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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 2 TaBV 4/07
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 6
BetrVG § 37 Abs. 6 Satz 1
BetrVG § 40
BetrVG § 40 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 TaBV 4/07

Entscheidung vom 24.05.2007

Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 18.10.2006 - 4 BV 15/06 - abgeändert.

Der Antrag des Betriebsrates wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Pflicht der Arbeitgeberin, die Kosten einer sogenannten In-house-Schulung von vier Mitgliedern des neunköpfigen Betriebsrates der Arbeitgeberin, welche am 06., 07. und 08.02.2006 stattfand, zu tragen. Der Betriebsrat hatte unter dem 19.01.2006 den Beschluss gefasst, die Mitglieder und Ersatzmitglieder des XY-Ausschusses V. und U. als XY-Beauftragte sowie deren Vertreter T. und S. dieser dreitägigen Schulung durch die AB zum Thema "XY - Praktische Eingruppierung" zu unterziehen.

Die Arbeitgeberin wurde schriftlich unterrichtet. Mit Schreiben, eingegangen am 06.07.2006, erwiderte sie, mit der Seminarveranstaltung nicht einverstanden zu sein und kündigte die Weigerung der Kostentragung an. An der Schulung nahmen teil die Herren V., U. und T.. Frau S. musste krankheitsbedingt absagen.

Die AB-GmbH stellte mit Rechnung Nr. 12345/67 dem Betriebsrat eine Summe incl. MwSt. von 3.558,18 € in Rechnung, die Arbeitgeberin, welcher die Rechnung direkt zugeleitet wurde, weigerte sich die Kosten zu übernehmen, woraufhin der Betriebsrat als Antragsteller das anhängige Beschlussverfahren eingeleitet hat.

Im Betrieb der Arbeitgeberin wurde zum 01.01.2006 das gesamte Vergütungssystem vom vormaligen Lohn- und Gehaltstarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie auf das Entgeltrahmenabkommen für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland/Rheinhessen vom 06.07.2004 (nachfolgend XY) umgestellt. Zwischen den Beteiligten fanden Beratungen und Verhandlungen statt. Mitglieder des Betriebsrates durchliefen eine Anzahl von Schulungen. Zur Vermeidung von Schreibarbeit wird auf den insoweit unstreitigen Schulungsumfang Bezug genommen, welcher im angefochtenen Beschluss auf den Seiten 2 unten bis 4 Mitte ausführlich dargestellt ist. Auf Seiten 93 bis 95 G.A. wird insofern Bezug genommen.

Die konkrete XY-Einführung wurde seit Mitte Februar 2005 im Betrieb verhandelt. Seit September wurden speziell die zutreffenden Umgruppierungen einzelner Mitarbeiter beraten, größtenteils unter Einschaltung der innerbetrieblichen Eingruppierungskommission und teilweise unter Hinzuziehung der Tarifparteien.

Im Dezember 2005 teilte die Arbeitgeberin den betroffenen Mitarbeitern sodann die von ihr ab dem 01.01. angenommene vorläufige Eingruppierung nach XY mit. Dies erfolgte zu einem Zeitpunkt, als noch eine Unzahl von Eingruppierungen Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat über die Rechtmäßigkeit der zukünftigen Entgeltgruppenzuteilung bestand. Ab September 2005 hatte sich der Betriebsrat zu den vorgeschlagenen Eingruppierungen sachlich geäußert und in einer Vielzahl von Fällen begründete Widersprüche gegen die Richtigkeit der vorgenommenen Eingruppierungen schriftlich eingelegt. Beim Arbeitsgericht Trier sind dann anschließend rund 200 Beschlussverfahren zur zutreffenden Eingruppierung der Mitarbeiter anhängig geworden. Diese befinden sich überwiegend noch im Stadium des erstinstanzlichen Verfahrens, ein Teil ist nach Entscheidung des Arbeitsgerichts im Beschwerdeverfahren anhängig.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Seminarveranstaltung sei zur Vervollständigung seines Wissens unverzichtbar gewesen. Sie habe als Intensivveranstaltung der theoretischen Durchführung der Anforderungsmerkmale zur XY-Eingruppierungssystematik beigetragen, was angesichts der neuen Tarifsituation unabdingbar als notwendiges Wissen zu verstehen sei. Andernfalls seien Eingruppierungsvoraussetzungen gar nicht zu erfassen. Bei den Seminaren der AB zum XY sei die einschlägige Veranstaltung "Grundentgelt, Arbeitsverwertung und Eingruppierung" nach dem versäumten Juli-Termin nicht mehr vorgekommen. Die damals ausgefallene Schulung hätte deshalb nachgeholt werden müssen. Gerade die großen Konflikte zwischen den Beteiligten im Vorfeld der XY-Umstellung bei nahezu allen Fragen der Mitbestimmung habe die Erlangung fundierter Kenntnisse unvermeidlich erscheinen lassen. Mit der praktischen Eingruppierung sei zudem noch Schulungsbedarf vorhanden gewesen, weil die bis Februar 2006 besuchten Seminare diesen Themenkreis noch nicht berührt hätten, sondern lediglich einführenden Charakter gehabt hätten.

Der Antragssteller (Betriebsrat) hat beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, den Antragsteller von der Zahlungspflicht im Umfang von 3.558,18 € gegenüber der AB GmbH in A-Stadt freizustellen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die durchgeführte Schulung sei überflüssig gewesen, weil XY bereits zum 01.01.2006 eingeführt worden sei. Ein durchgeführtes Seminar zu den Grundlagen habe daher keinen Sinn mehr gemacht, allenfalls nützliche Kenntnisse vermittelt. Das Seminar habe sich schon nach der Themenstellung nur auf Vorbereitungsgegenstände der XY-Einführung bezogen, weil in der Schulungsmitteilung unmissverständlich dargestellt sei, dass Ausgangssituation die anstehende Umsetzung des Entgeltrahmenabkommens in der Metall- und Elektroindustrie sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die umfangreiche tatbestandliche Darstellung des angefochtenen Beschlusses, dort Seite 1-9, Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Antragstellerin verpflichtet, den Betriebsrat von der Zahlungspflicht gegenüber der AB GmbH freizustellen und im Wesentlichen ausgeführt, konkreter Schulungsbedarf habe bestanden, der noch nicht durch vorangegangene Schulungen ausgeglichen worden sei, weder aufgrund bereits bestehender Kenntnisse noch aufgrund der erfolgten XY-Einführung im Betrieb habe sich der Schulungsbedarf erledigt. Hierzu hat das Arbeitsgericht im Einzelnen Ausführungen gemacht, auf die ebenfalls verwiesen wird.

Der Beschluss wurde der Arbeitgeberin am 27. Dezember 2006 zugestellt. Sie hat hiergegen am 25. Januar 2007 Beschwerde eingelegt und diese Beschwerde mit am 26. Februar 2007 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Arbeitgeberin greift die Auffassung des Arbeitsgerichts im Einzelnen mit der Begründung an, wonach die Schulung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich gewesen sei. In der Entscheidung des Arbeitsgerichts sei an keiner Stelle zu entnehmen, welches die Aufgaben des Betriebsrates eigentlich hätten sein sollen, deren Erledigung ohne die fragliche Schulungsmaßnahme der Betriebratssachen fachgerecht nicht hätte erfüllen können. Die Beteiligung des Betriebsrates war zum Zeitpunkt der Schulungsveranstaltung längst abgeschlossen und habe daher die Erforderlichkeit nicht mehr begründen können. Zwar sei es zutreffend, wenn das Arbeitsgericht in der Begründung an einigen Stellen anklinge lasse, dass noch kein abschließendes/angemessenes Wissen über XY vorhanden sei und im Besonderen dem Vorsitzenden erkennbar die Wissensbasis fehle, um einzelne Teilkenntnisse selbst sachgerecht miteinander in Beziehung zu setzen, es sei möglicherweise auch sinnvoll zu versuchen, die versäumten Qualifizierungsmodule anderweitig nachzuholen, erforderlich im Rechtssinne seien diese jedoch nicht. Das Stadium der Inangriffnahme der Tarifeingruppierungsumsetzungen im Februar 2006 sei längst vorbei gewesen. Die Argumentation des Arbeitsgerichts, die Kenntnisvermittlung sei durch die Umstellung zum 01.01.2006 noch nicht vollständig erledigt gewesen, weil das Tarifwerk die betriebliche Lohngestaltung auf unabsehbare Zeit habe prägen sollen, könne ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung führen. Dabei werde übersehen, dass die Aufgaben des Betriebsrates in naher Zukunft anstehen müssen und die rein theoretische Möglichkeit, dass eine ähnliche Problematik im Betrieb wieder auftauchen könne, für die Annahme der Erforderlichkeit nicht genüge. Die Arbeitgeberin habe in absehbarer Zeit bei den zur Zeit mehr als an 200 anhängigen Beschlussverfahren nicht die Absicht, Arbeitsabläufe und Inhalte wieder zu verändern um sich als Folge davon wiederum mit zahllosen Eingruppierungsbeschlussverfahren zu beschäftigen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter Aufhebung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Trier - 4 BV 15/06 - vom 18.10.2006 den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt mit Tatsachen- und Rechtsausführungen die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes im Beschwerdeverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 24.05.2007.

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87, Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Beschwerdekammer kann der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht folgen, dass die fragliche Schulung im Sinne der Bestimmungen des § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG i. V. m. § 40 BetrVG notwendig war.

§ 40 Abs. 1 BetrVG verpflichtet die Arbeitgerberin, die durch die gesetzeskonforme Amtsausübung des Betriebsrates entstehenden Kosten zu tragen. Auch bei Berücksichtigung des Einschätzungsermessens über die Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen kann nicht festgestellt werden, dass die fragliche Schulungsmaßnahme erforderlich war. Es stand keine Wissensvermittlung an, die im Hinblick auf die konkrete betriebliche Situation der sachgerechten Erfüllung gegenwärtiger oder künftig anfallender Aufgaben diente. Maßgebend hierbei sind die konkreten innerbetrieblichen Umstände der gesetzlichen Aufgabenerledigung, der spezifische Wissensstand des zu entsendenden Mitglieds wie auch die Aufgabenverteilung innerhalb des Betriebsratsgremiums.

Es müssen Fragen behandelt werden, welche entweder Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts oder des allgemeinen Arbeitsrechts vermitteln, was hier nicht vorliegt oder spezielle Rechtsfragen, die aufgrund der gegebenen und betriebsratsbezogenen Anlässe gestellt waren und über den vorhandenen Wissensstand hinaus gingen. Grundsätzlich ist ein Schulungsbedarf zu speziellen tariflichen Inhalten der mit der Umsetzung befassten Mitglieder naheliegend. Dies hat im Umkehrschluss allerdings nicht die Folge, dass ohne Prüfung der konkreten betrieblichen Situation, dem Stand der Umsetzung tariflicher Fragen im Betrieb und bereits vermittelter Kenntnisse jede Schulung z. B. zu Inhalten von XY als notwendig angesehen werden kann.

Nicht entscheidungserheblich ist die Feststellung, ob die vermittelnden Kenntnisse für die Betriebsratsarbeit nützlich waren, die vermittelnden Kenntnisse müssen vielmehr erforderlich sein, d. h. es muss festgestellt werden, dass ohne die vermittelnden Kenntnisse der Betriebsrat und seine Mitglieder, die seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Ansprüche sach- und fachgerecht nicht erfüllen können. Es kann nicht festgestellt werden, welche die Aufgaben des Betriebrates es sein sollen, deren Erledigung ohne die fragliche Schulungsmaßnahme der Betriebsrats fachgerecht nicht hätte erfüllen können. Alleine mit der grundlegenden tariflichen Veränderung in Gestalt der neuartigen Tarifsituation durch XY kann diese Erforderlichkeit nicht begründet werden. Zum einen ist hierbei zu beachten, dass die XY-Beauftragten V. und U. vom 20.02.-23.02.2005 am laufenden Einstiegsseminar teilgenommen haben, indem u. a. als Seminarschwerpunkt der Entgeltaufbau/Eingruppierung Entgeltgruppen das Eingruppierungsverfahren Beispiele einer Entgeltgruppendefinition das Verfahren der ganzheitlichen Betrachtung Entgeltstufen und Entgeltgrundsätze Gegenstand war.

Sämtliche Eingruppierungen im Betrieb waren im Mitbestimmungsverfahren des Betriebsrates abgeschlossen. Der Betriebsrat hat, wie sich aus der Vielzahl beim Arbeitsgericht anhängiger Beschlussverfahren ergibt, in einem Großteil, nämlich von 200 der Eingruppierungsfälle gegen die vom Arbeitgeber vorgenommene Eingruppierung gewandt, mit der Behauptung, diese Eingruppierung entspreche nicht den tariflichen Voraussetzungen. Er hat dabei also, da davon ausgegangen werden kann, dass er über die Tarifkenntnisse verfügt, diese vorhandenen Kenntnisse eingesetzt und in sein Mitbestimmungsverfahren eingebracht.

Dass diese gegen Ende des Jahres 2005 vorhandenen Tarifkenntnisse unzureichend waren, hat der Betriebsrat selbst nicht einmal vorgebracht, insbesondere hat er nicht dargetan, dass durch das hier streitgegenständliche Seminar ihm weitere Erkenntnisse vermittelt wurden, die einer Abweichung von den bisher gefundenen Ergebnissen tragen könnten.

Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass im Schulungsstadium die Tarif- und Eingruppierungsumsetzung im Betrieb längst durchlaufen war, ein aktueller betriebsbezogener Anlass zu einem Seminar, das sich mit dem Obersatz mit der Einführung des XY im Betriebsrat befasst nicht als erforderlich angesehen werden kann.

Die Auffassung des Arbeitsgerichts und des Betriebsrates, die Kenntnisvermittlung sei durch die Umstellung auf XY zum 01.01.2006 nicht vollständig erledigt gewesen, das Tarifwerk der tariflichen Lohngestaltung werde auf unbestimmte Zeit durch XY geprägt, kann zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen. Die Aufgaben des Betriebsrates, bei deren Erledigung Wissenslücken bestehen, deren Beseitigung durch erforderliche Schulungsmaßnahmen notwendig ist, müssen in naher Zukunft anstehen. Die rein theoretische Möglichkeit, dass eine ähnliche Problematik in dem Betrieb wieder auftauchen kann, ist für die Annahme der Erforderlichkeit nicht ausreichend.

Die Arbeitgeberin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sie tunlichst davon Abstand nehmen wird Arbeitsabläufe und Zuweisungen von Tätigkeiten zu verändern um wiederum in zahllose kostenträchtige Mitbestimmungsverfahren getrieben zu werden.

Ein aktueller betriebsbezogener Anlass für spezielle tarifrechtliche Fragen, insbesondere die Vornahme der Eingruppierung anhand betrieblicher praktischer Beispiele kann somit nach allem nicht festgestellt werden. Fehlt diese Voraussetzung, konnte die Schulungsmaßnahme auch bei dem den Betriebsrat eingeräumten Beurteilungsermessen nicht als erforderlich angesehen werden.

Die abweichende Entscheidung des Arbeitsgerichts war daher abzuändern und der Antrag des Betriebsrates zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung ergeht nicht.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nach den gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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