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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 449/06
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 2 b
ArbGG § 64 Abs. 2 c
ArbGG § 64 Abs. 2 d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 449/06

Entscheidung vom 24.08.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25.04.2006 - 3 Ca 239/06 - wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 65 €.

Tatbestand:

Der Kläger, der bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrages vom 04.04.2005 als mitarbeitender Maurervorarbeiter/Polier beschäftigt war, hat mit der beim Arbeitsgericht Trier anhängigen Klage rechtliche Arbeitsvergütung für Mai 2005 in Höhe von 667,65 € zuletzt geltend gemacht. Diesen Betrag hatte die Beklagte von der letzten Lohnabrechnung wegen behaupteter Schadenersatzansprüche einbehalten. Mit Schriftsatz, eingegangen beim Arbeitsgericht Trier am 12.04.2006, hat die Beklagte einen Widerklageantrag angekündigt und hierzu wörtlich geschrieben:

"erheben wir namens und kraft Vollmacht für die Beklagte hilfsweise Widerklage".

Weiter hat die Beklagte wörtlich geschrieben:

"Lediglich für den Fall, dass das Gericht den Klageanspruch als nicht verfristet ansehen sollte und von einem unzulässigen Einbehalt der Klageforderung durch die Beklagte ausgehen sollte, erfolgt höchst vorsorglich die Erhebung der Widerklage".

Zwischen den Parteien war streitig, welcher Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet mit der Folge, dass unter Umständen die Klageforderung verfristet war.

Im Termin vom 25.04.2004 stellte die Beklagte ausweislich des Protokolls folgenden Antrag:

Der Beklagtenvertreter beantragt Klageabweisung. Er stellt widerklagend die Anträge aus seinem Schriftsatz vom 10.04.2006 (Blatt 23 d. A.).

Im angefochtenen Urteil wies das Arbeitsgericht Trier Klage und Widerklage ab. Es führt im Tatbestand den Antrag der Beklagten wie folgt aus:

"Widerklagend beantragt sie:

1. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 667,65 € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz daraus seit Zustellung der Widerklage zu zahlen. "

Das Arbeitsgericht hat die Widerklage abgewiesen und zur Begründung zunächst ausgeführt, über die Widerklage sei zu entscheiden, weil die Beklagte sie nach ihrem Antrag im Termin zur letzten mündlichen Verhandlung uneingeschränkt, d. h. nicht mehr hilfsweise geltend gemacht hat.

Das Arbeitsgericht hat die Widerklage abgewiesen, weil die einzuhaltende Ausschlussfrist versäumt war.

Das Urteil wurde der Beklagten am 10.05.2006 zugestellt. Die Beklagte hat am 09.06.2006 Berufung eingelegt und diese Berufung am 05.07.2006 begründet.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Widerklage abgewiesen. Über die Widerklage sei nach Klageabweisung nicht mehr zu entscheiden gewesen, da diese nicht unbedingt sondern lediglich hilfsweise erhoben wurde. Wie das Arbeitsgericht zu der Auffassung gelangt sei, über die Widerklage sei zu entscheiden, weil die Widerklage nach ihrem Antrag zum Termin zur letzten mündlichen Verhandlung uneingeschränkt, d. h. nicht mehr hilfsweise geltend gemacht wurde, sei dies nicht nachvollziehbar. Ausweislich des Protokolls seien die Anträge aus dem Schriftsatz vom 10.04.2006 gestellt worden.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat der Vertreter der Beklagten im Rahmen der Erörterung der Zulässigkeit des Rechtsmittels (Beschwer) erklärt, es müsse grundsätzlich geklärt werden, ob die Entscheidung über einen nicht gestellten Antrag durch das Arbeitsgericht hätte ergehen dürfen. Im Übrigen wäre die Kostenentscheidung anders ausgefallen.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25.04.2006 wird abgeändert. Es wird nach den Schlussanträgen erster Instanz erkannt;

2. die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel der Berufung der Beklagten ist nicht zulässig. Gegen Urteile des Arbeitsgerichts findet die Berufung statt. Sie kann nur nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 und 64 Abs. 2 ArbGG eingelegt werden. Eine Zulassung im Urteil des Arbeitsgerichts ist nicht erfolgt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600,00 € nicht. Die Tatbestände des § 64 Abs. 2 c oder d ArbGG liegen nicht vor.

Die Beklagte macht geltend, sie sei durch das angefochtene Urteil beschwert. Dabei ist festzuhalten, dass ohne Rücksicht auf die Richtigkeit der Rechtsauffassung der Beklagten, sie habe den Widerklageantrag nicht unbedingt gestellt, die Beschwer vorliegt, weil die abgefochtene Entscheidung nach Vortrag der Beklagten von ihren in der Instanz gestellten Anträgen abweicht (so genannte formelle Beschwer). Dies ist dann der Fall, wenn das Gericht über einen Sachantrag befunden hat, der nicht Gegenstand des Rechtsstreits war (vgl. BGH, Urteil vom 09.10.1990, NJW 1991, 703, 704).

Allerdings ist der Wert des Beschwerdegegenstandes von 600,00 € nicht erreicht. Diese Beschwer lässt sich im vorliegenden Fall nicht wie im Regelfall ermitteln, also nach der Differenz zwischen dem in der unteren Instanz gestellten Antrag und dem rechtskraftfähigen Inhalt des angefochtenen Urteils, wenn über einen nicht mehr aufrecht erhaltenen Antrag befunden und dem Rechtsmittelführer zugleich die Möglichkeit genommen wurde, einen neuen Antrag zu stellen. Anderenfalls fehlt es in einem solchen Fall mangels wirksamen Antrags stets an einer Beschwer. Die Beschwer kann sich deshalb nur nach der Differenz zwischen dem Inhalt des angefochtenen Urteils und dem anhand seines Streitverhaltens zu bestimmenden Rechtsschutzziel des Rechtsmittelführers bemessen (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2004, NJW 2004, 2019).

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte auf den Hinweis des Vorsitzenden zunächst erklärt, sie sehe die Beschwer darin, dass über einen nicht von ihr gestellten Antrag entschieden werde und es müsse eine grundsätzliche Klärung der Rechtsfrage erreicht werden, wie in einem solchen Fall zu verfahren ist.

Ohne Erreichen einer Beschwerdesumme ist eine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache jedoch nicht geeignet, ohne Zulassung des Arbeitsgerichts die Berufung zu eröffnen.

Die Beklagte hat nicht etwa erklärt, dass sie aufgrund der Klageabweisung durch das Arbeitsgericht nunmehr wegen der Rechtskraft gehindert wäre, die Schadenersatzforderung über 667,65 € erneut gerichtlich geltend zu machen. Hierbei ist festzuhalten, dass die Beklagte wegen dieser Schadenersatzforderung bereits dadurch Befriedigung erlangt hat, als sie die entsprechende Summe von der letzten Gehaltsabrechnung des Klägers einbehalten hat und die Klage des Klägers auf Auszahlung dieser Restsumme erfolglos geblieben ist. Insofern ist eine materielle Beschwer der Beklagten nicht erkennbar.

Auf sonstige etwaige vorbehaltene weitere Schadenersatzansprüche hat die Beklagte sich ausdrücklich nicht berufen.

Verbleibt die von der Beklagten ebenfalls angesprochene Kostenbelastung. In der Tat stellt eine Belastung mit Gerichtskosten durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts über einen nicht gestellten Antrag, welcher abgewiesen wurde, eine Beschwer dar. Diese Beschwer erreicht allerdings nicht 600,00 €. Ausweislich der Kostenrechnung ist der Beklagten eine halbe Prozessgebühr in Höhe von 65,00 € in Rechnung gestellt worden. Diese Kostenbelastung stellt die Beschwer dar, sie erreicht den erforderlichen Beschwerdewert von 600,00 € des § 64 Abs. 2 b ArbGG nicht.

Im Übrigen wäre zur materiellen Seite kurz darauf hinzuweisen, dass weder der Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils berichtigt wurde aufgrund eines entsprechenden Berichtigungsantrags noch das Protokoll. Aus beiden Urkunden ergibt sich, dass der Widerklageantrag unbestimmt gestellt wurde. Insbesondere ist in der protokollierten Antragstellung nicht ersichtlich, dass durch den Verweis auf den Widerklageantrag auch der Umstand in die Antragstellung eingeflossen ist, dass dieser Widerklageantrag hilfsweise für den Fall gestellt werden sollte, dass das Gericht den Klageanspruch nicht als verfristet ansehen sollte und von einem unzulässigen Einbehalt der Klageforderung ausgehen sollte, also im Endergebnis die Aufrechnung mit der Schadenersatzforderung nicht durchschlagend gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer sah angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 1 ArbGG keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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