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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 20.12.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 809/05
Rechtsgebiete: BAT, TVG, SGB I, ArbGG, SGB IV, SGB VI, BGB


Vorschriften:

BAT § 70
TVG § 4 Abs. 3
SGB I § 32 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. b
SGB IV § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
SGB IV § 28 e
SGB VI § 8 Abs. 2 Nr. 1
BGB §§ 305 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Sa 809/05

Entscheidung vom 20.12.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 29.06.2005 - 6 Ca 2983/04 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um rückständige Vergütungsbestandteile.

Der Kläger wurde aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 03.08.1999 als Lehrer im Angestelltenverhältnis in der P.-Hauptschule in Neuwied eingesetzt. Er erhielt vertragsgemäß Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) als auf das Arbeitsverhältnis anwendbar erklärt. In einer Nebenabrede vom gleichen Tag hat das beklagte Land dem Kläger die Übernahme in das Beamtenverhältnis nach Ablauf der vorgesehen Zeit als Angestellter zugesichert und ihm mit seinem Einverständnis eine Anwartschaft auf Versorgung nach beamtenrechtichen Grundsätzen bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung durch das Land Rheinland-Pfalz gewährleistet. Der Kläger war damit von Beginn an in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungs- und beitragsfrei. Als Gegenleistung hierfür verpflichtete sich der Kläger, für die Zeit der Gewährleistung zu einer Zahlung von 200,-- DM monatlich bzw. bei einer Beschäftigung mit höherem oder niedrigerem Lehrdeputat als 3/4 des anteiligen Betrages an das Land. Dieser Vereinbarung entsprechend hat das beklagte Land bei der Vergütungszahlung des Klägers in der Folgezeit zunächst 200,-- DM und ab dem 01.09.2001 mit Übertragung eines Vollzeitarbeitsplatzes monatlich 266,67 DM einbehalten. Im Juni 2002 wurde der Kläger verbeamtet.

Mit Klageschrift vom 23.12.2004 hat der Kläger die Rückzahlung der Beträge seines Eigenanteils in einer unstreitigen Gesamthöhe von 3.681,39 Euro nebst Zinsen geltend gemacht. Er hat sein Klagebegehren darauf gestützt, die Nebenabrede der Parteien sei unwirksam gewesen und das beklagte Land sei daher verpflichtet, ihm die eingehaltenen Lohnbestandteile auszuzahlen.

Wegen des Sach- und Streitstandes und der von den Parteien erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils hiermit Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dem Kläger stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Rückzahlungsanspruch zu. Auch sei ein möglicher Rückzahlungsanspruch aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist von § 70 BAT erloschen. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsgründung wird hiermit auf die Nr. II der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (S. 10 bis 16) Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese in gleicher Weise begründet.

Nach seiner Auffassung habe das Arbeitsgericht die Rechtslage fehlerhaft beurteilt. Die Nebenabrede verstoße gegen § 4 Abs. 3 TVG und gegen § 32 Abs. 1 SGB I (Verbot einer nachteiligen Vereinbarung). Sollte er nicht als Beamter übernommen worden sein oder später als Beamter ausscheiden, um in das Angestelltenverhältnis zu wechseln, dann fehlten ihm Rentenversicherungsbeiträge. Auch die Ausschlussfrist von § 70 BAT stehe seinem Rechtsbegehren nicht entgegen, da er vorliegend keinen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis verfolge.

Der Kläger wiederholt im Berufungsverfahren seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

da das Arbeitsgericht die Sach- und Rechtslage zutreffend beurteilt habe.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nach § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthaft, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und in gleicher Weise begründet und erweist sich auch sonst als zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch unbegründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Klage im angefochtenen Urteil abgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung der streitgegenständlichen Vergütungsbestandteile zusteht. Dies hat das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil richtig festgestellt. Das Berufungsgericht folgt den Ausführungen unter II. der Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Seiten 10 - 16 des angefochtenen Urteils), stellt dies hiermit ausdrücklich fest und sieht zur Vermeidung eines doppelten Schreibwerkes von der erneuten Darstellung dieser Entscheidungsgründe ab. Die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts und des erkennenden Berufungsgerichts steht im Übrigen im Einklang mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.12.2005 - 5 AZR 254/05 - (vgl. Pressemitteilung Nr. 74/05 des BAG). Danach hat das Bundesarbeitsgericht in einem Rechtsstreit, dem der ähnliche Sachverhalt wie im vorliegenden Streitverfahren zugrunde gelegen hat, die Vereinbarung in der Nebenabrede mit der Beteiligung des angestellten Lehrers an den sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer ersparten Anteile zur gesetzlichen Rentenversicherung bei gleichzeitiger Gewährung einer Zusage einer Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen als rechtlich zulässig bewertet.

Die Einwendungen des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil im Berufungsverfahren führen zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage.

Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 TVG scheidet vorliegend aus. Nach dieser Bestimmung können die tarifunterworfenen Arbeitsvertragsparteien abweichende Regelungen vom Inhalt eines auf das Vertragsverhältnis kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit Anwendung findenden Tarifvertrages nur dann machen, wenn dies durch den Tarifvertrag gestattet ist oder eine Änderung der Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers vereinbart wird. Der Kläger hat trotz Nachfrage durch das Berufungsgericht nicht erklärt, dass er im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages vom 03.08.1999 und der gleichzeitig abgeschlossenen Nebenabrede überhaupt Gewerkschaftsmitglied war. Der BAT hat damit nicht originär, sondern nur kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung gefunden. Auch wurde der Kläger durch die Nebenabrede hinsichtlich der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Unstreitig waren die hierbei vom Kläger ersparten Aufwendungen höher als der vom beklagten Land vereinbarungsgemäß einbehaltene Anteil von 200,-- DM bzw. von 266,67 DM ab September 2001 mit Übertragung einer Vollzeitstelle auf den Kläger.

Ein Verstoß gegen § 32 Abs. 1 SGB I bzw. § 28 e SGB IV liegt - unabhängig von der Rechtsfolge eines Verstoßes - nicht vor, weil § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI eine zulässige Ausnahme von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung darstellt.

Auch der vom Kläger gerügte Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz scheidet vorliegend aus. Er meint, würde er aus dem Beamtenverhältnis später ausscheiden, um in das Angestelltenverhältnis überwechseln zu wollen, dann fehlten ihm die Rentenversicherungsbeiträge. Zutreffend hat das beklagte Land hierauf erwidert, dass er in diesem Fall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI nachzuversichern wäre. Im Übrigen hat das beklagte Land in dem Anschreiben an den Kläger vom 03.08.1999 auf Seite 2, letzter Absatz, noch einmal ausdrücklich versichert, dass es bei einer Nichtübernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis für die Vergangenheit sämtliche Nachversicherungsbeiträge in der Rentenversicherung, also inklusive den vom Kläger ersparten Arbeitnehmerbeiträgen, übernimmt.

Im Streitfalle ist darauf hinzuweisen, dass der Abschluss der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 03.08.1999 auf völlig freiwilliger Basis durch den Kläger geschehen ist. Dies hat das beklagte Land in dem genannten Anschreiben vom 03.08.1999 auf Seite 2, zweitletzter Absatz, noch einmal mit Nachdruck unterstrichen. Der Kläger wurde sogar ausdrücklich gebeten, er solle prüfen, ob er die ihm angebotene Nebenabrede annehmen wolle. Der Kläger hat sich freiwillig hierzu entschlossen, um damals in den Genuss der werthaltigeren Vergünstigungen dieser Nebenabrede zu gelangen. Für ihn bestand also keinerlei Verpflichtung oder gar Zwang zum Abschluss dieser zusätzlichen Vereinbarung. Schon von daher scheidet vorliegend ein Verstoß gegen die guten Sitten oder die Regelungen von §§ 305 ff. BGB, die freilich im Jahre 1999 noch gar nicht gegolten haben, durch diese Vereinbarung aus.

Nach alledem war die unbegründete Berufung des Klägers gegen das zutreffende arbeitsgerichtliche Urteil mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden, nachdem mittlerweile das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 07.12.2005 die vorliegend zu beurteilende Rechtslage höchstrichterlich geklärt hat.

Ende der Entscheidung

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