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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 10.08.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 386/06
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 386/06

Entscheidung vom 10.08.2006

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 08.03.2006 - 1 Ca 1912/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte, soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung, einen Zahlungsanspruch in Höhe von 4.992,00 € brutto abzüglich gezahlter 240,00 € netto geltend. Er reklamiert Ansprüche aus einem faktischen Arbeitsverhältnis. Der Kläger ist am 25.05.1953 geboren und ist nach seinen Angaben in der Klageschrift geistig behindert. Er hat einen Behinderungsgrad von 30 und ist einem Schwerbehinderten gleichgestellt.

In der Zeit vom 25.10.2004 bis 31.12.2004 hat der Kläger auf Aufforderung des zuständigen Arbeitsamtes A bei der Beklagten an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme teilgenommen. Am 25.01.2005 schloss er mit der Beklagten einen Praktikumsvertrag für die Zeit vom 04.01.2005 bis 28.02.2005, dieser Vertrag wurde verlängert für die Zeit vom 01.03.2005 bis 20.06.2005. Im Rahmen dieses Praktikums erhielt er monatlich 40,00 €. Während der Zeit des Praktikums hat er Arbeitslosengeld II durch die Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit A und der Stadt A erhalten.

Er hat die Auffassung vertreten, die Praktikumsverträge seien offensichtlich sittenwidrig und unwirksam, tatsächlich habe ein faktisches Arbeitsverhältnis bestanden, für das er angemessene Vergütung beanspruchen könne. Für Handlangerarbeiten sei ein Stundenlohn von 8,00 € brutto angemessen, monatlich bei 104 zu arbeitenden Stunden zu 832,00 €. Auf die Forderung von 4.992,00 € seien 240,00 € bezahlt worden.

Durch die vorangegangene Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sei er für die Hilfsarbeiten erprobt gewesen. Für ein Praktikum ab 04.01.2005 habe kein sachlicher Grund bestanden. Die gezahlte Aufwandsentschädigung von 40,00 € sei deutlich zu niedrig.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.992,00 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2005 zu zahlen abzüglich gezahlter 240,00 €.

die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Einsatz des Klägers auch für die jeweiligen Praktika sei mit der Agentur für Arbeit abgestimmt worden. Ziel der Praktika sei gewesen, die Einübung primärer Arbeitstugenden und die Aneignung von Kompetenzen im handwerklichen Leistungsbereich dem Kläger zu vermitteln. Während der gesamten Laufzeit sei er von dem Geschäftsführer der Beklagten H pädagogisch betreut worden. Die Praktika hätten primär dem Kläger zur persönlichen Weiterentwicklung und nicht der Beklagten zur Produktivitätssteigerung gedient. Der Kläger habe wenn tatsächlich ein faktisches Arbeitsverhältnis bestanden habe, durch den Bezug von Arbeitslosengeld II sich strafbar gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 08.03.2006 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Praktikumsverträge seien wirksam. Sittenwidrigkeit liege nicht vor. Der Kläger stelle zu Unrecht darauf ab, dass er als Handlangerhilfsarbeiter bei der Beklagten beschäftigt worden sei. Er übersehe dabei, dass er nicht als Handlanger oder Hilfsarbeiter eingestellt worden sei sondern im Rahmen von Praktika für eine Zeit, in der er Arbeitslosengeld II bezogen habe. Ziel der Praktika sei die Einübung primärer Arbeitstugenden und die Aneignung von Kompetenzen in handwerklichen Leistungen gewesen. Die Praktika hätten daher primär dem Kläger zur persönlichen Weiterentwicklung und nicht der Beklagten zur Produktionssteigerung gedient. Diesem Vorbringen der Beklagten sei der Kläger nicht substantiiert entgegen getreten. Insbesondere ergebe sich nicht, dass das Ziel der Praktika nur vorgeschoben gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Das Urteil wurde dem Kläger am 18.04.2006 zugestellt. Er hat hiergegen am 11.05.2006 Berufung eingelegt und diese Berufung mit am 15.06.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Er vertritt weiter die Rechtsansicht, dass es sich um ein faktisches Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass der Kläger bei der Beklagten gearbeitet habe. Der Begriff des Arbeitsverhältnisses sei definiert als gegenseitiger Austauschvertrag, bei dem der Arbeitnehmer zur Leistung von Arbeit im Dienste des Arbeitgebers und der Arbeitgeber verpflichtet sei, das Entgelt zu entrichten. Das Entgelt müsse nicht vereinbart sein. Die Einwendung der Beklagten, es handele sich um ein Praktikumsverhältnis ohne Vergütungsvereinbarung, aber mit Fahrtkostenersatz, sei eine für sie günstige Tatsache, die sie zu beweisen habe. Deswegen habe sie die beiden Schriftstücke vorgelegt, die mit Praktikumsvertrag überschrieben seien. Der Richtigkeit des Urkundeninhalts begegneten tatsächliche und rechtliche Bedenken. Die Verträge seien unklar formuliert, weil die Tätigkeiten, die der Kläger auszuüben habe, nicht beschrieben seien. Er habe schon unstreitig während der AB-Maßnahme als Hilfsarbeiter bei der Beklagten gearbeitet. Daher stelle sich die Frage nach der sachlichen Notwendigkeit einer zweimaligen Verlängerung dieser Tätigkeiten. Die Aneignung von handwerklichen Kompetenzen bei Hilfsarbeiten in der Lagerhalle sei offensichtlich abwegig. Die Hilfsarbeitertätigkeiten wie Halle kehren und Dreck in einen Container zu werfen, seien keine handwerklichen Leistungen. Angesichts des Vortrags der Beklagten, der Kläger sei durch einen Diplompsychologen betreut worden, erschließe sich, dass damit keine Unterweisung in handwerkliche Tätigkeiten erfolgt seien. Die Verträge seien anders durchgeführt als vereinbart worden. Es liege außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass ein 52jähriger Mann für Hilfsarbeitertätigkeiten zwei Praktika von einer Gesamtdauer von 6 Monaten absolviere, ohne dass hierfür ein schwerwiegender Grund bestehe.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach dem in erster Instanz zuletzt gestellten Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Es habe zu keinem Zeitpunkt ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorgelegen, auch kein faktisches Arbeitsverhältnis. Nach Durchführung einer Maßnahme der Agentur für Arbeit habe der Kläger unbedingt weiter bei der Beklagten bleiben wollen. Daher sei auf Wunsch des Klägers in Absprache mit der Arbeitsgemeinschaft die Durchführung der streitgegenständlichen Praktika ermöglicht worden. Sinn und Zweck sei nicht die Erprobung für eine Festanstellung sondern die Einübung primärer Arbeitstugenden und Aneignung von Kompetenzen im handwerklichen Lagerwesen. Zu diesem Zweck sei der Kläger während der Dauer der Praktika von dem ehemaligen Geschäftsführer der Beklagten pädagogisch betreut worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 10.08.2006.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO). Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht Trier erkannt, dass dem Kläger aus dem Vertragsverhältnis mit der Beklagten eine weitere Vergütung nicht zusteht. Die Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren haben keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte auftreten lassen, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen könnten. Die Berufungskammer nimmt daher vollumfänglich Bezug auf den begründenden Teil des angefochtenen Urteils (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei kurz auf Folgendes hinzuweisen:

Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung sind die zwischen den Parteien unstreitig abgeschlossenen Verträge. Die Verträge vom 25.01.2005 und vom 08.03.2005, die rechtswirksam zwischen den Parteien abgeschlossen worden sind, beinhalten nicht die Verpflichtung des Klägers, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für die Beklagte tätig zu werden. Vielmehr ist Gegenstand das Absolvieren eines betrieblichen Praktikums bei der Beklagten. Geregelt ist der Einsatz, in dem der Kläger eingesetzt wird, nämlich in dem Bereich des Handwerks und die Betreuung durch Herrn H (§ 5 des Vertrages vom 08.03.2005). Eine irgendwie geartete Verpflichtung zur Arbeitsleistung hat der Kläger nicht übernommen. Ziel des Vertrages war es auch nicht, dass der Kläger der Beklagten Arbeitsleistung zur Verfügung stellt, die diese in einem Produktionsbetrieb verwerten kann. Zwar steht fest, dass u. U. ein Praktikant auch brauchbare Arbeitsergebnisse vermitteln kann, dies war aber nicht Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung der Parteien.

Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Ziel der Vereinbarung es war, den Kläger durch praktische Erfahrungen die Möglichkeit zu geben, sich wieder in das Arbeitsleben einzugliedern. Dabei spielt nicht nur die Vermittlung von handwerklichen Tätigkeiten eine Rolle sondern auch die Vermittlung sozialer Kompetenzen, also insbesondere die Schulung, sich in das soziale Umfeld eines geregelten Arbeitslebens einzugliedern, sich primäre Arbeitstugenden anzueignen und Kompetenzen in handwerklichen Leistungen. Darauf waren die Praktikumsverträge ausgerichtet.

Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte eine "billige" Arbeitskraft zu produktionstechnischen Zwecken beschaffen wollte, bestehen nicht. Hiergegen spricht insbesondere auch, dass die Maßnahme mit der Arbeitsverwaltung abgestimmt war, welche Arbeitslosengeld für die fragliche Zeit weiter zahlte. Die Beklagte hat erstinstanzlich die Schreiben an den Mitarbeiter der Agentur für Arbeit, Herrn T, vorgelegt, in welchen die Teilnehmer, darunter auch der Kläger, bezeichnet war.

Somit kann nicht festgestellt werden, dass dem Kläger über die vereinbarungsgemäß geleisteten Bezüge keine Arbeitsvergütung zustand, weder aus einem faktischen Arbeitsverhältnis noch wegen einer sittenwidrig zu niedrigen Vergütung aus einem tatsächlichen Arbeitsverhältnis.

Die Klage des Klägers wurde daher vom Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen.

Die gegen das Urteil gerichtete Berufung musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO erfolglos bleiben.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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