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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 282/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 102 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau vom 27.07.2004 - AZ: 6 Ca 494/04 - wie folgt abgeändert

Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits auch des Revisionsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, welche die Beklagte mit Schreiben vom 19.04.2004 erklärt hat und über den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung.

Die Beklagte, ein Unternehmen, welches Automobilteile herstellt, hat von den insgesamt 595 gewerblichen Mitarbeitern den 55 Arbeitnehmern gekündigt, die sich aus der von ihr anhand eines Punkteschemas erstellten Liste vom 08.04.2004 (Bl. 46 d. A.) entnehmen lassen. Nach Zugang der Kündigung hat die Beklagte an den Kündigungen der Mitarbeiter Z. und X., Nr. 21 und 39 der Kündigungsliste, nicht festgehalten und diese beiden Mitarbeiter weiter beschäftigt, wobei mit zwei Arbeitnehmern, die nicht zur Kündigung angestanden haben, eine Auflösungsvereinbarung getroffen worden ist.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 27.07.2004 (Bl. 108-110 d. A.), sowie auf den Tatbestand des landesarbeitsgerichtlichen Urteils vom 28.07.2005 (Bl. 238-248 d. A.) sowie auf den Tatbestand des Urteils des Bundesarbeitsgerichtes vom 09.11.2006 (Bl. 266 Rs bis 267 Rs).

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 09.11.2006 ist davon auszugehen, dass dringende betriebliche Gründe bestehen, die eine Kündigung rechtfertigen.

Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht, so das Bundesarbeitsgericht, aus der von der Beklagten erstellten Punkteschemalösung abgeleitet werden, so dass nach Aufhebung und Rückverweisung der Sache zu klären ist, ob die Wirksamkeit der Kündigung deshalb in Zweifel zu ziehen ist, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört oder der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer nicht richtig bestimmt worden ist.

Die Beklagte trägt hierzu weiter vor,

dass man den Betriebsrat im März 2004 darüber informiert habe, dass man beabsichtige, 60 Mitarbeitern zu kündigen. Auf das Schreiben des Betriebsrates vom 26.03.2004 seien mit Schreiben vom 26. und 31.03.2004 unter Beifügung von Unterlagen die erforderlichen Informationen gegeben worden, so dass bereits im Vorfeld der konkreten Umsetzung der Kündigungsentschlüsse der Betriebsrat über die wirtschaftliche Situation, über die Einzelmaßnahmen wie Aufhebungsverträge und Arbeitnehmerkündigung als auch über Altersteilzeitverträge umfassend beginnend ab Oktober 2003 informiert gewesen sei.

Dem Betriebsrat sei sodann mitgeteilt worden, wie sich die Situation im Betrieb darstelle und mit wie vielen Mitarbeitern man künftig im produktiven Bereich arbeiten wolle. Man habe die Mitarbeiterauswahl über das Gesamtunternehmen nach den sozialen Kriterien dargelegt und insbesondere auch darüber informiert, das Mitarbeiter, die an Engpassmaschinen wie die E200 eingesetzt würden, von der sozialen Auswahl auszunehmen seien, da diese eine Schlüsselqualifikation aufweisen würden, die in einem vordefinierten Zeitraum nicht erlernbar sei.

Im Anschluss daran hätten im Zeitraum 12.01. bis 06.04.2004 verschiedene Besprechungen mit dem Betriebsrat wegen konkreten Einzelmaßnahmen stattgefunden, die auch noch im April und Mai geführt worden seien, wobei der Betriebsrat durch externe Vertreter und Sachverständige unterstützt worden sei.

Am 08.04.2004 sei dem Betriebsrat die gesamte Personalliste ausgehändigt worden und die Auswertung der vergleichbaren Mitarbeiter für zunächst 57 zu kündigende Arbeitnehmer. Am 08.04.2004 habe man also dann im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die Listen der zu Kündigenden auf 55 Mitarbeiter aktualisiert und es sei für jede beabsichtigte Kündigung ein Anhörungsschreiben mit einer ausführlichen Begründung ausgehändigt worden.

Auch habe die Beklagte die soziale Auswahl richtig getroffen, als sie die Mitarbeiter T., Z., W. und K deshalb nicht gekündigt hätten, weil diese von Anfang an an der Spezialmaschine E200 ausgebildet gewesen seien und die Tätigkeit an dieser Maschine eine abgeschlossene Ausbildung in einem einschlägigen Metallberuf voraussetze.

Die anderen benannten Mitarbeiter würden mehr Punkte nach dem Berechnungsschema aufweisen als der Kläger oder seien angesichts der Vergütungsgruppe mit dem Kläger nicht vergleichbar.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz -, AZ: 6 Ca 494/04, abzuändern und die Klage abzuweisen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits der berufungsbeklagten Partei aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Berufungsklägerin auferlegt.

Er bringt im Wesentlichen vor,

dass die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und außerdem die Kündigung wegen fehlender Sozialauswahl unwirksam sei.

Die von der Beklagten vorgelegte Liste der insgesamt 595 gewerblichen Mitarbeiter enthalte keinerlei weiteren Angaben, so dass es dem Kläger nicht möglich sei, über den bisherigen Vortrag hinaus zur Frage der Sozialauswahl Ausführungen zu machen. Die Beklagte habe ihre entsprechende Auskunftspflicht nicht erfüllt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schreiben, die nach dem 08. Mai 2007 zum Landesarbeitsgericht eingereicht wurden und die nebst deren Anlagen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist erfolgreich, weil das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Kündigung der Beklagten sozial nicht gerechtfertigt ist.

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 08.11.2006 ist durch das Berufungsgericht zu klären, ob die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG richtig durchgeführt hat und ob die von ihr vorgenommene Gruppenbildung, den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer betreffend, zu beanstanden ist.

Die Berufungskammer geht davon aus, dass die Beklagte das Anhörungsverfahren im Sinne des § 102 Abs. 1 BetrVG, die Kündigung des Klägers betreffend, ordnungsgemäß durchgeführt hat.

Angesichts der vielen Gespräche und der vorgelegten Unterlagen, die dem Betriebsrat zugegangen sind, wovon die Berufungskammer deswegen ausgeht, weil die Klägerseite dies nach Darstellung im Schreiben vom 17.08.2007 nicht mehr im Einzelnen angegriffen hat, ist eine umfassende Information der Betriebsvertretung erfolgt.

Wenn die Beklagte ausführt, dass es dem Betriebsrat in der Sitzung am 08.04.2004 gelungen ist, die Anzahl der zu Kündigenden von ursprünglich 57 Mitarbeitern auf 55 zu reduzieren, belegt dies, dass eine eingehende Auseinandersetzung mit den von der Beklagten behaupteten innerbetrieblichen Vorgängen stattgefunden haben muss, weil sich die Beklagte ansonsten auch nicht auf eine Reduzierung der Kündigungsanzahl eingelassen hätte. Aus den vorgelegten Unterlagen zum Schreiben vom 17.08.2007 ergibt sich, dass dem Betriebsrat alle die Fragen beantwortet worden sind, die er im Schreiben vom 26. März 2004 aufgestellt hat.

Auf dieser Informationsebene hat die Beklagte das Anhörungsschreiben vom 08.04.2004, den Kläger mit seinen sozialen Angaben betreffend, nebst der beigefügten Begründung dem Betriebsrat zugeleitet, so dass die Anhörung des Betriebsrates nicht zu beanstanden ist, zumal auch die als Spezialisten bezeichneten Mitarbeiter, die als nicht vergleichbar bezeichnet wurden, dem Betriebsrat neben der Namensliste mitgeteilt worden sind.

Die Diskussion der Parteien hat sich deshalb auch zuletzt darauf beschränkt, ob die Beklagte die Mitarbeiter Z., W., T. und V. zu Unrecht nicht in die Liste aufgenommen hat, in der die vergleichbaren Mitarbeiter enthalten sind (Bl. 46 und 315 - 321 d. A.).

Dabei ist festzustellen, dass der Mitarbeiter V. mit 41 Punkten nach der nicht zu beanstandenden Punkteliste schutzwürdiger als der Kläger ist, der auf 39 Punkte kommt. Aber auch bezüglich der Mitarbeiter Z., W. und T. ist festzustellen, dass die Beklagte berechtigt war, diese Mitarbeiter aus dem Kreis der vergleichbaren Mitarbeiter auszunehmen und zwar im Hinblick auf die Spezialmaschine E200. Die Beklagte hat nämlich vorgetragen, dass an dieser Maschine nur Mitarbeiter beschäftigt werden, die eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem Metallberuf aufweisen, was für die benannten Mitarbeiter insgesamt zutrifft. Da der Arbeitgeber die Anforderungsprofile der Arbeitsplätze zulässigerweise bestimmen kann, ist es hinzunehmen, dass er an der Spezialmaschine E200 nur Leute einsetzt, die eine abgeschlossene Berufsausbildung im Metallbereich aufweisen. Der Kläger kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, dass auch er hätte an der Maschine E200 anstelle der Mitarbeiter Z. und T. eingesetzt werden können, zumal der Mitarbeiter W. ebenfalls 39 Punkte aufweist und der Mitarbeiter V. mit 41 Punkten sozial besser geschützt ist als der Kläger.

Da die Beklagte also angesichts der geforderten Qualifikation zur Ausfüllung des Arbeitsplatzes zu Recht darauf abhebt, dass die dort eingesetzten Mitarbeiter eine Facharbeiterausbildung aufweisen, geht die diesbezügliche Rüge des Klägers ins Leere. Die Beklagte hat im Schreiben vom 17.08.2007 den Vortrag gebracht, den die Kammer in der Entscheidung vom 28.07.2005 (Bl. 14 der Entscheidungsgründe = Bl. 250 d. A.) noch vermisst hat. Aus diesem Grunde geht die Berufungskammer auch davon aus, dass die Beklagte ihre Darlegungslast bezüglich der angestellten Sozialauswahl erfüllt hat und es nunmehr Sache des Klägers gewesen wäre, auch aus dem größeren Kreis der auswahlrelevanten Arbeitnehmer diejenigen zu benennen, die er für weniger schutzbedürftig hält und dabei die Sozialdaten derjenigen Mitarbeiter anzugeben (LAG Hamm, Urteil vom 26.11.1998 - AZ: 4 Sa 34/98).

Nach dem Vorstehenden ist die Entscheidung des Arbeitsgerichtes abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen was dazu führt, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits insgesamt, einschließlich der Revisionskosten, aufzuerlegen, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97, 91 ZPO.

Die Kammer hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht deshalb nicht zugelassen, weil erkennbar die Vorgaben des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind, wobei der Kläger darauf hingewiesen wird, dass die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde angefochten werden kann, §§ 72 a ArbGG.

Ende der Entscheidung

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