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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 03.11.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 414/06
Rechtsgebiete: ArbGG, EStG, ZPO, BGB, Altersvorsorge-ZertifizierungsgG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
EStG § 10a
EStG § 10a Abs. 1
EStG § 10a Abs. 11
EStG § 82
EStG § 82 Abs. 1
EStG § 82 Abs. 1 Satz 1
EStG § 82 Abs. 2 a
EStG § 82 Abs. 2 b
EStG § 97
EStG § 97 Satz 1
ZPO § 850 e Nr. 1
ZPO § 851
ZPO § 851 Abs. 1
BGB § 611 Abs. 1
Altersvorsorge-ZertifizierungsgG § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 3 Sa 414/06

Entscheidung vom 03.11.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 2. Mai 2006 - 9 Ca 3094/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die zutreffende Berechnung des pfändungsfreien Entgeltsanspruchs der Klägerin gegenüber der Beklagten in den Monaten November, Dezember 2004, Januar, Februar, Mai und September 2005. Die Klägerin ist der Ansicht, der jeweils auf ihre Weisung von der Beklagten aus dem Nettomonatsentgelt der Klägerin in den genannten Monaten abgeführte Betrag von jeweils 80 EUR auf einen auf den Namen der Klägerin lautenden, nach dem Altersvorsorgebeiträge-Zertifizierungsgesetzes anerkannten Vertrag ("Riester-Rente) sei bei der Berechnung des Nettoeinkommens zur Ermittlung der pfändbaren Gehaltsanteile zu berücksichtigen und zu ihren Gunsten abzusetzen. Die Beklagte habe daher in den genannten Monaten insgesamt 169,42 EUR netto zuviel an die Pfändungsgläubigerin ausgekehrt. Die Beklagte vertritt die Auffassung, es handele bei den angeführten Beträgen von jeweils 80 EUR um einen Teil des zur Ermittlung des pfändbaren Betrags zugrunde zu legenden Nettoarbeitsentgelts.

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 2. Mai 2006 -9 Ca 3094/06- (Bl. 72 - 74 d.A.).

Mit dem genannten Urteil hat das Arbeitsgericht der zuletzt noch auf Zahlung von 169,42 EUR netto nebst Zinsen gerichteten Klage der Klägerin stattgegeben und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es -zusammengefasst- ausgeführt, bei den auf den Altersvorsorgevertrag der Klägerin durch die Beklagte gezahlten Beträgen handele es sich um nicht übertragbare Altersvorsorgebeiträge im Sinne des § 97 EStG, so dass diese nach § 851 ZPO unpfändbar seien. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils des Arbeitsgerichts Mainz (Bl. 75 ff. d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 4. Mai 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 24. Mai 2006 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 28. Juni 2006, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am 29. Juni 2006 begründet.

Zur Berufungsbegründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, im Gegensatz zur sog. Gehaltsumwandlung schulde der Versicherungsnehmer -hier also die Klägerin- selbst eine monatliche Beitragszahlung, wobei vorliegend die Zahlungen aus dem Nettoarbeitsentgelt erbracht würden. Bis zur Einzahlung bei der ZVK auf den Versicherungsvertrag handele es sich um Arbeitsentgelt und erst nach Einzahlung um Altersvorsorgebeiträge.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 28.6.2006 (Bl. 96 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 2. Mai 2006 -9 Ca 3094/05- abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ferner regt sie für den Fall abweichender rechtlicher Beurteilung durch das Berufungsgericht die Zulassung der Revision an.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil als rechtlich zutreffend und führt im Wesentlichen aus:

§ 82 Abs. 2 a und b EStG belege, dass der Gesetzgeber die für eine sog. Riesterrente aufgewendeten Beiträge denen bei einer Vorsorge durch Entgeltumwandlung habe gleichsetzen wollen. Der Wille des Gesetzgebers sei vor diesem Hintergrund dahingehend zu verstehen, dass diese freiwillige Säule im Rentensystem mit einem hohen Schutz vor Zugriffen Dritter, so auch durch Pfändung ausgestattet werden sollte. Die von ihr aufgrund vertraglicher Verpflichtung an die ZVK D. abzuführenden Beträge stünden ja auch als Einkommensanteile nicht mehr zur Verfügung. Die Auffassung der Beklagten, erst wenn die Beiträge bei der ZVK eingezahlt seien, gehörten sie -da nicht übertragbar und damit nicht pfändbar- zu den besonders geschützten Altersvorsorgebeiträgen, könne schon deshalb nicht zutreffen, weil es sich ab der Einzahlung schon nicht mehr um eine Forderung des Arbeitnehmers, die gepfändet werden könne, handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 1. August 2006 verwiesen (Bl. 107 ff. d.A.).

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach Zulassung der Berufung durch das Arbeitsgericht an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 169,42 EUR netto nebst Zinsen verurteilt, da in dieser Höhe noch Vergütungsansprüche der Klägerin nach § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung bestehen. Diese sind nicht durch entsprechenden Zahlungen an die Pfändungsgläubigern durch Erfüllung erloschen. Die Berufungskammer folgt der Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils und stellt dies bezugnehmend auf § 69 Abs. 2 ArbGG hiermit fest. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren ist ergänzend Folgendes anzumerken:

1. Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt der Beklagten, dass es sich bei den Beiträgen, die die Beklagte auf den nach dem Altervorsorgebeiträge-Zertifizierungsgesetz abgeschlossenen Vertrag zwischen der Klägerin und ZVK D. gezahlt hat, um Leistungen aus dem Nettoarbeitsentgelt der Klägerin und deren eigene Altersvorsorgebeiträge gehandelt hat und nicht - wie im Falle der Begründung einer Versorgung durch Entgeltumwandlung (§§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 1 a BetrAVG) - um Leistungen der Beklagten. Die Beklagte hat die an die ZVK abgeführten Beträge auf Weisung der Klägerin an die ZVK erbracht, so dass sich die Zahlungen als Leistung der Klägerin darstellen. Zutreffend ist auch, dass damit die Begründung des Bundesarbeitsgericht (BAG 17.2.1998 -3 AZR-, EzA § 850 ZPO Nr. 5) hinsichtlich der Unpfändbarkeit von Versicherungsprämien einer im Wege der Gehaltsumwandlung durchgeführten Direktversicherung zugunsten des Arbeitnehmers nicht auf Beiträge auf Verträge nach dem Altervorsorgebeiträge-Zerifizierungsgesetz übertragen werden können, bei denen es an einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dahingehend, dass entweder zusätzlich zum Arbeitseinkommen oder anstelle einer ansonsten höheren Barlohnvergütung ein Versorgungsversprechen treten soll, fehlt.

2. Mit dem Arbeitsgericht ist die Berufungskammer aber der Auffassung, dass die vom Arbeitnehmer auf einen nach dem Altervorsorgebeiträge-Zerifizierungsgesetz anerkannten Vertrag geleisteten Beiträge in maximaler Höhe des jeweils steuerlich begünstigten Betrages pro Kalenderjahr (§ 82 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 10 a Abs. 1 EStG: in den Jahren 2004 und 2005 jeweils 1.050 EUR) trotz der Tatsache, dass sie aus dem Nettoarbeitseinkommen des Arbeitnehmers geleistet werden, nach § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 97 Satz 1 EStG unpfändbar sind und daher bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens außer Betracht bleiben.

a) Gem. § 97 Satz 1 EStG sind das nach § 10a EStG oder Abschnitt XI EStG geförderte Altersvorsorgevermögen einschließlich seiner Erträge, die geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge und der Anspruch die Zulage nicht übertragbar. Nach § 82 Abs. 1 EStG sind geförderte Altersvorsorgebeiträge im Rahmen der in § 10 a EStG genannten Grenzen Beiträge, die der Zulageberechtigte zu Gunsten eines auf seinen Namen lautenden Vertrages leistet, der nach § 5 des Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes zertifiziert ist. Gem. § 82 Abs. 2 a EStG gehören zu den Altersvorsorgebeiträge auch die aus dem individuell versteuerten Arbeitslohn des Arbeitnehmers geleisteten Beiträge an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung. Festzuhalten ist damit zunächst, dass es sich bei den durch die Beklagte geleisteten Beitragszahlungen der Klägerin an die ZVK um Altersvorsorgebeiträge im Sinne der genannten Bestimmungen handelt. Unschädlich ist insoweit in Übereinstimmung mit dem vom Arbeitsgericht auszugsweise zitierten Erlass des schleswig-holsteinischen Finanzministeriums vom 28. Juli 2003, dass die Zahlungen "ohne Umweg" über die Klägerin von der Beklagten vorgenommen wurden. Wie bereits ausgeführt, lag eine sog. Anweisungslage vor, so dass sich die Zahlungen der Beklagten rechtlich als Erfüllung der Gehaltsverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin und aus Sicht der ZVK als Leistungen der Klägerin darstellen.

b) Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten sind diese Beiträge der Klägerin nach § 97 Satz 1 i.V.m. § 82 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht erst dann unübertragbar, wenn sie an das zertifizierte Versicherungsunternehmen gezahlt wurden, sondern in Höhe der steuerlich geförderten Beträge auch im Vorfeld.

Dies ergibt sich zunächst schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 97 Satz 1 EStG. Dort wird unterschieden zwischen dem geförderten Altersvorsorgevermögen und den geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträgen. Das Altersvorsorgevermögen ist dabei das bereits angesammelte Kapital aufgrund der Beitragsleistungen, während die Beitragszahlungen die regelmäßig wiederkehrenden Zahlungspflichten kennzeichnen. Träfe die Auffassung der Beklagten zu, hätte es der Erwähnung der laufenden Beitragszahlungen neben dem Altersvorsorgevermögens nicht bedurft, da der gezahlte Beitrag mit seinem Eingang beim Versorgungsträger Teil des Altersvorsorgevermögens wird und schon nach dieser Alternative des § 97 EStG vor Übertragung (und damit Pfändung) geschützt wäre.

Dieses Verständnis entspricht nach den Gesetzesmaterialien dem Willen des Gesetzgebers. Die nach dem Regierungsentwurf regelungstechnisch zunächst als § 10a Abs. 11 EStG vorgesehene, nunmehr in § 97 EStG aufgenommene Regelung wurde auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (vgl. BT-Drs. 14/5146, S. 125) geändert und hat in der geänderten Fassung Eingang in § 97 EStG gefunden. In dem Bericht des Ausschusses (BT-Drs. 14/1510, S. 37) heißt es insoweit zur Begründung u.a.:

"Sowohl das im Rahmen der steuerlichen Förderung angesammelte Kapital als auch die steuerlich geförderten laufenden Beiträge und die Zulagen sind nicht übertragbar und unterliegen damit -wie Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung- einem Pfändungsschutz. Abtretung, Verpfändung und Aufrechnung sind gleichermaßen ausgeschlossen.

....."

In Höhe des steuerlich förderbaren Betrages sollte also eine pfändungsrechtliche Gleichstellung mit den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung herbeigeführt werden, die nach § 850 e Nr. 1 ZPO bei Berechnung des Pfändbaren Einkommens nicht mitzurechnen sind. Durch die Förderung privater, auch arbeitnehmerfinanzierter Altersvorsorgeleistungen sollten zudem die absehbaren Unzulänglichkeiten der allein umlagefinanzierten Rentenversicherung kompensiert werden und diese und die weiteren Sozialversicherungssysteme entlastet werden, so dass es auch vor diesem Hintergrund einleuchtend ist, nicht nur bereits angespartes Altersvorsorgevermögen zu schützen, sondern durch Schaffung eines vorgelagerten Schutzes den Aufbau eines Altersvorsorgevermögens in bestimmten Grenzen überhaupt erst zu ermöglichen.

c) Durch dieses Auslegungsergebnis wird auch nicht die Gefahr missbräuchlicher Gestaltungen gefördert. Wie ausgeführt, greift der Pfändungsschutz nach § 851 Abs. 1 ZPO, §§ 97, 82 Abs. 1, 10a Abs. 1 EStG im Rahmen der durch den Versorgungsvertrag begründeten Beitragspflichten nur bis zur Grenze der steuerlich förderbaren Höchstbeträge. Er ist damit betragsmäßig begrenzt.

Auch ergeben sich für den Arbeitgeber als Schuldner keine unzumutbaren Schwierigkeiten bei der Ermittlung des pfändbaren Arbeitseinkommens: Als arbeitsvertragliche Nebenpflicht obliegt es dem Arbeitnehmer, zumindest auf entsprechende Rückfrage des Arbeitgebers die zur Ermittlung des pfändbaren Arbeitseinkommens erforderlichen Auskünfte zu geben, also mitzuteilen, ob ein Vertrag, auf den Altersvorsorgebeiträge im Sinne des § 82 EStG gezahlt werden können existiert, welcher Beitrag vereinbart ist und der Nachweis der Beitragszahlung.

III.

Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen. Die Kammer hat die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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