Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 387/05
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 387/05

Entscheidung vom 30.06.2005

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 16.12.2004 - 2 Ca 802/04 - unter Aufrechterhaltung im Übrigen teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.500 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Nettobetrag seit dem 16.05.2004 zu zahlen.

Die weitere Berufung wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger 3/4, der Beklagten 1/4 auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung sowie um Vergütungsansprüche. Seit 01.10.2003 war der Kläger bei der Beklagten als Heimleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 3.740 € beschäftigt. Über sein Vermögen ist am 09.03.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Nachdem die am 15.04.2004 fälligen Nettolöhne für März 2004 mit kurzfristiger Verspätung ausgezahlt wurden und die Sozialversicherungsbeiträge für die bei der X. Rheinland-Pfalz versicherten Mitarbeiter jedenfalls bis zum 21.04.2004 nicht gezahlt waren, fanden im Hause der Beklagten eine Betriebsversammlung statt, an der auch der Kläger teilnahm. In dieser Betriebsversammlung wurde der Kläger auch gefragt, was nun zu tun sei. Im Einzelnen ist der Ablauf dieser Betriebsversammlung streitig. Jedenfalls begleitete der Kläger am 23.04.2004 die Arbeitnehmerinnen Sch. und W. zum Amtsgericht B., wo er bei deren Antragsaufnahme auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens anwesend war und sich auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens stark machte.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 28.04.2004 das Arbeitsverhältnis fristlos, vorsorglich ordentlich.

Mit seiner Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung geltend und verlangt Vergütung für die Zeit ab 01.04.2004 bis einschließlich 30.06.2004 geltend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 16.12.2004 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe in für die Beklagte nicht hinnehmbarer Weise gegen seine arbeitsvertragliche Treue und Verschwiegenheitspflichten verstoßen. Als Heimleiter habe er eine besondere Stellung wahrgenommen, zum einen sei er Angestellter, zum anderen Vorgesetzter der im Heim tätigen Personen. Diese besondere Stellung erfordere ein gegenüber der Beklagten loyales Verhalten, das ihn verpflichtete, betriebsinterne Vorgänge, insbesondere die wirtschaftliche Situation der Beklagten vertraulich zu behandeln und sich bei Kritik der ihm nachgeordneten Arbeitnehmer schützend vor die Beklagte zu stellen und mäßigend und ausgleichend zu wirken. Diesen Anforderungen sei er nicht gerecht geworden. Er habe an der Betriebsversammlung vom 21.04.2004, bei der unverhohlen über die wirtschaftliche Situation der Beklagten gesprochen wurde, teilgenommen und die Mitarbeiter nochmals darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Beklagte die Sozialversicherungsbeiträge für Monat März 2004 nicht gezahlt habe. Dass er beruhigend oder vermittelnd auf die Anwesenden eingewirkt habe, behaupte er selbst nicht. Eine Vertragsverletzung liege bereits deswegen auch dann vor, wenn er das Wort Insolvenzantrag nicht von sich aus in die Diskussion eingebracht habe. Aus dem weiteren Verhalten des Klägers habe sich für die Beklagte ein Grund zur fristlosen Kündigung ergeben. Er habe die Zeuginnen Sch. und W. zum Amtsgericht B. begleitet, wo sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragten. Er habe sie nicht nur gefälligkeitshalber gefahren, sondern er wusste, weshalb die Zeuginnen zum Amtsgericht wollten, er habe sie dabei psychisch als auch physisch unterstützt. Zudem hätten sie auch auf seinen Wunsch hin gehandelt. Dass der Kläger selbst versucht hätte, durch eigene Gespräche mit der Geschäftsleitung Abhilfe zu schaffen, habe er selbst nicht detailliert vorgetragen. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft. Auf die weiteren Vorwürfe zur Begründung der Kündigung komme es entscheidungserheblich nicht an. Die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis zum 28.04.2004 beendet, daher stünden dem Kläger keine Vergütungsansprüche mehr für die Monate Mai, Juni und Juli 2004 mehr zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 20.04.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 11.05.2005 eingelegte Berufung, welche mit gleichem Schriftsatz begründet wurde.

Der Kläger greift das Urteil aus Tatsachen- und Rechtsgründen an. Unstreitig seien zum Zeitpunkt der Betriebsversammlung die Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt worden, damit läge der strafbare Tatbestand des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen vor. In dieser Ausnahmesituation sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, in der Betriebsversammlung das Nichtzahlen von Sozialversicherungsbeiträgen zu verschweigen. Er habe die Beklagte auch unstreitig über die finanzielle Schieflage informiert. Zwar sei das Schreiben vom 26.03.2004 an die H. gerichtet, unter dieser Adresse sei allerdings die Geschäftsführerin D. zu erreichen gewesen. Sie habe auch auf das Schreiben geantwortet.

Er sei als Heimleiter verpflichtet gewesen, den Arbeitnehmern mitzuteilen, dass die Löhne nicht pünktlich ausgezahlt werden können. Auch habe er zum Zeitpunkt der Betriebsversammlung Kenntnis darüber gehabt, dass bereits Lieferanten damit gedroht hätten, Ware wieder abzuholen und teilweise Lieferanten seit Monaten auf die Bezahlung fälliger Forderung warteten. Ihm könne daher nicht vorgeworfen werden, Mitarbeiter zum Insolvenzgericht begleitet zu haben.

Ebenfalls wäre eine Abmahnung erforderlich gewesen.

Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass ihm der Lohn für den Monat April bis Zugang der außerordentlichen Kündigung nicht gezahlt worden sei. Er sei hinsichtlich der gesamten Entgeltansprüche verfügungsberechtigt, insofern habe ihn der Insolvenzverwalter ermächtigt, Ansprüche geltend zu machen.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 16.12.2004 wird abgeändert und festgestellt, dass die fristlose Kündigung der Beklagten vom 28.04.2004 unwirksam ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten durch die fristgemäße Kündigung vom 28.04.2004 nicht aufgelöst worden ist und fortbesteht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Arbeitslohn für den Monat April 2004 in Höhe von 3.750,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Nettobetrag seit dem 15.05.2004 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Arbeitslohn für den Monat Mai in Höhe von 3.750,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Nettobetrag seit dem 15.06.2004 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Arbeitslohn für den Monat Juni in Höhe von 3.750,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Nettobetrag seit dem 15.07.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Gegenüber dem Insolvenzverwalter sei der April-Lohn abgerechnet worden. Hierbei nimmt die Beklagte Bezug auf ihr Schreiben vom 03.06.2005. In diesem Schreiben wird eine Gehaltsabrechnung vom Monat April 2004 bezeichnet, einschließlich der Urlaubsansprüche schließen mit einer Nettoauszahlung von 4.156,95 €. Der unpfändbare Betrag von 1.679,99 € sei an den Insolvenzverwalter überwiesen worden, ausweislich des Schreibens wurde mit dem Rest die Aufrechnung erklärt. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Aufrechnung auf einen Kassenfehlbestand in Höhe von 1.544,48 € beschränkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 30.06.2005.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).

Die Berufung hat jedoch nur zu einem Teil Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung der Vergütung für April 2004 vom 01. bis 28.04. in Höhe von 3.500 € brutto verlangen. Dies entspricht 28/30 der vereinbarten Bruttosumme von 3.750 €.

Die von der Beklagten im Berufungsverfahren behauptete Erfüllung der Forderung ist für die Berufungskammer nicht nachvollziehbar. Ausweislich der Abrechnung stand dem Kläger inklusive Urlaub für April ein Betrag von 4.156,95 € netto zu. Eine Darlegung, dass die auf die Bruttovergütung entfallenen gesetzlichen Abgaben abgeführt worden sind, ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht. Von den 4.156,95 € netto sind an den Insolvenzverwalter nach Darstellung der Beklagten 1.679,99 € gezahlt worden. Hierbei folgt die Kammer der Behauptung, dass dies der unpfändbare Betrag darstellt. Die Zahlung konnte jedoch mit befreiender Wirkung nicht an den Insolvenzverwalter geleistet werden, da das Insolvenzverfahren die unpfändbaren Forderungen aus Arbeitsvergütung nicht erfasst.

Gegenüber der restlichen Forderung hat die Beklagte die Aufrechnung erklärt.

Unabhängig davon, ob der zur Aufrechnung gestellte Anspruch in Höhe von 1.544,48 € besteht, kann nicht festgestellt werden, dass die mit der Klage verfolgte Vergütungsforderung des Klägers durch Aufrechnung erloschen und damit erfüllt ist. Ausweislich der Abrechnung stand dem Kläger ein Nettolohn von 4.156,95 € zu. Dies ist nahezu das Doppelte der sich aus der regulären Lohnabrechnung ergebenden Nettoforderung (nimmt man die vom Kläger vorgelegte Abrechnung für März 2004, Bl. 12 d. A.), welche bei einem Brutto von 3.750 € mit einem Netto von 2.302,13 € schließt. Damit ist festzuhalten, dass die Beklagte dem Kläger eine Vergütung zugesteht, die selbst unter Berücksichtigung eines bestehenden Gegenanspruches von 1.544,48 € den mit der Klage verfolgten Bruttobetrag von 3.500 € deutlich übersteigt. Demgemäß musste, da eine Erfüllung hinsichtlich der Lohnansprüche April nicht eingetreten ist, die Klage des Klägers erfolgreich sein und das arbeitsgerichtliche Urteil entsprechend abgeändert werden.

II.

Die weitergehende Berufung des Klägers hat jedoch keinen Erfolg.

Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung beendet wurde.

Die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung haben keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte zu Tage treten lassen, die eine Abweichung von dem Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden. Die Berufungskammer nimmt daher gem. § 69 Abs. 2 ArbGG voll umfänglich Bezug auf den begründenden Teil des angefochtenen Urteils.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht hervorgehoben, dass die Sondersituation des Klägers ihn verpflichtete, bei der unstreitig bestehenden etwas angespannten Situation mäßigend auf die Mitarbeiter Einfluss zu nehmen, interne Kenntnisse über die Zahlungsfähigkeit nicht ohne Weiteres weiterzugeben und es insbesondere als besonders illoyalen Verstoß angesehen werden muss, dass der Kläger zwei Mitarbeiterinnen dazu brachte, einen vollkommen unbegründeten Insolvenzantrag gegenüber der Beklagten zu stellen und sie damit in die Gefahr einer nachhaltigen Kreditschädigung brachte. Die Zeuginnen, die der Kläger zum Insolvenzgericht begleitete und die er nicht psychisch, sondern auch faktisch dadurch unterstützte, dass er sich sogar für die Kosten des Insolvenzverfahrens stark erklärte, hatten gegenüber der Beklagten keine nicht erfüllte Forderung. Der Hinweis auf nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge hätte allenfalls die X. veranlassen müssen, selbst Schritte zur Sicherung ihrer Forderung einzuleiten. Auf die Frage, ob die Geschäftsführerin mit der X. eine kurzfristige Stundung der Sozialversicherungsbeiträge vereinbart hatte, kam es entscheidungserheblich nicht an. Jedenfalls hat der Kläger, wie vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, in absolut loyalitätswürdiger Weise gehandelt.

Dieses Verhalten wirkt umso schwerwiegender, als der Kläger als Heimleiter praktisch der einzig ansprechbare Repräsentant der Beklagten vor Ort war. Er hätte in dieser Situation weder Arbeitnehmer unterstützen dürfen, selbst Insolvenzanträge zu stellen, die Kammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass er sogar verpflichtet gewesen wäre, Arbeitnehmer, von denen er Kenntnis hatte, dass sie entsprechende Schritte einleiten wollten, davon abzuhalten zu versuchen.

Entgegen der Auffassung des Klägers brauchte der Kündigung keine Abmahnung voranzugehen, auch das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass eine Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendigen Vertrauens nicht mehr möglich war. Das Verhalten des Klägers hat den Kernbereich des Treue- und Vertrauensverhältnisses zur Beklagten schwerwiegend zerstört, so dass es der Beklagten nicht zugemutet werden kann, auf ein künftig vertragsgemäßes Verhalten des Klägers zu hoffen.

Erweist sich die außerordentliche Kündigung als rechtswirksam, war das Arbeitsverhältnis mit dem 28.04.2004 beendet. Daher stehen dem Kläger für die Zeit nach Zugang der außerordentlichen Kündigung keine Vergütungsansprüche mangels bestehenden Arbeitsverhältnisses mehr zu.

Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 1 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG

Ende der Entscheidung

Zurück