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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 26.10.2005
Aktenzeichen: 2 Ta 206/05
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, GVG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 623
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 b
ArbGG § 5
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 3
ArbGG § 78
GVG § 17 a Abs. 2 Satz 1
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 2
ZPO §§ 567 ff
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Ta 206/05

Entscheidung vom 26.10.2005

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.04.2005 abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen in der vorliegenden Rechtsstreitigkeit nicht eröffnet ist. Das Verfahren wird an das im Rechtsweg zuständige Landgericht Frankenthal verwiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdegegner auferlegt bei einem Beschwerdewert von 6.646,-- Euro.

3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten vorliegend um den Rechtsweg im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens.

Der Kläger ist seit dem 15.07.1998 bei der Beklagten jedenfalls anfangs im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10.07.1998 (Bl. 44 - 51 d.A.) als Verwaltungsleiter für die Fachkliniken zu einem Jahresgehalt von 156.000,-- DM tätig.

Am 08.10.1999 beschloss die Gesellschafterversammlung der damaligen Arbeitgeberin des Klägers u.a. auch den Kläger zum neuen Geschäftsführer zu bestellen (vgl. Bl. 115, 116 d.A.). Darauf hin wurde der Kläger als Geschäftsführer der damals noch anders firmierenden Beklagten ins Handelsregister eingetragen.

Mit Schreiben vom 26.04.2004 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das "bestehende Dienstverhältnis aus wichtigem Grund". Gleichzeitig informierte sie den Kläger über seine Abberufung als Geschäftsführer. In einem vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen angestrengten Kündigungsschutzverfahren - 2 Ca 1393/04 - wandte sich der Kläger gegen diese Kündigung. Nachdem sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hatten, das bestehende Rechtsverhältnis doch fortzusetzen, nahm der Kläger diese Klage zurück. In der Folgezeit wechselten die damaligen Prozessbevollmächtigten beider Parteien mehrere Schreiben, in denen es um die schriftliche Fixierung der geltenden Vertragsbedingungen gegangen ist, ohne dass es insoweit zu einem ausdrücklichen Vertragsabschluss gekommen ist. Der Kläger hat danach seine Tätigkeit im bisherigen Rahmen für die Beklagte weitergeführt.

Am 25.10.2005 kündigte die Beklagte das "bestehende Dienstverhältnis" des Klägers erneut fristlos (vgl. Bl. 10 d.A.). Gegen diese Kündigung hat der Kläger die vorliegende Klage vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen anhängig gemacht. Er ist der Auffassung, die Beklagte habe in der erneuten Kündigung das seit dem 15.07.1998 bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt. Zwischen den Parteien habe ungeachtet seiner Geschäftsführerbestellung ein Arbeitsverhältnis bestanden, das auch entsprechend "gelebt" worden sei. Dies ergebe sich auch aus einem unter dem 31.12.2003 abgefassten "Anstellungsvertrag" (vgl. 4 - 9 d.A.), wenngleich dieser schriftliche Vertrag nicht unterzeichnet worden sei.

Die Beklagte hat vorliegend die Rechtswegrüge erhoben und geltend gemacht, zwischen den Parteien bestehe jedenfalls ein Dienstvertrag auf der Grundlage des bestehenden Geschäftsführerverhältnisses, das zwischen den Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten anlässlich der Einigung der Parteien über die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses im Anschluss an die fristlose Kündigung vom 26.04.2004 abgeschlossen worden sei. Mit der früheren Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer sei auch das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis konkludent aufgelöst worden. Diese Vereinbarung sei auch nicht im Hinblick auf das Schriftformerfordernis von § 623 BGB unwirksam, weil diese Bestimmung damals noch nicht gegolten habe.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 27.04.2005, der Beklagten zugestellt am 01.06.2005, auf dessen Sachverhaltsdarstellung hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen im vorliegenden Verfahren eröffnet sei. In den Entscheidungsgründen hat es angegeben, der Kläger wende sich vorliegend gegen die Beendigung des zwischen den Parteien begründeten Arbeitsverhältnisses. In diesem Falle reiche nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, weil es sich um einen so genannten "sic-non-Fall" handele, die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus. Ob zwischen den Parteien tatsächlich ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, müsse dann erst bei der Begründetheit der Klage untersucht werden. Unstreitig hätten die Parteien zunächst ein Arbeitsverhältnis begründet gehabt, das in der Folgezeit nicht durch eine den Formerfordernissen des § 623 BGB entsprechende Aufhebungsvereinbarung beendet worden sei.

Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte mit einem am 14.06.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz "Beschwerde" eingelegt und hierbei geltend gemacht, der Kläger gelte als Geschäftsführer der Beklagten kraft gesetzlicher Fiktion aus § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer. Der Kläger sei durch notarielle Urkunde zum Geschäftsführer bestellt worden. Dadurch sei das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis konkludent aufgehoben worden, das Schriftformerfordernis von § 623 BGB stehe diesem Vertragsinhalt nicht entgegen, weil diese gesetzliche Bestimmung damals noch nicht gegolten habe.

Das Arbeitsgericht hat dem Rechtsmittel durch Beschluss vom 20.07.2005, auf dessen Inhalt hiermit Bezug genommen wird, nicht abgeholfen und hat es dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Kläger hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den angefochtenen Beschluss und die Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

II.

Bei dem Rechtsmittel der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine sofortige Beschwerde im Sinne von § 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG i. V. m. § 78 ArbGG und §§ 567 ff ZPO. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht beim Arbeitsgericht eingelegt und wurde darüber hinaus auch noch begründet und erweist sich auch sonst als zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel auch begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist für den vorliegenden Rechtsstreit der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht begründet, mit der Folge, dass das Verfahren gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das im Rechtsweg zuständige Landgericht Frankenthal von Amts wegen zu verweisen war.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten nicht als Arbeitnehmer solche Personen, die in Betrieben einer juristischen Person kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglied des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person berufen sind. Daraus leitet das BAG in ständiger Rechtsprechung ab, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist für Klagen bezüglich des der Organstellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses. Anders ist die Rechtslage nur dann, wenn die Rechtsstreitigkeit eine weitere Rechtsbeziehung betrifft, die neben dem bestehenden Organverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist (vgl. BAG NZA 1999, 839). Ist zwischen den Parteien streitig, ob diese "weitere" Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und die Eröffnung des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen somit von Tatsachen abhängt, die gleichzeitig Voraussetzung für die Beschreitung des Rechtsweges und für die Begründetheit der Klage sind (sog. doppelt relevante Tatsachen, sic-non-Fall), so ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG die Behauptung des Klägers, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, ausreichend (BAG NZA 1997, 509 und seitdem ständige Rechtsprechung). Erhebt der Kläger eine Kündigungsschutzklage mit der Behauptung, es liege zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis vor, das etwa zu Unrecht gekündigt worden sei, dann begehrt er - wie vorliegend - die Feststellung, dass gerade dieses "Arbeitsverhältnis" durch die Kündigung nicht beendet worden ist. Erweist sich dieses Rechtsbegehren materiell rechtlich als unzutreffend, insbesondere weil tatsächlich kein Arbeitsverhältnis besteht, dann ist die Klage allenfalls unbegründet. Es kann aber nicht bereits bei der Rechtswegprüfung, also wenn es um die Frage des gesetzlichen Richters geht, dazu führen, dass auch die Gerichte für Arbeitssachen für einen solchen Rechtsstreit nicht zuständig sind, weil der Kläger ausdrücklich und gerade eine Feststellung begehrt, für die nach § 2 ArbGG die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen begründet ist.

Diese allgemeinen Grundsätze gelten jedoch nicht einschränkungslos, wenn - wie vorliegend - ein Geschäftsführer einer GmbH sich mittels Klage gegen eine des der Geschäftsführerbestellung zugrunde liegenden Dienstverhältnisses vor den Gerichten für Arbeitssachen mit der Begründung wendet, er sei in Wirklichkeit kein Geschäftsführer sondern Arbeitnehmer. Beim Organgeschäftsführer einer GmbH gilt kraft gesetzlicher Fiktion in § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, dass dieser kein Arbeitnehmer ist, so dass in einem solchen Fall allein die Rechtsbehauptung, er sei trotzdem Arbeitnehmer, nicht ausreichen kann, um bereits bei der Rechtswegprüfung zum Ergebnis zu gelangen, allein aufgrund dieser Behauptung sei schon der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen begründet (vgl. BAG NZA 1999, 839; Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 2 Rz 213). Die gesetzliche Fiktion von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift unabhängig davon, ob sich das der Geschäftsführerbestellung zugrunde liegende Dienstverhältnis in seiner Ausgestaltung als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis darstellt.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger zunächst im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für die Beklagte tätig geworden ist, wie dem schriftlichen Anstellungsvertrag der Parteien vom 10.07.1998 (Bl. 44 - 51 d.A.) eindeutig zu entnehmen ist. Darin ist durchgehend davon die Rede, dass der Kläger als "Arbeitnehmer" zum Verwaltungsleiter für die Fachkliniken eingestellt wurde und zudem dem Weisungsrecht seines Vorgesetzten unterliegt.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat sich jedoch herausgestellt, dass der Kläger bereits im Oktober 1999 zum Geschäftsführer der Beklagten, die damals noch als "R. Fachkliniken GmbH" firmiert hat, aufgestiegen ist. Diese Geschäftsführerbestellung hat der Kläger in der Folgezeit nicht verloren. Zwar hat die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis bereits mit Schreiben vom 26.04.2004 außerordentlich gekündigt gehabt und der Kläger hat schon damals gegen diese Kündigung Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erhoben gehabt. In der Folgezeit haben sich die Parteien jedoch außergerichtlich darauf verständigt, dass diese Kündigung gegenstandslos ist und das Rechtsverhältnis der Parteien fortgeführt wird. Wenngleich es in der Folgezeit zu keinem weiteren Vertragsabschluss gekommen ist, bestehen jedoch keine ernsthaften Anhaltspunkte, dass die Parteien anlässlich dieser Kündigung und ihrer einvernehmlichen Aufhebung das bestehende Rechtsverhältnis wieder in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt haben. Dazu hätte es einer klaren eindeutigen Regelung bedurft.

Das BAG hat seine frühere Rechtsprechung (vgl. dazu Schwab, NZA 1987, 839) geändert. Nach der jetzt gültigen Rechtsprechung, die das erkennende Gericht für uneingeschränkt zutreffend hält, ist im Falle der Bestellung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer bei nicht klaren und eindeutigen vertraglichen Vereinbarungen jedenfalls bis zum Inkrafttreten des § 623 BGB von der Vermutung auszugehen, dass mit Abschluss eines Anstellungsvertrages als Geschäftsführer das ursprüngliche Arbeitsverhältnis konkludent aufgehoben wird und grundsätzlich sein Ende findet. Die vertraglichen Beziehungen der Parteien werden mit der Geschäftsführerbestellung auf eine andere Ebene gehoben, so dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Parteien am zuvor bestehenden Arbeitsverhältnis gerade nicht mehr festhalten wollen (vgl. BAG v. 08.06.2000 - 2 AZR 297/99; BAG NZA 203, 272). Ob an dieser Rechtsprechung durch die Einführung des Schriftformerfordernisses für eine Kündigung und für einen Aufhebungsvertrag in § 623 BGB festzuhalten ist, bzw. welche Grundsätze beim Eingreifen von § 623 BGB gelten, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Diese Bestimmung ist erst zum 1. Mai 2000 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt hat aber zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden, weil der Kläger bereits im Oktober 1999 zum Geschäftsführer der damals als "REFUGIUM Fachkliniken GmbH" firmierenden Beklagten aufgestiegen ist. Mit dieser Bestellung wurde auch konkludent das zuvor durch Arbeitsvertrag vom 10.07.1998 begründete Arbeitsverhältnis aufgehoben. Dass die Parteien in der Folgezeit erneut ein Arbeitsverhältnis begründet haben, ist ihrem Sachvortrag nicht zu entnehmen. Zwar hat der Kläger in der Klageschrift behauptet, die Parteien hätten erneut ein Arbeitsverhältnis abgeschlossen und in der Folgezeit auch "danach gelebt". Ein vom Kläger vorgelegter - von wem auch immer konzipierter - Vertragsentwurf (Bl. 4 - 9 d.A.) wurde jedoch von beiden Parteien gerade nicht unterzeichnet, auch wurde der Kläger nicht etwa Ende des Jahres 2003 als Geschäftsführer der Beklagten abberufen. Auch bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Parteien neben dem der Organstellung zugrunde liegenden Dienstverhältnis noch ein zusätzliches Arbeitsverhältnis abgeschlossen haben, das Gegenstand der vorliegenden Kündigungsschutzklage des Klägers sein könnte. Ist der Kläger aber Organ der beklagten GmbH, dann gilt er kraft gesetzlicher Fiktion nicht als Arbeitnehmer mit der Folge, dass seine bloß unsubstantiierte Rechtsbehauptung, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis, in dieser Fallvariante nicht ausreicht, um mit Erfolg überhaupt den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu beschreiten.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 i. V. m. § 78 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben

Ende der Entscheidung

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