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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 04.03.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 775/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 779
BGB § 779 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 08.11.2007 - Az: 4 Ca 1574/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.619,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Mit dem Schreiben vom 17.01.2007 (Bl. 4 f. d. Beiakte - 8 Ca 155/07 -; folgend: Beiakte) hatte die Beklagte der Klägerin in erster Linie außerordentlich-fristlos und hilfsweise außerordentlich unter Einhaltung der längsten tariflichen Kündigungsfrist zum 30.09.2007 gekündigt. In dem Kündigungsschreiben heißt es u.a.:

"Per Zufall wurde am 04.01.2007 eine Unmenge - Ihrem Aufgabenbereich zugeordnete - Sachbearbeitung im Datenvernichtungscontainer gefunden. Hierbei handelte es sich um Sachbearbeitung der ca. letzten drei Monate ...

... Während dieser Überprüfung fanden wir in Ihrem Schreibtisch weitere unerledigte Sachbearbeitung. ...

Eine weitere Überprüfung ergab, dass vorgenannte Unterlagen Ihrem Bereich zugeordnet waren. Hierbei handelte es sich um Sachbearbeitung der ca. letzten sechs Monate. ...

Zur Information sei an dieser Stelle erwähnt, dass es sich bei der ersten Angelegenheit ("Containerfund") um einen Verdachtsfall, beim zweiten Thema ("Schreibtischfund") um erwiesene Nichterledigung der Ihnen zugeteilten Sachbearbeitung handelt. ...

Das Vertrauensverhältnis ist aufgrund der geschilderten Umstände nachhaltig und endgültig gestört. ...".

In der Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 28.02.2007 - 8 Ca 155/07 - (dort S. 2 = Bl. 24 d. Beiakte) heißt es u.a.:

"Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärt die Beklagte, dass an den Gründen, die zum Ausspruch der Kündigung geführt haben, nicht weiter festgehalten werde. Die Parteien sehen ihr Vertrauensverhältnis infolge des Prozesses derart als zerrüttet an, dass sie es unter Einhaltung der Auslauffrist beenden wollen.

Die Parteien schließen folgenden Vergleich:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund außerordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung mit Auslauffrist zum Ablauf des 30.09.2007 sein Ende finden wird.

2. ...

...".

(- Auf den weiteren Vergleichsinhalt wird verwiesen: Bl. 24 f. d.Beiakte).

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 08.11.2007 - 4 Ca 1574/07 - (dort S. 2 ff. = Bl. 55 ff. d.A.). Das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts ist der Klägerin am 21.11.2007 zugestellt worden. Die Klägerin hat gegen das vorbezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts am 14.12.2007 Berufung eingelegt und diese am 07.01.2008 mit dem Schriftsatz vom 04.01.2008 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 04.01.2008 (Bl. 87 ff. d.A.) Bezug genommen.

Dort führt die Klägerin u.a. aus, dass der Hinweis des Arbeitsgerichts auf die Entscheidung des BAG, 28.06.2000 - 7 AZR 904/98 - nicht überzeuge. Die Grundsätze des zitierten BAG-Urteils würden (den vorliegenden Fall) gerade nicht treffen. Bei einer betriebsbedingten Kündigung - so meint die Klägerin - sei eine nachträgliche Entwicklung, die eine Weiterbeschäftigung des Gekündigten möglich mache, eher untypisch. Bei einer Verdachtskündigung müsse der Arbeitgeber (hingegen) damit rechnen, dass nach Ausspruch der Kündigung Elemente eintreten, die den Verdacht in anderem Lichte erscheinen lassen. Wolle der Arbeitgeber auch diese Situation abgelten, so müsse dies im Vergleich ausdrücklich zum Ausdruck gebracht worden sein. Die Klägerin verweist auf die Äußerung ihres Prozessbevollmächtigten im Termin vom 28.02.2007 - 8 Ca 155/07 -, wonach die Klägerin an ihrer Unschuld festhalte und der Vergleich ausschließlich unter Berücksichtigung der Tatsache geschlossen werde, dass das Gericht sich "bereits in so hohem Maße festgelegt" habe.

Soweit das Arbeitsgericht ausführe, dass alleine der Eingang zweier anonymer Schreiben nicht zwingend den Wegfall des Verdachtes gegen die Klägerin zur Folge habe, ist dies nach Ansicht der Klägerin - nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen auf Seite 5 f. der Berufungsbegründung (= Bl. 91 f. d.A.) - richtig und falsch zugleich. Maßstab für den Wiedereinstellungsanspruch müsse sein - so macht die Klägerin weiter geltend -, zu welcher Entscheidung ein vernünftiger Arbeitgeber kommen würde, wenn er - die neu hinzugetretenen Elemente - bei Ausspruch der Kündigung gekannt hätte. Nehme man die nachträglich aufgetauchten anonymen Schreiben hinzu, so stelle sich ein völlig anderes Bild dar. Die Klägerin bringt vor, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die beiden (anonymen) Schreiben nicht zu ignorieren, sondern weitere Untersuchungen anzustellen.

Ergänzend äußert sich die Klägerin im Schriftsatz vom 25.02.2008 (Bl. 119 d.A.), worauf ebenfalls verwiesen wird.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 08.11.2007 - 4 Ca 1574/07 - aufzuheben,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin unter Anrechnung bisheriger Betriebszugehörigkeit als Sachbearbeiterin zu beschäftigen; bezüglich des Zeitraumes (vom) 01.10.2007 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand;

3. die Beklagte zu verurteilen, das Angebot der Klägerin vom 08.08.2007 auf Wiederherstellung des bisherigen Arbeitsvertrages zu den bisherigen Arbeitsbedingungen unter Anrechnung bisheriger Betriebszugehörigkeit anzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Berufung bereits für unzulässig und verteidigt im übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 11.02.2008 (Bl. 114 ff. d.A.), worauf verwiesen wird.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt, - auch auf den des Verfahrens - 8 Ca 155/07 - verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die von der Beklagten vorgebrachten Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung greifen nicht durch. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.

II. 1. Die Klägerin hat ihre Antragsstellung im Berufungsverfahren in zulässiger Weise geändert. Die Klage erweist sich (aber auch) mit den geänderten Anträgen als unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin zu beschäftigen. Eine Anrechnung bisheriger Betriebszugehörigkeit kommt nicht in Betracht. In der Zeit ab dem 01.10.2007 hat kein Arbeitsverhältnis (mehr) bestanden. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, das Vertragsangebot der Klägerin vom 08.08.2007 anzunehmen.

2. Dazu im einzelnen:

a) Der (ursprüngliche) Arbeitsvertrag, der seinerzeit zur Einstellung der Klägerin im Jahre 1973 geführt hat, stellt keine Anspruchsgrundlage für das Beschäftigungsbegehren der Klägerin dar. Das damals begründete Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung mit Ablauf des 30.09.2007. Darauf haben sich die Parteien durch Vertrag, - nämlich durch den gerichtlichen Vergleich vom 28.02.2007 - 8 Ca 155/07 - geeinigt. Der Vergleich ist wirksam zustande gekommen. Er ist weder nichtig, noch ist er wirksam angefochten worden. Zutreffend im Ergebnis hat das Arbeitsgericht (auch) eine Unwirksamkeit im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB verneint. Eine derartige Unwirksamkeit kommt dann in Betracht, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags/Vergleichs als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht. Einen derartigen "Sachverhalt" haben die Parteien bei dem Vergleichsabschluss vom 28.02.2007 jedoch gerade nicht vorausgesetzt. Dies gilt auch dann, wenn man den Begriff "Sachverhalt" in diesem Zusammenhang nicht wörtlich versteht, - sondern auch die von den Parteien aus einem Tatbestand gezogenen und als feststehend betrachteten Rechtsfolgen einbezieht. Die Klägerin hat damals - unstreitig - (weiter) ihre Unschuld beteuert, - so dass die Parteien damals von einer als feststehend betrachteten Rechtsfolge aus möglichen Pflichtwidrigkeiten der Klägerin gerade nicht ausgegangen sind. In Betracht kam die Möglichkeit von Pflichtwidrigkeiten der Klägerin im Sinne einer ungeklärten Rechtslage, die im Prozess zur Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses geführt hatte. Genau diese Ungewissheit über ihr Rechtsverhältnis haben die Parteien dann im Termin vom 28.02.2007 im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt. Auf einen (möglichen) Irrtum der Vertragsschließenden über ungewisse Umstände, seien sie tatsächlicher oder rechtlicher Art, die der Vergleich gerade beheben will, findet die Unwirksamkeitsregel des § 779 BGB keine Anwendung. Dies ist anerkanntes Recht (BAG, 15.09.2004 - 4 AZR 9/04 -).

b) Keine Anspruchsgrundlage für das Beschäftigungsbegehren der Klägerin stellt ein erst noch abzuschließender Arbeitsvertrag dar. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass sie wieder eingestellt wird, - d.h. darauf, dass die Beklagte das Angebot der Klägerin vom 08.08.2007 annimmt.

aa) Zwar sind Fallgestaltungen denkbar, bei denen es die Interessenwahrungspflicht des Arbeitgebers diesem gebieten kann, mit einem Arbeitnehmer, der an sich aufgrund Kündigung und/oder Aufhebungsvertrag/Vergleich aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder ausgeschieden ist, einen sogenannten "Fortsetzungsvertrag" abzuschließen. Eine derartige Verpflichtung des Arbeitgebers kommt jedoch nur ausnahmsweise in Betracht. Vorliegend ist ein derartiger Ausnahmefall nicht gegeben.

Der Sach- und Streitstand, wie er sich am 28.02.2007 bei Abschluss des gerichtlichen Vergleiches - 8 Ca 155/07 - darstellte, hat sich nachträglich, wenn überhaupt, dann nur unwesentlich verändert. Zu den Voraussetzungen eines Wiedereinstellungsanspruches gehört aber eine nachträgliche Änderung der maßgeblichen Umstände. Dies ergibt sich aus der Herleitung und Begründung des Wiedereinstellungsanspruches, wie sie die höchstrichterliche Rechtsprechung jeweils vornimmt. Demgemäß wird der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers als Korrektiv zum kündigungsrechtlichen Prognoseprinzip verstanden, wie es nach h.M. in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB normiert ist.

Eine Veränderung des Sach- und Streitstandes seit dem 28.02.2007 kommt hier allenfalls bei Berücksichtigung der beiden anonymen Schreiben (Bl. 7 d.A. und Bl. 32 d.A.) in Betracht. Alleine durch diese beiden Schreiben haben die maßgebenden Umstände jedoch keine wesentliche Veränderung erfahren. Darauf hat bereits zutreffend das Arbeitsgericht abgestellt. Die Berufungskammer macht sich die diesbezüglichen Entscheidungsgründe unter Ziffer I. 4. b) und c) des Urteils vom 08.11.2007 - 4 Ca 1574/07 - (dort S. 7 f.) zu eigen und stellt dies hiermit bezugnehmend gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigt eine von der rechtlichen Beurteilung des Arbeitsgerichts abweichende rechtliche Bewertung nicht. Gerade wegen der Anonymität der Person des Verfassers bzw. Urhebers der beiden Schreiben muss weiter von einer im wesentlichen unverändert fortbestehenden Situation ausgegangen werden, wie sie im Verhältnis der Parteien bereits bei Vertragsabschluss am 28.02.2007 bestanden hat (s. dazu insbesondere die präambelartigen Erklärungen, die die Parteien am 28.02.2007 vor Vergleichsabschluss gemäß S. 2 der Sitzungsniederschrift - 8 Ca 155/07 - abgegeben haben: "... Vertrauensverhältnis derart ... zerrüttet, dass ...."). Der in den beiden anonymen Schreiben geschilderte Sachverhalt kann zutreffend sein oder auch nicht. Die Schreiben haben deswegen das für die ordnungsgemäße Durchführung eines Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen nicht wieder hergestellt. Vielmehr ist von einer anhaltenden Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses auszugehen.

bb) Schließlich teilt die Berufungskammer bei Berücksichtigung der Auslegungsgrundsätze, die zu den §§ 133, 157 und 779 BGB entwickelt wurden, die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung des Vergleichs vom 28.02.2007 dahingehend, dass ein Wiedereinstellungsanspruch nach dem Willen der Parteien ausgeschlossen sein sollte. Zu diesem Auslegungsergebnis führt die Berücksichtigung der seinerzeitigen Interessenlage der Parteien und der Begleitumstände, wie sie sich am 28.02.2007 bei Vergleichsabschluss darstellten. Die Parteien haben damals den Streit um die Wirksamkeit der Kündigung vom 17.01.2007 im Wege eines gegenseitigen Nachgebens beigelegt. Einen irgendwie gearteten Vorbehalt hat die Klägerin im Vergleichswortlaut nicht zum Ausdruck gebracht. Vielmehr hat sie sich vorbehaltlos mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2007 einverstanden erklärt. Vom objektiven Erklärungsempfängerhorizont aus betrachtet durfte die Beklagte dieses Einverständnis der Klägerin so verstehen, dass damit die arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien mit Ablauf des 30.09.2007 ein für allemal beendet sein sollten und ein Wiedereinstellungsanspruch ausgeschlossen war. Darin besteht der objektive Erklärungswert des Vergleichswortlautes und des Verhaltens der Klägerin.

III. Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Klägerin tragen.

Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann von der Klägerin nach näherer Maßgabe des § 72a ArbGG und unter den dort genannten Voraussetzungen selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt oder Bundesarbeitsgericht, Postfach, 99113 Erfurt, Telefaxnummer: 0361/26 36 - 2000 einzulegen. Darauf wird die Klägerin hingewiesen. Derzeit findet gegen das vorliegende Urteil die Revision nicht statt.

Ende der Entscheidung

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