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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 30.08.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 373/07
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, EfzG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 612 a
KSchG § 23 Abs. 1
EfzG § 3
EfzG § 8
EfzG § 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Sa 373/07

Entscheidung vom 30.08.2007

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 16.05.2007 - 1 Ca 211/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch ordentliche Arbeitgeberkündigung beendet worden ist. Der Kläger ist seit 01.06.1999 bei dem Beklagten, einem , als Zahntechniker zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.509,00 € beschäftigt gewesen. Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 30.01.2007 das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.03.2007. Hiergegen hat der Kläger mit am 09.02.2007 eingegangener Klageschrift Kündigungsschutzklage erhoben.

Erstinstanzlich hatte er sich noch auf die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes berufen und hierzu im einzelnen zur Betriebsgröße vorgetragen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 16.05.2007 verwiesen.

Der Kläger hat die Kündigung auch für sittenwidrig im Sinne des § 242 BGB gehalten und hierzu vorgetragen, Anfang Januar 2007 habe er den Beklagten darüber informiert, dass er am 20.03.2007 im Krankenhaus in V-Stadt an der Hüfte operiert werde. Er habe ihn weiter informiert, dann mindestens für fünf Wochen, ggf. auch sieben oder acht Wochen arbeitsunfähig krank auszufallen. Als Reaktion hierauf habe er die Kündigung vom 30.01.2007 erhalten. Dem Kollegen U. sei es vor Jahren ebenso ergangen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis nicht durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 30.01.2007 zum 31.03.2007 beendet wird.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde, da die notwendige Betriebsgröße nicht erreicht sei.

Im übrigen sei ein kausaler oder zeitlicher Zusammenhang zwischen der vorgesehenen krankheitsbedingten Unterbrechung der Tätigkeit des Klägers und dem Kündigungstermin nicht zu entnehmen. Ein Operationstermin sei vom Kläger bereits am 10.11.2006 mitgeteilt worden. Ein Sonderurlaub für die Voruntersuchung am 08.12.2006 sei bereits Anfang November gewährt worden. Im übrigen zahle im Falle der Arbeitsunfähigkeit die Krankenkasse einen Zuschuss zu den Entgeltfortzahlungskosten. Rechtlich sei es auch ohne Bedeutung, dass bereits ein Ersatz für den gekündigten Kläger eingestellt worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 16.05.2007 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im wesentlichen unter Subsumtion des beiderseitigen Tatsachenvortrages ausgeführt, dass der Kläger Kündigungsschutz gemäß § 23 Abs. 1 KschG nicht in Anspruch nehmen könne. Die Kündigung sei auch nicht sittenwidrig. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit könne nur in krassen Fällen erhoben werden, in denen die Kündigung ausgehend von dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden ein ethisches Minimum nicht mehr wahre. Eine Kündigung sei nicht schon deshalb sittenwidrig, weil der Arbeitgeber weder bei ihrem Ausspruch noch später Gründe für sie angebe. Der Kläger begründe die von ihm angenommene Sittenwidrigkeit mit dem Vortrag, er habe dem Beklagten Anfang Januar darüber informiert, dass er am 20.03.2007 an der Hüfte operiert werde und danach für einige Wochen ausfallen werde. Dieser Sachvortrag rechtfertige nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit. In einem Arbeitsverhältnis, das dem Kündigungsschutzgesetz nicht unterfalle, könne der Arbeitgeber grundsätzlich ohne Angabe von Gründen eine fristgemäße ordentliche Kündigung aussprechen. Allein ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Ankündigung einer Arbeitsunfähigkeit von fünf bis acht Wochen begründe nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit. Entgegen einer weit verbreiteten landläufigen Auffassung könne eine Kündigung auch während einer Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen werden, unter Umständen sogar wegen einer Arbeitsunfähigkeit. Es sei zu beachten, dass nach § 8 EfzG der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht dadurch berührt werde, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündige. Er bleibe dann trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Entgeltfortzahlung bis zur Dauer von sechs Wochen gemäß § 3 EfzG verpflichtet. Aus allem ergebe sich, dass der Beklagte durch die Kündigung seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung bis zur Dauer von sechs Wochen nicht entgehen könne, andererseits er einen Zuschuss von der Krankenkasse erhalten könne. Es könne daher nicht angenommen werden, dass die Kündigung des Beklagten nach Ankündigung einer Operation mit anschließender mehrwöchiger Arbeitsunfähigkeit gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Verstöße verstoße.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das bezeichnete Urteil verwiesen.

Das Urteil wurde dem Kläger am 29.05.2007 zugestellt. Er hat hiergegen am 11.06.2007 Berufung eingelegt und seine Berufung am 06.07.2007 begründet.

Der Kläger greift die Feststellung des Arbeitsgerichts zur Betriebsgröße im Berufungsverfahren nicht mehr an. Er wiederholt seine Auffassung, dass der Beklagte als Reaktion auf die Mitteilung der Operation und der anschließenden Arbeitsunfähigkeit die Kündigung ausgesprochen habe. Im vorliegenden Falle sei daher die Kündigung gemäß § 242 BGB bzw. § 612 a BGB unwirksam. Der Kläger mache von seinem Recht Gebrauch, sich einer Operation zu unterziehen. Es sei weiter zu berücksichtigen, dass er am 08.08.1956 geboren sei, auf dem Arbeitsmarkt sehe er kaum noch Chancen, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen. Im übrigen habe der Beklagte über den 31.03.2007 hinaus keine Entgeltfortzahlung geleistet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 16.05.2007 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichtes Trier, AZ.: 1 Ca 211/07 wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis nicht durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 30.01.2007 zum 31.03.2007 beendet wurde.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung in das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 16.05.2007, Az.: 1 Ca 211/07 zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 30.08.2007.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung die Klage des Klägers zu Recht abgewiesen.

Da der Kläger im Berufungsverfahren die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht mehr verfolgt, im übrigen auch nicht ersichtlich ist, dass die entsprechenden Feststellungen und rechtlichen Würdigungen des Arbeitsgerichts fehlerhaft sind, hängt die Entscheidung des Rechtsstreits allein davon ab, ob die Auffassung des Klägers zutreffend ist, dass bei unterstellter Richtigkeit seines Sachvortrages allein die Verknüpfung der Ankündigung der Operation mit anschließender Arbeitsunfähigkeit und der Kündigung, diese Kündigung als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam ist bzw. gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB verstößt.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen beider Normen liegen nicht vor.

Die Ausführungen des Arbeitsgerichts sind allesamt zutreffend. Es kann ein Arbeitgeber während einer Erkrankung oder sogar wegen Erkrankung kündigen, ohne dass ihm der Vorhalt von Treuwidrigkeit gemacht werden kann. Dies folgt allein schon aus der gesetzlichen Regelung des § 8 EfzG. Danach wird der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Mit diesem gesetzlichen Tatbestand ist auch der Fall gemeint, dass das Arbeitsverhältnis aus Anlass einer bevorstehenden Arbeitsunfähigkeit gekündigt wird. Die gesetzliche Bestimmung wäre überflüssig und daher nicht bedeutsam, wenn eine Kündigung, die aus Anlass einer Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen wird, gemäß § 242 BGB rechtsunwirksam wäre. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber überflüssige Bestimmungen schafft und beibehält, folgt allein aus einem Umkehrschluss aus § 8 Abs. 1 EfzG, dass die Kündigung, sollte sie wie vom Kläger dargestellt allein durch den Beklagten deswegen ausgesprochen worden sein, dass er längere Zeit krankheitsbedingt ausfällt, nicht aus diesem Grunde rechtsunwirksam sei kann.

Im übrigen weist gerade der Umstand einer Ersatzeinstellung darauf hin, dass der Beklagte durchaus berechtigte wirtschaftliche Interessen hatte, auf die Beschäftigung eines Zahntechnikers zurückgreifen zu können.

Der Gesetzgeber hat gerade die Kleinbetriebe aus dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes herausgenommen. Inhaber kleinerer Betriebe haben Schwierigkeiten bei der Anwendung des komplizierten Kündigungsrechts. Diese Betriebe werden zudem durch langwierige Kündigungsschutzverfahren bzw. durch zur Abwehr dieser Verfahren geleisteten Abfindungen wirtschaftlich erheblich mehr belastet als Inhaber größerer Betriebe. Kleinbetriebe können häufig kaum Reserven bilden und müssen deshalb in die Lage versetzt werden, Schwankungen der Auftragslage durch größere personalwirtschaftliche Flexibilität auszugleichen. Daher sollen im Interesse der Funktionsfähigkeit des Betriebes und des Betriebsfriedens notwendige Entlassungen leichter möglich sein. Die Kleinbetriebsklausel ist nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgericht mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. BVerfG vom 27.01.1998 EzA § 23 KSchG Nr. 17). Dieses vom Gesetzgeber gewollte gestalterische Ermessen kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass einem Arbeitgeber eines Kleinbetriebes, der zur Aufrechterhaltung seiner Betriebsstruktur auf gesunde und arbeitende Mitarbeiter angewiesen ist, das Arbeitsverhältnis mit einem für längere Zeit krankheitsbedingt ausfallenden Arbeitnehmer kündigt und stattdessen eine Ersatzkraft einstellt, diese Kündigungsmöglichkeit über den Umweg von § 242 BGB wieder verwehrt wird.

Gründe, die in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallen, können nicht über die Generalklausel des § 242 BGB wiederum zu einer Anwendung des Kündigungsschutzrechts führen.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren noch geltend macht, der Beklagte habe ihn wegen der Inanspruchnahme eines Rechts gemaßregelt (§ 612 a BGB) und deshalb sei die Kündigung als Maßregel rechtsunwirksam, ist er ebenfalls nicht erfolgreich. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten kein Recht in Anspruch genommen. Nur die Geltendmachung von Rechten löst überhaupt eventuelle Sanktionsmöglichkeiten des § 612 a BGB aus. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten nicht das Recht, sich gesund zu verhalten, er hat gegenüber dem Beklagten das Recht, dass dieser die ihm übernommenen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Eine derartige Geltendmachung von Rechten liegt aber nicht vor. Wenn der Kläger erkrankt ist, macht er kein Recht geltend, sondern ist wegen der bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet Arbeitsleistungen zu erbringen. Damit macht er gegenüber dem Beklagten kein Recht geltend. Somit fehlen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 612 a BGB.

II.

Nach allem musste die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO erfolglos bleiben.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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