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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 30.11.2001
Aktenzeichen: 3 Sa 1005/01
Rechtsgebiete: KO, AFG, GmbHG, StBG, BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

KO § 107
AFG § 141 b
AFG § 141 b I
AFG § 141 b III Nr. 1
GmbHG § 64
GmbHG § 64 I
GmbHG § 84
StBG § 53
StBG § 283
StBG § 283 I Nr. 7 d
StBG § 266 a
BGB § 286
BGB § 823
BGB § 823 II
BGB § 826
BGB § 852
ZPO § 97
ZPO § 543
ZPO § 543 I
ArbGG § 72
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 3 Sa 1005/01

Verkündet am: 30.11.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 30.11.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schäfer als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter und für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 05.06.01 - Az.: 3 Ca 3472/00 - wird kostenfällig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Erstattung gezahlten Konkursausfallgeldes in Höhe von 63.936,51 DM in Anspruch.

Der Beklagte war Geschäftsführer der Firma. Am 07.01.1997 wies das Amtsgericht Ludwigshafen die vom Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Finanzamt Frankenthal, der AOK und der Firma GmbH gestellten Anträge auf Konkurseröffnung mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Konkursmasse gem. § 107 KO ab. Die Klägerin hat im April und Mai 1997 Konkursausfallgeld gezahlt für die Zeit vom 01.11.1995 bis 31.08.1996 in der Gesamthöhe von 63.936,51 DM. Mit Schreiben vom 13.08.1997, gerichtet an die zu Händen des Liquidators, hat sie insoweit den Anspruchsübergang gem. § 141 b, III Nr. 1 AFG angezeigt.

Durch Strafbefehl vom 02.09.1997 hat das Amtsgericht Ludwigshafen gegen den Beklagten eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 10,00 DM, zusammen 1.500,00 DM festgesetzt; der Strafbefehl wird damit begründet, der Beklagte habe "die Tatbestände tatmehrheitlicher Vergehen der unterlassenen Konkursantragstellung, des Bankrotts durch die unterlassene Bilanzerstellung sowie des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelts in sieben Fällen, strafbar gem. §§ 84, 64 GmbHG, 283, I Nr. 7 d, 6 266 a, 53 StBG" erfüllt.

Von diesem Strafbefehl hat die Klägerin am 29.02.1998 Kenntnis erlangt. Ihren darauf gestützten Schadensersatzanspruch hat sie mit Schreiben vom 29.07.1998 gestützt auf § 826 BGB, geltend gemacht; unter dem 27.09.2000 hat das Arbeitsgericht einen entsprechenden Mahnbescheid erlassen.

Bereits am 24.10.1995 hatte das Amtsgericht Ludwigshafen auf Antrag der Bauberufsgenossenschaft wegen rückständiger Beitragszahlungen das Konkursverfahren über das Vermögen der Firma eröffnet. Dieses Konkursverfahren wurde am 14.11.1995 aufgehoben, nachdem die Antragstellerin ihren Antrag zurückgenommen hatte, weil zwischenzeitlich ihre Betragsansprüche erfüllt waren.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Beklagte habe als Geschäftsführer bei der Firma schuldhaft den Antrag auf Konkurseröffnung verschleppt. Bei rechtzeitiger Antragstellung wäre es zu Lohnrückständen nicht gekommen und sie zur Zahlung von Konkursausfallgeld nicht verpflichtet gewesen. Der Beklagte schulde ihr deshalb wegen Konkursverschleppung nach § 64 GmbHG Schadenersatz in Höhe des gezahlten Konkursausfallgeldes.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, 63.936,51 DM einschließlich eines Verzugsschadens nach § 286 BGB in Höhe von 5 % nebst 4 % Zinsen jährlich ab dem 22.09.1998 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat durch Urteil vom 05.06.2001 den Beklagten zur Zahlung von 63.936,51 DM nebst 4 % Zinsen daraus seit dem 11.09.1998 zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543, I ZPO abgesehen; insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Beklagte hat seine nach der Höhe der Beschwer an sich statthafte Berufung innerhalb der gesetzlichen Fristen formgerecht eingelegt und begründet. Das damit zwar zulässige Rechtsmittel zeitigt in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen entspricht der Rechtslage; die Angriffe der Berufung rechtfertigen seine Abänderung nicht.

Das erkennende Gericht bezieht sich gem. § 543, I ZPO auf die eingehenden und zutreffenden Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts und beschränkt sich auf die nachfolgenden, ergänzenden Anmerkungen:

1.

Der Beklagte haftet der Klägerin gem. § 826 BGB auf Schadenersatz.

Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte seine Verpflichtung aus § 64, I GmbHG, die Zahlungsunfähigkeit ohne schuldhaftes Zögern spätestens aber 3 Wochen nach ihrem Eintritt anzuzeigen und die Eröffnung des Konkursverfahren (Insolvenzverfahrens) zu beantragen, schuldhaft verletzt hat. Diese Pflichtverletzung begründet den geltend gemachten Schadenersatzanspruch der Klägerin.

Nach nahezu einhelliger Auffassung enthält § 64, I GmbHG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823, II BGB (vgl. BGH, 26.06.1989, II ZR 289/88). Die Klägerin fällt als Leistungsträgerin von Konkursausfallgeld zwar nicht in den Schutzbereich des § 64, I GmbHG; sie kann deshalb ihren Schadenersatzanspruch nicht auf §§ 823, II BGB i.V.m. § 64, I GmbHG stützen (BGH a.a.O.). Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass in Fällen der Konkursverschleppung sich ein Schadenersatzanspruch der Bundesanstalt für Arbeit aus dem Gesichtspunkt des § 826 BGB ergeben kann. Eine sittenwidrige Schädigung des § 826 BGB liegt unter anderem vor, wenn der nach § 64, I GmbHG notwendige Konkursantrag schuldhaft verzögert wird und die daraus entstehende Schädigung der Unternehmensgläubiger zumindest billigend in Kauf genommen wird (BGH, a.a.O.).

Hier ist ein schuldhafter Verstoß des Beklagten gegen seine Verpflichtungen aus § 64, I GmbHG anzunehmen. Nach dieser Bestimmung haftet ein GmbH-Geschäftsführer, wenn er nicht unverzüglich, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft die Eröffnung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Verfahrens beantragt. Dies gilt auch, wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt. Den Geschäftsführer trifft danach die Pflicht, die finanzielle Lage der Gesellschaft dauernd zu beobachten und sich bei Anzeichen einer Krise einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Stellt er dabei eine rechnerische Überschuldung fest, muss er prüfen, ob für das Unternehmen eine positive Fortstehensprognose besteht. Gibt es begründete Anhaltspunkte für diese positive Prognose, so kann er das Unternehmen weiter betreiben.

Hier steht nach den vom Beklagten unwidersprochenen Feststellung im Strafbefehl des Amtsgerichts Ludwigshafen vom 02.09.1997 fest, dass die GmbH bereits seit 1991 mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte und spätestens ab 01.09.1994 nach Kündigung ihrer Konten und Kredite durch die Deutsche Bank zahlungsunfähig war. Dagegen spricht auch nicht, wenn der Beklagte vorträgt, er habe nur aufgrund einer zu Unrecht verweigerten Auszahlung seiner Bank in Höhe von 100.000,00 DM die Löhne und Gehälter nicht befriedigen können. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag kaum hinreichend substantiiert ist, belegt er die Zahlungsfähigkeit der vom Beklagten geführten Gesellschaft nicht. Gleiches gilt für seine Bezugnahme auf ein Grundstück im Wert von 1.050.000,00 DM. Die Versteigerung dieses Grundstücks wurde bereits 1995 betrieben und hat offenbar nicht zur Zahlungsfähigkeit der Fa. GmbH geführt. Bei der Konkurseröffnung standen jedenfalls Verpflichtungen in Höhe von mindestens 1,1 Mio. DM eine nicht werthaltige Forderung auf Zahlung einer Stammeinlage von 25.000,00 DM gegenüber; dies ergibt sich aus dem Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen vom 07.01.1997, durch den der Antrag auf Konkurseröffnung mangels Masse zurückgewiesen wurde. Dies belegt die Feststellung im Strafbefehl, dass die Zahlungsunfähigkeit der Firma GmbH schon zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt eingetreten gewesen sein muss. So geht denn auch der Beklagte selbst davon aus (Schriftsatz vom 07.11.01), dass mit der Kreditkündigung durch die Bank das wirtschaftliche Todesurteil über die Firma gesprochen gewesen sei.

Der Beklagte hatte nach allem bereits seit 1994 Anlass, die Frage der Überschuldung festzustellen. Hätte er sich dieser Prüfung unterzogen, wäre er wohl kaum zu einem anderen Ergebnis gekommen, als dies im Strafbefehl festgestellt wurde. Es gab für ihn auch keine begründeten Anhaltspunkte, für das Unternehmen eine positive Fortstehensprognose zu erstellen. Der Tatbestand einer schuldhaften Konkursverschleppung liegt deshalb zweifellos vor (vgl. BAG, 03.09.1998 - 8 AZR 189/97 - EZA Nr. 7 zu § 303 AktG).

2.

Auch die Voraussetzungen des § 826 BGB hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen. Zwar fordert § 826 BGB einen Schädigungsvorsatz; dabei genügt jedoch der bedingte Vorsatz. Es genügt, dass dem Beklagten die Möglichkeit einer Schädigung der Gläubiger bewusst war und er sie für den Fall ihres Eintritts billigend in Kauf genommen hat. Eine solche Schlussfolgerung kann auch aus den äußeren Umständen gezogen werden (BAG 03.09.98, a.a.O.). Hier sind die äußeren Umstände so beschaffen, dass bereits 1994, nach Kündigung der Kredite durch die Bank, für den Beklagten kein Zweifel an der desolaten und hoffnungslosen Situation der von ihm geführten Gesellschaft bestehen konnte. Daraus musste ihm auch bewusst sein, dass mit einer Fortsetzung der Gesellschaft eine Schädigung der Gläubiger drohte. Zu dem Vertrauen, einen Konkurs und eine Schädigung der Gläubiger vermeiden zu können, bestand seit 1994 keine Basis mehr. Daraus rechtfertigt sich der Schluss, dass der Beklagte die Schädigung auch der Klägerin zumindest billigend in Kauf genommen hat (BAG, 03.09.1998, a.a.O.). Für die Annahme eines Schädigungsvorsatzes im Sinne des § 826 BGB genügt es, wenn sich nach den äußeren Umständen die Möglichkeit einer Schädigung der Gläubiger geradezu aufdrängen musste (BAG, 10.02.99 - 5 AZR 677/97 - EZA Nr. 9 zu § 303 AktG). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Arbeitsgericht ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB erfüllt hat.

3.

Aus dieser Pflichtverletzung ist der Klägerin auch der von ihr geltend gemachte Schaden entstanden. Es ist davon auszugehen, dass bei rechtzeitiger Antragstellung auf Konkurseröffnung Lohnrückstände nicht entstanden gewesen wären, und die Beklagte deshalb auch nicht zur Zahlung von Konkursausfallgeld verpflichtet gewesen wäre. Dies folgt daraus, dass offenbar bis zum Jahr 1994 Lohnrückstände nicht entstanden waren; jedenfalls hat der Beklagte insoweit nichts vorgetragen.

Die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Forderung beruht auf den Angaben und Berechnungen der von dem Beklagten geführten Gesellschaft. Der Beklagte hat sie deshalb im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich unstreitig gestellt. Der mit seinem erstmals mit Schriftsatz vom 29.11.2001 geltend gemachte Einwand, die Klägerin mache nicht Ansprüche für den Dreimonatszeitraum des § 141 b, I AFG, sondern für einen früheren Zeitraum geltend, ist einmal verspätet und zum anderen unbegründet. Wenn das Arbeitsverhältnis bereits vor dem Insolvenzereignis sein Ende gefunden hat, so ist für die Berechnung des Konkursausfallgeldes von dem letzten Tat des Arbeitsverhältnisses drei Monate zurückzurechnen; dabei ist stets das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses maßgebend (vgl. Krause, Anm. zu BSG 22.11.94 - 10 RAR 3/92 - EZA Nr. 2 zu § 141 b AFG). In diesem Sinne hat die Klägerin, wie sie in der Berufungsverhandlung deutlich gemacht hat, ihre Ansprüche ermittelt.

4.

Auch auf die Einrede der Verjährung kann sich der Beklagte nicht berufen. Gem. § 852 BGB gilt für den Anspruch eine dreijährige Verjährungsfrist. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt (§ 852, I BGB). Dabei kommt es auf die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen an. Für den von der Klägerin gemachten Anspruch ist dies der Tatbestand der Konkursverschleppung gem. § 64 GmbHG. Von den diesem Schuldvorwurf begründenden Tatsachen hat sie jedoch unstreitig erst am 27.02.1998 Kenntnis erlangt. Erst damit war sie in der Lage, einen auf § 826 BGB gestützten Schadenersatzanspruch geltend zumachen.

II.

Das Arbeitsgericht ist nach allem zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte der Kläger ein Schadenersatz aus § 826 BGB in Höhe von 63.639,51 DM schuldet. Die Kosten seiner erfolglosen Berufung hat gem. § 97 ZPO der Beklagte zu tragen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar; zur Zulassung der Revision bestand nach den Kriterien des § 72 ArbGG kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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