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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: 11 TaBV 29/08
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 2 Abs. 1
BetrVG § 23 Abs. 3
BetrVG § 29 Abs. 1
BetrVG § 29 Abs. 1 S. 1
BetrVG § 87
BetrVG § 87 Abs. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 5
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 5
BetrVG § 87 Abs. 3 S. 2
BetrVG § 87 Abs. 3 S. 3
BetrVG § 87 Abs. 3 S. 4
BetrVG § 102
ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 83 Abs. 1
ArbGG § 85
ArbGG § 87 Abs. 1
ZPO § 888
ZPO § 890 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07.08.2008, 10 BV 12/08, wird zurückgewiesen. 2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze.

Im Betrieb der Arbeitgeberin wurde, nachdem der alte Betriebsrat zurückgetreten war, am 13.07.2007 ein neuer Betriebsrat gewählt. Das Wahlergebnis wurde am 14.07.2007 bekannt gemacht (Bl. 18 d. A.). Der vormalige Geschäftsführer der Arbeitgeberin erließ unter Datum 17.07.2007 -ohne den Betriebsrat zu beteiligen- unter der Überschrift "Urlaubsgrundsätze" Regelungen über Urlaubsplanung, -terminierung, -beantragung und -genehmigung, Ablehnung von Urlaubsanträgen sowie Übertragung und Verfall von Urlaubsansprüchen (Bl. 7 bis 9 d. A.). Der Betriebsrat trat am 03.08.2007 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Er wies den vormaligen Geschäftsführer mit Schreiben vom 02.01.2008 darauf hin, dass für die Urlaubsplanung 2008 von Arbeitgeberseite einseitig Urlaubsrichtlinien erstellt worden seien; der Betriebsrat erwarte, dass Urlaubsrichtlinien in Form einer Betriebsvereinbarung vereinbart würden. Er ließ der Arbeitgeberin im Anhang zu dem Schreiben vom 02.01.2008 einen Vorschlag zukommen (Bl. 5 d. A.). Der vormalige Geschäftsführer entgegnete hierauf mit Schreiben vom 08.01.2008, es bestehe kein Bedarf an einer Regelung, da diese bereits seit 17.07.2007 existiere: er habe Urlaubsgrundsätze aufgestellt, die von den Bereichsleitern umzusetzen seien (Bl. 6 d. A.). Der Personalleiter der Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat in der 10. Kalenderwoche 2008 mit, die Urlaubsrichtlinien gemäß dem Beschluss vom 17.07.2007 würden weiter angewendet.

Mit seinem am 13.03.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenem Antrag hat der Betriebsrat beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, den Geschäftsführerbeschluss über Urlaubsgrundsätze vom 17.07.2007 anzuwenden. Zugleich hat er die Androhung eines Ordnungsgeldes begehrt. Der Betriebsrat hat erstinstanzlich vorgetragen,

dem Betriebsrat stehe nach näherer Maßgabe des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 03.05.1994, 1 ABR 24/93, bei einer Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 BetrVG neben § 23 Abs. 3 BetrVG ein eigenständiger Unterlassungsanspruch zu. Die Arbeitgeberin sei schon ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ergebnisses der Betriebsratswahl am 14.07.2007 verpflichtet gewesen, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziffer 5 BetrVG zu beachten. Die Amtszeit des neuen Betriebsrates beginne mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses unabhängig davon, ob sich der neu gewählte Betriebsrat an diesem Tag bereits konstituiert habe. Nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 14.07.2007 habe bis zur Sitzung des Betriebsrats am 03.08.2007 keine betriebsratslose Zeit bestanden. Er verweise auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.09.1983, 7 AZR 266/82, wonach der Betriebsrat auch ohne Wahl eines Vorsitzenden und eines Stellvertreters funktionsfähig sei und wirksam Beschlüsse fassen könne. Die konstituierende Sitzung des Betriebsrats sei nur ein interner Vorgang der Geschäftsführung. Zuvor habe der Arbeitgeber zwar nur die Möglichkeit, allen Betriebsratsmitgliedern gegenüber betriebsverfassungsrechtlich relevante Erklärungen abzugeben. Das Fehlen eines Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters führe zwar zu gewissen Erschwernissen bei der Einleitung eines Beteiligungsverfahrens, habe aber nicht die Funktionsunfähigkeit des Betriebsrats zur Folge, da dieser in seiner Gesamtheit selbst handelnd auftreten könne. Die Urlaubsgrundsätze stammten nicht vom 17.07.2007 und seien erst nach diesem Datum bekannt gegeben worden. Der Antrag zu Ziffer 2 werde auf §§ 85 ArbGG, 888 ZPO gestützt.

Der Betriebsrat habe in seiner Sitzung am 06.03.2008 beschlossen, durch die Einleitung eines arbeitsrechtlichen Beschlussverfahrens einen allgemeinen Unterlassungsanspruch geltend zu machen und mit der Führung des Verfahrens Herrn RA D. zu beauftragen. Der Betriebsrat hat erstinstanzlich beantragt:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, den Geschäftsführerbeschluss über Urlaubsgrundsätze vom 17.07.2007 anzuwenden. 2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld angedroht, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird. Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich

Zurückweisung der Anträge

beantragt. Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich vorgetragen,

zwischen der Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 14.07.2007 und dem Tag der konstituierenden Sitzung am 03.08.2007 habe ein handlungsfähiger Betriebsrat nicht bestanden. Sie verweise auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.08.1984, 6 AZR 520/82, wonach der Betriebsrat vor seiner Konstituierung nicht handlungsfähig sei und deshalb vom Arbeitgeber auch nicht gemäß § 102 BetrVG beteiligt werden könne. Für das Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG könnten keine anderen Grundsätze gelten als im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG. Die Urlaubsgrundsätze habe der damalige Geschäftsführer geschaffen, weil es in der Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen über die Urlaubsplanung und zu massiven Urlaubsübertragungen gekommen sei. Da die Urlaubsgrundsätze das Datum 17.07.2007 trügen, müsse man davon ausgehen, dass sie mit diesem Datum veröffentlicht und bekannt gemacht worden seien.

Zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird in analoger Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 07.08.2008 (dort Seite 2, 3, Blatt 31 u. 32 d. A.) und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 07.08.2008 (Bl. 26 bis 28 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 17.08.2008 nach den Anträgen des Betriebsrats erkannt, wobei es ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,-- EUR für den Fall der Zuwiderhandlung angedroht hat und zur Begründung im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze zähle zu den mitbestimmungspflichtigen sozialen Angelegenheiten gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG. Die mitbestimmungswidrige Anwendung solcher Grundsätze rechtfertige einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gemäß dem Beschluss vom 03.05.1994, 1 ABR 24/93. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats werde nicht durch die Aufstellung der Urlaubsgrundsätze, sondern durch ihre Bekanntgabe ausgelöst. Dass die Bekanntgabe vor dem 03.08.2007 erfolgt sei, habe die Arbeitgeberin nicht darlegen können. Ihre Erklärung, sie gehe davon aus, dass die Bekanntgabe noch am 17.07.2007 erfolgt sei, genüge den Anforderungen an eine solche Darlegung jedenfalls nicht. Die Begründetheit des Antrags zu Ziffer 2 resultiere aus § 890 Abs. 2 ZPO.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsbegründung wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts (dort Seite 4 ff., Bl. 33 bis 35 d. A.) Bezug genommen.

Gegen den der Arbeitgeberin am 15.08.2008 zugestellten Beschluss (Bl. 36 d. A.) hat diese mit am 09.09.2008 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese innerhalb verlängerter Beschwerdebegründungsfrist mit am 17.11.2008 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Arbeitgeberin macht geltend,

der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07.08.2008 beruhe auf einem unzureichend festgestellten Sachverhalt; das Arbeitsgericht habe den Untersuchungsgrundsatz fehlerhaft angewandt. Der Annahme des Arbeitsgerichts, die Arbeitgeberin habe nicht hinreichend dargelegt, wann tatsächlich die Bekanntgabe der Urlaubsgrundsätze erfolgt sein soll, könne nicht gefolgt werden. Unmittelbar nach dem 17.07. und vor dem 03.08.2007 seien die von dem damaligen Geschäftsführer am 17.07.2007 beschlossenen Urlaubsgrundsätze den für die Urlaubsplanung verantwortlichen Bereichsleitern in der morgendlichen Besprechung mitgeteilt worden. Im Anhörungstermin am 07.08.2008 habe die Arbeitgeberin zu Protokoll erklärt, es müsse davon ausgegangen werden, dass die Grundsätze am 17.07.2007 auch veröffentlicht und bekannt gemacht worden seien. Sofern das Arbeitsgericht die zu Protokoll abgegebene Erklärung nicht für ausreichend erachtet haben sollte, sei es gemäß § 83 Abs. 1 ArbGG verpflichtet gewesen, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Der Betriebsrat sei bei Bekanntgabe der Urlaubsgrundsätze noch nicht handlungsfähig und daher noch nicht in der Lage gewesen, seine Beteiligungsrechte wahrzunehmen. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 23.08.1984, 6 AZR 520/82) sei der Betriebsrat vor seiner Konstituierung nicht handlungsfähig und könne deshalb vom Arbeitgeber auch nicht beteiligt werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 17.11.2008 (Bl. 62 ff. d. A.) verwiesen.

Die Arbeitgeberin erklärte im Anhörungstermin vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 19.02.2009, sie bestreite, dass ihr Verfahrensbevollmächtigter, Herr Rechtsanwalt B., im Rahmen des Anhörungstermins beim Arbeitsgericht Koblenz erklärt habe, man habe bewusst die Urlaubsgrundsätze am 17.07.2007 veröffentlicht, um einseitige Anordnungen treffen zu können. Der damalige Geschäftsführer habe beschlossen, die Urlaubsgrundsätze wie geschehen zu erlassen. Sie rüge das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses bezüglich der Einleitung dieses Verfahrens.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07.08.2008, 10 BV 12/08, abzuändern und die Anträge des Betriebsrats zurückzuweisen. Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen. Der Betriebsrat erwidert,

der Prüfungsmaßstab des Arbeitsgerichts, wonach es auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Urlaubsgrundsätze ankomme, sei zutreffend. Die Arbeitgeberin habe auch in der Beschwerdebegründung nicht vorgetragen, dass sie in dem Zeitraum zwischen dem 14.07.2007 und 03.08.2007 einseitig durch Ausübung des Direktionsrechts Anordnungen über Urlaubsgrundsätze getroffen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdeerwiderung wird auf den Schriftsatz vom 16.12.2008 (Bl. 77 ff. d. A) verwiesen.

Im Anhörungstermin beim Landesarbeitsgericht am 19.02.2009 legte der Betriebsrat das Protokoll der ordentlichen Sitzung vom 10.01.2008 (Bl. 91 ff. d. A.) vor.

Der Betriebsrat erklärte im Anhörungstermin, der erstinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin, Herr Rechtsanwalt B., habe im Anhörungstermin beim Arbeitsgericht Koblenz am 10.04.2008 ausgeführt, die Arbeitgeberin habe die Urlaubsgrundsätze am 17.07.2007 veröffentlicht, um insoweit einseitige Anordnungen treffen zu können. Der Betriebsrat habe entsprechende Beschlüsse über die Einleitung dieses Verfahren gefasst, könne im Anhörungstermin beim Landesarbeitsgericht jedoch diese Beschlüsse nicht vorlegen; der Betriebsrat halte den diesbezüglichen Vortrag der Arbeitgeberin für verspätet. II. Die Beschwerde ist als Beschlussbeschwerde gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft; sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO). Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Arbeitgeberin hat die Anwendung des Geschäftsführerbeschlusses über Urlaubsgrundsätze vom 17.07.2007 zu unterlassen. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist ein Ordnungsgeld von 10.000,-- EUR anzudrohen. A. Der Antrag ist zulässig.

Der Betriebsrat hat die Einleitung des Beschlussverfahrens wirksam beschlossen. Nach seinem Vorbringen in der Antragsschrift hat er in seiner Sitzung am 06.03.2008 beschlossen, durch die Einleitung eines arbeitsrechtlichen Beschlussverfahrens seinen allgemeinen Unterlassungsanspruch geltend zu machen und mit der Führung des Verfahrens Herrn RA D. zu beauftragen (Bl. 3 d. A.). Die Arbeitgeberin ist dem weder erstinstanzlich noch in der Beschwerdebegründung entgegen getreten. Erstmals im Anhörungstermin vom 19.02.2009 rügte sie das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Beschlusses bezüglich der Einleitung dieses Verfahrens. Dieser Vortrag war gemäß § 87 Abs. 3 S. 3 und 4 ArbGG zurückzuweisen. Nach § 87 Abs. 3 S. 3 BetrVG muss der Beschwerdeführer nach § 87 Abs. 3 S. 2 BetrVG zulässiges neues Vorbringen in der Beschwerdebegründung vortragen. Wird es später vorgetragen, kann es zurückgewiesen werden, wenn die Möglichkeit es vorzutragen vor der Beschwerdebegründung entstanden ist und das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und auf dem Verschulden des Beteiligten beruht. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats entgegnete auf die Rüge der Arbeitgeberin im Anhörungstermin beim Landesarbeitsgericht, der Betriebsrat habe entsprechende Beschlüsse gefasst, könne sie im Termin jedoch nicht vorlegen. Aus dem Protokoll der Betriebsratssitzung vom 10.01.2008, TOP 1.4 ergibt sich nicht, dass in dieser Betriebsratssitzung ein Beschluss über die Einleitung eines Beschlussverfahrens gerichtet auf Unterlassung der Anwendung des Geschäftsführerbeschlusses über Urlaubsgrundsätze vom 17.07.2007 getroffen wurde (vgl. Bl.91 d.A.). Daher wäre es erforderlich gewesen, dem Betriebsrat insoweit Schriftsatznachlass zu gewähren, um ergänzend vortragen und ggf. ein Beweisangebot unterbreiten zu können. Die Anberaumung eines neuen Termins wäre erforderlich geworden, wodurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert worden wäre. Da die Arbeitgeberin im Anhörungstermin vom 19.02.2009 nicht darlegte, warum sie weder erstinstanzlich noch in der Beschwerdebegründung - einfaches Bestreiten wäre ausreichend gewesen - im Stande war, die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats bezüglich der Einleitung dieses Verfahrens zu bestreiten, liegt ein Verschulden im Sinne von § 87 Abs. 3 S. 4 BetrVG vor. Der Vortrag der Arbeitgeberin war wegen Verspätung zurückzuweisen. B. Der Antrag ist begründet.

1. Dem Betriebsrat steht bei Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu. Dieser Anspruch setzt keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (BAG vom 03.05.1994, 1 ABR 24/93). Allerdings ist die Gefahr der Wiederholung Voraussetzung für den allgemeinen Unterlassungsanspruch bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten aus § 87 BetrVG. Erforderlich ist eine ernstliche, sich auf Tatsachen begründende Besorgnis weiterer Eingriffe zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung. Dafür besteht grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung, es sei denn, dass z. B. die tatsächliche Entwicklung einen neuen Eingriff unwahrscheinlich macht (BAG vom 29.02.2000, 1 ABR 4/99 m. w. N.).

2. Vorliegend hat die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 5 BetrVG verletzt.

Nach § 87 Abs. 1 Ziffer 5 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht.

a) Urlaubsgrundsätze sind Regeln, die festsetzen, nach welchen Grundsätzen der Arbeitgeber den Arbeitnehmern Urlaub gewähren solloder aber nicht gewährt werden darf(BAG vom 18.06.1974, 1 ABR 25/73). Hierunter fallen Vereinbarungen über die Aufteilung des Urlaubsanspruchs und die Verteilung des Urlaubs innerhalb des Kalenderjahres, über Sperrzeiten z. B. während des Schlussverkaufs im Einzelhandel, über Auswirkungen von Familienstand und Vorhandensein schulpflichtiger Kinder auf die zeitliche Lage des Urlaubs und über die Einführung und zeitliche Lage von Betriebsferien (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht - Kania § 87 BetrVG Rz. 44 m. w. N.).

b) Der ohne Beteiligung des Betriebsrats erstellte Geschäftsführerbeschluss vom 17.07.2007 enthält allgemeine Urlaubsgrundsätze. Er lautet auszugsweise - soweit vorliegend von Interesse - :

"... gelten mit sofortiger Wirkung folgende Grundsätze für die Behandlung von Urlaubsanträgen durch die Urlaubsorganisation der Abteilungen: Urlaubsplanung

Alle Abteilungen stellen bis 31.01. eines jeden Jahres einen Urlaubsplan auf, in dem die Mitarbeiter mindestens 2/3 des ihnen zustehenden Jahresurlaubes so verplanen, dass die Anforderungen des Bundesurlaubsgesetzes erfüllt sind...

Bis 31.01. jeden Jahres hat jeder Mitarbeiter den noch nicht genommenen Urlaub verbindlich so zu verplanen, dass am Ende des Kalenderjahres kein Resturlaub mehr vorhanden ist... Urlaubsterminierung, Antrag und Genehmigung

Die Urlaubsterminierung ist von allen Mitarbeitern bis 31.12. des Vorjahres vorzunehmen. Dies stellt die Absichtserklärung dar, zu klar bestimmten Zeitpunkten mindestens 2/3 des zustehenden Jahresurlaubs zu nehmen...

Spätestens 6 Wochen vor dem zunächst terminierten Urlaubszeitraum beantragen die Mitarbeiter dann verbindlich den zunächst zur beabsichtigten Urlaubszeitraum mit dem entsprechenden Antragsformular.... Ablehnung von Urlaubsanträgen

Die Ablehnung eines beabsichtigten und rechtzeitig terminierten Urlaubs bedarf einer schriftlichen Begründung des Vorgesetzten...

Maximal zwei Drucker bzw. zwei Helfer dürfen gleichzeitig Urlaub nehmen... Übertragung in den Übertragszeitraum (01.01. bis 31.03.)

Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Alle Mitarbeiter haben den gesamten ihnen zustehenden Urlaub im Urlaubsjahr, welches dem Kalenderjahr entspricht, zu verplanen und zu nehmen... Koblenz, 17.07.2007

Unterschrift Geschäftsführer " c) Die Urlaubsgrundsätze wurden in dem Zeitraum zwischen dem 17.07. und vor dem 03.08.2007 "aufgestellt" im Sinne von § 87 Abs. 1 Ziffer 5 BetrVG.

Die Arbeitgeberin hat in der Beschwerdebegründung ausgeführt, sie habe unmittelbar nach dem 17.07. und vor dem 03.08.2007 die von dem damaligen Geschäftsführer am 17.07.2007 beschlossenen Urlaubsgrundsätze den für die Urlaubsplanung verantwortlichen Bereichsleitern in der morgendlichen Bereichsleiterbesprechung bekanntgegeben. Der Betriebsrat hat insoweit entgegnet, die Arbeitgeberin habe auch in der Beschwerdebegründung nicht vorgetragen, dass sie in dem Zeitraum zwischen dem 14.07.2007 und 03.08.2007 einseitig durch Ausübung des Direktionsrechts Anordnungen über Urlaubsgrundsätze getroffen habe. Urlaubsgrundsätze sind bereits dann "aufgestellt" im Sinne von § 87 Abs. 1 Ziffer 5 BetrVG, wenn Richtlinien entwickelt wurden und deren Einhaltung vorgegeben wurde. Nicht erforderlich ist, dass die Beachtung dieser Richtlinien allen Arbeitnehmern des Betriebes gegenüber verlautbart wurde. Es ist vielmehr ausreichend, wenn - wie vorliegend - die personalverantwortlichen Bereichsleiter von der Existenz und verbindlichen Beachtung dieser Grundsätze informiert wurden. Damit sind sie "in der Welt" und für alle verbindlich.

d) Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin konnte sie den Geschäftsführerbeschluss vom 17.07.2007 nicht ohne Beteiligung des Betriebsrats treffen. Nach Rücktritt des alten Betriebsrats wurde der neue Betriebsrat am 13.07.2007 gewählt und das Wahlergebnis am 14.07.2007 bekanntgegeben. Die Geschäftsführungsbefugnis des alten Betriebsrates endete mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses des neu gewählten Betriebsrats (Erfurter Kommentar - Eisemann/Koch, § 22 Rd-Ziffer 2), d.h. am 14.07.2007. Der Geschäftsführerbeschluss datiert vom 17.07.2007. Die konstituierende Sitzung des Betriebsrats fand dam 03.08.2007 statt. Die Arbeitgeberin hätte den neu gewählten Betriebsrat nach dessen Konstituierung beteiligen müssen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, § 2 Abs.1 BetrVG.

aa) Streitig ist, ob der Arbeitgeber die Verhandlungen mit dem gewählten Betriebsrat verweigern kann, solange der Betriebsrat keinen Vorsitzenden hat. Das Bundesarbeitsgericht hat in zwei zu § 102 BetrVG ergangenen Entscheidungen hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Der 7. Senat hat in einem Urteil vom 28.09.1983 ausgeführt, er neige zu der Ansicht, nach der der Betriebsrat auch ohne Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters funktionsfähig sei und wirksame Beschlüsse fassen könne. Vor der Konstituierung des Betriebsrats habe der Arbeitgeber so die Möglichkeit, allen Betriebsratsmitgliedern gegenüber betriebsverfassungsrechtlich relevante Erklärungen abzugeben. Das Fehlen eines Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreters führe damit zwar zu gewissen Erschwernissen bei der Einleitung eines Beteiligungsverfahrens, habe aber nicht die Funktionsunfähigkeit des Betriebsrats zu Folge, da dieser in seiner Gesamtheit selbst handelnd auftreten könne (BAG vom 28.09.1983, 7 AZR 266/82; ebenso GK-BetrVG - Wiese/Raab § 26 Rz. 6 m. w. N.; GKK - Wedde § 26 Rz. 6). Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in einem Urteil vom 23.08.1984, 6 AZR 520/82, die Auffassung vertreten, die Anhörungspflicht gemäß § 102 BetrVG bestehe erst dann, wenn die Amtszeit des Betriebsrats begonnen und der Betriebsrat sich gemäß § 29 Abs. 1 BetrVG konstituiert habe. Entgegen der Ansicht des 7. Senats habe der Arbeitgeber vor der Konstituierung des Betriebsrats nicht die Möglichkeit, allen Betriebsratsmitgliedern gegenüber betriebs-verfassungsrechtlich relevante Erklärungen abzugeben. Nach § 102 BetrVG sei nicht die Anhörung aller Betriebsratsmitglieder, sondern die Anhörung des Betriebsrats vorgesehen (ebenso LAG Hamm vom 20.05.1999, 4 Sa 1989/98).

bb) Im vorliegenden Fall kann es letztlich dahinstehen, welcher der beiden Auffassungen der Vorzug zu geben ist, da die Arbeitgeberin nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG verpflichtet war, von der einseitigen Einführung von Urlaubsgrundsätzen ohne Beteiligung des Betriebsrates abzusehen (ebenso DKK-Wedde, § 26 Rz. 6;vgl. GK-BetrVG Wiese/Raab, § 26 Rz. 6). Aus § 2 Abs.1 BetrVG folgt die Nebenpflicht, alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten entgegensteht. Der Arbeitgeber darf keine vollendeten Fakten schaffen (Fitting § 2 Rz. 23). Die Betriebsratswahl fand am 13.07.2007 statt. Das Wahlergebnis war der Arbeitgeberin seit 14.07.2007 bekannt. Sie musste davon ausgehen, dass bei Beachtung der Vorschrift des § 29 Abs. 1 S. 1 BetrVG der Wahlvorstand bis spätestens 21.07.2007 die Mitglieder des Betriebsrats zu der ersten konstituierenden Sitzung des Betriebsrats - die nicht innerhalb dieses Zeitraumes stattzufinden hat (GK-BetrVG Wiese/Raab § 29 Rz. 8) - einberufen musste. In Kenntnis dieser Umstände erstellte der damalige Geschäftsführer am 17.07.2007 Urlaubsgrundsätze, die den Bereichsleitern zwischen dem 17.07. und dem 03.08.2007 übermittelt wurden. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die einseitige Aufstellung von Urlaubsgrundsätzen am 17.07.2007 aus Zeitgründen dringend geboten war. Der Geschäftsführerbeschluss bestimmt unter anderem, dass bis zum 31.01. eines jeden Jahres Urlaubspläne aufzustellen sind, bis zum 31.10. jeder Mitarbeiter den noch nicht genommenen Urlaub bis zum Jahresende zu verplanen hat und die Urlaubsterminierung bis zum 31.12. des Vorjahres vorzunehmen ist. Diese Regelungen mussten nicht am 17.07.2007 erlassen werden. Auf entsprechende Nachfrage des Gerichts im Anhörungstermin vom 19.02.2009 führte die Arbeitgeberin hierzu aus, der damalige Geschäftsführer habe beschlossen, die Urlaubsgrundsätze wie geschehen aufzustellen. Damit hat sie noch nicht im Ansatz überzeugend erläutert, warum die einseitige Aufstellung von Urlaubsgrundsätzen gerade am 17.07.2007 zwingend geboten war. Die Arbeitgeberin hätte plausibel begründen müssen, warum es erforderlich war, vor der nahe bevorstehenden Konstituierung des Betriebsrats Urlaubsgrundsätze zu schaffen. Nur dann, wenn sie nachvollziehbar und schlüssig Umstände dargelegt hätte, aus denen zu folgern wäre, dass die einseitige Aufstellung von Urlaubsgrundsätzen am 17.07.2007 unabdingbar war und es sich um eine Maßnahme handelte, die keinen Zeitaufschub duldete, hätte ihr nicht abverlangt werden können, mit der Aufstellung von Urlaubsgrundsätzen bis zur Konstituierung des Betriebsrats zu warten. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob - was der Betriebsrat behauptet - der Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin im Anhörungstermin beim Arbeitsgericht tatsächlich erklärte, man habe bewusst die Urlaubsgrundsätze am 17.07.2007 veröffentlicht, um insoweit einseitige Anordnungen treffen zu können. Entscheidend ist vielmehr, dass die Arbeitgeberin auf entsprechende Nachfrage des Gerichts im Anhörungstermin vom 19.02.2009 nicht plausibel darlegen konnte, warum der Geschäftsführerbeschluss vom 17.07.2007 keinen zeitlichen Aufschub duldete.

4. Die notwendige Wiederholungsgefahr ist gegeben. Die Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat auf dessen Schreiben vom 02.01.2008 mitgeteilt, dass die Urlaubsgrundsätze gemäß Geschäftsführerbeschluss vom 17.07.2007 aufgestellt und von den Bereichsleitern umzusetzen seien. Auch wenn die Arbeitgeberin von der "strengen Anwendung" dieser Urlaubsgrundsätze im Jahr 2007 absah, so hat sie jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht, diese Urlaubsgrundsätze nicht mehr anwenden zu wollen. Hinzu kommt, dass der Personalleiter der Arbeitgeberin dem Betriebsrat in der 10. Kalenderwoche 2008 mitteilte, die Urlaubsrichtlinien gemäß dem Beschluss vom 17.07.2007 würden weiter angewendet. Aus diesem Grund ist von einer Wiederholungsgefahr im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auszugehen.

5. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war im Hinblick auf die gesetzlichen Voraussetzungen nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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