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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 10.02.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 784/04
Rechtsgebiete: LPersVG, ArbGG


Vorschriften:

LPersVG § 82 Abs. 1
LPersVG § 82 Abs. 3
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 784/04

Verkündet am: 10.02.2005

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 22.07.2004 - 2 Ca 201/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer fristlosen, hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Arbeitgeberkündigung. Der Kläger, geboren am 12.08.1945, war seit 01.08.1975 bei dem Beklagten als Fleischbeschautierarzt und Trichinenschauer zu einem Bruttoentgelt von zuletzt ca. 26.000,00 € im Jahr beschäftigt. Ab Dezember 2000 sind Rinder, die älter als 30 Monate sind bei der Fleischuntersuchung auf BSE zu testen. Dies folgt einer Verordnung zur fleischhygienischen Untersuchung von geschlachteten Rindern. Der Kläger nahm am 14.12.2000 an einer Schulung des Landesuntersuchungsamtes teil, am 20.12.2000 an einer Dienstversammlung des Beklagten. Die Fleischbeschauer erhielten ein Formblatt Dokumentation der Schlachtung eines über 30 Monate alten Rindes incl. Probeentnahme. Unter der Rubrik Tierkontrolle lautet der 1. Punkt "Pass vorhanden".

Mit Schreiben vom 22.12.2000 wies der Beklagte die Metzger und Schlachtbetriebe an, die Schlachtung eines über 30 Monate alten Rindes sowohl beim Fleischbeschauer/Tierarzt als auch beim Veterinäramt anzumelden.

Das Alter der auf BSE zu untersuchenden Rinder wurde mit Verordnung vom 25.01.2001 auf 24 Monate herabgesetzt. Der Beklagte unterrichtete mit Schreiben vom 29.01.2001 das Fleischbeschaupersonal, in der Dienstversammlung vom 06.06.2001, mit Schreiben vom 27.09.2001 sowie in den Dienstversammlungen vom 05.12.2001, 24.04.2002 und 20.11.2002.

Der Kläger untersuchte in der Zeit vom 10.01.2002 bis 15.09.2003 11 Rinder, die am Schlachttag älter als 24 Monate waren (sechs davon älter als 30 Monate) nicht auf BSE. Eine Vorlage des Rinderpasses ist nicht erfolgt. Die Schlachtungen erfolgten in den Betrieben J, A-Stadt sowie R, G. Der Schlachtbetrieb J war vom Veterinäramt nicht zur Schlachtung älterer Tiere zugelassen. Die fehlenden Untersuchungen wurden aufgrund bundesweiten Datenausgleichs festgestellt.

Der Kläger hatte auch am 29.12.2003 Trichinenproben von Wildschweinen entgegen genommen und untersucht, obwohl ihm mitgeteilt worden war, dass nur amtliches Fleischbeschaupersonal diese Proben entnehmen darf. Die Proben waren nicht von dem Jäger selbst entnommen worden. Gleichwohl rechnete der Kläger Entnahme und Untersuchung der Proben gegenüber dem Beklagten ab.

Der Kläger gab in einem Personalgespräch am 16.01.2004 keine Stellungnahme ab. Mit Schreiben vom gleichen Tage hörte der Beklagte den Personalrat unter Beifügung eines Entwurfs des Kündigungsschreibens zu der beabsichtigten Kündigung an, und er kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 19.01.2004 fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum 30.09.2004.

Hiergegen erhob der Kläger mit am 03.02.2004 eingegangenem Schriftsatz Kündigungsschutzklage.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe keine Vertragsverletzung begangen. Es bestehe keine gesetzliche Verpflichtung und eine dienstliche Anweisung, bei jeder Schlachttier und Fleischuntersuchung das Alter des zu schlachtenden Rindes anhand des Rinderpasses zu überprüfen. Als letztes Glied einer Kontrollinstanz könne er eindeutige und klare Anweisungen erwarten. Soweit der Schlachtbetrieb nicht die Schlachtung eines mehr als 30 bzw. 24 Monate alten Rindes bei ihm angemeldet habe, habe er davon ausgehen dürfen, dass das Tier jünger sei. Dies gelte erst Recht, soweit dieser Schlachtbetrieb nicht zur Schlachtung älterer Tiere zugelassen sei.

Er habe während seiner langjährigen Tätigkeit ein gewisses Vertrauen zu einer Reihe von Betrieben entwickelt und sich auf deren Angaben auch wegen der Strafbewehrung von Verstößen gegen die einschlägigen Vorschriften verlassen können. Daher sei es ausreichend gewesen, die Ermittlung des Alters der Rinder auf Stichproben und Verdachtsfälle zu beschränken. Durch Zahnbeschau könne er das Alter eines Rindes nicht auf ein halbes Jahr genau bestimmen. Auch andere Fleischbeschautierärzte, etwa sein Urlaubsvertreter seien wie er verfahren, ohne eine Kündigung erhalten zu haben. Der Kündigung hätte jedenfalls eine Abmahnung vorausgehen müssen. Er hat die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrates bestritten.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 19.01.2004 und die hilfsweise ausgesprochen ordentliche Kündigung vom 19.01.2004 zugegangen 19.01.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Kläger hätte vor jeder Schlachttier- und Fleischuntersuchung den Rinderpass kontrollieren müssen, um das Alter des Tieres zu ermitteln. Auf diese Verpflichtung sei er in zahlreichen Dienstversammlungen hingewiesen worden. Als Fleischbeschautierarzt müsse er auch wissen, wann welche Kontrollen durchzuführen seien. Es sei Aufgabe des Fleischbeschaupersonals, die Verbraucher vor Erkrankungen zu schützen, die mit dem Verzehr von Fleisch verbunden sein können. An die Zuverlässigkeit von Bediensteten sei ein hoher Maßstab anzumelden.

Auch liege ein schwerer Dienstverstoß darin, dass der Kläger nicht erbrachte Leistungen gegenüber dem Beklagten abgerechnet habe.

Die Unterrichtung des Personalrats hat der Beklagte durch Vorlage von Abschriften dokumentiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 22.07.2004 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat festgestellt, das Arbeitsverhältnis habe aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden können. In dem Umstand, dass der Kläger unstreitig in der Zeit vom 10.01.2002 bis 15.09.2003 elf Rinder nicht auf BSE untersucht hatte, die am Schlachttag das durch Verordnung festgesetzte Höchstalter überschritten hatten, liege eine Pflichtverletzung des Klägers vor. Die elf Rinder hätten aufgrund ihres Alters auf BSE getestet werden müssen.

Es sei unerheblich, dass keine gesetzliche Vorschrift ausdrücklich bestimme, dass sich der Fleischbeschautierarzt den Rinderpass des zu schlachtenden Tieres vorlegen lasse. Es könne auch zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellt werden, dass die Vorlage des Rinderpasses nicht ausdrücklich angeordnet worden sei. Um der BSE-Testpflicht im Einzelfall genügen zu können, habe der Kläger aber zwingend das Alter des Rindes bestimmen müssen, das sich aus dem Rinderpass ergebe. Hätte er das Alter des Rindes auf andere Weise als durch Einsichtnahme in den Rinderpass etwa durch Untersuchung der Zähne ermitteln können, hätte dies als ausreichend angesehen werden können. Er habe aber selbst angegeben, durch Lebendbeschau das Alter eines Rindes nicht auf ein halbes Jahr genau bestimmen zu können. Da eine ungenaue Schätzung zur Feststellung der gesetzlich angeordneten BSE-Untersuchungspflicht nicht geeignet sei, habe der Kläger keine andere Möglichkeit gehabt, als das Alter anhand des Rinderpasses zu ermitteln. Diesen müsse er sich unbedingt bei jeder Beschau vorlegen lassen. Ermittlung des Alters auf Stichproben oder Verdachtsfälle zu beschränken, sei mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Über diese Grundlagen sei der Kläger in zahlreichen Schreiben und Dienstversammlungen in Kenntnis gesetzt worden. Das Fehlverhalten sei geeignet die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Das Fleisch von mit BSE infizierten Tieren sei in besonderem Maße eine Gefahrenquelle für die Gesundheit des Menschen. Es sei auch nicht auszuschließen, das Fleisch gesunder Tiere, die zusammen mit kranken Tieren geschlachtet werden, ebenfalls infiziert werde. Im Interesse des Gesundheitsschutzes müssten die gesetzlichen Vorgaben, wann ein Schlachttier auf BSE zu untersuchen sei, besonders sorgfältig eingehalten werden. Der Kläger habe für den Beklagten Aufgaben wahrgenommen, von denen die Gesundheit einer unübersehbar großen Zahl von Menschen abhinge. Er habe durch eine ordnungsgemäße, den gesetzlichen Anforderungen genügende Fleischuntersuchung sicherzustellen, dass durch das Fleisch der von ihm freigegebenen Tiere keine Krankheiten auf Menschen übertragen werden. Dieser Schutz der Verbraucher vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen gehöre zum Kernbereich seiner Verantwortung als Fleischbeschautierarzt. Er werde gerade und ausschließlich zur Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen und damit zum Schutz der Volksgesundheit als Fleischbeschautierarzt bestellt. Da er sich selbst als letztes Glied der Kontrollinstanz bezeichnete, sei es ihm verwehrt, sich auf vermeintliche Vertrauenswürdigkeit der Schlachtbetriebe zu verlassen und sich damit der Mühe einer Überprüfung des Alters der Tiere und der ggf. anschließend erforderlich BSE-Testung zu sparen. Wenn die Schlachtung eines älteren Tieres entgegen der an die Schlachtbetriebe gerichteten Schreiben nicht bei ihm angemeldet und der Schlachtbetrieb noch dazu zur Schlachtung solcher Rinder gar nicht zugelassen sei, möge zwar die Wahrscheinlichkeit, dass das Tier BSE-testpflichtig war, gering gewesen sein, gleichwohl habe dies den Kläger nicht von seiner Verpflichtung entbunden, sich selbst und zwar durch einen einfach vorzunehmenden Blick in den Rinderpass über das Alter der Tiere zu vergewissern. Dass es einer Kontrolle durch den Kläger bedurft hätte, zeigen gerade die zum Kündigungsanlass genommenen elf Fälle, in denen der gesetzlich vorgeschriebene BSE-Test versäumt wurde.

Der Kündigung habe keine erfolglose Abmahnung voranzugehen brauchen. Das Verhalten des Klägers sei zwar grundsätzlich steuerbar, auch liege die Vermutung nahe, dass, wenn ihm durch Abmahnung die Gefahr des Verlustes seines Arbeitsplatzes vor Augen geführt worden wäre, er diesen nicht hätte aufs Spiel setzen wollen und sein pflichtwidriges Verhalten daher für die Zukunft abgestellt hätte. Gleichwohl sei die Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlichen Vertrauens nicht möglich. Die vom Kläger begangenen Verstöße gegen die fleischhygienischen Bestimmungen betrafen den Kernbereich des arbeitsvertraglichen Vertrauensverhältnisses. Der Beklagte habe dem Kläger großes Vertrauen entgegen gebracht, in dem er ihn weitgehend selbständig arbeiten ließ. Bei der Durchführung der Tierbeschauen sei er keiner unmittelbaren Kontrolle unterworfen. Seine Bescheinigungen und Berichte brauchten nicht nachgeprüft zu werden. Diese Selbständigkeit entspreche auch der hohen Qualifikation des Klägers. Von einem approbierten Akademiker konnte und durfte der Beklagte erwarten, dass er seine verantwortungsvolle Tätigkeit auch ohne Überwachung korrekt und in Einklang mit den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften durchführe. Dies entgegen gebrachte Vertrauen habe er auf das gröbste verletzt und damit das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört.

Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass auch andere Fleischbeschautierärzte die erforderlichen Kontrollen teilweise nicht durchgeführt hätten. Soweit er sich auf Tierärzte anderer Landkreise und Bundesländer beziehe, sei der Beklagte nicht deren Arbeitgeber. Auch für Verstöße anderer Arbeitnehmer des Beklagten gelte nichts anderes. Es stehe dem Arbeitgeber grundsätzlich frei, einzelnen Arbeitnehmern zu kündigen und anderen nicht. Ein Grund zur Kündigung beurteile sich allein nach den individuellen Rechtsbeziehungen. Das Verhalten des Klägers berechtige den Beklagten zum Ausspruch einer Kündigung, es sei denn wenn anderen Arbeitnehmern gleiches Fehlverhalten vorzuwerfen sei, der Beklagte aber aus welchen Gründen auch immer in anderen Fällen von einer Kündigung abgesehen habe. Dem Vortrag des Beklagten seien durchaus Differenzierungsgründe zu entnehmen, etwa dass dem Kläger elf Verstöße, sein Urlaubsvertreter hingegen nur zwei zur Last gelegt werden konnten.

Die Zwei-Wochen-Frist sei gewahrt. Nachdem zunächst nicht klar war, wie es dazu gekommen war, dass die erforderlichen BSE-Proben nicht gezogen worden waren, bestellte der Beklagte den betroffenen Betriebsinhaber P R für den 14.01.2004 ein. Dieser habe eingeräumt, dass dem Kläger der Rinderpass bei der Schlachtung gelegentlich nicht vorgelegen habe und das Alter der Tiere geschätzt worden sei. Nach Anhörung des Klägers und Beteiligung des Personalrates habe der Beklagte am 19.01.2004 also rechtzeitig die Kündigung ausgesprochen. Auch die vorzunehmende Interessenabwägung könne nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Zwar sei der Kläger 60 Jahre alt und fast 30 Jahre beim Beklagten beschäftigt. Zu seinen Lasten sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich nicht um ein einmaliges Fehlverhalten handele und dass sich der Kläger auch während des Rechtsstreits uneinsichtig gezeigt habe. Seiner besonderen Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung scheine er sich nicht bewusst zu sein. Er versuche die Schuld auf andere zu schieben, gehe weiterhin davon aus, sich ordnungsgemäß verhalten zu haben und erkläre sich auch für die Zukunft nur zur Ermittlung des Alters der zu schlachtenden Rinder anhand des Rinderpasses bereit wenn dies ausdrücklich gesetzlich oder durch Dienstanweisung zugeordnet werden soll. Darüber hinaus habe er nicht in Abrede gestellt, dass er zwei nicht von ihm selbst entnommenen Trichinenproben von Wildschweinen untersuchte und die Probenentnahme gegenüber dem Beklagten abrechnete. Durch die falsche Abrechnung dürfte der Kläger einen Betrug gegenüber dem Beklagten begangen haben.

Eine fehlerhafte Personalratsanhörung führe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Einer ausdrücklichen Zustimmung des Personalrats bedurfte es gem. § 82 Abs. 3 und 1 LPersVG zur Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nicht, so dass die Stellungnahme, dass der Personalrat zustimmend zur Kenntnis genommen habe und Bedenken bezüglich der fristlosen Kündigung nicht geltend gemacht werden, ausreichend sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Das Urteil wurde dem Kläger am 06.09.2004 zugestellt. Er legte am 21.09.2004 Berufung ein und begründete seine Berufung mit am Montag, 08.11.2004 eingegangenem Schriftsatz.

Der Kläger wiederholt seine Auffassung, eine Pflichtverletzung läge nicht vor. Aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften sei er nicht verpflichtet, bei jeder Schlachttier- und Fleischuntersuchung den Tierpass einzusehen und anhand dessen das Alter des Schlachttieres zu errechnen.

Anlässlich der Lebendbeschau sei der Kläger bei jedem einzelnen Fall, der ihm nunmehr als Pflichtverletzung vorgehalten wird, davon ausgegangen, dass das jeweilige Schlachttier nicht älter als 24 bzw. 30 Monate alt sei. Die erste Initiative zur Durchführung der BSE-Tests müsse von den Metzgern bzw. Schlachtbetrieben ausgehen, die entsprechende Anmeldungen zu tätigen hätten. In keinem der beanstandeten Fälle habe eine entsprechende Anmeldung vorgelegen. Sowohl der Beklagte als auch der Kläger hätten daher bei fehlender entsprechender Anmeldung erst einmal davon ausgehen dürfen, dass das im Rahmen der Schlachttier- und Fleischuntersuchung zu untersuchende Tier nicht die Altersgrenze überschritten habe. Wenn ihm eine Pflichtverletzung bei den Trichinenproben vorgeworfen worden sei, sei dies ebenfalls nicht richtig. Die Entnahme habe er selbst nicht durchgeführt, Grund hierfür sei, dass sich die gesetzliche Regelung insbesondere im warmen Sommer 2003 als sehr problematisch erwiesen habe. Bei fachkundigen und vertrauenswürdigen Jagdausübungsberechtigten sei es deshalb allgemein so gehandhabt worden, dass diese die Proben selbst entnehmen und dann zur Untersuchung brachten. Für die seinerzeitige Untersuchung habe der Kläger vom Jagdausübungsberechtigten entsprechend den geltenden Tarifgebühren in Höhe von 14,06 € vereinnahmt und an den Beklagten abgeführt. Der Beklagte habe dem Kläger im Rahmen der monatlichen Abrechnung als Lohn für seine Tätigkeit 4,02 € bezahlt. Wenn das Arbeitsgericht dieses Verhalten dem Kläger als Betrug zu Lasten des Beklagten qualifiziert werde, könne dem aus den vorstehenden Gründen nicht gefolgt werden.

Das Arbeitsgericht berücksichtige bei seinen Ausführungen nicht, dass er letztes Glied der Kontrollinstanz sei. Es sei zwar zu erwarten, dass er die ihm übertragenen Aufgaben korrekt ausführe, ihm könne jedoch nicht die Verantwortung auferlegt werden, dass er für Versäumnisse des Gesetzgebers und seines Dienstherrn Schuld sei. Wenn der Gesetzgeber oder Dienstherr verabsäumt habe zu definieren oder festzulegen, wie das Alter eines Schlachttiers zu ermitteln sei, könne dieses Versäumnis nicht allein ihm angelastet werden.

Im Übrigen sei bei einer Störung im Vertrauensbereich ein Abmahnungserfordernis stets zu prüfen. Das Arbeitsgericht selbst gehe von einem steuerbaren Verhalten aus. Im Falle der Abmahnungen hätte der Kläger nach Auffassung des Arbeitsgerichts sein abmahnungswürdiges Verhalten abgestellt. Wie er bereits mehrfach dargelegt habe, sei er noch nicht einmal von einem Fehlverhalten ausgegangen. Er habe sich im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit zu keiner Zeit Gedanken darüber gemacht, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze, wenn er sich nicht bei jeder Fleischbeschau den Tierpass vorlegen lasse, das Alter des Schlachttieres anderweitig ermitteln und zudem auf die Angabe der Schlachtbetriebe vertraue. Auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu herausgreifenden Kündigungen seien rechtsfehlerhaft. Der Kläger habe in den Jahren 2003 und 2004 zumindest an 400 Tagen gearbeitet, der Urlaubsvertreter nur an 22 Arbeitstagen. Wenn man die Zahl der Arbeitstage und die Zahl der durchgeführten Untersuchungen in Relation stelle, werde man feststellen, dass die Voraussetzungen einer herausgreifenden Kündigung vorliegen.

Im Übrigen müsse die stattzufindende Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfallen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 22.07.2004 - 2 Ca 201/04 - wird abgeändert und es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 19.01.2004, zugegangen am 19.01.2004, nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es liege eine erhebliche arbeitsrechtliche Pflichtverletzung vor. Der Kläger habe BSE-Tests nicht durchgeführt, obwohl aufgrund des Alters der geschlachteten Tiere Testpflicht bestand. Die Berufung darauf, dass der Beklagte dem Kläger hätte mitteilen müssen, wie das Alter der Tiere zu ermitteln sei, gehe fehl. Wie er als ausgebildeter Tierarzt das Alter ermittle, obliege seiner Verantwortung. Dass er dabei sich darauf verlasse, dass nur Betriebe untersuchungspflichtige Rinder schlachten wollen, die sich dafür angemeldet haben, sei ebenso pflichtwidrig, wie sich bei der Lebensmittelkontrolle auf die Seriosität der Betriebsinhaber zu verlassen.

Darüber hinaus habe er den Beklagten betrogen, in dem er nicht entnommene Trichinenproben als entnommene abgerechnet habe. Sein Betrug könne er nicht damit entschuldigen, dass die Regelung zur Trichinenprobeentnahme im Sommer 2003 problematisch gewesen sei. Die tarifliche Bestimmung sehe Lohn dafür vor, Proben zu entnehmen und zu untersuchen. Er habe wahrheitswidrig angegeben, die Probe entnommen und untersucht zu haben, dafür den entsprechenden Lohn verlangt und erhalten, die Probe aber gerade nicht entnommen.

Der Kläger könne sich nicht darauf zurückziehen, der Gesetzgeber oder der Beklagte hätten ihre Verantwortung nicht wahrgenommen. Der Gesetzgeber habe klare Regelungen aufgestellt, der Kläger als ausgebildeter Fleischbeschautierarzt mit entsprechender Fachkenntnis hätte die Regeln durchführen müssen und ohne Weiteres auch können. Selbstverständlichkeiten müssten nicht mit Anweisungen geregelt werden. Er habe Leistungen abgerechnet, die er nicht erbracht habe, er habe durch seine Nachlässigkeit dafür gesorgt, dass nicht hinreichend untersuchtes Rindfleisch in den Handel gelangen konnte. Dies hätte zu einer BSE-Ausbreitung führen können. Eine Abmahnung sei entbehrlich. In Anbetracht des erheblichen öffentlichen Interesses habe dem Kläger klar sein müssen, dass er mit seinem Arbeitsplatz spiele, als er sich auf die Seriosität der Schlachter verließ und das Alter der Tiere nicht ordnungsgemäß ermittelte. Als letztes Glied der Kontrollinstanz war er vor In-Verkehr-Bringen des geschlachteten Rindfleischs mit besonderer Verantwortung belastet. Wenn er sich hierüber keine Gedanken gemacht habe, gehe dies zu seinen Lasten.

Die Berufung könne auch nicht mit der Begründung erfolgreich sein, eine herausgreifende Kündigung habe vorgelegen. Die Beurteilung sei falsch. Auch der Urlaubsvertreter sei Fleischbeschautierarzt, er habe lediglich an 22 Tagen den Kläger vertreten aber an sonstigen Tagen des Jahres ebenfalls als Fleischbeschautierarzt Leistungen erbracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 10.02.2005.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO). Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht die Klage des Klägers abgewiesen. Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden. Die Berufungskammer nimmt daher gem. § 69 Abs. 2 ArbGG voll umfänglich Bezug auf den ausführlich begründenden Teil. Auf die im Tatbestand wiedergegebene Begründung wird verwiesen.

Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei der Kläger kurz auf Folgendes hinzuweisen:

Die Feststellung des Arbeitsgerichts ist zutreffend, dass der Kläger auch im laufenden Verfahren keine Einsicht dahin zeigt, dass er eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt hat.

Ihm ist aufgegeben worden, Schlachttiere, die älter als 30 bzw. 24 Monate sind auf BSE zu untersuchen.

Auf welche Art und Weise der Kläger Kenntnis erhält, ob Untersuchungspflicht bestand, mag zwar bis ins Einzelne gehend nicht durch Gesetz oder Dienstanweisung vorgegeben sein, fest steht allerdings, dass eine Verpflichtung zur Untersuchung derartiger älterer Tiere vorgegeben ist.

Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass eine einfache Einsichtnahme in den Rinderpass unschwer ermitteln lässt, ob das besagte Tier am Schlachttag das entsprechende Alter erreicht hat. Der Kläger selbst räumt ein, dass er ein exaktes Alter durch eigenen Augenschein und Sachverstand nicht ermitteln kann, wenn er sich auf Zahnbeschau bzw. Lebendbeschau verlässt.

Dem gesamten Sachvortrag des Klägers ist vielmehr zu entnehmen, dass er zur Prüfung der Frage, ob eine BSE-Untersuchungspflicht bestand sich auf den Umstand verlassen hat, dass die betreffenden Schlachtbetrieb gar nicht zur Schlachtung älterer Tiere zugelassen sind, dass die betreffenden Schlachtbetriebe, selbst wenn sie zur Schlachtung älterer Tiere zugelassen sind, dies ihm vorher melden und dass im Übrigen die betreffenden Schlachtbetriebe ihm auch zutreffende Angaben machen.

Damit verkennt er nachhaltig die Aufgaben, dass er gerade als letztes Glied der Kontrollinstanz und zwar nicht als einfacher Arbeitnehmer, sondern als akademisch ausgebildeter approbierter Tierarzt mit einer entsprechenden Vergütung gerade die Verpflichtung hat zu kontrollieren, ob die gesetzlichen Vorgaben auch eingehalten werden.

Ihm obliegt es als wesentliche Aufgabe zu ermitteln, ob die Angaben des Schlachtbetriebs zutreffend sind, ihm liegt als wesentliche Aufgabe weiter dahin zu ermitteln, zu entscheiden, ob notwendige Untersuchen vorzunehmen sind. Sich als Kontrolleur auf die Angaben eines Kontrollierenden zu verlassen und nur bei Verdachtsfällen oder stichprobenweise vorzugehen zeugt von einem nachhaltig fehlverstandenem Bild der Kontrollaufgaben eines amtlichen Fleischbeschautierarztes. Es ist gerade seine ureigenste Aufgabe zu kontrollieren, dazu gehört auch die Kontrolle, ob die von dem Schlachtbetrieb gemachten Angaben zutreffend sind.

Dies gilt umso mehr in den Fällen der vorliegenden Art, wo es wie vom Arbeitsgericht in ausführlichen Erwägungen vollkommen zutreffend hervor gehoben, um die Volksgesundheit und um die Verhinderung der Ausbreitung einer BSE-Gefahr geht.

Der Gesetzgeber braucht keine Kontrollinstanzen einzurichten, wenn diese Kontrollinstanzen sich mit Erfolg darauf zurückziehen könnten, sie vertrauten den Angaben der zu Kontrollierenden.

Die Pflichtverletzung des Klägers ist gravierend. Die Verletzung der Verordnung zur fleischhygienischen Untersuchung von geschlachteten Rindern auf BSE stellt einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Von der gewissenhaften Ausübung der Tätigkeit des Klägers hing die Gesundheit einer unübersehbar großen Zahl von Menschen ab. Der Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsbeeinträchtigungen gehört zum Kernbereich seiner Verantwortung als Fleischbeschautierarzt. Er wird gerade und ausschließlich zum Zwecke der Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen und damit zum Schutz der Volksgesundheit bestellt. Diese wesentliche Hauptpflicht hat der Kläger nachhaltig verletzt.

Letztlich kam es dabei nicht darauf an, aus welchen Gründen der Kläger so nachlässig vorging, die Kammer hat offensichtlich den Eindruck, dass dem Kläger die Vorgehensweise, sich auf die Angaben des Schlachtbetriebes zu verlassen, äußerst bequem war. Eine wesentliche Erschwerung seiner Tätigkeit durch Einsichtnahme in den Rinderpass wäre dann nur erforderlich gewesen, wenn diese Einsichtnahme in den Rinderpass eine notwendige BSE-Untersuchung nach sich gezogen hätte.

Die Auswirkungen des Fehlverhaltens waren erheblich. Der Kläger, der zu seiner Rechtfertigung ausführt, er habe sich auf die Angaben des Betriebes verlassen können verkennt, dass gerade die Vielzahl von Verstößen gerade bei einem Betrieb es zeigt, wie wichtig eine ernst genommene Kontrolle ist. Bei Durchführung gewissenhafter Feststellungen des Alters des Tieres wären diese Fälle nicht vorgekommen.

Die Gefährdung der Interessen des Arbeitgebers durch die vom Kläger zu verantwortende Pflichtwidrigkeit war besonders schwerwiegend. Dabei komme es entscheidungserheblich nicht darauf an, ob das nicht untersuchte Fleisch tatsächlich BSE-infiziert war. Allein der durch Datenabgleich festgestellte Vertrauensverlust in die Zuverlässigkeit gesetzlicher Kontrollen, für die der Steuerzahler und auch der Verbraucher ein nicht unerhebliches Entgelt aufgebracht hat und welches dann vollkommen nutzlos ist, wenn sich der Kontrolleur auf die Angaben des zu Kontrollierenden verlässt zeigt, dass schwerwiegende Interessen des Beklagten betroffen sind.

Der außerordentlichen Kündigung brauchte keine vorherige vergebliche Abmahnung voranzugehen. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts sind allesamt zutreffend. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zum Abmahnungserfordernis auch bei Störungen im Vertrauensverhältnis aufgearbeitet. Es hat zutreffend festgestellt, dass das Verhalten des Klägers steuerbar war. Ihm ist zu folgen, wenn davon auszugehen ist, dass die Vermutung nahe liegt, eine Abmahnung hätte den Kläger davon abgehalten, künftig gleichartige Verfehlungen in Bezug auf die Kontrolle von BSE-Rindern vorzunehmen. Die Kammer teilt aber die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass eine Wiederherstellung der für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlichen Vertrauens nicht möglich ist. Die Verstöße im gegenüber dem selbständig arbeitenden Kläger übertragenen Vertrauensbereich sind von ihm aufs Gröbste verletzt und damit das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört worden. Es kann dem Beklagten nicht zugemutet werden, auf ein künftig vertragsgemäßes Verhalten des Klägers zu hoffen oder ihm eine Kontrollperson noch zur Seite zu stellen. Die Rechtsverletzungen seiner Pflichtverletzungen hätten dem Kläger ohne Weiteres erkennbar sein müssen. Er konnte und durfte nicht davon ausgehen, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig und der Beklagte werde es zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten ansehen.

Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Frage einer herausgreifenden Kündigung sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

Allein der Unterschied der festgestellten Verstöße beim Kläger und seinem Urlaubsvertreter macht deutlich, dass hier gravierende, eine unterschiedliche Behandlung fertigende Differenzen in der Anzahl der Fehlleistungen vorliegen. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass lediglich im Rahmen der Urlaubsvertretung dem Vertreter des Klägers ähnliche Fehlverhalten angelastet werden können, während in dem übrigen Zeitraum seiner Tätigkeit als Fleischbeschautierarzt diese Fehlleistungen nicht vorliegen. Allein schon die absolute unterschiedliche Zahl rechtfertigt daher eine differenzierte Betrachtungsweise.

Im Übrigen sind sonstige Unwirksamkeitsgründe der Kündigung nicht ersichtlich, insbesondere wurde die vom Arbeitsgericht zutreffend als fehlerfrei behandelte Personalratsanhörung im Berufungsverfahren vom Kläger nicht mehr gerügt. Die Berufung des Klägers gegen das angefochtene Urteil konnte nicht erfolgreich sein. Sie war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht. Die Entscheidung ist daher mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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