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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 13.05.2005
Aktenzeichen: 11 Ta 32/05
Rechtsgebiete: ZPO, BSHG, KSchG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 115 Abs. 2
ZPO § 115 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 124 Abs. 4 Satz 1
ZPO § 127
BSHG § 88
BSHG § 88 Abs. 2
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 8
KSchG § 9
KSchG § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 11 Ta 32/05

Entscheidung vom 13.05.2005

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 28.12.2004 (Az.: 8 Ca 1047/04) aufgehoben.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Klägerin dagegen, dass das Arbeitsgericht Kaiserslautern mit Beschluss vom 28.12.2004 den Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 30.08.2004 aufgehoben hat.

Mit ihrer am 04.06.2004 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 14.05.2004 zum 30.05.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Im Kammertermin vom 24.08.2004 haben die Parteien einen Vergleich abgeschlossen. Danach endete das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 14.05.2004 zum 30.05.2004 unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist. Gleichzeitig hat sich die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 8.250 € brutto zu zahlen.

Mit Beschluss vom 30.08.2004 hat das Arbeitsgericht der Klägerin ab dem 04.06.2004 Prozesskostenhilfe zur Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens ohne Ratenzahlung bewilligt und ihr ihren Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Die Bewilligung erfolgte unter dem ausdrücklichen Hinweis, dass mit dem Zufluss der Abfindung ein anzusetzendes Vermögen und damit eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben sein dürfte.

Im Hinblick hierauf hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern mit Beschluss vom 28.12.2004, der der Klägerin am 29.12.2004 zugestellt worden ist, den Prozesskostenbewilligungsbeschluss vom 30.08.2004 aufgehoben, weil sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin wegen der Abfindung verbessert hätten. Dies habe die in § 120 Abs. 4 ZPO vorgeschriebene Nachprüfung ergeben. Die Klägerin sei daher nunmehr in der Lage, die angefallenen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 833,60 € an die Landeskasse zurück zu zahlen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, die - per Fax vorab - am 10.01.2005 beim Arbeitsgericht Kaiserlautern eingegangen ist.

Die Klägerin hat zunächst angegeben, sie habe den Abfindungsbetrag auf die bestehenden Verbindlichkeiten, u.a. für den Autokredit aufgewandt.

Auf Nachfrage des Arbeitsgerichts hat sie sodann mitgeteilt, ausweislich des Kontoauszuges vom 07.09.2004 (Bl 7 R PKH) habe sie 6.500 € zur teilweisen Tilgung des Autodarlehens verwandt. Den überschießenden Betrag von ca. 1.500 € habe sie für allgemeine Lebenshaltungskosten verbraucht.

Unter dem 21.01.2004 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und dies wie folgt begründet:

Die von der Klägerin behauptete Sondertilgung sei von dem gemeinsamen Konto der Eheleute A. vorgenommen worden. Dabei sei insbesondere zu beachten, dass der Ehemann über ein eigenes Einkommen in Höhe von 2.100 € brutto monatlich verfüge. Zudem verfügten die Eheleute über einen Bausparvertrag in Höhe von 167.000 DM, der auf das Baudarlehen anzurechnen sei.

Zudem räume die Klägerin ein, dass sie jedenfalls 1.500 € für allgemeine Lebenshaltungskosten verbraucht habe. Wenn sie aber diese Summe für allgemeine Lebenshaltungskosten verwendet habe, habe sie das dafür vorgesehene Einkommen geschont und sei dadurch noch bereichert.

Das Arbeitsgericht hat das Verfahren dem Landesarbeitsgericht gemäß § 127 ZPO zur Entscheidung vorgelegt.

Im Beschwerdeverfahren hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, ausweislich der Kopien der Kontoauszüge für die Zeit vom 31.12.2004 bis 04.01.2005 sei ersichtlich, dass zum Zeitpunkt des Beschlusses nur noch ein Guthaben von 664,98 € bzw. 229,98 € vorhanden gewesen sei. Es werde zudem darauf hingewiesen, dass sie derzeit einer studierenden Tochter gegenüber unterhaltsverpflichtet sei.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 46 Abs. 2 S. 3 ArbGG i.V.m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 569 ff. ZPO) sofortige Beschwerde hat im Ergebnis auch in der Sache Erfolg.

Im Einzelnen gilt:

1. Nach § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Gemäß § 115 Abs. 2 ZPO hat die Prozesskostenhilfe begehrende Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Dabei gilt § 88 des Bundessozialhilfegesetzes entsprechend.

Nach § 124 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistende Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Auf Verlangen des Gerichts hat sich die Partei darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind (§ 124 Abs. 4 Satz 2 und 3 ZPO).

2. Das Arbeitsgericht hat nach Zufluss des Abfindungsbetrages eine Verbesserung der Vermögensverhältnisse der Klägerin angenommen und daher den Prozesskostenhilfebeschluss aufgehoben.

a) Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass grundsätzlich auch eine gezahlte Abfindung zu berücksichtigen ist.

Nach § 115 Abs. 2 ZPO hat die Partei, die Prozesskostenhilfe begehrt, ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist.

Nach der ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der die Kammer folgt, ist auch eine gemäß §§ 9, 10 KSchG gezahlte Abfindung als Bestandteil des Vermögens bei der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen ist (BAG Beschluss vom 22.12.2003 - 2 AZB 23/03 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Sie kann bei der Vermögensbetrachtung auch nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie zweckgebunden geleistet werde. Die Abfindung hat auch Entschädigungsfunktion. Mit ihrer Gewährung sollen alle unmittelbar mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen vermögensrechtlichen und immateriellen Nachteile des Arbeitnehmers abgegolten werden. Daneben stellt sie auch eine Überbrückungshilfe für den Fall dar, dass der Arbeitnehmer nicht sofort eine neue Arbeit findet und damit finanzielle Einbußen erleidet. Die Abfindung unterliegt aber der freien Verfügung des Arbeitnehmers und ist insoweit nicht zweckgebunden. Dies gilt vor allem für - wie hier - im Vergleichwege vereinbarten Kündigungsabfindungen analog. Bei ihnen handelt es sich vielfach sogar um einen schlichten Risikoausgleich, da sich der Arbeitgeber oft zur Zahlung einer Abfindung gerade deshalb bereit finden wird, um einen möglichen Kündigungsschutzprozess zu vermeiden.

Insbesondere bei hohen Abfindungsleistungen ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich, warum diese Beträge dem Arbeitnehmer verbleiben und statt dessen die Staatskasse die Kosten seiner arbeitsgerichtlichen Prozessführung tragen soll. Da die Gewährung von Prozesskostenhilfe als Leistung staatlicher Daseinsfürsorge vor allem gewährleisten soll, der bedürftigen Partei in gleicher Weise wie einer vermögenden Partei die Führung eines Prozesses zu ermöglichen und ihr den gleichen Zugang zum Verfahren zu verschaffen, kann weder aus dem Charakter einer - vergleichsweise erzielten - Abfindung noch aus dem Zweck der Prozesskostenhilfe erkannt werden, dass eine solchermaßen vereinbarte Abfindung als Bestandteil des Vermögens des Arbeitnehmers bei der Betrachtung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zu berücksichtigen ist (BAG, aaO.).

Der Prozesskostenhilfe Beantragende soll mithin nicht schlechter, aber auch nicht besser als eine andere Prozesspartei gestellt werden.

b) Dennoch war der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 28.12.2004 im Hinblick auf § 124 Abs. 4 Satz 1 ZPO im Ergebnis aufzuheben.

Denn selbst dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen im Übrigen erfüllt wären, darf die Prozesskostenhilfe-Bewilligung an sich nicht aufgehoben werden (BAG Beschluss vom 22.12.2003 - 2 AZB 23/03 - mit Hinweis auf BGH vom 22.06.1994 - XII ZR 39/93 - NJW 1994, 3292).

Vielmehr kann das Gericht "nur" einen (teilweisen) Vermögenseinsatz anordnen (BAG, aaO., mit Hinweis auf OLG Bamberg vom 13.04.1988 - 2 WF 98/88 - Jur.Büro 1988, 1223; LAG Rheinland-Pfalz LAGE ZPO § 127 Nr. 15; Zöller/Phillippi, ZPO 24. Aufl., § 120 Rn. 24 m.w.N.).

Da das Arbeitsgericht vorliegend die Prozesskosten-Bewilligung indes entgegen der gesetzlichen Regelung aufgehoben hat, erweist sich die sofortige Beschwerde bereits deswegen als begründet, so dass der Beschluss vom 28.12.2004 aufzuheben war.

c) Dies bedeutet aber noch nicht, dass die Klägerin keinen Beitrag zur Prozessführung zu zahlen hat.

Vielmehr wird das Arbeitsgericht zu prüfen haben, ob ein - teilweiser - Vermögenseinsatz (ggf. mit Ratenzahlung) anzuordnen ist.

aa) Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, Folgendes zu berücksichtigen:

Das Vermögen des Antragstellers ist nach § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur einzusetzen, soweit es ihm zumutbar ist. Nach Satz 2 der Norm gilt § 88 BSHG und die dazu ergangene Durchführungsverordnung entsprechend. Die sozialhilferechtlichen Bestimmungen bestimmen typisierend, bis zu welcher Höhe das Vermögen des Antragstellers geschont werden soll.

Nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG darf die Sozialhilfe nicht von der Verwertung bzw. dem Einsatz von kleineren Barbeträgen abhängig gemacht werden. Dabei ist die jeweils gültige Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG zu berücksichtigen.

Soweit die gezahlte Abfindung hier über den sozialhilferechtlichen Selbstbehalt nach § 88 Abs. 2 BSHG hinausgeht, hat der Antragsteller grundsätzlich den das Sondervermögen übersteigenden Teil einer Abfindung als einzusetzendes Vermögen i.S.v. § 115 Abs. 2 ZPO zur Deckung der Prozesskosten einzusetzen.

Es bleibt aber weiter zu klären, ob deshalb der gesamte überschüssige Abfindungsbetrag (so z.B. LAG Niedersachsen vom 28.03.2003 - 14 Ta 84/03 -) oder lediglich ein Teil davon einzusetzen ist.

Dabei kommt es darauf an, ob das Vermögen des Antragstellers im Zeitpunkt des Änderungsbescheides die Selbstbehaltgrenze überhaupt überstieg.

Ob ein einzusetzendes Vermögen vorhanden ist, muss mithin - wie auch bei der Prüfung der wirtschaftlichen Möglichkeiten nach §§ 114, 115 ZPO - durch eine Gegenüberstellung der Plus- und Minuspositionen errechnet werden.

Übersteigen die Schulden einer Partei ihre verwertbaren Vermögenswerte so braucht sie ihr Geld grundsätzlich nicht zur Zahlung der Prozesskosten zu verwenden (BAG, aaO., m.w.N.). Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund die Schulden entstanden sind (Zöller/Phillippi, aaO., § 115 Rn. 47).

Eine andere Betrachtung würde gerade zur Annahme eines rein fiktiven, in Wahrheit nicht mehr vorhandenen Vermögens führen. Dies stünde mit dem Charakter der Prozesskostenhilfe als staatliche Sozialleistung der Daseinsfürsorge in Widerspruch.

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wird das Arbeitsgericht die von dem vom Bundesarbeitsgericht geforderten Gegenüberstellung der Plus- und Minuspositionen vorzunehmen haben. Insbesondere wird im Einzelnen zu klären sein, wann und auf welches Konto der Abfindungsbetrag gezahlt und wofür dieser tatsächlich verwandt wurde. Insoweit wird - worauf das Arbeitsgericht zutreffend bereits hingewiesen hat - u.a. auch zu beachten sein, dass der behauptete Betrag i.H.v. 6.500 € vom Gemeinschaftskonto der Eheleute für die Anschaffung eines im Miteigentum der Eheleute stehenden (vgl. PKH-Erklärung) PKW`s verwandt worden sein soll. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag möglicherweise durch den vorgelegten Kontoauszug nicht ausreichend belegt ist, stellt sich gerade im Hinblick auf das eigene Einkommen des Ehemannes zudem die Frage, ob dieser Betrag überhaupt bzw. in voller Höhe abzugsfähig ist.

Mangels Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 48, 78 ArbGG) bestand keine Veranlassung die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung ist mithin kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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