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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 22.11.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 851/06
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG, ZPO, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 1
BetrVG § 38
KSchG § 9
KSchG § 9 Abs. 1
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2
KSchG § 13
KSchG § 13 Abs. 1
KSchG § 13 Abs. 1 Satz 3
KSchG § 13 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs.
KSchG § 15 Abs. 1
ZPO § 264 Abs. 2
ZPO § 525
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 851/06

Entscheidung vom 22.11.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach vom 27.09.2006, Az.: 6 Ca 526/06, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 2) des erstinstanzlichen Urteilstenors wie folgt neu gefasst wird:

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als kaufmännische Angestellte mit Tätigkeiten zu beschäftigen, die der Bewertungsgruppe VIII des Entgelttarifvertrages Weinkellereien Rheinland-Pfalz entsprechen.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten noch über die Weiterbeschäftigung der Klägerin und einen Auflösungsantrag der Beklagten.

Die Klägerin (geb. am 06.12.1955, verheiratet, zwei Kinder) ist seit dem 01.09.1992 im Betrieb der Beklagten als kaufmännische Angestellte in Teilzeit (75 %-Stelle) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Weinkellereien und Weinhandlungen für das Bundesland Rheinland-Pfalz Anwendung. Das Monatsgehalt der Klägerin beträgt nach Bewertungsgruppe VIII des Entgelttarifvertrages € 2.000,13 brutto.

Die Klägerin ist seit 2002 Betriebsratsmitglied; seit dem 01.05.2005 ist sie stellvertretende Vorsitzende des 15-köpfigen Betriebsrates. Sie wurde nach § 38 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt.

Mit Schreiben vom 16.03.2006 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos gekündigt. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 27.09.2006 (Bl. 119 - 133 der Akte) stattgegeben und die Beklagte außerdem (in Ziffer 2 des Tenors) verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens vertragsgemäß als Sachbearbeiterin Export weiterzubeschäftigen.

Mit Beschluss vom 05.12.2006 hat der Betriebsrat die Freistellung der Klägerin nach § 38 BetrVG durch Abberufung beendet. Diesen Abberufungsbeschluss hat die Klägerin in dem Beschlussverfahren 6 BV 23/06 vor dem Arbeitsgericht angefochten und gleichzeitig die Feststellung begehrt, dass sie weiterhin amtierendes Betriebsratsmitglied ist.

Die Beklagte beschäftigt die Klägerin seit der Aufhebung der Freistellung am 05.12.2006 als kaufmännische Angestellte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel weiter.

Das Landesarbeitsgericht hat mit Teil-Urteil vom 26.04.2007 (Bl. 305 - 318 d. A.) die Berufung der Beklagten hinsichtlich der fristlosen Kündigung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit einer Nichtzulassungsbeschwerde (4 AZN 1051/07).

In dem Beschlussverfahren 4 TaBV 67/06 (11 BV 8/06) hat das Landesarbeitsgericht mit inzwischen rechtskräftigem Beschluss vom 22.03.2007 den Antrag der Beklagten, die Klägerin wegen grober Verletzung ihrer gesetzlichen Pflichten gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG aus dem Betriebsrat auszuschließen, zurückgewiesen.

In dem weiteren Beschlussverfahren 6 BV 23/03 hat das Arbeitsgericht Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, mit inzwischen ebenfalls rechtskräftigem Beschluss vom 03.05.2007 festgestellt, dass die Klägerin weiterhin amtierendes Betriebsratsmitglied ist, und zwar solange sie aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichts im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren weiterbeschäftigt wird, längstens bis zur nächsten Betriebsratswahl. Den Antrag, festzustellen, dass der Betriebsratsbeschluss vom 05.12.2006 zur Abberufung der Klägerin als freigestelltes Betriebsratsmitglied unwirksam ist, hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auf Anregung der Berufungskammer in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2007 ihren ursprünglichen Weiterbeschäftigungsantrag geändert und beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses als kaufmännische Angestellte mit Tätigkeiten zu beschäftigen, die der Bewertungsgruppe VIII des Entgelttarifvertrages Weinkellereien Rheinland-Pfalz entsprechen.

Die Beklagte trägt vor, es sei ihr nicht zuzumuten, die Klägerin weiter zu beschäftigen, weil die Vertrauensbasis endgültig entfallen sei. Sie könne ihren Mitarbeitern und renommierten Geschäftspartnern nicht zumuten, mit Personen zusammenzuarbeiten, die an Privatpersonen adressierte Briefe öffneten und/ oder in privaten Taschen von Mitarbeitern nach Beweismittel suchten und/ oder nach Auffinden von Beweismitteln, die als strafbare Handlungen im Zusammenhang mit ihrem Betrieb stünden, nicht sofort der Personalleitung oder dem Vorstand meldeten, sondern diese für eigene private Interessen instrumentalisierten.

Außerdem könne sie die Klägerin schon deshalb nicht als Sachbearbeiterin Export beschäftigen, weil sie ihre Exportabteilung am 01.03.2006 in die Logistiktochter T T O Partner GmbH ausgegliedert habe. Hier könne die Klägerin nicht eingesetzt werden. Sie sei dazu nach dem erstinstanzlichen Urteil auch nicht verpflichtet. Im Übrigen sei die Klägerin vor ihrer Freistellung als Betriebsratsmitglied auch nicht als Sachbearbeiterin Export beschäftigt worden. Es treffe zwar zu, dass sie innerbetrieblich die Stelle des Arbeitnehmers Andreas S ausgeschrieben habe, der zum 30.04.2007 ausgeschieden sei. Es handele sich jedoch um eine Vollzeitstelle. Die Klägerin habe sich nicht beworben, so dass sie die Stelle der einzigen Bewerberin übertragen werde, die bereits seit mehreren Jahren beschäftigt sei.

Ihrem Auflösungsantrag sei stattzugeben. Zwar sehe § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nicht vor. In Extremfällen und bei Ausschluss einer ordentlichen Kündigung, sei aber § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG entsprechend anzuwenden. Hier sei eine verfassungskonforme Reduktion der §§ 9, 13 KSchG durch richterliche Rechtsfortbildung geboten.

Die Beklagte beantragt,

1. soweit noch nicht durch Teil-Urteil vom 26.04.2007 entschieden, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 27.09.2006, Az.: 6 Ca 526/06, aufzuheben und die Klage auf Weiterbeschäftigung abzuweisen,

2. das Arbeitsverhältnis zum 16.03.2006 gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

Die Klägerin beantragt,

1. soweit noch nicht durch Teil-Urteil entschieden, die Berufung zurückzuweisen,

2. den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Sie trägt vor, das Aufgabengebiet, das sie vor ihrer Freistellung als Betriebsrätin wahrgenommen habe, sei in der Zwischenzeit von Herrn Andreas S übernommen worden. Herr S habe zum 30.04.2007 gekündigt. Die Beklagte habe daraufhin dessen Stelle innerbetrieblich ausgeschrieben (Ausschreibung, Bl. 269 d. A.).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 4 TaBV 67/06 (11 BV 8/06) und 6 BV 23/06.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Beklagte ist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verpflichtet, die Klägerin weiterzubeschäftigen. Ihr Auflösungsantrag ist unbegründet.

1.1.

Der von der Klägerin zuletzt gestellte Antrag, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses als kaufmännische Angestellte mit Tätigkeiten weiter zu beschäftigen, die der Bewertungsgruppe VIII des Entgelttarifvertrages Weinkellereien Rheinland-Pfalz entsprechen, ist zulässig.

Dies folgt bereits daraus, dass sich die Beklagte auf diesen geänderten Antrag in der mündlichen Verhandlung rügelos eingelassen hat (§§ 267, 263 ZPO). Es kann deshalb dahinstehen, ob es sich um eine der Klägerin im Rahmen der Berufung der Beklagten mögliche Beschränkung des Klageantrags nach § 264 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 525 ZPO handelt, die ohne Einwilligung der Beklagten zulässig wäre.

1.2.

Der Weiterbeschäftigungsantrag ist begründet. Die Klägerin hat während der Dauer des Rechtsstreits einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Weiterbeschäftigung als kaufmännische Angestellte mit Tätigkeiten, die den Voraussetzungen der Bewertungsgruppe VIII des Entgelttarifvertrages Weinkellereien Rheinland-Pfalz entsprechen.

1.2.1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Großer Senat vom 27.02.1985 - GS 1/84 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) ist der Arbeitgeber aus dem Arbeitsvertrag (§ 611 BGB) i. V. m. § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG zur Beschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet. Dieser Beschäftigungsanspruch besteht für jeden Arbeitnehmer, unabhängig davon ob er höher- oder geringerwertige Arbeiten verrichtet, ob er für seine Arbeit eine spezielle Vor- oder Ausbildung benötigt oder nicht. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer durch die Nichtbeschäftigung einen konkreten Schaden erleidet. Da der allgemeine Beschäftigungsanspruch aus einer sich aus Treu und Glauben ergebenen Pflicht des Arbeitgebers folgt, muss er zurücktreten, wo überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Hierzu bedarf es einer Interessenabwägung. Das gilt bereits im unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnis. Wird das Arbeitsverhältnis seitens des Arbeitgebers gekündigt und erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage, verändert sich die Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien. Das beiderseitige Risiko des ungewissen Prozessausgangs kann bei der Prüfung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht außer Betracht gelassen werden. Dies führt dazu, dass zunächst das berechtigte und schutzwerte Interesse des Arbeitgebers, wegen des für ihn damit verbundenen hohen Risikos den Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses nicht zu beschäftigen, stärker und dringender erscheint. Diese Interessenlage ändert sich jedoch, wenn im Kündigungsschutzprozess ein die Instanz abschließendes Urteil ergeht, das die Unwirksamkeit der Kündigung und damit den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses feststellt. Ist dies der Fall, müssen zu der Ungewissheit des Prozessausgangs zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Zu denken ist hierbei etwa an solche Umstände, die auch im streitlos bestehenden Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber zur vorläufigen Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigen. Besteht z.B. gegen den Arbeitnehmer der Verdacht des Verrats von Betriebsgeheimnissen, so kann der Arbeitgeber die Beschäftigung dieses Arbeitnehmers schon während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verweigern, um das Ausspionieren weiteren betrieblichen Geschehens zu verhindern. Dann muss ihm aber auch zugestanden werden, den Arbeitnehmer trotz einer vorläufigen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom Betrieb fernzuhalten, so lange sich die Unhaltbarkeit des Vorwurfs nicht rechtskräftig heraus gestellt hat. Entsprechendes kann für andere Fälle eines strafbaren oder schädigenden Verhaltens des Arbeitnehmers angenommen werden. Auch aus der Stellung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb und der Art seines Arbeitsbereichs kann sich ein überwiegendes schutzwertes Interesse des Arbeitgebers ergeben, den betreffenden Arbeitnehmer wegen der Ungewissheit des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses von seinem Arbeitsplatz fernzuhalten (BAG GS vom 27.02.1985 - GS 1/84 - zu C. II. 2. c) der Gründe).

1.2.2.

Eine Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass hier neben der Ungewissheit des Prozessausgangs, nachdem die Klägerin in zwei Instanzen mit ihrem Kündigungsschutzantrag gegen die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16.03.2006 obsiegt hat, keine "zusätzlichen Umstände" vorliegen, die zu einem im Einzelfall überwiegenden Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung der Klägerin führen.

Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat keine schutzwürdigen und überwiegenden Interessen dargelegt, mit denen sich die Beschäftigung der Klägerin nicht in Einklang bringen ließe. Sie äußert in diesem Zusammenhang zunächst die bloße Ansicht, es sei ihr nicht zuzumuten, die Klägerin weiter zu beschäftigen, weil die Vertrauensbasis endgültig entfallen sei. Zur Untermauerung dieser Ansicht führt sie lediglich aus, sie könne ihren Mitarbeitern und renommierten Geschäftspartnern nicht zumuten, mit Personen zusammenzuarbeiten, die an Privatpersonen adressierte Briefe öffneten und/ oder in privaten Taschen von Mitarbeitern nach Beweismittel suchten und/ oder nach Auffinden von Beweismitteln, die als strafbare Handlungen im Zusammenhang mit ihrem Betrieb stünden, nicht sofort der Personalleitung oder dem Vorstand meldeten, sondern diese für eigene private Interessen instrumentalisierten. Mit dieser schlagwortartigen Zusammenfassung ihrer Kündigungsvorwürfe macht die Beklagte keine "zusätzlichen" Umstände geltend, die trotz des Obsiegens der Klägerin in zwei Instanzen ausnahmsweise ihre Nichtbeschäftigung rechtfertigen könnten.

1.2.3.

Der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin scheitert nicht daran, dass der Beklagten eine Entgegennahme der Arbeitsleistung der Klägerin objektiv unmöglich wäre.

Die Klägerin ist als kaufmännische Angestellte eingestellt worden. Damit können ihr kaufmännische Tätigkeiten übertragen werden, die der Bewertungsgruppe VIII des einschlägigen Entgelttarifvertrages entsprechen. Es kann deshalb dahinstehen, welchen konkreten Arbeitsplatz die Klägerin vor ihrer vollständigen Freistellung als Betriebsratsmitglied ab dem 01.05.2005 innehatte und ob dieser Arbeitsplatz durch Ausgliederung auf eine Logistiktochter weggefallen ist oder nicht. Die Beklagte hat der Klägerin im Rahmen ihres Direktionsrechts einen gleichwertigen kaufmännischen Arbeitsplatz in dem nach wie vor bestehenden Betrieb zuzuweisen. Die Weiterbeschäftigung wird nicht dadurch unmöglich, dass die Beklagte der Klägerin, die seit dem 05.12.2006 nicht mehr als Betriebsratsmitglied freigestellt ist, einen geeigneten gleichwertigen Arbeitsplatz freimachen muss. Schließlich hat die Beklagte auch einen Arbeitsplatz freimachen können, auf dem die Klägerin seit dem 05.12.2006 zur Anwendung der Zwangsvollstreckung weiterbeschäftigt wird.

2.

Der Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. KSchG hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers im Falle der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Damit hat der Gesetzgeber § 9 Abs. 1 KSchG mit der Maßgabe für anwendbar erklärt, dass nur der Arbeitnehmer, nicht aber der Arbeitgeber, den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung stellen kann. Die unberechtigte außerordentliche Kündigung sieht der Gesetzgeber als besonders schwerwiegend an und verweigert deshalb dem Arbeitgeber die Möglichkeit, seinerseits den Auflösungsantrag zu stellen. Der Arbeitgeber bleibt an das Arbeitsverhältnis gebunden. Eine analoge Anwendung des § 9 Abs. 1 KSchG scheidet wegen des eindeutigen Gesetzeswortlautes aus (h.M., vgl. nur: Ascheid/ Preis/ Schmidt, KSchG, 3. Aufl., Rz. 24, KR-Friedrich, 8. Aufl., § 13 Rz. 64, v. Hoyningen-Huene/ Linck, 14. Aufl., § 13 Rz. 16; jeweils m.w.N.).

Im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten, die sich auf vereinzelte Stimmen im Schrifttum beruft (z.B. Sieben, NJW 2005, 1095 ff, Trappehl/ Lambrich, RdA 1999, 243 ff.) ist eine "verfassungskonforme Reduktion" der §§ 9, 13 KSchG durch richterliche Rechtsfortbildung weder veranlasst noch zulässig. Über den klaren Willen des Gesetzgebers dürfen sich Gerichte nicht hinwegsetzen. Der Sonderkündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder gemäß § 15 Abs. 1 KSchG rechtfertigt keine Rechtsfortbildung des Inhalts, dass der Arbeitgeber auch bei einer außerordentlichen Kündigung gegen die klare Regelung in § 13 Abs. 1 KSchG einen Auflösungsantrag stellen könnte. Wenn Betriebsratsmitglieder durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung einen besonderen Kündigungsschutz genießen, dann kann dieser nicht durch die dem Arbeitgeber - gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut - zugebilligte Möglichkeit, auch bei außerordentlichen Kündigungen Auflösungsanträge zu stellen, praktisch wieder zunichte gemacht werden.

3.

Nach alledem ist die insgesamt erfolglose Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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