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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 25.07.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 111/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 48 Abs. 1 Nr. 1
ArbGG § 78 a
ArbGG § 78 a Abs. 1 Satz 2
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 321 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Ta 111/06

Entscheidung vom 25.07.2006

Tenor:

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 02.05.2006 wird auf Kosten des Beschwerdeführers bei einem Beschwerdewert von 500,-- Euro als unzulässig verworfen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe:

I.

Das Arbeitsgericht hat sich durch Beschluss vom 02.06.2006 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Duisburg verwiesen.

Gegen diesen Beschluss, der den Hinweis auf seine Unanfechtbarkeit enthält, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08.05.2006 Beschwerde eingelegt mit der Begründung, das Arbeitsgericht habe ihm vor Erlass des Verweisungsbeschlusses nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Die Entscheidung sei zudem fehlerhaft, da auch das Arbeitsgericht Mainz örtlich zuständig sei. Der Verweisungsbeschluss entfalte keine Bindungswirkung wegen offensichtlicher Gesetzwidrigkeit. In diesem Falle sei nach Beschlüssen des LAG Sachsen vom 11.03.1997 (NZA 1997, 848) und des LAG Rheinland-Pfalz vom 28.05.1997 (NZA 1998, 55) davon auszugehen, dass eine außerordentliche Beschwerde bzw. eine Gegenvorstellung statthaft sei; hilfsweise erhebe er eine Gehörsrüge.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 19.06.2006 der Beschwerde nicht abgeholfen. In seiner Nichtabhilfeentscheidung hat es angegeben, eine außerordentliche Beschwerde sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen den ausdrücklich in § 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG für unanfechtbar erklärten Verweisungsbeschluss unstatthaft. Die Anhörungsrüge sei unstatthaft, weil der Verweisungsbeschluss eine Zwischenentscheidung im Sinne von § 78 a Abs. 1 Satz 2 ArbGG darstelle. Auch sei die Verweisungsentscheidung materiell richtig.

Das Arbeitsgericht hat die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Beschwerdegericht hat den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass ein Beschwerdeverfahren nur im Hinblick auf eine vom Beschwerdeführer angenommene außerordentliche Beschwerde bzw. Gegenvorstellung anzunehmen sei.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verweisungsbeschlusses, die Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts sowie auf die Schriftsätze des Beschwerdeführers vom 08.05.2006 und vom 23.05.2006 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unstatthaft und damit unzulässig, weil der Verweisungsbeschluss bezüglich der örtlichen Unzuständigkeit nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG unanfechtbar ist.

Die Behandlung von (angeblich) greifbar gesetzwidrigen Verweisungsbeschlüssen bezüglich der örtlichen Zuständigkeit war bis zum Erlass des ZPO-Reformgesetzes mit Wirkung vom 01.01.2002 nicht einheitlich. Das Bundesverfassungsgericht hat durch seinen Plenarbeschluss vom 30.04.2003 (NJW 2003, 1924) dem Gesetzgeber aufgegeben, eine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit zu schaffen für solche Fälle, in denen ein Gericht den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Dabei ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die bis dahin von der Rechtsprechung entwickelten außerordentlichen Rechtsbehelfe (z.B. außerordentliche Beschwerde, Gegenvorstellung, Ausnahmerechtsmittel) dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsmittelklarheit nicht genügen. Der Gesetzgeber hatte schon zuvor auf Drängen des Bundesverfassungsgerichts durch das am 01.01.2002 in Kraft getretene ZPO-Reformgesetz erstmals im § 321 a ZPO für unanfechtbare Urteile eine Rügemöglichkeit bei einer Gehörsverletzung im Sinne von Art. 103 GG geschaffen (vgl. hierzu im Einzelnen Schwab, Die Berufung im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Diss. 2004, Seite 281, 282).

Mit dem am 01.01.2005 in Kraft getretenen Anhörungsrügengesetz wurde der zuvor in § 321 a ZPO beschränkte defizitäre Anwendungsbereich der Gehörsrüge allumfassend ausgeweitet. Für den Bereich des arbeitsgerichtlichen Verfahrens eröffnet § 78 a ArbGG die Möglichkeit der Erhebung der Gehörsrüge innerhalb aller drei Instanzen und damit eine Selbstkorrektur durch den judex a quo bei allen mit Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen nicht mehr angreifbaren Entscheidungen sowohl im Urteils- als auch im Beschlussverfahren. Von diesem Rechtsbehelf hat der Beschwerdeführer hilfsweise Gebrauch gemacht. Gegen die in der Nichtabhilfeentscheidung vom Arbeitsgericht getroffene Entscheidung über die Gehörsrüge richtet sich die vorliegende Beschwerde nicht, wie das erkennende Gericht in seinem Hinweisschreiben an den Beschwerdeführer vom 29.06.2006 ausdrücklich klargestellt hat. Die Beschwerde wurde nur gegen den Verweisungsbeschluss und nicht gegen den Zurückweisungsbeschluss im Rahmen der Gehörsrüge erhoben. Nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30.04.2003 sind die zuvor praeter legem geschaffenen außerordentlichen Rechtsbehelfe verfassungsrechtlich unzulässig (ebenso BAG, NZA 2005, 1318). Im Falle einer greifbar gesetzwidrigen Entscheidung steht somit den Prozessparteien nur unter den Voraussetzungen von § 78 a ArbGG eine Rügemöglichkeit zu.

Ein greifbar gesetzwidriger Verweisungsbeschluss entfaltet allerdings ausnahmsweise keine Bindungswirkung für das Adressatgericht (Schwab/Weth/Walker, ArbGG § 48 Rz 108). Dieses kann vielmehr sowohl weiter- als auch zurückverweisen. Dies gilt allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen. Auch ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss, der nicht hätte ergehen dürfen, ist grundsätzlich einer weiteren Überprüfung entzogen und bindet das Adressatengericht (BAG, NZA 2003, 683). Nur bei krassen Rechtsverletzungen kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung ausnahmsweise in Betracht (BAG, NZA 2006, 453). Dies ist etwa anzunehmen, wenn der Beschluss dazu führt, dass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten beruht (vgl. hierzu auch BGH, NJW 2003, 2990) und damit unter Berücksichtigung elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich erscheint, offensichtlich unhaltbar und ein Beleg willkürlicher Rechtsfindung ist. In einem solchen Fall kann das Adressatengericht den Weg von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO beschreiten.

Nach alledem war die unzulässige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Verweisungsbeschluss mit der Kostenfolge von § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO festzusetzen.

Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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