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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 553/05
Rechtsgebiete: LBG, BAT


Vorschriften:

LBG § 63 Abs. 2
LBG § 73 Abs. 2 Satz
BAT § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 553/05

Entscheidung vom 18.08.2005

Tenor:

1. Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28.06.2005 - 3 Ga 10/05 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt gefasst wird:

Der Klägerin wird einstweilen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache gestattet, die in der Nebentätigkeitsgenehmigung des Beklagten vom 23.06.2004 erlaubte Nebentätigkeit auszuüben.

2. Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Die Klägerin ist beim Beklagten seit dem 01.10.1999 als Kindergärtnerin in dessen Kindergarten "D.-Kindergarten" als Teilzeitbeschäftigte tätig. Ihre Arbeitszeit beträgt zurzeit 50 % der regelmäßigen, wöchentlichen Arbeitszeit, mithin 19,25 Stunden pro Woche. Die Öffnungszeiten des Kindergartens sind von Montag bis Donnerstag von 7.30 Uhr bis 12.45 Uhr und von 13.45 Uhr bis 16.15 Uhr, sowie Freitag von 7.30 Uhr bis 12.45 Uhr. Von Montag bis Donnerstag ist der Kindergarten für die G.- Kinder bis 16.30 Uhr geöffnet. Neben ihrer Tätigkeit als Kindergärtnerin betreibt die Klägerin außerdem ein Bistro, welches montags geschlossen ist, Dienstag und Mittwoch von 19.00 Uhr bis 23.00 Uhr geöffnet hat, donnerstags geschlossen ist, Freitag von 19.00 Uhr bis 1.00 Uhr, Samstag von 19.00 Uhr bis 1.00 Uhr, Sonntag von 15.00 Uhr bis 22.00 Uhr geöffnet hat.

Dort arbeitet die Klägerin mit Unterstützung ihres Ehemannes, einer Reinigungskraft und einer weiteren Aushilfe. Auf ihren Antrag hin wurde ihr von dem Beklagten am 23.06.2004 eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt. Diese war befristet bis zum 30.06.2005.

Die Verlängerung der Nebentätigkeitsgenehmigung lehnte der Beklagte, dessen Verbandsvorsitzender mittlerweile gewechselt hat, mit Schreiben vom 18.05.2005 ab.

Im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens hat die Klägerin den Anspruch auf Weitergenehmigung geltend gemacht.

Sie hat beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, ihr die Nebentätigkeitsgenehmigung über den 30.06.2005 zur Entscheidung in der Hauptsache zu verlängern.

Der Beklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, er habe ein berechtigtes Interesse daran, dass die Klägerin morgens hinreichend erholt und regeneriert zur Arbeit erscheine, was angesichts der Öffnungszeiten des Bistros nicht gewährleistet sei. Da Kindergarteneltern aus A-Stadt teilweise Kunden der Klägerin seien, begründe dies die Befürchtung der Ungleichbehandlung der Kinder. Es sei nach Eröffnung des Bistros erhebliche Beschwerden aus der Elternschaft an den Vorsitzenden herangetragen worden. Ein Teil der Eltern habe sich entrüstet, dass eine verantwortliche Erzieherin bis spät in die Nacht eine Gastwirtschaft betreibe und morgens in aller Frische Kinder betreuen solle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 28.06.2005 - Az.: 3 Ga 10/05 - verwiesen.

In diesem Urteil hat das Arbeitsgericht dem Antrag entsprochen und im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht zu besorgen, dass durch die Nebentätigkeit der Antragsstellerin dienstliche Interessen beeinträchtigt würden. Konkrete nachvollziehbare und nachprüfbare Tatsachen habe der Beklagte weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Er habe auch keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluss zuließen, die Klägerin habe bei den Kindergarteneltern zwischen Kunden und Nichtkunden ihres Bistros unterschieden. Dies lasse sich auch nicht aus der allgemeinen Lebenserfahrung herleiten. Erhebliche Beschwerden seien ebenfalls nicht konkretisiert oder glaubhaft gemacht worden. Arbeitszeitrechtliche Bedenken bestünden nicht. Die freiberufliche Tätigkeit falle nicht unter das Arbeitszeitgesetz. Weiter seien konkrete negativen Auswirkungen von dem Antragsgegner nicht vorgetragen.

Gegen das dem Beklagten am 01.07.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.07.2005 eingelegte und gleichzeitig begründete Berufung. Der Beklagte wiederholt seine Auffassung, die Argumentation bezüglich der arbeitszeitschutzrechtlichen Bestimmung würde vollkommen ignoriert. Das selbständige Betreiben einer Gastwirtschaft sei ein außerordentlich anstrengender und harter Beruf. Aus Art und Umfang der Tätigkeit insbesondere aus der speziellen Tätigkeit bis spät in die Nacht hinein verbitte sich die Erteilung einer Genehmigung. Außerdem sei es ein Zweitberuf im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz. Die Nebentätigkeit sei eine gewerbsmäßige Leistung, der Beruf des Gastwirtes sei ein eigener Beruf. Die Tätigkeit stelle sich nach Art und Umfang, Dauer und Häufigkeit als Ausübung eines Zweitberufes Gastwirtes dar, welcher nicht zu genehmigen sei. Die Klägerin überschreite auch die maximal zulässige 28 Stunden-Grenze pro Woche. Allein die Öffnungszeiten beliefen sich auf 27 Stunden in einem Zeitraum von einer Woche. Die Tätigkeit als selbstständigen Gastwirtes beschränke sich allerdings nicht auf reine Öffnungszeiten. Hinzu kommen Buchführung, Bilanzierungssteuern, Steuern, Verwaltung der Immobile, Einkauf, Marketing, Werbung, Korrespondenz mit Behörden usw.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem diese die Verpflichtung zur Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung beantragt hat, zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 18.08.2005.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO). Das Rechtmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

Die angefochtene Entscheidung war mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass im einstweiligen Verfügungsverfahren die Kammer nach eigenem Ermessen eine vorläufige Regelung des Streitgegenstandes treffen kann. Eine endgültige Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung kann nicht, da diese auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist, erfolgen. Allerdings war bis zur Entscheidung über die Hauptsache es der Klägerin vorläufig zu gestatten, die in der Nebentätigkeitsgenehmigung des Beklagten vom 23.06.2004 erlaubte Nebentätigkeit auch weiterhin durchführen darf mit der Folge, dass sie mit dieser gerichtlichen Erlaubnis eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung nicht begeht, sofern sie sich an die Vorgaben des Inhaltes der Nebentätigkeitsgenehmigung hält.

Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen könnten. Die Berufungskammer nimmt daher Bezug auf den begründenden Teil der angefochtenen Entscheidung und stellt dies ausdrücklich fest.

Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei kurz auf folgendes hinzuweisen:

Das Arbeitszeitschutzgesetz gibt keinen Anhaltspunkt für die Beantwortung der Frage, ob abstrakt gesehen zu besorgen ist, dass durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Die vereinbarten Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages verweisen auf die entsprechenden für Landesbeamten geltende Regelungen. Danach ist eine Nebentätigkeit zu versagen, wenn die Voraussetzung des § 63 Abs. 2 LBG vorliegen. Wenn die Nebentätigkeit nach Art und Umfang die Arbeitskraft des Beamten so stark in Anspruch nimmt, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert werden kann, ist die Genehmigung zu versagen. Dieser Versagungsgrund liegt in der Regel auch vor, wenn die Nebentätigkeit wegen erwerbsmäßigen Dienst oder Arbeitsleistung oder sonst nach Art, Umfang, Dauer und Häufigkeit als Ausübung eines Zweitberufs sich darstellt. In der Regel gilt eine zeitliche Beanspruchung durch eine oder mehrere Nebentätigkeiten, welche in der Woche 1/5 der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überschreitet als Voraussetzungsvermutung für einen Versagungsgrund.

Die Öffnungszeiten des Kindergartens kollidieren nicht mit den Öffnungszeiten des Bistros. Der Beklagte will allenfalls geltend machen, dass die Ruhezeiten zwischen den Öffnungszeiten des Bistros und der Arbeitsaufnahme der Klägerin derart kurz bemessen sind, dass von einer ausreichenden Nachterholung nicht mehr gesprochen werden kann. Die Berufung auf arbeitszeitschutzrechtliche Bestimmungen sind nicht einschlägig. Eine freiberufliche Tätigkeit fällt nicht unter das Arbeitszeitgesetz, genau wie jede andere Verhaltensweise in der Nacht, die möglicherweise einen nicht ausreichenden Erholungszeitraum zwischen der Beendigung dieser Freizeitaktivitäten und der Wiederaufnahme der Arbeit am kommenden Morgen.

Dass die Klägerin jemals nicht ausgeschlafen zur Arbeit erschienen wäre, hat der Beklagte weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

Auch aus dem Umstand, dass sich möglicherweise die Betreibung eines Gaststättenbetriebes als Zweitberuf darstellt, kann der Beklagte nicht für sich erfolgreich herleiten.

Nach § 11 BAT sind die beamtenrechtlichen Bestimmungen auf Angestellte nur sinngemäß anzuwenden. Die vorgesehene sinngemäße Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften bedeutet, dass diejenigen Vorschriften des Landesbeamtengesetzes bzw. der Nebentätigkeitsverordnung nicht angewendet werden können, denen beamtenspezifische Gründe zu Grunde liegen. Regelungen, die nach ihrem Sinn und Zweck nur für das öffentliche rechtliche Dienstverhältnis eines Beamten in Betracht kommen, sind auf das privatrechtlich ausgestaltete Arbeitsverhältnis eines Angestellten nicht übertragbar.

Während ein Beamter in der Regel seine Arbeitskraft voll und ganz dem Dienstherren zur Verfügung zu stellen hat, ist dies bei einem auf Teilzeit angestellten Arbeitnehmer nicht der Fall. Die Auffassung des Beklagten, bei einer mit 50 % der Arbeitszeit angestellten Teilzeitkraft würde eine Tätigkeit, die z.B. den gleichen Umfang bei einem anderen nicht öffentlichen Arbeitgeber zum Gegenstand hat, sich ebenfalls als Ausübung eines Zweitberufs darstellen, für den eine Nebentätigkeitsgenehmigung regelmäßig nicht erteilt werden kann. Dies kann nicht zutreffend sein. Bei teilzeitbeschäftigten Angestellten ist allerdings nach der Entscheidung des Bundesarbeitgerichts vom 30.05.1996 - 6 AZR 537/95 - zu berücksichtigen, dass sämtliche Nebentätigkeiten, auch wenn sie die zeitliche Obergrenze überschreiten, genehmigungspflichtig sind. Die beamtenrechtliche Vorschrift geht von dem Regelfall einer Vollzeitbeschäftigung des Beamten aus. Ihre nach § 11 BAT gebotene sinngemäße Anwendung auf Angestellte führt deshalb dazu, dass bei teilzeitbeschäftigten Angestellten der Versagungsgrund in der Regel erst dann in Betracht kommt, wenn die zeitliche Beanspruchung durch die Nebentätigkeit zusammen mit der zeitlichen Beanspruchung durch die Teilzeittätigkeit die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit zu mehr als 1/5 überschreitet.

Die von dem Beklagten bislang erteilte Genehmigung deckt sich mit den Angaben der Klägerin über den Umfang ihrer Arbeitsleistung. In diesem Umfang ist nicht zu befürchten, dass eine derartige Inanspruchnahme vorliegt, wonach die ordnungsgemäße Erfüllung der dienstlichen Pflichten behindert werden kann. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Beklagte glaubt, die Klägerin arbeite mehr als der von ihr vorgetragene Umfang. Eine entsprechende Genehmigung beschränkt die Klägerin hinsichtlich ihrer Erlaubnis Nebentätigkeiten auszuüben auf den zeitlichen Umfang, der sich in der Woche auch nicht mehr als 27 Stunden belaufen darf. Eine weitergehende Erlaubnis hat weder die Klägerin beantragt noch war sie von der Kammer zu erteilen.

Da nach allem im Rahmen der bisher erteilten Nebentätigkeitserlaubnis keine Gründe dagegen sprechen, die den Beklagten berechtigen könnten, die Nebentätigkeit zu versagen, war die vorgenommene einstweilige Regelung zu treffen. Die Kammer hat insbesondere auch Rücksicht darauf genommen, dass sich unter Umständen der Beklagten schadensersatzpflichtig macht, wenn er einen berechtigten Antrag auf Erteilung einer Nebentätigkeit zu Unrecht zurückweist. Andererseits ist das Interesse der Klägerin, wenigstens vorläufig ihren Bistrobetrieb im bisherigen Umfang fortzuführen, gegenüber dem Interesse des Beklagten, erst in einem ordentlichen Erkenntnisverfahren die Rechtsfrage entscheiden zu lassen, vorrangig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Im einstweiligen Verfügungsverfahren findet eine Revision nicht statt. Das Urteil ist daher nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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