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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 440/06
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 5
KSchG § 1 Abs. 5 Satz 1
KSchG § 17 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 c
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
BetrVG § 111
BetrVG § 111 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Sa 440/06

Entscheidung vom 24.08.2006

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.05.2006 (Az.: 7 Ca 2810/04), abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.11.2004 aufgelöst worden ist.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im vorliegenden Verfahren wehrt sich der Kläger gegen eine ihm gegenüber seitens der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Beendigungskündigung.

Der 1962 geborene Kläger ist seit dem 06.01.1999 als Keramikarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Seine Tätigkeit ist die eines Kommissionierers im Lager, wobei er dort auch Stapelfahrertätigkeiten verrichtet.

Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 2.177,52 €.

Die Beklagte entschloss sich zum Ende des Jahres 2004 eine Produktionslinie, nämlich den Bereich Tunnelofen, vollständig zu schließen. Dafür wurde ein so genannter Rollenofen angeschafft. Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ofenschließung beschäftigte die Beklagte 248 Mitarbeiter. Aufgrund der Änderung der Öfen sah sie sich gezwungen, 26 Arbeitsplätze abzubauen.

Sie schloss mit dem Betriebsrat ihres Werkes in A-Stadt einen Interessenausgleich mit Namensliste. Auf dem Inhalt des Interessenausgleichs (Anlage B1 zum Beklagtenschriftsatz vom 20.12.2004 (Blatt 13 ff.)) wird verwiesen.

Auf der Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer befindet sich auch der Kläger.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Kündigungsschreiben vom 29.11.2004 zum 31.01.2005.

Im Rahmen der durchzuführenden Sozialauswahl bezog sie den Kläger mit den Arbeitnehmern in eine Sozialauswahl ein, die sie in ihrem Schriftsatz vom 09.11.2005 (Blatt 33 der Gerichtsakten) aufgeführt hat. Sie hielt ihn damit grundsätzlich vergleichbar mit Herrn W, ebenfalls als Kommissionierer eingesetzt, der am 17.04.1975 geboren ist, seit 06.04.1998 bei der Beklagten beschäftigt ist und niemanden zum Unterhalt verpflichtet ist.

Bei Durchführung der Sozialauswahl legte die Beklagte kein Punkteschema zur Bewertung der einzelnen Sozialkriterien, Unterhaltsverpflichtung, Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Schwerbehinderteneigenschaft fest. Ein irgendwie geartetes System, wie die Sozialkriterien untereinander zu gewichten waren, bestand bei der Beklagten nicht. Sie legte allerdings einen besonderen Wert auf evtl. Unterhaltsverpflichtungen aus sozialen Gesichtspunkten. Die Kriterien Lebensalter und Betriebszugehörigkeit waren für die Beklagte gleichwertig.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,

die Kündigung sei deswegen unwirksam, da die Beklagte keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt habe. Insbesondere Herr T, der erst zum 01.07.2002 bei der Beklagten beschäftigt sei und Herr W seien sozial stärker als er. Hinzu komme, dass die Arbeitsverhältnisse von Herrn S und T, die seit dem 01.07.2002 bis zum 11.07.2004 lediglich aufgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten beschäftigt waren, zum 01.08.2004 entfristet wurden, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die Tunnelofenschließung feststand und damit auch der betriebsbedingte Abbau von 26 Arbeitsplätzen. Die Beklagte hätte insofern, anstatt diese Arbeitsverhältnisse zu entfristen, dem Kläger einen dieser Arbeitsplätze an der Schrumpfanlage anbieten müssen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.11.2004 aufgelöst wurde.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die in der Schrumpfanlage eingesetzten vier Mitarbeiter, Herr T, Herr S, der Mitarbeiter R und der Mitarbeiter Q seien ein eingespieltes Team, in dem sich jeder auf jeden zu 100 % verlassen könne. Mit anderen Kommissionierern fehle es an einer Austauschbarkeit, da der Kläger ausschließlich nach vorgegebenen Anweisungen arbeiten könne, während die Arbeitskollegen in der Lage seien, mit Hilfe des EDV-Systems Kommissionierungen zu steuern. Dabei müsse eine sechs- bis zehnstellige Artikelnummer in einen Computer eingegeben werden und durch das Drücken einer Entertaste bestätigt werden. Dieser sehr einfache Vorgang sei in den vergangenen Jahren dem Kläger mehrfach dargestellt worden, ohne dass er in der Lage gewesen sei, diesen tatsächlich durchzuführen. Schließlich sei der Kläger aufgrund seiner Knieoperation auf Dauer sowieso nicht mehr in der Lage, die geschuldete Tätigkeit als Lagermitarbeiter auszuführen.

Bezüglich des Weiteren erstinstanzlichen Vortrags wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 17.05.2006 die Klage abgewiesen.

Es hat in den Gründen ausgeführt, aufgrund der fehlenden Fähigkeiten einfache Eingaben in den Computer durchzuführen, sei der Kläger nicht mit Herrn T und S vergleichbar gewesen. Jedenfalls sei keine grobe Fehlerhaftigkeit bei der Sozialauswahl festzustellen. Die Sozialauswahl habe aufgrund § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nur hieraufhin überprüft werden dürfen. Auch bezüglich des Mitarbeiters W sei nicht von einer groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl auszugehen, da dieser länger beschäftigt sei als der Kläger. Bezüglich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Dem Klägerbevollmächtigten ist das Urteil des Arbeitsgerichts vom 17.05.2006 am 24.05.2006 zugestellt worden. Er hat mit beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 07.06.2006 eingegangenem Schriftsatz gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und diese mit am 29.06.2006 eingegangener Berufungsbegründungsschrift begründet.

Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe von einer unzutreffenden Tatsachenlage aus gesehen seine Entscheidung begründet. Außerdem seien die Ausführungen zur Sozialauswahl unzutreffend, es läge eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl vor. Insbesondere sei der Kläger auch in der Lage, sämtliche Arbeiten an der Schrumpfanlage fehlerfrei und ohne Beanstandung auszuüben. Auch habe das Arbeitsgericht die Beweisangebote des Klägers nicht berücksichtigt, dass er durchaus in der Lage sei, die einfachen EDV-technischen Aufgaben, Eingeben einer 6-stelligen Nummer und Drücken der Entertaste, im Rahmen der Tätigkeit der Kommissionierer auszuüben.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz, Auswärtige Kammer Neuwied, vom 17.05.2006, 7 Ca 2810/04, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die ordentliche Kündigung vom 29.11.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag, der Kläger sei nicht in der Lage mittels PC den Lagerbestand abzufragen. Im Übrigen seien die sozialen Kriterien ausreichend bei der Sozialauswahl berücksichtigt worden.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll vom 24.08.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach § 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte hat eine grob fehlerhafte Sozialauswahl, zumindest im Hinblick auf den Arbeitnehmer W, durchgeführt.

1.

Die ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung ist dann sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2, 3 KSchG wenn,

- zum Zeitpunkt ihres Zugangs dringende betriebliche Gründe vorliegen, die aufgrund außerbetrieblicher Umstände oder infolge innerbetrieblicher Maßnahmen zu einem Rückgang des Arbeitsanfalls bis hin zum Wegfall des Bedürfnisses für die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer in dem Bereich führen, in dem der betroffene Arbeitnehmer beschäftigt ist;

- der betroffene Arbeitnehmer zum Zeitpunkt ihres Zugangs (vgl. BAG 21.04.2005, EZA § 1 KSchG soziale Auswahl Nr. 62) von allen vergleichbaren Arbeitnehmern der sozial am wenigsten schutzwürdiger ist und

- auch eine umfassende Interessenabwägung nach ordnungsgemäßer Sozialauswahl nicht ausnahmsweise zu einem Überwiegen des Interesses des Arbeitnehmers unter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an dessen Beendigung führt (vgl. DLW Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 5. Auflage D Randziffer 1391).

Die Vergleichbarkeit der in die Sozialauswahl einzubeziehende Arbeitnehmer richtet sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und damit nach der ausgeübten Tätigkeit (BAG 07.02.1985 EZA § 1 KSchG soziale Auswahl Nr. 20).

Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Funktion eines anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann. Dies hängt zum einen von seinen Fähigkeiten ab, zum anderen allerdings auch von der vertraglichen Gestaltung, nämlich ob der Arbeitgeber berechtigt ist, dem Arbeitnehmer einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder zu versetzen (vgl. DLW a.a.O. D Randziffer 1482).

Im Rahmen der durchzuführenden Sozialauswahl hat der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderteneigenschaften eines Arbeitnehmers ausreichend zu berücksichtigen, § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Der Gesetzgeber hat die maßgeblichen Kriterien genannt, ohne jedoch einen Vorrang eines der genannten Kriterien festzuschreiben. Dies spricht für deren Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit (vgl. DLW, a.a.O. D Randziffer 1567). Dem Arbeitgeber kommt ein gewisser Ermessensspielraum bei Gewichtung der sozialen Kriterien zu. Die Sozialauswahl ist nur dann unwirksam, wenn er die sozialen Kriterien nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Sind bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Die Sozialauswahl der Arbeitnehmer kann dann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit hin überprüft werden.

Eine grob fehlerhafte Sozialauswahl liegt dann vor, wenn die Gewichtung der Kriterien jede Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG 21.09.1999, EZA § 1 KSchG, soziale Auswahl Nr. 39) und vergleichbare Arbeitnehmer nicht in die Sozialauswahl einbezogen werden (vgl. DLW a.a.O., D Randziffer 1578).

2.

Im vorliegenden Fall liegt ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor, bzw. dieser wird gemäß § 1 Abs. 5 KSchG aufgrund des zwischen den Betriebspartnern abgesprochenen Interessenausgleichs mit Namensliste vermutet.

Die Voraussetzungen einer Betriebsänderung nach § 111 Abs. 1 Satz 3 Ziffer 1 BetrVG liegen vor.

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (vgl. z. B. BAG 07.08.1990, EZA § 111 BetrVG 1972 Nr. 27) kann eine Betriebseinschränkung bereits in der Weise erfolgen, dass die sächlichen Mittel als solche unverändert bleiben, jedoch in erheblichem Umfang Personal abgebaut wird.

Wichtig nur für die Festlegung der Erheblichkeit des Personalabbaus sind die Zahlen- und Prozentangaben gemäß § 17 Abs. 1 KSchG. Dies bedeutet im Falle der Beklagten, dass sie mehr als 25 Arbeitnehmer oder 10 % der Belegschaft abzubauen gedachte. Dies ist vorliegend der Fall (vgl. zum Ganzen DLW a.a.O. I Randziffer 1785 m.w.N.).

Zwischen den Parteien ist im Übrigen auch unstreitig, dass ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt.

Die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl war daher gemäß § 1 Abs. 5 KSchG auch nur dahingehend zu überprüfen, ob eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl vorliegt.

Der Vortrag der Beklagten war insofern teilweise widersprüchlich. Zum einen hat sie vorgetragen, der Kläger sei mit anderen Kommissionierern deshalb nicht in eine Sozialauswahl einzubeziehen, da er nicht in der Lage sei, einen sechs- bis zehnstelligen Zahlencode in einen Computer einzugeben und die Entertaste zu drücken. Zum anderen hat sie allerdings auf ausdrückliche Nachfrage im Kammertermin nochmals klargestellt, dass sie den Kläger mit den Arbeitnehmern, die sie in ihrem Schriftsatz vom 09.11.2005 auf Blatt 3 aufgeführt hat, in eine Sozialauswahl doch tatsächlich einbezogen habe.

Richtigerweise hätte die Beklagte in der Tat den Kläger mit diesen Arbeitnehmern in eine Sozialauswahl einbeziehen müssen, d. h. mit anderen Kommissionierern und anderen Gabelstaplerfahrern.

Ihr Vortrag, der Kläger sei aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeit nicht in der Lage, einen sechs- bis zehnstelligen Code in einen Computer einzugeben und die Entertaste zu drücken, war für das Gericht nicht nachvollziehbar.

Der Kläger hat dies bestritten und insofern ausgeführt, er sei niemals in das Computersystem richtig eingewiesen worden.

Die Beklagte hat diesbezüglich lediglich unsubstantiiert ausgeführt, der Vorgesetzte des Klägers habe dies in der Vergangenheit mehrfach versucht, dem Kläger zu vermitteln (Schriftsatz vom 09.11.2005, Seite 1), ohne allerdings konkret darzulegen, wann dies geschah und in welchem Umfang. Dies wäre insbesondere deswegen notwendig gewesen, da der Kläger bereits im Kammertermin beim Arbeitsgericht am 22.09.2005 ausgeführt hat, dass eine ausführliche Einweisung gerade nicht geschehen war. Der Lagermeister, Herr P, hätte ihm lediglich gesagt, dass er "da und da die und die Zahl eingeben solle" und dann sei er wieder weg gewesen.

Die Beklagte hat diesbezüglich in ihrem Schriftsatz vom 09.11.2005 den Vortrag mittelbar bestätigt, als sie ausgeführt hat, dass eine umfangreiche Schulung für einen solchen simplen Vorgang nicht erwartet werden könne. Hier irrt die Beklagte allerdings. Es ist ihr durchaus zuzumuten gewesen, dem Kläger, sollte er tatsächlich nicht den "simplen Vorgang" der Eingabe einer sechs- bis zehnstelligen Nummer und Drücken der Entertaste verstanden haben, sich die Mühe zu machen, ihm dies gegebenenfalls eine halbe Stunde oder auch eine Stunde oder auch an zwei Tagen hintereinander mehrfach diesen Vorgang solange zu vermitteln, bis er ihn versteht. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn es sich tatsächlich um eine umfangreiche Einweisung verschiedener Bedienungsweisen eines komplizierten EDV-Systems handeln würde. Die Beklagte hat allerdings selbst vorgetragen, dass es sich bei der Benutzung des EDV-Systems lediglich um eine sehr einfache Tätigkeit handelt, da lediglich Bestands- und Mengenabfragen durch simples Eingeben einer bestimmten Zahlenkombination und Drücken der Entertaste abgefragt werden müsse (Schriftsatz vom 09.11.2005, Blatt 1).

Die Beklagte hatte daher den Kläger auch mit anderen Kommissionierern in eine Sozialauswahl einzubeziehen, eine Nichteinbeziehung würde bereits eine grobe Fehlerhaftigkeit im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG darstellen. Zugunsten der Beklagten sei daher unterstellt, dass die, wie im Kammertermin am 24.08.2006 erklärt, tatsächlich den Kläger auch mit den Arbeitnehmern, die sie auf Blatt 3 ihres Schriftsatzes vom 09.11.2005 aufgeführt hat, in eine Sozialauswahl einbezog.

Hierbei ist allerdings dann festzustellen, dass die Sozialauswahl auch unter dem eingeschränkten Gesichtspunkt der Überprüfung auf eine nur grobe Fehlerhaftigkeit hin fehlerhaft seitens der Beklagten durchgeführt wurde.

Sie hat den Kommissionierer Herrn U W, der wie der Kläger keinerlei Unterhaltsverpflichtungen hat, jedoch 13 Jahre jünger ist als der Kläger, nicht gekündigt, sondern den Kläger entlassen. Herr W ist zwar circa ein Dreivierteljahr länger beschäftigt als der Kläger, dies allein wiegt allerdings das weit höhere Lebensalter des Klägers nicht auf. Insofern ist eine offensichtliche Unausgewogenheit der Gewichtung der sozialen Kriterien festzustellen (BAG 21.01.1999, a.a.O.).

Die Beklagte hat im Kammertermin am 24.08.2006 auf ausdrückliche Nachfrage hinsichtlich der vorgenommenen Bewertung der einzelnen Sozialkriterien untereinander angegeben, dass sie lediglich die Unterhaltsverpflichtung stärker als die anderen Kriterien gewichtete, jedoch dass sie dem Lebensalter oder der Betriebszugehörigkeit keine Vorrangstellung einräumte. Bei diesem Bewertungssystem ist es als grob fehlerhaft anzusehen, wenn sie eine längeren Betriebszugehörigkeit von einem Dreivierteljahr mehr Bedeutung beimisst, als einem Altersunterschied von 13 Lebensjahren.

III.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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