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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: 12 Sa 99/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BUrlG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 8 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 72
ZPO § 516
ZPO § 518
ZPO § 519
BUrlG § 7
BGB § 133
BGB § 145
BGB § 150 Abs. 2
BGB § 157
BGB § 306 Abs. 2
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 315
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 12 Sa 99/05

Entscheidung vom 30.06.2005

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 03.12.2004 - 3 Ca 2406/04 - teilweise - hinsichtlich der Klageabweisung - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.423,83 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit 24. August 2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über einen Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers.

Die Parteien schlossen mit Wirkung ab 01. Januar 2004 unter dem 05.12.2003 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, nach dessen § 5 der Jahresurlaub 28 Arbeitstage beträgt und ein zusätzliches Urlaubsgeld von 50 % eines Bruttomonatlohnes zu zahlen ist . Soweit darüber hinaus von Interesse heißt es in dem Vertrag:

§ 1 Beginn, Inhalt und Kündigung des Arbeitsverhältnisses

...

7. Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von der Arbeit freizustellen, wobei dies unter Anrechnung etwaiger Resturlaubsansprüche und evtl. Zeitguthaben erfolgt.

Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 25.06.2004 zum 31. Juli 2004.

Er bereitete die mit der Klageschrift in Kopie zur Akte gereichte (Blatt 16 der Akte) Erklärung über seine "sofortige und unwiderrufliche Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung und Fortzahlung der vollen Vergütung bis zum Beendigungstermin (31.07.2004)" vor. Sowohl der Geschäftsführer der Beklagten als auch der Kläger setzten ihre Unterschrift unter die auf die 25.06.2004 datierte Erklärung, nachdem zuvor der "Verzicht auf die Anrechnung eines etwaigen Zwischenverdienstes" auf Wunsch der Beklagten und nach telefonischer Rücksprache des Klägers mit seinem Prozessbevollmächtigten gestrichen worden war.

Ausgehend vom gesetzlichen Mindesturlaub sowie 5 zusätzlichen Urlaubstagen als Schwerbehinderter und unter Abzug der vier ihm bis zum 25. Juni 2004 gewährten Urlaubstage hat der Kläger Abgeltung für 21 Resturlaubstage sowie zusätzliches Urlaubsgeld verlangt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen an ihn Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.423,83 EUR brutto sowie Urlaubsgeld in Höhe von 1.211,49 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24. August 2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat vorgetragen, die Freistellung sei selbstverständlich unter Anrechnung auf die Urlaubsansprüche erfolgt.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 03.12.2004, auf das zur Sachdarstellung Bezug genommen wird, die Beklagte zur Zahlung des Urlaubsgeldes verurteilt und die Klage hinsichtlich der Urlaubsabgeltung abgewiesen. Diese ihm am 25. Januar 2005 zugestellte Entscheidung greift der Kläger mit der Berufung an und verfolgt den ihm seiner Meinung nach zustehenden Anspruch auf Urlaubsabgeltung weiter.

In seiner am 22.03.2005 eingegangenen Berufungsbegründung sowie im Schriftsatz vom 28. April 2005, auf die zur näheren Darstellung Bezug genommen wird, wiederholt und vertieft er seine Auffassung, dass die Reglung im § 1 Ziffer 7 des Arbeitsvertrages für die vorliegende getroffene Vereinbarung nicht zur Anwendung komme.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, über die im Urteilstenor Ziffer 1 bereits zugesprochenen 1.211,49 EUR (zuzüglich Zinsen) an ihn 2.423,83 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit 24. August 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt in ihrer Berufungserwiderung vom 12. April 2004, auf die zur ergänzenden Darstellung verwiesen wird, das erstinstanzliche Urteil. Sie macht insbesondere geltend, es sei nicht in Abrede zu stellen, dass vorliegend der Kläger mit dem Vorschlag an sie herangetreten sei, ihn von der Arbeit freizustellen und sie diesen Vorschlag akzeptiert habe. Auch in diesem Fall greife aber die Regelung in § 1 Ziffer 7 des Arbeitsvertrages, obwohl der Urlaub nicht ausdrücklich angesprochen worden sei.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 516, 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Die Berufung ist somit insgesamt zulässig.

II.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gemäß § 7 IV Bundesurlaubsgesetz Anspruch auf Abgeltung des bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.07.2004 noch offen stehenden Urlaubsanspruchs, den er zutreffend mit 21 Tagen berechnet hat. Dieser Urlaubsanspruch bestand bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Juli 2004 noch; er ist nicht mit der Freistellung des Klägers ab dem 25. Juni 2004 erfüllt worden. Mit einer Freistellung kann der Urlaubsanspruch nur erfüllt werden, wenn hinreichend deutlich wird, dass sie zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs erfolgt (Erfk/Dörner BUrlG § 7 Randziffer 8). Das ist hier nicht der Fall.

1.

Die Parteien haben weder schriftlich noch mündlich vereinbart, dass dem Kläger durch die unwiderrufliche Freistellung vom 25. Juni 2004 zugleich Urlaub bewilligt werden sollte.

Die schriftliche Erklärung vom 25.06.2004 enthält keine Äußerung zum Urlaub.

Eine mündliche Urlaubsbewilligung in Zusammenhang mit der Freistellung liegt ebenfalls nicht vor. Das Vorbringen der Beklagten aus erster Instanz, dass auch nicht entsprechend der gerichtlichen Auflage im Gütetermin durch Angabe von Tatsachen konkretisiert worden ist, stellt keine Darstellung von Tatsachen dar, die den Schluss auf eine Urlaubsbewilligung zuließen. Die Beklagte hat diesen Vortrag auch in der Berufungsverhandlung dahingehend klargestellt, dass tatsächlich über den Urlaub nicht gesprochen worden sei. Sie sei jedoch selbstverständlich davon ausgegangen, dass mit der Freistellung auch der Urlaub erledigt sei.

2.

Der Urlaubsanspruch ist auch nicht deshalb mit der Freistellungserklärung erfüllt worden, weil es in § 1 Ziffer 7 des Arbeitsvertrages heißt:

Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von der Arbeit freizustellen, wobei dies unter Anrechnung etwaiger Resturlaubsansprüche und eventueller Zeitguthaben erfolgt.

a) Insoweit teilt die Berufungskammer zwar die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass auch eine vorformulierte Vertragsklausel, die dem Arbeitgeber das Recht zur einseitigen Subspendierung einräumt, ohne die Überprüfung anhand von § 315 BGB auszuschließen, einer Überprüfung nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB standhalten dürfte. Auch mögen grundsätzlich keine Bedenken bestehen, eine danach wirksam erklärte Freistellung auf den Urlaubsanspruch anzurechnen. Allerdings verlangt die Vertragsklausel keine unwiderrufliche Freistellung, was nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber erforderlich ist, um mit einer Freistellung auch den Urlaubsanspruch zu erfüllen (Vergl. nur BAG 09. November 1999 - 9 AZR 929/98 - jurisRz 28); eine geltungserhaltende Reduktion käme nach § 306 Abs. 2 BGB nicht in Betracht (ErfK/Preis BGB § 311 Rz 99). Letztlich können diese Fragen aber dahinstehen, da die genannte Vertragsklausel nach Auffassung der Berufungskammer - anders als die Beklagt meint - nicht zur Anwendung kommt.

b) Jedenfalls auf Grund der unstreitigen Darstellung zum Zustandekommen des Schreibens vom 25.06.2004, die in der Berufungsverhandlung noch einmal verdeutlicht wurde, ist nicht von einer einseitigen Freistellung, die allein von der zitierten Vertragsvorschrift erfasst wird, auszugehen.

aa) Die Parteien haben am 25.06.2004 die Beschäftigungspflicht der Beklagten einverständlich aufgehoben.

(1) Der Inhalt von Willenserklärung ist nach § 133, 157 BGB objektiv unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nach der Sicht des Empfängers zu bestimmen. Das gilt auch für die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt. Die Auslegung ergibt vorliegend, dass trotz des Wortlautes des Schreibens vom 25. Juni 2004 eine einvernehmliche Freistellung des Klägers vorliegt.

(2) Mit dem von ihm mit fachkundiger Unterstützung erstellten Schreiben hat der Kläger der Beklagten ein Angebot gemacht, eine Freistellung zu vereinbaren, § 145 BGB. Die Beklagte war mit diesem Angebot insofern nicht einverstanden, als sie die Anrechnung von eventuellem Zwischenverdienst wünschte, im übrigen aber mit der Freistellung einverstanden war. Es liegt mithin gemäß § 150 Abs. 2 BGB eine Annahme unter einer Änderung vor, die als neuer Antrag gilt. Wegen dieses neuen Antrages hat zunächst der Kläger mit seinem Prozessbevollmächtigten telefonische Rücksprache gehalten und das Angebot sodann angenommen, indem er die Änderung in das von ihm formulierte Schreiben aufgenommen, vermerkt hat, dass die Änderung abgestimmt war, und das ganze mit seiner Unterschrift versehen hat (Vergl. zur Einordnung einer Freistellung trotz einseitig formulierter Erklärung des Arbeitgebers als einvernehmlich auch BAG 09. November 1999 aaO Randziffer 25). Die Parteien haben sich also nach Verhandlungen über den genauen Inhalt der Freistellung auf eine solche geeinigt, die Beklagte hat sie nicht einseitig von sich aus und aus eigenem Entschluss angeordnet.

bb) Die Vertragsklausel gilt für einvernehmliche Freistellungen nicht. Dies ergibt schon die Auslegung der Vorschrift anhand des Wortlauts.

Die Reglung spricht davon, dass der Arbeitgeber "berechtigt" sei. Sie meint damit ersichtlich das dem Arbeitgeber durch den Vertrag einzuräumende - im Gesetz an sich nicht vorgesehene (BAG aaO Randziffer 24) - Recht, die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers zu suspendieren und ihm den Beschäftigungsanspruch zu nehmen. Die aufgrund der Vertragsfreiheit und der Abdingbarkeit des Beschäftigungsanspruchs gegebene Möglichkeit, eine Freistellung zu vereinbaren (vergleiche dazu ErfK/Preis BGB § 611 Randziffer 707), wird nach üblichem Sprachgebrauch nicht als das Recht oder die Berechtigung eines einzelnen bezeichnet. In soweit wäre entsprechend formuliert worden, etwa dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer eine Freistellung vereinbaren kann oder beide Parteien berechtigt sind, entsprechende Vereinbarungen zu treffen.

Auf eben diese einseitig dem Arbeitgeber einzuräumende Berechtigung zur Freistellung bezieht sich aber die im zweiten Halbsatz geregelte Folge oder Auslegungsregel, wonach die Freistellung unter Anrechnung etwaiger Resturlaubsansprüche und eventueller Zeitguthaben erfolgt. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme zu Anfang des Halbsatzes, der mit "wobei dies" eingeleitet wird. Damit wird verwiesen auf die im ersten Halbsatz geregelte Form der einseitigen Freistellung. Ein Hinweis darauf, dass jegliche Form der Freistellung entsprechend zu werten sei, fehlt.

Eine nur auf die einseitige Freistellung abzielende Regelung liegt auch nahe, da davon ausgegangen werden kann, dass dann wenn die Parteien einvernehmlich die Freistellung klären, sie ebenso wie etwa Fragen der Anrechnung anderweitigen Verdienstes auch die Frage der Anrechnung des Urlaubs regeln.

Ingesamt ergibt sich damit, das auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitgerichts Mainz, soweit es der Kläger angefochten hat, abzuändern und die Beklagte zur Zahlung der Höhe nach unstreitigen Urlaubsabgeltung nebst Zinsen, die sie aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zu zahlen hat, zu verurteilen war.

cc) Schon weil die Klausel in § 1 Abs. 7 des Vertrages nur einseitige Freistellungen erfasst und eine solche hier nicht vorliegt, bedurfte es - anders als die Beklagte meint - für die Vereinbarung vom 25.06.2004 nicht der Schriftform. Diese verlangt § 17 des Arbeitsvertrages nur für Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages. Eine solche haben die Parteien nicht vorgenommen.

Anlass, die Revision zuzulassen, bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien in § 72 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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