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren muss und ein durch langjährige Mitarbeit verdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt lassen darf. Dies bedeutet allerdings nicht, dass damit im Kleinbetrieb die Grundsätze zu § 1 KSchG über die Sozialauswahl entsprechend anwendbar wären. Die Herausnahme des Kleinbetriebs aus dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes trägt ihrerseits gewichtigen, durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Belangen des Kleinunternehmers Rechnung, dessen Kündigungsrecht im hohen Maße schutzwürdig ist. In einem Betrieb mit wenigen Arbeitskräften hängt der Geschäftserfolg mehr als in Großbetrieben von jedem einzelnen Arbeitnehmer ab. Auf dessen Leistungsfähigkeit kommt es ebenso an, wie auf Persönlichkeitsmerkmale, die für die Zusammenarbeit, die Außenwirkung und das Betriebsklima von Bedeutung sind. Neben weiteren Umständen fällt auch die regelmäßig geringe Finanzausstattung ins Gewicht. Schließlich belastet auch der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, den Kleinbetrieb stärker als ein größeres Unternehmen. Die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers im Kleinbetrieb kann deshalb nur darauf überprüft werden, ob sie unter Berücksichtigung des Interesses des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes und der schutzwürdigen Interessen des Kleinunternehmers gegen Treu und Glauben verstößt. Das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme kann als außer Acht gelassen erachtet werden, wenn auf den ersten Blick erkennbar ist, dass der Arbeitgeber einen erheblich weniger schutzbedürftigen, vergleichbaren Arbeitnehmer weiter beschäftigt (BAG aaO, S. 718).

Von einer derartigen Fallkonstellation kann aber schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht ausgegangen werden:

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Kläger im angefochtenen Urteil darauf hingewiesen, dass nicht einmal die Frage, welcher der Arbeitnehmer denn nun tatsächlich der sozial schutzbedürftigere bei unterstellter Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes wäre, nicht beantwortet werden kann. Der Kläger hat lediglich seine eigenen Sozialdaten, d.h. die Beschäftigungsdauer seit 01.09.2001, sein Alter sowie das Fehlen von Unterhaltspflichten mitgeteilt. Zum Zeugen UU ist lediglich die vage Angabe bekannt, dass er wenige Monate beim Beklagten tätig war. Weitere Angaben, nämlich die Mitteilung des Alters und der Unterhaltspflichten, die in ihrer Gesamtheit die soziale Schutzbedürftigkeit ausmachen, fehlen. Schon von daher lässt sich nicht feststellen, ob überhaupt der Kläger als der sozial schutzbedürftigere anzusehen ist. Umso weniger kann angenommen werden, der Kläger sei der evident schutzbedürftigere. Selbst wenn man allein auf die Betriebszugehörigkeit abstellen wollte, gilt nichts anderes. Bei einer Betriebszugehörigkeit von wenigen Monaten - um eine Zahl zugrunde zu legen, soll von vier Monaten ausgegangen werden - gegenüber einer Betriebszugehörigkeit von 26 Monaten, wie sie der Kläger zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgewiesen hat, kann von einem deutlichen Unterschied in der Betriebszugehörigkeit gesprochen werden. Berücksichtigt man aber, dass selbst bei der Sozialauswahl im Sinne von § 1 Abs. 3 KschG dem Arbeitgeber ein Wertungsspielraum bleibt (vgl. nur ErfK/Ascheid § 1 KSchG, so wird deutlich, dass der nicht einmal zwei Jahre betragende Unterschied in der Beschäftigungsdauer den Kläger nicht als evident schutzbedürftiger im Sinne der zitierten Rechtssprechung ausweist. Eine Beschäftigungsdauer von gut zwei Jahren begründet auch kein durch langjährige Mitarbeit verdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, das die Beklagte bei ihrer - unterstellten - Auswahlentscheidung hätte berücksichtigen müssen. Wollte man dies anders sehen, so hieße das, die Regeln der Sozialauswahl im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG über den Umweg des § 242 BGB im Kleinbetrieb einzuführen. Das widerspräche zum einen der klaren gesetzlichen Regelung und wäre nach dem oben im Zusammenhang mit der Wiedergabe der zutreffenden Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts Ausgeführten verfassungsrechtlich weder erlaubt noch gar geboten.

c) Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass die Kündigungsfrist durch die zum 30.11.2003 ausgesprochene Kündigung gewahrt ist. § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB sieht für ein Arbeitsverhältnis, das zwei, aber noch keine fünf Jahre bestanden hat, eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats vor.

Der Kläger macht zu Unrecht geltend, in dem von ihm in der Berufungsinstanz auf Hinweis des Gerichts vorgelegten Arbeitsvertrag sei eine längere Frist vereinbart worden. Der Arbeitsvertrag regelt die Kündigung wie folgt:

"4. Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb

2 Jahre bestanden hat, 1 Monat - 5 Jahre bestanden hat, 2 Monate

8 Jahre bestanden hat, 3 Monate - 10 Jahre bestanden hat, 4 Monate

12 Jahre bestanden hat, 5 Monat - 15 Jahre bestanden hat, 6 Monate

20 Jahre bestanden hat, 7 Monat - jeweils zum Ende des Kalendermonats.

Bei Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt."

Die Wiedergabe des Textes des Arbeitsvertrages ergibt, dass die Parteien exakt die Regelung in § 622 Abs. 2 BGB übernommen haben. Anders als der Kläger in der mündlichen Verhandlung durch seinen Prozessbevollmächtigten hat geltend machen lassen, kann die Regelung ersichtlich nicht dahin verstanden werden, dass für eine Beschäftigungsdauer von zwei bis fünf Jahren eine Kündigungsfrist von zwei Monaten gelten sollte.

2.

Die Klage ist auch unbegründet, soweit der Kläger vom Beklagten Schmerzensgeld verlangt. Ansprüche nach §§ 823, 249 ff., 847 BGB i.V.m. § 104 SGB IV bestehen nicht. Zur Vermeidung von Wiederholung wird wiederum gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die zutreffenden Gründe des Arbeitsgerichts unter II. verwiesen, die sich die Kammer zu Eigen macht. Ergänzt sei lediglich noch:

a) Nach den genannten Vorschriften im BGB ist zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz verpflichtet, wer vorsätzlich oder fahrlässig den Körper eines anderen widerrechtlich verletzt. Diese Haftung ist aber vorliegend, wovon das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen ist, nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII beschränkt. Danach haften Unternehmer den bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmern auf Ersatz von Personenschäden nur, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Bei den vom Kläger geltend gemachten Schäden handelt es sich um Personenschäden im Sinne der Vorschrift. Von daher greift die Regelung des § 104 Abs. 1 in der ersten Alternative, der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles ein.

b) Der Beklagte haftet dem Kläger nicht. Er hat die vom Kläger behaupteten Personenschäden nicht vorsätzlich, auch nicht im Sinne eines bedingten Vorsatzes verursacht.

(1) Nach der zutreffenden Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 10.10.2002 - 8 AZR 103/02 - juris Rn 16, NZA 2003, 436, 437). und des Bundesgerichtshofs (11.02.2003 - VI ZR 34/02 - NJW 2003, 217) gilt insoweit, dass - wie bei der gesetzlichen Vorgängerregelung in §§ 636, 637 RVO - nicht nur die schadensverursachende Handlung bewusst und gewollt, also vorsätzlich erfolgen muss. Vielmehr ist darüber hinaus erforderlich, dass vom Vorsatz auch der konkrete Schadensumfang erfasst ist. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift und ebenso aus ihren Zweck. Die §§ 104 und 105 SGB VII, die für den Unternehmer und den Arbeitskollegen das Haftungsprivileg begründen, wollen diese zur Erhaltung des Betriebsfriedens von ihrer Haftung nur in den Fällen nicht freistellen, in denen sie den die Versicherten gemeinschaftlich belastenden Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt haben. Das Versicherungsrecht soll die Haftungsfreistellung nur versagen, wenn die mit dem Unfallversicherungsschutz zusammenhängende Freistellung von der Haftung nicht mehr hinnehmbar erscheint. Das ist aber nicht der Fall, wenn der Schädigende mit dem Eintritt eines größeren Schadens nicht gerechnet hat (BAG aaO Rn. 21 ff.; BGH aaO Rn. 13).

(2) Ein solcher Vorsatz, der den konkreten Schadensumfang umfasst, kann nach dem Vorbringen des Klägers nicht angenommen werden.

(a) Die Frage, ob bewusste Fahrlässigkeit, die im hier gegebenen Fall nicht für eine Schadensersatzverpflichtung ausreicht, oder bedingter Vorsatz vorliegt, kann nur unter Berücksichtigung sämtlicher zu treffender tatsächlicher Feststellungen beantwortet werden. Es kommt auf die innere Einstellung des Schädigers an, die nur aus äußeren Tatsachen geschlossen werden kann (LAG Rheinland-Pfalz, 15.11.2001 - 4 Sa 791/01 - juris Rn. 26). Zur Annahme von Vorsatz in der Form wenigstens bedingten Vorsatzes ist erforderlich, dass der Eintritt auch des konkreten Verletzungserfolges zumindest billigend in Kauf genommen wurde (BAG aaO Rn. 26). Zur Annahme von Vorsatz genügt es nicht, wenn der Täter bewusst eine Rechtspflicht verletzt, jedoch hofft, das dies keine Folgen haben werde, dass sein riskantes Verhalten daher "gut gehen" werde (vgl. nur Staudinger-Löwisch, BGB Neubearbeitung 2001 § 276 Rn. 18 ff.). Demzufolge rechtfertigt die bloße Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften nicht die Annahme, der Versicherungsfall sei im Sinne von § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vorsätzlich herbei geführt worden (BAG 10.10.2002 aaO Rn. 27; LAG Köln 11.08.00 - 4 Sa 553/00 - juris Rn 23; Hessisches LAG 23.05.2003 - 12 Sa 52/02 - juris Rn 35).

(b) Vorliegend mag zugunsten des Klägers angenommen werden, die von ihm behaupteten Gesundheitsschäden seien auf eine besonders hohe Arbeitsbelastung im Betrieb des Beklagten während der Zeit seiner Beschäftigung zurückzuführen. Selbst wenn man weiterhin zu Grunde legt, derartige Belastungen hätten typischerweise entsprechende gesundheitliche Folgen, was dem Beklagten bekannt gewesen sei, folgt daraus kein auch nur bedingter Vorsatz im Hinblick auf die in Rede stehenden Gesundheitsschäden. Vielmehr wird allenfalls eine bewusste Verletzung von Arbeitszeitregeln, die dem Gesundheitsschutz dienen, erkennbar, was ja nach dem oben Gesagten nicht den Schluss auf die vorsätzliche Herbeiführung des konkret eingetretenen Schadens zulässt. Weitere Umstände, die einen Schluss auf die Einstellung des Beklagten hätten zulassen können, hat der Kläger nicht vorgetragen. Von daher spricht nichts dafür, dass der Beklagte Beeinträchtigungen, wie sie der Kläger aufweist, als Folge seines Handelns billigend in Kauf genommen hätte. Es kann vielmehr ebenso gut angenommen hat, er habe gehofft, es werde schon gut gehen.

Die vom Kläger geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche sind also schon deshalb zu verneinen, weil eine vorsätzliche Schadensverursachung, die die Haftungsbeschränkung nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aufheben könnte, nicht bejaht werden kann.

Insgesamt ergibt sich damit, dass die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen war.

Anlass, die Revision zuzulassen, bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien in § 72 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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