Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 656/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
BGB § 151
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Sa 656/06

Entscheidung vom 09.11.2006

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 21.06.06 - 4 Ca 2861/05 - wie folgt abgeändert:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 3.233,43 brutto zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

b) Die Kosten des Rechtsstreits haben zu 1/2 die Klägerin und zu 1/2 die Beklagte zu tragen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Auskehrung zusätzlicher Gehaltszahlungen seitens der Beklagten.

Die am 25.02.1958 geborene, verheiratete Klägerin war bei der Beklagten vom 17.05.2001 bis zum 31.12.2005 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine ordentliche schriftliche Kündigung vom 10.11.2005 aus betriebsbedingten Gründen.

In dem am 17.05.2001 geschlossenen Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien unter § 3:

"Die Angestellte erhält monatlich nachträglich ein Gehalt von DM 4.150,00.

Das Gehalt wird jeweils zum 15. ausgezahlt.

Ferner erhält die Angestellte gemäß der betrieblichen Vereinbarung als Weihnachtsgeld und als Urlaubsgeld je die Hälfte eines Bruttomonatsgrundgehaltes. Weiterhin erhält die Angestellte ein halbes Sondergehalt, das nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres auf der Basis des vorangegangenen Kalenderjahres gezahlt wird. ..."

Die Monatsvergütung der Klägerin betrug im Jahre 2001 monatlich 2.821,86 EUR, im Jahre 2002 - 2004 2.173,00 EUR und im Jahre 2005 2.213,00 EUR.

Die Beklagte sendete der Klägerin Anfang des Jahres 2002, am 06.01.2004 und am 04.02.2005 jeweils ein gleichlautendes Schreiben. Auf den Inhalt der Schreiben (Anlage K 5 - K 7 zum Klägerschriftsatz vom 19.12.2005) wird verwiesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten,

die Schreiben seien so auszulegen, dass ihr zusätzlich zu den Gehaltsvereinbarungen in § 3 des Arbeitsvertrages ein weiteres Bruttomonatsgehalt als Sonderzahlung seitens der Beklagten versprochen wurde.

Sie hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.639,00 EUR brutto nebst Zinsen aus jeweils 2.213,00 EUR brutto seit dem 01.03.2002, 01.03.2004 und 01.03.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, bei der in dem Schreiben angekündigten Sonderzahlung habe es sich um Zahlungen für das vorausgegangene Jahr gehandelt. Insofern sei das Bruttoarbeitssentgelt des Vorjahres für die Berechnung der Zahlung maßgeblich. Im Übrigen habe die Klägerin die ihr zustehende Sonderzahlung erhalten. Bei dem Schreiben habe es sich lediglich um die Ankündigung der der Klägerin nach dem Arbeitsvertrag gemäß § 3 zustehenden Sonderzahlung gehandelt. Es sollte mit dem Schreiben kein eigenständiger Zahlungsanspruch begründet werden. Es liege eine zeitliche und inhaltliche Kongruenz zur Regelung im Arbeitsvertrag vor. So weit in dem Schreiben ein "Freiwilligkeitsvorbehalt" enthalten sei, habe dies dazu gedient, den Arbeitsvertrag entsprechend abzuändern. So habe die Klägerin die Schreiben auch verstanden, denn sie habe zu keiner Zeit während des Arbeitsverhältnisses die Zahlung einer weiteren eigenständigen Sonderzahlung entsprechend der Schreiben geltend gemacht. Sämtliche Mitarbeiter der Beklagten würden gleichlautende Schreiben erhalten und hätten dies in der Vergangenheit auch im dargelegten Sinne verstanden.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf ihre eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

In seiner Entscheidung hat es sich die Ansicht der Beklagten zu Eigen gemacht, wonach die Schreiben lediglich auf die in § 3 des Arbeitsvertrages geregelte Sonderzahlung haben hinweisen wollen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Klägerin am 26.07.2006 zugestellt worden. Sie hat mit beim Landesarbeitsgericht am 21.08.2006 eingegangenem Schriftsatz gegen das Urteil Berufung eingelegt und diese mit am 08.09.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Schreiben entgegen deren eindeutigen Wortlaut fehlerhaft ausgelegt. Sollte die Beklagte anderen Arbeitnehmern freiwillige Leistungen gewährt haben, sei sie nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet, der Klägerin die gleichen Leistungen zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des am 21.06.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Az. 4 Ca 2861/05 - die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.639,00 EUR brutto nebst Zinsen aus jeweils 2.213,00 EUR brutto seit dem 01.3.2002, 01.03.2004 sowie 01.03.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, sie habe allen Mitarbeitern unabhängig davon, ob sie einen Anspruch aus dem Arbeitsvertrag auf eine zusätzliche Sonderzahlung gehabt hätten oder nicht, ein zusätzliches halbes Gehalt als Sondervergütung gezahlt. So verfahre sie bereits seit 1993. Durch die gleichlautenden Schreiben habe sie sich eine Durchsicht der einzelnen Arbeitsverträge ersparen wollen. Die wenigsten Arbeitnehmer hätten überhaupt einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die zusätzliche Sonderzahlung in Höhe eines halben Gehaltes.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll vom 09.11.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg.

1. Für die Frage, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein Anspruch auf die begehrte Sonderzahlung für die Jahre 2001, 2003 und 2004 zusteht, bedarf es der Auslegung der in diesen Schreiben enthaltenen Erklärungen.

Eine Auslegung ist immer dann nötig, wenn eine Willenserklärung auslegungsbedürftig ist, d. h. nicht eindeutig verständlich (vgl. Palandt, BGB, 65. Auflage, § 133, Randziffer 6).

Es ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen, wobei vom Wortlaut der Erklärung auszugehen ist. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind dabei so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (Palandt, a. a. O., Randziffer 9). Handelt es sich bei der auszulegenden Erklärung um eine im Rahmen eines Vertrages abgegebene Erklärung, ist gemäß § 157 BGB die Erklärung so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Es ist der in der auszulegenden Erklärung verkörperte maßgebliche Wille der Partei zu ermitteln. Lässt sich dabei ein übereinstimmender Wille beider Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in dem Vertrag nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Lässt sich ein solcher übereinstimmender Wille nicht feststellen, sind die jeweiligen Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Die Auslegung hat ausgehend vom Wortlaut, der nach dem Sprachgebrauch der jeweiligen Verkehrskreise zu bewerten ist, alle den Parteien erkennbare Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen. Hierzu gehören vornehmlich die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss, der Zweck des Vertrages und die bei Vertragsschluss vorliegende Interessenlage (vgl. BAG, 19.11.2003 - 10 AZR 174/03 -).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorliegend festzustellen, dass die seitens der Beklagten abgegebenen Erklärungen in den genannten Schreiben nicht eindeutig sind. Insbesondere ist nicht eindeutig, ob es sich bei der Erklärung um eine eigenständige Zusage einer weiteren Sondervergütung handeln soll und welche Höhe diese haben soll.

a)

Für eine eigenständige Zusage einer Leistung spricht, dass die Beklagte in Absatz 2 ausdrücklich formuliert hat, dass sie eine "zusätzliche Gehaltszahlung" leisten wird. Der Begriff zusätzlich verkörpert nach allgemeinem Sprachgebrauch, dass etwas zu etwas anderem hinzu erbracht wird. Aus Sicht der Empfängerin, der Klägerin, spricht dieser Umstand daher dafür, dass sie zusätzlich zu den ihr sowieso nach dem Vertrag zustehenden Bezügen eine weitere Leistung erhalten sollte.

Diese Auslegung wird gestützt durch den 3. Absatz der Schreiben. Hier wird ein Freiwilligkeitsvorbehalt bezüglich dieser "zusätzlichen" Leistung festgeschrieben. Damit ist ausgeschlossen, dass es sich um Leistungen handeln soll, die verbindlich im Arbeitsvertrag bereits geregelt sind.

Soweit die Beklagte diesbezüglich in ihren Schriftsätzen zum Ausdruck gebracht hat, man habe den Arbeitsvertrag insofern abändern wollen, fehlt es an einer eindeutigen Bezugnahme auf den Arbeitsvertrag, so dass die Klägerin hätte erkennen können, dass damit eine Arbeitsvertragsänderung angestrebt worden wäre.

Schließlich spricht für die Auslegung, dass es sich um eine eigenständige, vom Arbeitsvertrag unabhängige weitere Leistung handeln sollte, der 4. Absatz des Schreibens, in dem die Beklagte zum Ausdruck gebracht hat, dass sie hofft, dass sich die Klägerin über diese "Sonderzahlung" freuen sollte. Eine besondere Freude auf Seiten der Klägerin konnte allerdings nur erwartet werden, wenn sie nicht sowieso einen Anspruch auf die zugesagte Leistung gehabt hätte.

Für die Auslegung der Beklagten, dass es sich bei den Schreiben lediglich um eine Bezugnahme auf die arbeitsvertraglich bereits vereinbarte Sonderzahlung gehandelt hatte, spricht alleine, dass die zugesagte Gehaltszahlung, ebenso wie die Sonderleistung nach § 3 des Arbeitsvertrages, für das vorausgegangene Geschäftsjahr gezahlt werden sollte. Die anderen in der Erklärung enthaltenen Elemente überwiegen allerdings diesen Aspekt.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass aus Sicht der Erklärungsempfängerin, der Klägerin, mit den Schreiben eine über die in § 3 des Arbeitsvertrages sowieso schon vereinbarten Gehaltszahlungen hinausgehende Zahlung seitens der Beklagten angekündigt wurde.

Etwas anderes hätte alleine dann gelten können, wenn, wie die Beklagte vorgetragen hat, die Klägerin tatsächlich genau gewusste hätte, dass die Beklagte allen Arbeitnehmern seit Jahren immer gleichlautende Schreiben zusendet, unabhängig davon, was in den Arbeitsverträgen vereinbart worden ist und die Schreiben aus Sicht der Beklagten so verstanden werden sollten, dass eine zusätzliche Leistung nur diejenigen Arbeitnehmer erhalten sollten, die nicht sowieso schon im Arbeitsvertrag eine entsprechende Regelung bezüglich einer Sonderzahlung vereinbart hatten. Dass solche Kenntnisse bei der Klägerin aber tatsächlich vorhanden waren, hat die Klägerin bestritten. Insofern hätte es der Beklagten oblegen, durch substantiierten Tatsachenvortrag darzulegen, weswegen der Klägerin diese Absicht der Beklagten bei Zusendung der entsprechenden Schreiben tatsächlich bekannt sein musste. Einen entsprechenden Tatsachenvortrag erbrachte sie allerdings nicht.

b)

Die einseitige Zusage der Beklagten in ihren Schreiben begründete einen vertraglichen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer "zusätzlichen Gehaltszahlung". Einer ausdrücklichen Annahme der Klägerin dieser Zusage bedurfte es gemäß § 151 BGB nicht. Allein durch die Entgegennahme der Schreiben und Weiterarbeit bei der Beklagten brachte die Klägerin zum Ausdruck, dass sie das Angebot annahm (vgl. BAG 17.09.2003 - 4 AZR 533/02 -).

c)

Bezüglich der Höhe der zugesagten "zusätzlichen Gehaltszahlung" bedarf es ebenfalls einer Auslegung der Schreiben.

Allein der Wortlaut "zusätzliche Gehaltszahlung" gibt keine Auskunft darüber, wie hoch diese Sondervergütung sein soll. Dass es sich um ein volles Bruttomonatsgehalt handeln soll ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte im selben Absatz der Schreiben angekündigt hat, die zusätzliche Gehaltszahlung mit der Gehaltszahlung Februar 2002 zu leisten. Ersichtlich hat die Beklagte, insofern stimmt das Gericht ihr zu, insofern lediglich einen zeitlichen Zusammenhang herstellen wollen, jedoch keine Aussage darüber getroffen, in welcher Höhe die "zusätzliche Gehaltszahlung" ausfallen soll.

Die insofern darlegungs- und beweispflichtige Klägerin konnte keine weiteren Umstände darlegen, aus denen das Gericht hätte die Höhe der zugesagten Gehaltszahlung ablesen können.

Der wirkliche Wille der Beklagten, den sie in den Schreiben zum Ausdruck bringen wollte, ergibt sich allerdings aus ihren eigenen Ausführungen im Schriftsatz vom 16.10.2006 und ihren Erklärungen im Kammertermin. Insofern hat sie vorgetragen, dass sie seit vielen Jahren allen Mitarbeitern, unabhängig davon, ob sie einen Anspruch auf eine Sonderleistung nach dem Arbeitsvertrag haben oder nicht, ein zusätzliches halbes Gehalt als Sondervergütung nach Ankündigung in den Schreiben gezahlt hat und eine Sondervergütung in dieser Höhe hat zahlen wollen. Aus der Entstehungsgeschichte der Zahlung dieser Sondervergütung und aus dem bisherigen Verhalten der Beklagten über mehrere Jahre hinweg ergibt sich daher der wirkliche Wille der Beklagten, eine freiwillige Sonderzahlung in Höhe eines halben Gehaltes, bezogen auf das regelmäßige Gehalt des Vorjahres, leisten zu wollen.

Der Klägerin steht daher aufgrund der Schreiben für die Jahre 2001, 2003 und 2004 auf Basis ihrer in diesen Jahren bezogenen Gehälter für jedes Jahr ein halbes Bruttomonatsgehalt als zusätzliche freiwillige Gehaltszahlung zu.

III.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

Zurück