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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 23.08.2007
Aktenzeichen: 11 Ta 169/07
Rechtsgebiete: BGB, JVEG, BRKG, ZPO, RPflG, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 247
JVEG § 5 Abs. 1
JVEG § 5 Abs. 2
JVEG § 5 Abs. 3
JVEG § 6 Abs. 1
JVEG § 6 Abs. 2
JVEG § 7 Abs. 1 Satz 2
BRKG § 7
BRKG § 7 Abs. 1
BRKG § 7 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 567 Abs. 2
RPflG § 11 Abs. 2 S. 1
ArbGG § 12 a Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses vom 29.06.2007 wird das Verfahren an das Arbeitsgericht zur Entscheidung in eigener Kompetenz zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit am 27. Dezember 2006 beim Arbeitsgericht eingereichter Zahlungsklage hat die Klägerin Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten, der bei ihr als Vermietassistent im Vermietbetrieb in M. beschäftigt war, begehrt. Die Klägerin hat ihren Sitz in H.. Am Gütetermin, der am 12. Januar 2007 stattfand, nahm die Klägerin nicht persönlich teil, sondern ließ sich durch ihren Prozessbevollmächtigten aus H. vertreten. Auf dessen Antrag erging ein Anerkenntnisurteil, wonach der Beklagte vollumfänglich zu Schadensersatzleistung nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Mit Schriftsatz vom 06. Februar 2007 hat die Klägerin beantragt, die ihr erstinstanzlich entstandenen Reisekosten gegen den Beklagten festzusetzen. Da der Prozessbevollmächtigte am gleichen Tag vor dem Arbeitsgericht M. zwei Termine wahrgenommen hat, sind die Reisekosten auf die Hälfte zu reduzieren. Dabei wurde ausgegangen von verauslagten Flugkosten in Höhe von 540,34 EUR netto, Parkkosten H. in Höhe von 17,65 EUR netto, Fahrtkosten für ÖPNV F./M. in Höhe von weiteren 7,24 EUR netto, mithin insgesamt 565,23 EUR x 0,5 = 282,62 EUR.

Gegen den gerichtlichen Hinweis, dass die Reisekosten der Partei auf die Kosten der öffentlich, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmittel - vorliegend die Bahn - begrenzt seien, wendet die Klägerin ein, dass einem leitenden Angestellten nicht zugemutet werden könne, eine Bahnreise von 6 bis 8 Stunden mit einer erforderlichen Übernachtung in Kauf zu nehmen. Bei einer Flugreise wäre eine Abwesenheit von 6.00 Uhr morgens bis 15.30 Uhr angefallen. Für Hin- und Rückfahrt mit IC-Zuschlägen sei ein Betrag von 289,00 EUR zuzüglich Platzreservierungskosten in Höhe von 7,00 EUR zu veranschlagen. Hinzu kämen die Taxikosten in H. und M. in Höhe von 50,00 EUR und 24,00 EUR. Darüber hinaus sei ein Abwesenheitsgeld für 24 Stunden in Höhe von je 20,00 EUR zu veranschlagen, mithin weiteren 480,00 EUR sowie weitere Übernachtungskosten in M. in Höhe von 95,00 EUR. Damit errechne sich ein Gesamtbetrag von 945,00 EUR. Die Kosten der Flugreise würden deutlich darunter liegen.

Das Arbeitsgericht hat auf den Kostenfestsetzungsantrag mit Beschluss vom 12. Januar 2007 die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 175,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 08. Februar 2007 festgesetzt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die ersparten fiktiven Reisekosten zum Termin nach Maßgabe des JVEG zu erkennen seien. Gemäß § 5 Abs. 1 JVEG bestimme sich der Fahrtkostensatz nach den Kosten der Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung, die für Hin- und Rückfahrt von H. nach M. 289,00 EUR zuzüglich 7,00 EUR betragen würde. Hinzu kämen die Kosten der notwendigen Übernachtung, die sich nach § 6 Abs. 2 JVEG i. V. m. § 7 BRKG richteten und pauschal mit 20,00 EUR zu berücksichtigen seien. Ferner sei das Abwesenheitsgeld für 24 Stunden nach § 6 Abs. 1 JVEG mit 24,00 EUR anzusetzen. Anstelle der Kosten für Taxifahrten könnten gemäß § 5 Abs. 1 JVEG nur die Kosten regelmäßig verkehrender öffentlicher Verkehrsmittel festgesetzt werden und zwar je zwei Tageskarten zu 5,00 EUR, = 10,00 EUR. Mithin errechne sich ein Entschädigungsbetrag über 350,00 EUR, sodass wegen der Wahrnehmung eines weiteren Termins für das streitgegenständliche Verfahren die Hälfte, nämlich 175,00 EUR anzusetzen sei.

Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 04. Mai 2007 zugestellt. Mit am 10. Mai 2007 eingegangenem Schriftsatz legte dieser gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung ein und rügt die Höhe der festgesetzten Reisekosten. Zur Begründung führt die Klägerin und Beschwerdeführerin aus, ihren leitenden Angestellten sei keine zweitägige Ortsabwesenheit zuzumuten. Dies verbiete sich alleine aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Es wäre daher auch einem leitenden Angestellten bei fiktiver Abrechnung zuzubilligen, dass dieser als Reisemittel das Flugzeug benutze. Die Übernachtungskosten i.H.v. 20,00 EUR seien zu niedrig bemessen. Die durchschnittlichen Übernachtungskosten würden mindestens 90,00 EUR betragen. Auch müsse das tatsächliche Abwesenheitsgeld eines leitenden Angestellten zugrunde gelegt werden. Dies belaufe sich mindestens auf 17,00 EUR, höchstens auf 20,00 EUR pro Stunden, da die Ortabwesenheit an beiden Tagen 12 Stunden bei weitem überstiegen hätte. Mithin würden die zugrundeliegenden Gesamtaufwendungen deutlich über den Kosten, die durch die Inanspruchnahme des Flugzeugs tatsächlich entstanden seien, liegen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 29. Juni 2007 der Erinnerung nicht abgeholfen und den als sofortige Beschwerde behandelten Rechtsbehelf dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung mit der Begründung vorgelegt, der Beschwerdegegenstand übersteige allein durch das angestrebte Abwesenheitsgeld den Betrag von 200,00 EUR.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Entgegen der Rechtsansicht des Arbeitsgericht liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage der Erinnerung vor dem Landesarbeitsgericht nicht vor, weil der Beschwerdegegenstand nicht den Wert von 200,00 EUR übersteigt, § 104 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 567 Abs.1 Nr.1, Abs.2 ZPO. Soweit das Arbeitsgericht annimmt, eine Überschreitung dieses Wertes sei allein deshalb anzunehmen, weil die Klägerin ein höheres Abwesenheitsgeld anstrebe, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Die Klägerin stellt zwar bei der Darlegung ihrer Rechtsansicht auf ein höheres Abwesenheitsgeld ab, will dieses aber nicht im Kostenfestsetzungsverfahren als Kostenposition verfolgen, sondern darstellen, dass unter Berücksichtigung des Hinweises des Arbeitsgerichts auf die öffentlich, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmittel die dabei zu Grunde zu legenden Gesamtaufwendungen deutlich über den Kosten liegen würden, die durch die Inanspruchnahme des Flugzeuges tatsächlich entstanden seien.

Bei der Berechnung des Beschwerdewertes ist vielmehr von der Differenz der durch die Klägerin geltend gemachten Reisekosten i.H.v. 282,62 EUR und den seitens des Arbeitsgerichts festgesetzten Kostenerstattungsbetrages i.H.v. 175,00 EUR auszugehen, mithin von einem Betrag i.H.v. 102,62 EUR.

Mithin ist der Rechtsbehelf der Klägerin als befristete Erinnerung i.S.d. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG zu behandeln (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl. § 104 Rz. 10).

Das Arbeitsgericht wird bei seine Entscheidung folgendes zu berücksichtigen haben:

Die Klägerin hat grundsätzlich Anspruch auf Erstattung der ihr in I. Instanz entstandenen Anwaltskosten in Höhe der ersparten Reisekosten hinsichtlich des Gütetermins, an dem sie nicht persönlich teilgenommen hat.

Nach § 91 Abs. 1 ZPO kann die Partei diejenigen Kosten ersetzt verlangen, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, einschließlich der erforderlichen Kosten für eine oder mehrere notwendige Reisen. Notwendig sind Kosten, wenn die die Kosten verursachende Handlung selbst objektiv und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erforderlich war, und zwar gerade zu dem Zeitpunkt, zu dem sie vorgenommen wurde. Zwar findet im Verfahren vor den Arbeitsgerichten I. Instanz nach ausdrücklicher Bestimmung in § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG keine Erstattung der notwendigen Vertretungskosten statt, vielmehr hat diese Kosten jede Partei und damit auch die obsiegende Partei selbst zu tragen. Auch wird die Zeitversäumnis, also der Verdienstausfall nicht erstattet. Sonstige Kosten der Partei sind hingegen auch für die I. Instanz zu erstatten, also auch die notwendigen Reisekosten.

Ausnahmsweise sind daher auch die Anwaltskosten dann und insoweit zu erstatten, als durch die Beauftragung des Anwalts Reisekosten der Parteien erspart worden sind (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09. Januar 2004 - 10 Ta 2022/03). In diesem Falle sind die Reisekosten hypothetisch zu berechnen, d. h. es sind sämtliche Fahrt-, Unterkunfts- und sonstige Kosten zu berechnen. In Höhe dieser Kosten können dann durch die Beauftragung des Rechtsanwalts entstandenen Gebühren und Auslagen erstattet verlangt werden (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, a. a. O.).

Höhere als die in § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 JVEG bezeichneten Fahrtkosten können ersetzt werden, soweit dadurch Mehrbeträge an Vergütung oder Entschädigung erspart werden oder höhere Fahrtkosten wegen besonderer Umstände notwendig sind, § 5 Abs. 3 JVEG. Der Eintritt der Zeitersparnis ist daher im Regelfall nicht ausreichend; vielmehr muss es auch zu einer geringeren Gesamtentschädigung kommen (vgl. Schneider, Kommentar zum JVEG, 2007, § 5 JVEG Rz. 45 m. w. N.; Meier/Höver/Bach, Kommentar zum JVEG, 24. Auflage, § 5 Rz. 5.15).

Vorliegend ist anzunehmen, dass es neben einer Zeitersparnis nicht zu einer geringeren Gesamtentschädigung kommen würde.

Bei einer Benutzung der Bahn wäre eine Anreise am Vortag erforderlich. Die dadurch bedingten Übernachtungskosten wären mit 60,00 EUR und nicht - wovon das Arbeitsgericht ausgeht - mit 20,00 EUR zu berücksichtigen. Zwar wird ein Übernachtungsgeld nach den Bestimmungen des BRKG gewährt, wenn eine auswärtige Übernachtung notwendig ist, § 6 Abs. 2 JVEG. Der Mindestbetrag für eine notwendige Übernachtung wird gemäß § 7 Abs. 1 BRKG pauschal mit 20,00 EUR berechnet. Höhere Übernachtungskosten werden erstattet, soweit sie notwendig sind, § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG. Nach Ziffer 7.1.1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesreisekostengesetz (BRKGVwV) sind Übernachtungskosten bis zu 60,00 EUR grundsätzlich als notwendig im Sinne des § 7 Abs. 2 BRKG anzusehen. Übersteigen die aufgewendeten Übernachtungskosten den Betrag von 60,00 EUR, so ist deren Notwendigkeit unter Berücksichtigung der am Übernachtungsort geforderten üblichen Übernachtungspreise und der vorhandenen zumutbaren Unterkünfte zu begründen.

Somit dürfte entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auch ohne weitere Darlegung von notwendigen Übernachtungskosten in Höhe von 60,00 EUR ausgegangen werden (vgl. hierzu Meier/Höver/Bach, a. a. O., Ziffer 6.5 b; Schneider, a. a. O., § 6 Rz. 21).

Daneben wäre mit dem Arbeitsgericht noch von gemäß § 6 Abs. 1 JVEG zu gewährenden Tagegeld für 24-stündige Abwesenheit in Höhe von 24,00 EUR auszugehen.

Soweit die Klägerin anführt, es sei das "tatsächliche Abwesenheitsgeld eines leitenden Angestellten" zugrunde zu legen und dieses beliefe sich auf mindestens 17,00 EUR, höchstens 20,00 EUR die Stunde, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Insoweit ist - wie anfangs bereits eingeführt - darauf zu verweisen, dass im Rahmen des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG die Partei die Zeitversäumnis, also den Verdienstausfall, nicht erstattet bekommen kann. Mithin ist als Tagesgeld von einem Betrag von 24,00 EUR auszugehen. Diese in § 6 Abs. 1 genannten Sätze sind Festbeträge, die nicht überschritten werden dürfen. § 6 Abs. 1 JVEG stellt zudem nicht mehr auf die persönlichen Verhältnisse der Berechtigten ab. Die genannten Sätze sind zukünftig in allen Fällen zu zahlen. Soweit ein Tagegeld gewährt wird, ist es unabhängig von den tatsächlichen Aufwendungen in der Höhe des § 4 Einkommenssteuergesetz zu zahlen.

Unter Berücksichtigung weiterer Kosten für regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel im Umfang von 2 Tageskarten zu je 5,00 EUR neben den Bahnfahrtkosten der 1.Klasse i.H.v. 289,00 EUR zzgl. 7,00 EUR Reservierungskosten errechnet sich somit ein Gesamtbetrag von 390,00 EUR, der im Hinblick auf die Wahrnehmung eines weiteren Termins auf die Hälfte, somit auf 195,00 EUR zu reduzieren wäre.

Ausgehend von den Kosten, die für einen Flug in Ansatz zu bringen wären mit 540,34 EUR netto, ergäbe sich bereits ein zu erstattender Betrag von 270,17 EUR zuzüglich der Kosten für öffentliche Verkehrsmittel gegebenenfalls auch Parkkosten.

Ein Vergleich dieser beiden Beträge ergibt, dass bei Benutzung des Flugzeugs eine höhere Gesamtentschädigung anfallen würde.

Mithin wären die Voraussetzungen für eine Erstattung der höheren Fahrtkosten im Sinne des § 5 Abs. 3 JVEG nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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