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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 15.10.2008
Aktenzeichen: 11 Ta 154/08
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, GVG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 23 RN 2
BetrVG § 23 RN 3
BetrVG § 75
BetrVG § 75 Abs. 1
ArbGG § 2 Abs. 1 Ziff. 9
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 31.07.2008 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 02.07.2008 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist. 2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Gründe:

I. Die Parteien streiten über Unterlassungs- und Zahlungsansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten. Die Klägerin ist Betriebsratsmitglied der Firma Y., Bezirk C-Stadt, die Beklagte ist Betriebsratsvorsitzende.

Die Beklagte richtete unter dem 07.12.2007 ein Schreiben an die Geschäftsleitung, verschiedene Mitarbeiter und den für C-Stadt zuständigen Betriebsrat, das - auszugsweise - wie folgt lautet: "Sehr geehrter Herr Y. Vor ca. 4 Wochen haben zwei Betriebsratsmitglieder, Frau X. und Frau C. während der Betriebsratssitzung private Erledigungen mit dem Einverständnis der Bezirksleitung Frau W. unternommen.

Dies geschah mit dem Firmen PKW von Frau W. und ohne Abzug der Arbeitszeit.

Des Weiteren wurden hier in den Filialen von Fr. X. und von Frau C. die Stunden ersetzt die nicht für Betriebsratstätigkeit gebraucht wurden.

Hier ist wahrscheinlich eine Manipulation mit dem Wissen der Bezirksleitung Frau W. in Erwägung zu ziehen.

Der § 23 RN 2, 3 BetrVG kommt hier zur Geltung.

Auch wurden Mehrstunden gewährt, die ihnen nicht zustanden.

Denn auch bei Betriebsratsmitglieder hat hier keine Bevorzugung statt zu finden im Gegenteil hier muss man sehr Objektiv und gerecht vor gehen da es gleich im Bezirk heißt das diese Betriebsratmitglieder nicht zum Wohl der Belegschaft sondern zum Vorteil des Arbeitgebers entscheiden, was mir in letzter Zeit auch vermehrt zugetragen wurde!

In unserem Bezirk werden überall Stunden gestrichen aber hier lässt man es zu das bei Privaterledigungen die Mehrstunden weiter laufen weil es sich um BR-Mitglieder handelt, das kann es nicht sein ...". Die Klägerin machte mit am 20.02.2008 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - erhobener Klage die Unterlassung der in dem Schreiben vom 07.12.2007 in Bezug sie getätigten Behauptungen geltend. Sie erweiterte die Klage mit Schriftsatz vom 13.03.2008 und begehrte von der Beklagten die Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten. Zuletzt kündigte sie folgende Klageanträge an: "1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Schreiben an die Geschäftsleitung der Firma Y. V-Stadt, den Betriebsrat der Firma Y., Bezirk C-Stadt, sowie Mitarbeiter der Firma Y. zu richten und darin wörtlich oder sinngemäß folgende Behauptungen aufzustellen: - der Klägerin seien Stunden ersetzt worden, die nicht für Betriebsratstätigkeit gebraucht worden seien;

- dabei sei wahrscheinlich eine Manipulation mit dem Wissen der Bezirksleitung Frau W. erfolgt;

- es seien Mehrstunden gewährt worden, die der Klägerin nicht zustanden; insoweit liege ein Verstoß nach § 75 Abs. 1 BetrVG vor;

- im Bezirk heiße es, dass die Klägerin nicht zum Wohle der Belegschaft, sondern zum Vorteil des Arbeitgebers entscheide;

- man lasse es zu, dass bei Privaterledigungen der Klägerin Mehrstunden weiterlaufen, weil es sich bei ihr um ein Betriebsratsmitglied handele.

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1. ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnunghaft bis zu sechs Monaten angedroht. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 461,13 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.01.2008 zu erstatten." Das Arbeitsgericht erklärte sich durch Beschluss vom 02.07.2008 für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht Pirmasens. Das Gericht führte zur Begründung aus, für das Klagebegehren sei die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen auch gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 9 ArbGG nicht eröffnet. Eine unerlaubte Handlung sei nicht vorgetragen. Die Zahlungsklage stehe im Zusammenhang mit der Klage auf Unterlassung, sei allerdings abhängig von dem Obsiegen bezüglich des Unterlassungsbegehrens. Ob ein solcher Anspruch gegeben sei, sei fraglich, so dass der Rechtsstreit an das zuständige Amtsgerichts Pirmasens zu verweisen sei.

Eine Ausfertigung des Beschlusses wurde der Beklagten am 30.07.2008 zugestellt, die mit am 04.08.2008 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt hat, den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 02.07.2008, AZ 4 Ca 129/08, aufzuheben. Sie führt zur Begründung aus,

der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 9 ArbGG eröffnet. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche könnten allenfalls aus unerlaubter Handlung herrühren. Die - angebliche - unerlaubte Handlung stehe auch im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, da das Schreiben von der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzende versandt worden sei, sich die Mitteilung auf Geschehen beziehe, die einen direkten Bezug zum Arbeitsverhältnis der Parteien hätten und nach Auffassung der Beklagten ein Verstoß gegen § 75 BetrVG vorliege. Dies könne nicht mit der Begründung verworfen werden, es könne derzeit nicht beurteilt werden, ob die von der Klägerin verfolgten Klageanträge auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden könnten. Wenn § 2 Abs. 1 Ziffer 9 ArbGG die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus unerlaubter Handlung anordne, so bedeute dies nicht, dass tatsächlich eine unerlaubte Handlung vorliegen müsse. Die Beklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 02.07.2008 aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den erstinstanzlichen Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 02.07.2008 aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht Kaiserlautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat der sofortigen Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen (Bl. 55 d. A.). II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft, § 17 a Abs.4 Satz 3 GVG; sie wurde form- und fristgerecht eingelegt. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 569 Abs.1 Satz 1 ZPO grundsätzlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen durch Einreichung eines Schriftsatzes (§ 569 Abs. 2 ZPO) einzulegen. Die Frist beginnt gemäß § 569 Abs.1 Satz 2 ZPO mit der Zustellung der Entscheidung. Eine Ausfertigung des Beschlusses wurde der Beklagten am 30.07.2008 zugestellt, die mit am 04.08.2008 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt hat.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet. Gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 9 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit und aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen. Von § 2 Abs. 1 Ziffer 9 ArbGG erfasst werden auch deliktische Unterlassungsansprüche (Schwab/Weth - Walker, ArbGG § 2 Rz. 160). Erforderlich ist eine innere Beziehung zwischen der unerlaubten Handlung und dem Arbeitsverhältnis, die sich daraus ergibt, dass die unerlaubte Handlung in der besonderen Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Reibungs- und Berührungspunkten wurzelt (BGH vom 07.02.1958, VI ZR 49/57, AP Nr. 48 zu § 2 ArbGG 1953, BGH vom 11.07.1995, 5 AS 13/95 ).Die innere Beziehung zum Arbeitsverhältnis fehlt, wenn andere Umstände für die unerlaubte Handlung maßgeblich sind (BGH vom 11.07.1995, 5 AS 13/95).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze steht fest, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist. Das Verfahren stellt einen bürgerlich-rechtlichen Streit zwischen Arbeitnehmern aus einer unerlaubten Handlung dar. Die Parteien sind beide Arbeitnehmer der Firma Y., die Klägerin ist Betriebsratsmitglied, die Beklagte Betriebsratsvorsitzende. Die Beklagte wandte sich in dieser Funktion an die Geschäftsleitung, verschiedene Mitarbeiter und den für den Bezirk C-Stadt zuständigen Betriebsrat. Sie erhob in dem Schreiben vom 07.12.2007 auch in Bezug auf die Klägerin schwere Vorwürfe. Die Klägerin habe während einer Betriebsratssitzung private Erledigungen mit einem Firmenfahrzeug unternommen, die Abwesenheitszeit sei nicht berücksichtigt worden. Es seien der Klägerin zu Unrecht Mehrstunden gewährt worden. Die Klägerin verwahrt sich gegen diese Vorwürfe. Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe sich in dem Schreiben vom 07.12.2007 unwahr, beleidigend und verleumderisch geäußert. Damit berühmt sie sich eines deliktischen Unterlassungsanspruchs gegenüber der Beklagten. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht denkbar. Ob der Vortrag der Klägerin ausreicht, um ihrem Begehren zum Erfolg zu verhelfen, ist eine Frage der Begründetheit der Klage und nicht im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens über die Rechtswegzuständigkeit festzustellen.

Die nach der Rechtsprechung erforderliche innere Beziehung zwischen der unerlaubten Handlung und dem Arbeitsverhältnis ist ebenfalls gegeben, da die Beklagte die streitbefangenen Behauptungen in ihrer Funktion als Betriebsratsvorsitzende machte und sich das Schreiben vom 07.12.2007 inhaltlich auf Pflichtverletzungen der Klägerin als Arbeitnehmerin und Betriebsratsmitglied bezieht.

Der Zahlungsanspruch, gerichtet auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin, steht im Zusammenhang mit der von der Klägerin behaupteten unerlaubten Handlung. Die Anwaltskosten wurden für die außergerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin erhoben, der die Beklagte vor Klageerhebung mit Schreiben vom 20.12.2007 zur Unterlassung der streitbefangenen Äußerungen aufforderte. Auch für diesen Anspruch ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gem. § 2 Abs. 1 Ziffer 9 ArbGG eröffnet.

Nach alledem steht fest, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war im Hinblick auf die gesetzlichen Voraussetzungen nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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