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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 27.12.2004
Aktenzeichen: 11 Ta 185/04
Rechtsgebiete: BSHG, ZPO, BGB, StGB


Vorschriften:

BSHG § 19 Abs. 2
BSHG § 20
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 128 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 511
ZPO § 567 Abs. 1 Ziff. 1
ZPO § 569 Abs. 2
ZPO § 850 c
BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 2
BGB § 612 Abs. 2
StGB § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Ta 185/04

Verkündet am: 27.12.2004

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 12.07.2004 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine höhere Vergütung als sie im Arbeitsvertrag der Parteien vereinbart ist.

Der 1965 geborene Kläger ist seit 1990 arbeitslos und bezog zuletzt Sozialhilfe. Am 01.12.2003 schloss er mit der Beklagten - einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, die, eine gemeinnützige GmbH ist. Im Arbeitsvertrag, wegen dessen Inhalt im Übrigen auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 21.04.2004 zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen wird, ist eine befristete Tätigkeit vom 02.12.2003 bis zum 01.12.2004 "als Arbeiter für Tätigkeiten nach § 19 Abs. 2 und 20 BSHG in der jeweiligen Fassung" bei einer durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 38,5 Stunden in der Woche und einer Bruttovergütung von 840,00 € monatlich vorgesehen.

Der Kläger arbeitete seinem Wunsch entsprechend auf dem Waldfriedhof in C-Stadt. Die Arbeitsnachweise für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 03.12.2003 bis zum 31.03.2004 weisen als erledigte Arbeit des Klägers für die ersten beiden Monate "Kehren" und an einigen Tagen "Winterdienst" aus. Für die neun Arbeitstage im Februar wird außer "Kehren" an einem Tag "Hecken schneiden" und einmal "Einläufe säubern" genannt. Die acht Arbeitstage, die im Monat März 2004 aufgeführt sind, nennen wiederum das "Kehren" und darüber hinaus "Abfall abfahren" an fünf Tagen.

Der Kläger, der einen Stundenlohn von 5,04 € errechnet hat, meint, ihm stehe ein Bruttostundenlohn von 7,50 € zu. Mit seiner Klage hat er für den oben genannten streitgegenständlichen Zeitraum diese Vergütung abzüglich der erhaltenen Zahlungen geltend gemacht. Zur Begründung seiner Klage hat er auf die Höhe des Lohnes in der niedrigsten Lohngruppe für Helfer auf dem Bau in Höhe von 10.36 € verwiesen sowie auf die Höhe der Sozialhilfesätze und der Pfändungsfreigrenzen. Es liege unter Berücksichtigung dessen ein auffälliges Missverhältnis vor. Er meint, mit der Drohung der Streichung der Sozialhilfe habe er sich in einer Zwangslage befunden, die ausgenutzt worden sei.

Mit Beschluss vom 12.07.2004, der dem Kläger am 13.07.2004 zugestellt worden ist und auf den Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 02.08.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 05.08.2004 nicht abgeholfen hat.

Zur Begründung trägt der Kläger vor, die von ihm zu verrichtende Tätigkeit beschränke sich nicht auf das Kehren und Abfall abfahren. So sei er regelmäßig eingesetzt beim Rasen mähen, bei Baumfällarbeiten, der Renovierung (Beseitigung von Winterschäden) an Treppen- sowie Bodeneinläufen, der Renovierung von aufgestellten Sitzbänken, der Reparatur von Zäunen, der Reparatur von Rohrbrüchen, der Bepflanzung der Grünanlagen und der Einebnung abgelaufener Grabfelder. Er verrichte damit absolut identische Arbeiten wie dies auch die übrigen beim Städtischen Tiefbauamt fest angestellten Mitarbeiter täten. Diese bezögen jedoch - im Einzelfall differierend je nach den individuellen steuerlichen Merkmalen - einen monatlichen Nettolohn von etwa 1.300,00 €. Beispielhaft sei auf die mit Schriftsatz vom 23.08.2004 zur Akte gereichte Lohnbescheinigung eines fest bei der Stadt angestellten Arbeitnehmers mit dem gleichen Tätigkeitsbild wie dem seinen zu verweisen, dem 1.868,58 brutto gezahlt würden, was einem Bruttostundenlohn von rund 11,30 € entspreche.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses vom 12.07.2004 ihm für die erste Instanz rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung Prozesskostenhilfe zu gewähren und die unterzeichnenden Rechtsanwälte beizuordnen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Es sei unzutreffend, dass der Kläger "absolut identische Arbeit" wie die Arbeitnehmer des städtischen Tiefbauamtes verrichtetet habe. Seine Tätigkeiten ergäben sich aus den vorgelegten Arbeitsnachweisen. Aus der Entlohnungsvereinbarung eines Dritten mit einem Dritten könne der Kläger keinen Anspruch für sich herleiten, namentlich auch nicht, wenn es sich um eine Überzahlung handele.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1.

Die als sofortige Beschwerde anzusehende Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 128 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs.1 Ziffer 1 ZPO statthaft. Der Streitwert der Hauptsache überschreitet den in § 511 ZPO genannten Betrag. Die sofortige Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 Abs. 2 ZPO, § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO.

2.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger zu Recht keine Prozesskostenhilfe bewilligt, weil es an der hinreichenden Erfolgsaussicht fehlt.

a) Objektive Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist neben der hier zu bejahenden Bedürftigkeit, dass die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und dass sie nicht mutwillig ist. Hinreichende Erfolgsaussicht in diesem Sinne liegt vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragsstellers aufgrund seiner Darstellung und der vorhanden Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es ist die Schlüssigkeit der beabsichtigten Klage zu prüfen, also zu prüfen, ob der Antragsteller hinreichend Tatsachen vorgetragen hat, die den Schluss auf die von ihm behauptete Rechtsfolge zulassen. Der Umfang der Darlegung, der vom Kläger zu erwarten ist, richtet sich dabei auch nach der Einlassung des Gegners (Zöller/Philippi ZPO 23. Auflage § 114 Rz 18 f., 23 a).

b) Von diesen Grundsätzen ausgehend ergibt sich auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens des Klägers im Beschwerdeverfahren, dass das Arbeitsgericht zu Recht keine hinreichende Erfolgsaussicht angenommen hat. Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt nicht die Annahme, dass die mit ihm getroffene Vergütungsvereinbarung im Hinblick auf § 138 BGB nichtig wäre und ihm deshalb der mit der Klage geltend gemachte Lohn auf der Grundlage der Regelung in § 612 Abs. 2 BGB zustünde.

aa) Zur Feststellung des auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung kann nicht auf einen bestimmten Abstand zwischen dem Arbeitsentgelt und dem Sozialhilfesatz abgestellt werden. Die Sozialhilfe knüpft an eine wirtschaftliche Bedürfnislage an. Hierfür sind neben den Einkünften etwaige Unterhaltspflichten, die Kosten für Miete sowie andere notwendige Ausgaben und damit zahlreiche Faktoren maßgebend, die nichts mit der konkreten Arbeitsleistung zu tun haben. Auch bei einer Stundenvergütung nach dem vom Kläger zum Vergleich herangezogenen Tarifvertrag für das Baugewerbe kann ein Anspruch auf ergänzende Sozialhilfeleistung bestehen, wenn der Arbeitnehmer zahlreiche Unterhaltsverpflichtungen und hohe Mietkosten hat (BAG 24.03.2004 - 5 AZR 303/03 - NZA 2004, 871, 972).

bb) Ebenso wenig kann - wie es der Kläger ebenfalls in der Klageschrift getan hat - aus den Pfändungsgrenzen des § 850 c ZPO auf ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung geschlossen werden. Die Vorschriften über den Pfändungsschutz bezwecken den Schutz des Schuldners vor Kahlpfändung. Ihm wird ein Teil seines Arbeitseinkommens belassen, um ihm und seiner Familie die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen und ihn nicht der Sozialhilfe anheim fallen zu lassen. Beim Pfändungsschutz bleiben der Wert und die wertbildenden Besonderheiten der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung unberücksichtigt. Deshalb ergeben sich aus den § 850 c ZPO festgesetzten Pfändungsgrenzen keine Anhaltspunkte für ein Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt (BAG aaO).

cc) Auch das übrige Vorbringen des Klägers, mit dem dieser auf den Tariflohn für Helfer im Baugewerbe, den er mit 10.36 € beziffert, sowie auf die Vergütung der Arbeitnehmer beim Tiefbauamt der Stadt C-Stadt verweist, führt nicht zur Annahme, die mit der Beklagten getroffene Lohnvereinbarung verstoße gegen den strafrechtlichen Wuchertatbestand, § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB, oder gegen die guten Sitten, § 138 BGB. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, dass sowohl der spezielle Straftatbestand als auch der zivilrechtliche Lohnwucher nach § 138 Abs. 2 BGB und das wucherähnliche Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB voraussetzen, lässt sich ihm nicht entnehmen.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei der Prüfung, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, der Wert der Leistung des Arbeitnehmers nach ihrem objektiven Wert zu beurteilen. Ausgangspunkt zur Feststellung des Wertes der Arbeitsleistung sind dabei in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Dies gilt jedenfalls dann, wenn in dem Wirtschaftsgebiet üblicherweise der Tariflohn gezahlt wird. Denn dann kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt nur zu den Tariflohnsätzen gewonnen werden können. Entspricht der Tariflohn indessen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist zur Ermittlung des Wertes der Arbeitsleistung von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (BAG aaO).

(2) Von diesen Grundsätzen ausgehend lässt sich kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung feststellen.

(a) Ein solches kann nicht aus dem Vergleich mit dem Lohn eines Helfers auf der Grundlage des Lohntarifvertrages für die Betriebe des Baugewerbes hergeleitet werden. Der Kläger war nicht in der Baubranche tätig.

(b) Der Hinweis auf die Vergütung anderer Arbeitnehmer oder konkret eines anderen Arbeitnehmers mit dem "gleichen Tätigkeitsbild" wie dem des Kläger führt ebenfalls nicht weiter:

Die Entlohnung eines oder einer gewissen - vom Kläger nicht weiter konkretisierten - Anzahl von Arbeitnehmern bei einer einzelnen Arbeitgeberin sagt grundsätzlich nichts über die Üblichkeit dieser Vergütung in dem entsprechenden Wirtschaftszweig - oder, da es sich um den öffentlichen Dienst handelt, Tätigkeitsbereich - aus. Der Kläger hat auch nicht mitgeteilt, wie diese Vergütung ermittelt wurde, ob es sich um tarifliche oder außertarifliche Entlohnung handelt. Schon von daher ist ein Vergleich mit der Entlohnung des Klägers nicht möglich.

Darüber hinaus kann - selbst wenn man in diesem Zusammenhang zugunsten des Klägers das gleiche Tätigkeitsbild wie bei den vom Kläger herangezogenen Arbeitnehmern unterstellt - auf das Lohnniveau dieser Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen nicht abgestellt werden. Insoweit gilt nichts anderes als in der schon mehrfach zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.03.2004. Der dort klagende Arbeitnehmer, der nach zwei Jahren der Arbeitslosigkeit einen Vertrag mit einem Zeitarbeitsunternehmen abgeschlossen hatte, wollte zur Ermittlung eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf die bei den Entleihfirmen geltenden Lohntarifverträge abstellen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht abgelehnt und als maßgeblich den Tariflohn des Wirtschaftszweiges, in dem der Kläger beschäftigt war angesehen, nämlich den der Zeitarbeitsunternehmen. Dementsprechend wäre vorliegend auf das Lohnniveau, das in Firmen wie der Beklagte gezahlt wird, abzustellen (BAG aaO S. 973 f.).

Davon abgesehen fehlt es aber schließlich auch an einer ausreichenden Darlegung des Klägers, dass er in dem Zeitraum, für den er das höhere Entgelt verlangt, tatsächlich die gleichen Tätigkeiten verrichtet hat, wie der Arbeitnehmer, auf dessen Vergütung er sich unter Vorlage der Lohnabrechnung insbesondere beruft.

Die Beklagte hat sowohl die erstmalige Aufzählung verschiedenster Tätigkeiten in der Beschwerdeschrift, die sich so in den Arbeitsnachweisen nicht finden und auch vom Arbeitsgericht nicht berücksichtigt wurden, bestritten als auch bestritten, dass der Kläger die selben Arbeiten verrichtet hat, wie die Arbeiter, die bei der Stadt Pirmasens im Tiefbauamt arbeiten und auf deren Vergütung sich der Kläger beruft. Zur schlüssigen und ausreichend substantiierten Darstellung seiner Tätigkeit und ihrer Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit von bei der Stadt C-Stadt angestellten Arbeitern wäre es deshalb erforderlich gewesen, dass der Kläger seine Arbeit in dem überschaubaren Zeitraum von lediglich drei Monaten konkret nach ihren Inhalt, ihrem zeitlichen Ablauf und auch den zeitlichen Anteil der jeweiligen Aufgaben schildert und konkret unter Angabe von Tatsachen angibt, inwieweit es sich um die selbe Arbeit, wie sie die Mitarbeiter des Tiefbauamtes der Stadt C-Stadt ausüben, handelt. Daran fehlt es aber.

Insgesamt ergibt sich damit, dass die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe notwendige hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung des Klägers mit dem Arbeitsgericht zu verneinen und deshalb die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen war.

Die Rechtsbeschwerde wird gegen diesen Beschluss nicht zugelassen, weil es an gesetzlichen Zulassungsgründen fehlt, §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG.

Damit ist gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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