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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 11.03.2005
Aktenzeichen: 12 Sa 34/04
Rechtsgebiete: BAT, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BAT § 53
BAT § 54
BAT § 55 Abs. 1
BAT § 71
ArbGG § 8 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 516
ZPO § 518
ZPO § 519
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 12 Sa 34/04

Verkündet am: 11.03.2005

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 08.08.2003 - 6 Ca 1419/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer seitens der Beklagten ausgesprochenen krankheitsbedingten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist.

Die am 08.06.1956 geborene Klägerin war seit dem 16.08.1974 bei der Standortverwaltung VV als Angestellte beschäftigt. Ab 01.05.1995 war sie als Materialbuchhalterin C im Bereich Materialbuchhaltung bei der Truppenübungsplatzkommandatur VV, einer Dienststelle der Beklagten, eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der BAT nebst den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin erhielt zuletzt eine Vergütung in Höhe von 2.064,00 €.

Die Klägerin, die einen GdB von 30 Prozent ausweist, wurde durch Bescheid des Arbeitsamtes UU vom 23.11.2001 mit Wirkung vom 06.08.2001 einer Schwerbehinderten gleichgestellt.

Mit Schreiben vom 28.08.2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit Auslauffrist zum 31.03.2002. Zuvor hatte das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung mit Bescheid vom 24.08.2001 der beabsichtigten Kündigung vorbehaltlich der Anerkennung der Klägerin als schwerbehinderter Mensch und vorbehaltlich ihrer Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen zugestimmt. Widerspruch und Klage der Klägerin dagegen blieben erfolglos.

Die Klägerin fehlte in den Jahren 1996 bis 2001 vor Ausspruch der Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit wie folgt:

1996: 13.02. bis 01.03.; 27.08. bis 24.09.; 19.11. bis 06.12.

1997: 24.01. bis 31.01.; 18.02. bis 28.02.; 13.10. bis 31.10.; 17.11. bis 31.12.

1998: 01. bis 10.01.; 10.03. bis 20.03.; 11.05.; 19.08.; 21.08. bis 25.08.; 27.11.

1999: 04.01. bis 15.01.; 26.02. bis 01.04.; 30.08. bis 01.09.; 10.11. bis 31.12.

2000: 16.02. bis 25.02.; 06.03. bis 20.04.; 21.06. bis 23.07.; 29.08.; 18.09. bis 20.10.; 06.12. bis 08.12

2001: 08.01. bis 21.01.; 19.02. bis 25.05.

Die Klägerin leidet an Asthma bronchiale und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Ihr mittlerweile auf zehn Zigaretten pro Tag reduzierter Nikotinkonsum belief sich bis gegen Ende des Jahres 2003 auf 20 bis 25 Zigaretten pro Tag. Wegen der Krankheitsursachen, die den Fehlzeiten seit 1996 zugrunde liegen, wird auf die Anlage K 5 zur Klageschrift Bezug genommen.

Die Klägerin hat behauptet, ihre Krankheiten aus den Vorjahren seien ausgeheilt. Eine negative Zukunftsprognose könne nicht gestellt werden. Unzumutbare Ablaufstörungen, wie sie die Beklagte im Kündigungsschreiben erwähne, habe es nicht gegeben. Zu ihren Gunsten sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach § 71 BAT verpflichtet sei, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zu 26 Wochen zu leisten.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.08.2001 nicht aufgelöst wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, es seien insgesamt in der Zeit von 1996 bis Mai 2001 Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 90.804,42 DM für die Klägerin aufzuwenden gewesen (1996: 10.956,83 DM; 1997: 14.063,12 DM; 1998: 4.952,62 DM; 1999: 17.973,67 DM; 2000: 24.090,21 DM; 2001: 18.767,97 DM). Die vertrauensärztliche Untersuchung der Klägerin am 10.07.2001 habe nach den Stellungnahmen der untersuchenden Ärztin vom 19.07. und 30.11.2001 (Bl. 61 und 110 f. d.A.) ergeben, dass wegen der beiden chronischen Erkrankungen der Klägerin sowie ihrer außergewöhnlichen Krankheitsanfälligkeit auch in Zukunft mit weiteren erheblichen Fehlzeiten zu rechnen sei. Hinsichtlich der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und des Asthma bronchiale sei von einer weiteren Progredienz auszugehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster Instanz wird auf die beim Arbeitsgericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.08.2003, auf das Bezug genommen wird, abgewiesen. Gegen diese Entscheidung, die der Klägerin am 17.12.2002 zugestellt worden ist, wendet sich die Klägerin mit ihrer am 14.01.2004 eingegangen und am 02.02.2004 begründeten Berufung.

Die Klägerin macht in ihrer Berufungsbegründung insbesondere geltend, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht von einer negativen Zukunftsprognose ausgegangen sei und meint im Übrigen, dass ihre bisherigen Fehlzeiten nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geführt hätten.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.08.2001 nicht aufgelöst wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die von ihnen beim Landesarbeitsgericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme - Einholung eines Sachverständigengutachtens - auf das Gutachten vom 20.01.2005 (Bl. 278 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Das Rechtsmittel der Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 516, 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Die Berufung ist somit insgesamt zulässig.

B.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die seitens der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der sozialen Auslauffrist am 31.03.2002 beendet. Die Berufungskammer macht sich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts zu Eigen und verzichtet auf nochmalige Darstellung der Gründe. Im Hinblick auf die Einwände der Klägerin und die durchgeführte Beweisaufnahme ist ergänzend lediglich noch folgendes auszuführen:

1. I.

Krankheit wird zwar in der Regel als Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht in Betracht kommen. Jedoch ist das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass dann, wenn - wie hier aufgrund von §§ 53, 54 BAT - die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, es dem Arbeitgeber bei zu erwartenden weiteren erheblichen krankheitsbedingten Störungen unzumutbar sein kann, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, so dass die außerordentliche Kündigung wirksam ausgesprochen werden kann, wobei zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen eine soziale Auslauffrist, wie sie vorliegend die Beklage gewählt hat, einzuhalten ist. Dabei sind die von der Rechtsprechung zur ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung entwickelten Grundsätze auf die außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung grundsätzlich übertragbar. Es ist danach die Wirksamkeit einer wegen Erkrankung ausgesprochenen Kündigung des Arbeitgebers in drei Stufen zu prüfen. Zunächst ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes erforderlich. Es müssen außerdem die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist zu prüfen, ob die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vom Arbeitgeber billigerweise noch hinzunehmen ist (BAG 09.09.1992 - 2 AZR 190/92 - NZA 1993, 598, 600; ErfK/Müller-Glöge § 626 Rn 179 ff. mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen).

II.

Von diesen Grundsätzen ausgehend erweist sich die Kündigung nach §§ 54, 55 Abs.1 BAT als gerechtfertigt.

1.

Es war zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen. Das eingeholte Sachverständigengutachten hat die Behauptung der Beklagten, dass auch zukünftig mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen ist, bestätigt. Für diese Prognose sprechen vor allem die in der Vergangenheit aufgetretenen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Atemwegserkrankungen und der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule.

Der mit der Erstellung des Sachverständigengutachtens beauftragte Gutachter Dr. RR hat das plausible Vorbringen der Beklagten - die vorgelegten Ausführungen von Frau Dr. TT vom sozialmedizinischen/vertrauensärztlichen/personalärztlichen Dienst - bestätigt, dass insbesondere die beiden chronischen Erkrankungen der Klägerin, nämlich das Asthma bronchiale und die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule weitere erhebliche Fehlzeiten erwarten lassen.

Zu der unstreitig bestehenden orthopädischen Erkrankung führt der Sachverständige auf Seite 16 des Gutachtens in der Mitte aus, dass Veränderungen an den großen und kleinen Wirbelgelenken bestehen und Einengungen der betroffenen Nervenstrukturen. Insoweit lägen irrevisible Veränderungen vor, die auch durch entsprechende medizinische Maßnahmen nicht mehr behoben werden könnten. Es sei lediglich noch möglich, den weiteren Verschleiß aufzuhalten oder zu verlangsamen bzw. die Beschwerden zu lindern. Schon dies sei verhältnismäßig schwierig und werde durch das zu hohe Körpergewicht der Klägerin - bei 176 cm Körpergröße etwa 130 kg - erschwert, durch das die Wirbelsäule besonders im unteren Abschnitt ständig einer erheblichen statischen Belastung ausgesetzt gewesen sei. Diese Befunde, die zu Ausfallzeiten der Klägerin in den Jahren 1998, 1999, 2000 und 2001 geführt haben - unter anderem ist die Klägerin 1999 und 2000 jeweils für 25 bzw. 24 Tage in klinischer Behandlung gewesen - rechtfertigten die Annahme, dass sie auch in Zukunft zu entsprechenden Fehlzeiten führen.

Der Sachverständige führt weiterhin aus, dass eine chronische Bronchitis bestehe, die nach den Vorbefunden aufgrund ihrer Ausprägung bereits als Asthma bronchiale bezeichnet werde. Die Erkrankung habe zu einer nachweisbaren Einschränkung der Lungenfunktion geführt und erfordere eine ständige medikamentöse Behandlung. Auf Seite 16 und 17 bestätigt er das, was wohl auch als allgemein bekanntes Wissen bezeichnet werden kann, nämlich, dass die Infektanfälligkeit einer Person mit chronischer Bronchitis deutlich höher ist als diejenige, von Personen ohne diese Erkrankung. Hinzu komme, dass der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung mit 20 bis 25 Zigaretten angegebene Nikotinkonsum die Erkrankung weiter unterhalte. Der allgemeine Verlauf einer derartigen Erkrankung - so die Ausführungen des Sachverständigen auf Seite 17 seines Gutachtens lasse die Annahme einer Besserung nicht zu, vielmehr sei selbst die Aufrechterhaltung eines unveränderten Zustandes nicht als wahrscheinlich anzusehen. Infolge dessen ist, nachdem der Gutachter auch den - auffallend langwierigen - Krankheitsverlauf der Lungenentzündung aus dem Jahr 2001 naheliegenderweise in Verbindung mit der chronischen Bronchitis sieht, auch zukünftig mit erheblichen Fehlzeiten aufgrund dieser Erkrankung, wie sie schon in den Jahren 1996, 1997, 1999, 2000 und 2001 aufgetreten sind, zu rechnen.

Insgesamt bestätigt in seinem abschließenden Ergebnis der Sachverständige - unter Berücksichtigung der chronischen Erkrankungen der Klägerin, der schon früher dadurch aufgetretenen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten und unter Einbeziehung ohnehin üblicher Werte von Arbeitsunfähigkeitszeiten auch bei gesunden Personen - den Vortrag der Beklagten, dass vom Zeitpunkt der Kündigung aus betrachtet auch für die Zukunft die Prognose gerechtfertigt war, dass die Klägerin in erheblichem Umfang Fehlzeiten aufweisen würde.

Die Ausführungen des Sachverständigen sind in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Auch von der Klägerin sind demgemäß - abgesehen von dem letztlich unzutreffenden Hinweis im Schriftsatz vom 03.02.2005 - keine Einwände erhoben worden. Es wird durch das Gutachten bestätigt, was auch das Allgemeinwissen von körperlichen Zusammenhängen nahe legt, nämlich, dass schon die chronischen Erkrankungen der Klägerin, die durch das zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bestehende Übergewicht und den Nikotinkonsum noch eher negativ beeinflusst wurden, auch zukünftig erhebliche Fehlzeiten erwarten ließen. Eine derartige Prognose ergab sich schon zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Von ihr ist bei der Beurteilung der Kündigung auszugehen.

2.

Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung mit einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten zu rechnen war. Denn angesichts der Prognose von zukünftigen Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen jährlich hatte die Beklagte, die gemäß § 71 BAT zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von 26 Wochen verpflichtet war, auch mit entsprechenden Entgeltfortzahlungskosten von jährlich mehr als sechs Wochen zu rechnen. Allein eine derartige wirtschaftliche Belastung des Arbeitsgebers mit außergewöhnlich hohen Lohnfortzahlungskosten, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind, stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen zur Rechtfertigung einer Kündigung geeigneten Grund dar (vgl. nur BAG 06.09.1989 - 2 AZR 19/89 - NZA 1990, 307, 308; 29.07.1993 - 2 AZR 155/93 - NZA 1994 67, 68). Auf die Frage, ob es noch zu Störungen im betrieblichen Ablauf gekommen ist, kam es mithin nicht an.

Das Arbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang auch zutreffend darauf hingewiesen, dass es entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung zu keinem anderen Ergebnis führt, dass die schon erwähnte tarifvertragliche Regelung zu einer Verpflichtung der Beklagten zur Entgeltfortzahlung von bis zu 26 Wochen jährlich führt. Der Sechs-Wochen-Zeitraum bleibt auch dann maßgebend, wenn aufgrund tarifvertraglicher Regelungen Krankengeld für einen längern Zeitraum zu zahlen ist (BAG 06.09.1989 - 2 AZR 224/89 - NZA 1990 434, 436; ErfK/Ascheid § 1 KSchG Rz 233 ff.; von Hoyningen-Huene/Linck KSchG § 1 Rz 234).

3.

Auch die abschließend durchzuführende Interessenabwägung geht zu Lasten der Klägerin aus. Sie ergibt, dass die zu erwartenden Beeinträchtigungen von der Beklagten billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen.

Für die Interessenabwägung bei einer krankheitsbedingten Kündigung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, das Alter der Arbeitnehmerin, die Betriebszugehörigkeit und die Dauer des ungestörten Bestandes des Arbeitsverhältnisses. Je länger das Arbeitsverhältnis ungestört bestanden hat, desto mehr Rücksichtnahme ist vom Arbeitgeber zu erwarten. Einem Arbeitnehmer etwa, der seit 20 Jahren zur Zufriedenheit gearbeitet hat und dann häufig erkrankt, schuldet der Arbeitgeber erheblich mehr Rücksichtnahme als einem Arbeitnehmer, der seit dem ersten Jahr der Betriebszugehörigkeit erhebliche krankheitsbedingte Ausfälle gehabt hat (BAG 06.09.1989 - 2 AZR 224/89 - aaO; 29.07.1993 - 2 AZR 155/93 - aaO).

Die Klägerin weist zwar eine lange Betriebszugehörigkeit auf, jedoch ist das Arbeitsverhältnis von Anfang an nicht ungestört verlaufen. Dabei ist unter ungestört - anders als die Klägerin geltend gemacht hat - nicht die Zufriedenheit des Arbeitgebers mit der Qualität der erbrachten Leistungen, die gegenüber der Klägerin mit dem als Anlage K 7 überreichten Schreiben ausgedrückt wurde, zu verstehen. Vielmehr kommt es auf die tatsächliche Präsenz am Arbeitsplatz und das Fehlen von Ausfallzeiten aufgrund von Arbeitsunfähigkeit in diesem Zusammenhang an. Ungestört in diesem Sinne ist ein Arbeitsverhältnis bzw. Jahre eines Arbeitsverhältnisses nur dann, wenn gar keine Fehlzeiten auftreten. Hingegen sind Fehlzeiten, auch wenn sie nicht den Zeitraum von sechs Wochen überschreiten, zu Lasten des zu Kündigenden zu berücksichtigen (BAG 06.09.1989 - 2 AZR 224/89 - aaO; ErfK/Ascheid aaO Rz 243). Ausweislich des von der Beklagten zur Akte gereichten Bescheides des Integrationsamtes vom 24.08.2001 - Anlage 2 zur Anhörung des Personalrats - sind aber bei der Klägerin mit Ausnahme des Jahres 1974 - Arbeitsbeginn am 16.08. - sowie in den Kalenderjahren 1992 bis 1994, für die die Unterlagen fehlen, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zu verzeichnen.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung erst 45 Jahre alt gewesen ist. Sie befand sich damit noch nicht in fortgeschrittenem Alter, sodass für die Beklagte noch eine Vertragsdauer von etwa 20 Jahren mit der Erwartung der prognostizierten Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen jährlich in Rede stünde, wenn ihr die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist nicht eingeräumt würde (vgl. BAG 09.09.1992 - 2 AZR 190/92 - NZA 1993, 598, 600 f.). Nach der zitierten Rechtsprechung, der die Berufungskammer folgt, ist im Rahmen der Interessensabwägung auf die tatsächliche mögliche Vertragsdauer, wie sie sich aufgrund der tariflichen Unvermeidbarkeit ergibt, und nicht etwa auf eine fiktive Kündigungsfrist abzustellen.

Insgesamt ergibt sich damit, dass das Arbeitsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die zu erwartenden Beeinträchtigungen von der Beklagten billigerweise nicht mehr hingenommen werden mussten. Dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass die Klägerin nach den Maßstäben des Arbeitsmarktes als nicht mehr jung angesehen werden kann und sie von daher der Verlust des Arbeitsplatzes besonders hart trifft.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Angesichts der gesetzlichen Kriterien in § 72 ArbGG bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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