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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: 11 Ta 165/05
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 180
ZPO § 314 Abs. 2
ZPO § 341 Abs. 1 S. 2
ZPO § 341 Abs. 2
ZPO § 341 Abs. 2 S. 1
ZPO § 568 S. 1
ZPO § 572 Abs. 1 S. 1
ZPO § 572 Abs. 3
ZPO § 694 Abs. 2
ArbGG § 9 Abs. 5
ArbGG § 35 Abs. 2
ArbGG § 46 a Abs. 3
ArbGG § 46 a Abs. 1
ArbGG § 46 a Abs. 6
ArbGG § 59
ArbGG § 59 Abs. 3
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 6 S. 2
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 78 S. 1
ArbGG § 78 S. 3
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Ta 165/05

Entscheidung vom 21.07.2005

Tenor:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 06.04.2005 (Az.: 6 Ca 247/05) wird aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über den Einspruch des Beklagten an das Arbeitsgericht Koblenz zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Beklagte dagegen, dass das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - seinen Einspruch/Widerspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vom 04.01.2005 mit Beschluss vom 06.04.2005 als unzulässig verworfen hat.

Mit einem am 03.12.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides hat die Klägerin die Rückzahlung von 720,56 € nebst Zinsen geltend gemacht. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid vom 06.12.2004 ist dem Beklagten am 10.12.2004 zugestellt worden. Am 04.01.2005 erging sodann der zugehörige Vollstreckungsbescheid, der dem Beklagten durch Einlegung in den Briefkasten am 07.01.2005 zugestellt worden ist.

Mit Schreiben, das auf den 06.01.2005 datiert ist, aber erst am 25.01.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, hat der Beklagte Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt

Mit Beschluss vom 06.04.2005 hat das Arbeitsgericht mit der Kammer ohne mündliche Verhandlung den Einspruch/Widerspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid vom 04.01.2005 durch Beschluss kostenpflichtig als unzulässig verworfen und dies damit begründet, dass das als Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zu behandelnde Widerspruchsschreiben nicht innerhalb der Einspruchsfrist von einer Woche nach Zustellung des Vollstreckungsbescheides beim Arbeitsgericht eingegangen sei.

Dieser Beschluss, der als Rechtsmittelbelehrung den Hinweis auf das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde enthält, ist dem Beklagten am 27.04.2005 zugestellt worden.

In seinem Schreiben vom 06.05.2005, das am 13.05.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, führt der Beklagte aus, er wolle weiterhin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 06.04.2005 angehen, da er der Meinung sei, dass er bereits den kompletten Betrag an die Klägerin zurückgezahlt habe. Da er die entsprechenden Unterlagen erst bei der Sparkasse besorgen müsse, bitte er um etwas Geduld.

Das Arbeitsgericht hat das Schreiben vom 06.05.2005 als sofortige Beschwerde behandelt. Mit Beschluss vom 29.06.2005 hat die Vorsitzende der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Der angefochtene Beschluss kann im Ergebnis keinen Bestand haben. Abgesehen davon, dass das Arbeitsgericht entgegen § 341 Abs. 2 ZPO über den als Einspruch zu wertenden Widerspruch durch Beschluss statt durch Urteil entschieden hat, hat die Vorsitzende allein die Nichtabhilfeentscheidung erlassen, obwohl der Beschluss vom 06.04.2005 durch die Kammer erfolgte.

Dies führt im Ergebnis zur Aufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Erstgericht.

Im Einzelnen:

1. Gegen den Mahnbescheid vom 06.12.2004 hat der Kläger trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung und ordnungsgemäßer Zustellung (§ 178 ZPO) am 10.12.2004 nicht innerhalb der einwöchigen Frist des § 46 a Abs. 3 ArbGG Widerspruch eingelegt.

Ist - wie hier - der Mahnbescheid ordnungsgemäß erlassen und zugestellt worden, ist nach Ablauf der Widerspruchsfrist auf Antrag Vollstreckungsbescheid zu erlassen (§ 699 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 a Abs. 3 ArbGG).

Erst nach dem antragsgemäßen Erlass des Vollstreckungsbescheides, der dem Beklagten gemäß § 180 ZPO am 07.01.2005 ordnungsgemäß zugestellt worden ist, hat der Beklagte mit einem Schreiben, das zwar auf den 06.01.2005 datiert ist, aber erst am 25.01.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, "Widerspruch" eingelegt. Diesen verspätet eingelegten Widerspruch hat das Arbeitsgericht gemäß § 694 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 46 a Abs. 1 ArbGG zu Recht als Einspruch gegen den zwischenzeitlich ergangenen Vollstreckungsbescheid behandelt (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 46 a Rz. 24).

2. Da der Vollstreckungsbescheid einem Versäumnisurteil gleichsteht, kann gegen ihn Einspruch in entsprechender Anwendung des § 59 ArbGG eingelegt werden.

a) Die Einspruchsfrist gemäß § 59 ArbGG beträgt eine Woche beginnend ab Zustellung des Vollstreckungsbescheides.

Da hier der Vollstreckungsbescheid dem Beklagten am Freitag, dem 07.01.2005, zugestellt wurde, endete die Einspruchsfrist gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 14.01.2005.

Da der als Einspruch zu behandelnde Widerspruch des Beklagte indes erst am 25.01.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, erfolgte er verspätet und war daher grundsätzlich unzulässig (§ 59 ArbGG i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).

Es ist indes streitig, ob über die Möglichkeit des Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid entsprechend § 59 Abs. 3 i.V.m. § 9 Abs. 5 ArbGG zu belehren ist (so Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 46 a Rz. 28; a.A. LAG Nürnberg, Beschl. v. 10.05.1988 - 7 Sa 16/88 -, LAGE § 59 ArbGG 1979 Nr. 1; LAG Köln, Beschl. v. 07.08.1998 - 11 Sa 1218/97 -, AP Nr. 19 zu § 9 ArbGG 1979).

3. Es bedarf indes keiner Entscheidung, welcher Meinung zu folgen ist und ob vorliegend eine Rechtsmittelbelehrung erfolgte, da der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 06.04.2005 aus den nachstehenden Gründen aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen war.

a) Es ist sehr umstritten, ob § 46 a Abs. 6 ArbGG dahin gehend zu verstehen ist, dass selbst im Falle eines unzulässigen Einspruchs in jedem Fall Termin anzuberaumen ist. Dies wird in der Rechtsprechung überwiegend bejaht (LAG Bremen, Beschl. v. 17.08.1988 - 4 Ta 31/88 -, LAGE ArbGG 1979 § 46 a Nr. 1; LAG Baden-Württemberg Beschl. v. 11.12.1990 - 14 Ta 15/90 -, LAGE ArbGG 1979, § 46 a Nr. 2; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 12.12.1993 - 15 Ta 13/93).

In der Literatur wird hingegen überwiegend die Auffassung vertreten, dass der unzulässige Einspruch auch ohne mündliche Verhandlung vom Vorsitzenden als unzulässig verworfen werden kann, was sich aus der Gleichstellung des Vollstreckungsbescheides mit einem ersten Versäumnisurteil ergebe (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 46 a Rz. 29, m.w.N.; Schwab/Weth, ArbGG, § 46 a Rz. 41 ff., m.w.N.).

b) Wenn man, wofür beachtliche Gründe sprechen (vgl. Schwab/Weth, a.a.O.), der zuletzt genannten Auffassung folgen würde, läge zwar insoweit kein Verfahrensfehler vor.

§ 341 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 ZPO schreibt aber für die Verwerfung des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil bzw. gegen einen diesem gleichgestellten Vollstreckungsbescheid (§ 700 Abs. 1 ZPO) als unzulässig zwingend die Urteilsform vor, wobei bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung streitig ist, ob die ehrenamtlichen Richter hinzuziehen sind (zum Streitstand vgl. Schwab/Weth, a.a.O., § 59 Rz. 107, m.w.N).

Das Arbeitsgericht hat demgegenüber durch Beschluss entscheiden und damit gegen (§ 341 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 ZPO) verstoßen.

Das Rechtsmittel gegen das richtigerweise zu erlassende Urteil wäre die Berufung gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG, wobei vorliegend der Beschwerdewert 600 € übersteigt (§ 64 Abs. 2 b ArbGG). Gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG beträgt die Frist zur Einlegung der Berufung einen Monat, die Frist zur Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils.

In diesem Zusammenhang ist vorliegend zu beachten, dass die Eingabe des Beklagten als sofortige Beschwerde unzulässig wäre, weil der Beschwerdeführer die zweiwöchige Beschwerdefrist nicht gewahrt hat. Demgegenüber hätte er die Berufungsfrist zwar gewahrt, indes wäre der Anwaltszwang nicht beachtet. Insoweit wäre der Beschwerdeführer aber auch nicht belehrt worden.

Ob dies in der Berufungsinstanz nachholbar ist (so wohl LAG Hamm, Beschl. vom 28.02.2002 - 17 Sa 187/02 -, JurBüro 2003, 669), ist nicht unproblematisch, was sich aus folgenden Erwägungen ergibt:

c) Nach dem im Zivilprozessrecht anerkannten Grundsatz der Meistbegünstigung darf eine Partei durch ein unrichtiges Verfahren des Gerichts keine Nachteile in ihren prozessualen Rechten erleiden. Daraus folgt, dass grundsätzlich gegen eine gerichtliche Entscheidung sowohl dasjenige Rechtsmittel zulässig ist, das der erkennbar gewollten Entscheidungsart entspricht, wie dasjenige, das der Entscheidung entspricht, für die die Voraussetzungen gegeben waren (BAG Urt. vom 05.12.1984 - 5 AZR 354/84 -, BAGE 47, 285, m.w.N.; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., vor § 511 Rz. 30, m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen, ist dann, wenn das Arbeitsgericht - wie hier - irrtümlich einen verspäteten Einspruch gegen ein Versäumnisurteil entgegen § 314 Abs. 2 ZPO durch Beschluss statt durch Urteil verwirft, grundsätzlich die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde zulässig (LAG Köln Urt. vom 26.02.2003 - 7 Ta 229/02 - NZA-RR 2004, 107). Dabei vertritt das Landesarbeitsgericht Köln die Auffassung, dass über das Rechtsmittel in der gesetzlich vorgesehenen Form des Urteils zu entscheiden ist.

Demgegenüber vertreten die Oberlandesgerichte Celle (Beschl. vom 06.02.2003 - 2 W 5/03 -, NJW-RR 2003, 647) und Zweibrücken (Beschl. vom 13.02.2004 - 4 W 4/04 -, OLGR Zweibrücken 2004, 440) die Auffassung, dass eine Überleitung in das Urteilsverfahren in der zweiten Instanz dann nicht in Betracht kommt, wenn es aufgrund der prozessual fehlerhaften Entscheidung des Erstgerichts zu einer gesetzeswidrigen Verschiebung der Zuständigkeit kommt. Dies sei durch die Zurückverweisung der Sache zu korrigieren.

Eine gesetzeswidrige Verschiebung der Zuständigkeit sei z.B. dann anzunehmen, wenn der Verwerfungsbeschluss durch den Einzelrichter am Landgericht erfolgt sei und daher gem. § 568 S. 1 ZPO der originäre Einzelrichter am OLG zuständig sei. Demgegenüber sei bei der an sich prozessual zutreffenden Entscheidung durch Urteil für die Entscheidung der Senat und damit ein anderer Spruchkörper zuständig gewesen.

Ob diese Grundsätze im Hinblick auf § 78 S. 3 i.V.m. S. 1 ArbGG (für das Beschwerdeverfahren; vgl. auch Schwab/Weth, a.a.O., § 78 Rz. 61 m.w.N.) bzw. §§ 35 Abs. 2, 64 Abs. 6 S. 2 ArbGG (für das Berufungsverfahren) auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren gelten und die Sache bereits deswegen zurückzuverweisen gewesen wäre, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

d) Das Verfahren ist jedenfalls deswegen zurückzuverweisen, weil der Verwerfungsbeschluss durch die Kammer, die Nichtabhilfeentscheidung indes durch die Vorsitzende ergangen ist.

Nach § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet über die Abhilfe "das Gericht" oder der "Vorsitzende". Diese Differenzierung hat zur Folge, dass die Abhilfeentscheidung der Vorsitzende des Arbeitsgerichts allein zu treffen hat, wenn eine von ihm gefällte Entscheidung angefochten wird, andernfalls entscheidet die Kammer.

Trifft der Vorsitzende in einer Kammersache die Entscheidung über die Nichtabhilfe allein, so stellt dies einen schweren Verfahrensmangel dar, der eine Zurückverweisung durch das Landesarbeitsgericht im Rahmen von § 572 Abs. 3 ZPO rechtfertigt (Schwab/Weth, a.a.O., § 78 Rz. 45 mit Hinweis auf LAG Baden-Württemberg, Beschl. vom 07.08.2002 - 15 Ta 12/02 - ArbRB 2003, 46).

Da das Arbeitsgericht vorliegend den Verwerfungsbeschluss mit der Kammer getroffen hat, die Nichtabhilfeentscheidung aber von der Vorsitzenden allein getroffen wurde, war daher die Sache zurückzuverweisen.

Mangels Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG) bestand keine Veranlassung die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung ist mithin kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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