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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 07.11.2003
Aktenzeichen: 3 Sa 850/03
Rechtsgebiete: ArbGG, ArbZG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 69
ArbGG § 72
ArbZG § 3
ArbZG § 3 I S. 2
ArbZG § 7 I Ziff. 1 a
ArbZG § 15 I Ziff. 1
ArbZG § 15 II
ZPO § 97
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 3 Sa 850/03

Verkündet am: 06.01.2004

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Ausw. Kammern Bad Kreuznach, vom 17.04.03 - Az.: 5 Ca 1628/02 - wird kostenfällig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist seit 1988 als Kraftfahrer an der Artillerieschule der Bundeswehr in A-Stadt beschäftigt. Er erhält eine Vergütung von 13,00 € pro Stunde. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) vom 06.1.21995 Anwendung.

Der Kläger will festgestellt wissen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, bei Manövern und Übungen seine tägliche Arbeitszeit auf mehr als zehn Stunden zu bestimmen. Er nimmt drei bis viermal im Jahr an sechsunddreißigstündigen Manövern teil. Dabei hat er ein Kettenfahrzeug mit einem Zeitaufwand von ca. fünfundzwanzig Minuten zum Truppenübungsplatz zu fahren. Dazu hat er mehrfach Positionswechsel mit dem Fahrzeug vorzunehmen. Zwischen den Positionswechseln wird er nicht in Anspruch genommen. Die Nacht verbringt er in einer Kaserne; von dort wird er am Morgen abgeholt und zum Übungsplatz gebracht. Nach Beendigung der Übung hat er das Kettenfahrzeug wieder zum Standort zurückzuführen.

In die Arbeitszeit des Klägers fällt Arbeitsbereitschaft mit einem Anteil von 35 - 50 %. Es ist unstreitig zwischen den Parteien, dass während der Manöver und Übungen die Arbeitszeit inclusive Arbeitsbereitschaft mitunter zehn Stunden am Tag überschreitet.

Der Kläger hält eine mehr als zehnstündige Arbeitszeit auch bei Manövern und Übungen für unzulässig.

Er hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, bei Manövern und Übungen eine tägliche Arbeitszeit auf mehr als zehn Stunden zu bestimmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt sich auf den Stundpunkt, nach der Anlage 1 zum MTArb sei sie berechtigt, abweichend von § 3 ArbZG die Arbeitszeit bei Manövern und Übungen über zehn Stunden werktäglich auch ohne Ausgleich zu verlängern, da in die Arbeitszeit des Klägers regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft falle.

Das Arbeitsgericht Mainz hat durch Urteil vom 17.04.2003 die Klage abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 4.056,00 € festgesetzt.

Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69 ArbGG abgesehen; insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger hat seine nach der Höhe der Beschwer an sich statthafte Berufung innerhalb der gesetzlichen Fristen formgerecht eingelegt und begründet. Das damit zwar zulässige Rechtsmittel zeitigt in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Das erkennende Gericht bezieht sich auf die eingehende Begründung des Arbeitsgerichts und beschränkt sich gem. § 69 ArbGG auf die nachfolgenden, ergänzenden Anmerkungen:

1.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte berechtigt ist, anlässlich von Manövern und Übungen die tägliche Arbeitszeit des Klägers auf mehr als zehn Stunden festzulegen.

Nach § 3, I S. 2 ArbZG kann die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden ( § 3, 1 S. 1 ArbZG) auf zehn Stunden verlängert werden, wenn in der Folgezeit ein Ausgleich geschaffen wird. Nach § 7, I Ziff. 1 a ArbZG kann auch die Zeitgrenze von zehn Stunden überschritten werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt und ein Tarifvertrag diese Verlängerung vorsieht. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. In die Arbeitszeit des Klägers fällt in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft. Die von der Beklagten praktizierte Arbeitszeitverlängerung ist auch tarifvertraglich gedeckt. Nach der Anlage 1 zum MTBArb kann, wenn Arbeiter aus dringenden dienstlichen Gründen an Manövern und ähnlichen Übungen teilnehmen, deren tägliche Arbeitszeit auch abweichend geregelt werden. Nach der vom erkennenden Gericht geteilten Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 22.03.1978 - 4 AZR 663/76 - AP Nr. 4 zu § 17 BAT) haben die Tarifpartner zu Zeiten der Manöver und ähnlicher Übungen dem Arbeitgeber die Möglichkeit eingeräumt, die Arbeitszeit des Arbeiters unabhängig von einer Arbeitszeitgrenze im Wege des Direktionsrechts zu regeln. An dieser noch zur früheren Arbeitszeitordnung ergangenen Entscheidung hält das BAG auch in seinem Urteil vom 16.05.2002 (6 AZR 208/01, NZA 2003, 164 f) fest. Danach soll die Anlage 1 zum MTArb eine Grundlage dafür schaffen, für Arbeiter, die aus dringenden dienstlichen Gründen an Manövern teilnehmen müssen, übungskonforme Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Die Arbeit unter Manöverbedingungen folgt danach anderen Anforderungen, als die reguläre Arbeit. Der Arbeitsbedarf ist nicht vorhersehbar.

Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Dass die Teilnahme des Klägers an Manövern dringenden dienstlichen Gründen entspricht, wird auch von ihm selbst nicht in Abrede gestellt. Die Entscheidung der Beklagten, bei Manövern teilweise Arbeitnehmer statt Soldaten einzusetzen, ist als Ausfluss der unternehmerischen Freiheit von den Gerichten, hinzunehmen.

2.

Dem Arbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass sich auch aus § 15, I Ziff. 1, II ArbZG ein Recht der Beklagten ergibt, die Arbeitszeit über die Arbeitszeitgrenze des § 3 ArbZG festzusetzen. Dass die anderweitige Festsetzung der Arbeitszeit im öffentlichen Interesse dringend nötig ist (§ 15, II ArbZG), hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 16.05.2002 zutreffend dargelegt. Letztlich bedarf dies hier jedoch keiner Entscheidung, da nach den obigen Ausführungen sich die Berechtigung der Beklagten zur Festlegung der Arbeitszeit auf mehr als zehn Stunden am Tag bereits aus § 7, I Ziff. 1 a ArbZG ergibt.

3.

Auch auf die EG-Richtlinie 93/104 vom 23.11.1993 kann der Kläger seinen Anspruch nicht stützen. Diese Richtlinie gilt nach Art. 1, III für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Art. 2 der Richtlinien 89/391/EWG. Nach der Richtlinie des Rates 89/391/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit findet diese Richtlinie jedoch keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z.B. bei den Streitkräften, entgegenstehen. Bei der Teilnahme von Arbeitnehmern an militärischen Manövern liegt solch eine spezifische Tätigkeit vor, die die Anwendung der Richtlinie ausschließt. Soweit Art. 2, II Unterabs. 2 in diesem Fällen verlangt, dass der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen hat, unter Berücksichtigung der Ziele dieser Richtlinie eine größtmögliche Sicherheit und einen größtmöglichen Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte diese Verpflichtung verletzt hätte.

Im Übrigen begrenzt die Richtlinie des Rates 93/104/EG die tägliche Arbeitszeit nur insoweit, als dem Arbeitnehmer pro 24 Stunden Zeitraum eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden gewährt werden muss. Damit wird die vom Kläger geltend gemachte Zehn-Stunden-Begrenzung nicht garantiert; dass die wöchentliche Höchstarbeitszeit nach Art. 6 der Richtlinie bei der Teilnahme des Klägers an Manövern überschritten würde, ist von ihm nicht geltend gemacht und nicht Inhalt seines Antrags.

Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass Art 17 der Arbeitszeitrichtlinie die Arbeitszeitbegrenzung tarifdisponibel gestaltet. Selbst wenn also die Festlegung der täglichen Arbeitszeit bei Manövern gegen diese Richtlinie verstieße, wäre dies durch die Anlage 1 zum MTArb gedeckt.

II.

Die Klage erweist sich nach allem als unbegründet und ist vom Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen worden.

Die Kosten seiner erfolglosen Berufung hat gem. § 97 ZPO der Kläger zu tragen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar; zur Zulassung der Revision bestand nach den Kriterien des § 72 ArbGG kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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