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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.10.2000
Aktenzeichen: 4 Sa 959/00
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 242
BGB § 339
BGB § 343 Abs. 1
BGB § 622 Abs. 3
AGBG § 11 Nr. 6
AGBG § 23 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11.07.2000 - 3 Ca 194/00 - unter Aufrechterhaltung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 2.000,-- nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 26.01.2000 zu zahlen.

Die weitere Klage wird abgewiesen.

2. Die weitere Berufung der Klägerin und die Berufung des Beklagten werden zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Klägerin betreibt eine Flachglasgroßhandlung. Mit dem Beklagten schloss sie unter dem 08.06.1999 einen Arbeitsvertrag, wonach der Beklagte ab 03.01.2000 als Außendienstmitarbeiter (kaufmännischer Angestellter) eingestellt wurde. Es findet sich wörtlich weiter:

"Die ersten drei Monate gelten als Probezeit. Während dieser Probezeit können die Vertragspartner das Arbeitsverhältnis täglich zum Arbeitsende des gleichen Tages kündigen."

Als Arbeitsentgelt war ein monatlicher Bruttoverdienst von 4.000,-- DM zuzüglich Provision vereinbart.

Die ordentliche Kündigung vor Aufnahme der Tätigkeit war ausgeschlossen.

Über eine Vertragsstrafe findet sich folgende Regelung:

"Im Falle der schuldhaften Nichtaufnahme der Arbeit oder der vertragswidrigen Beendigung der Tätigkeit verpflichtet sich Herr G zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von DM 4.000,-- DM."

Der Beklage teilte mit Schreiben vom 27.12.1999 mit, dass er den mit ihm geschlossenen Arbeitsvertrag nicht einhalten werde und die Stelle in dem Unternehmen der Klägerin nicht antreten könne.

Gegenstand des Rechtsstreit ist, soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung, die Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,-- DM.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, in dieser Höhe sei die Vertragsstrafe verwirkt, es bestünden keine Gründe, die Vertragsstrafe herabzusetzen, insbesondere das Verhalten des Beklagten, bis kurz vor Vertragsbeginn sie im Unklaren zu lassen und dann zu einem Zeitpunkt, in dem eine angemessene schnelle Reaktion nicht mehr möglich war, mitzuteilen, dass er den Vertrag nicht aufnehmen werde, rechtfertige eine fühlbare Vertragsstrafe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.000,-- Dm zuzüglich 4% Zinsen seit dem 26.01.2000 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Vertragsstrafenregelung stelle eine unangemessene Benachteiligung dar. Hilfsweise hat er die Herabsetzung der Vertragsstrafe auf einen angemessenen, vom Gericht festzusetzenden Betrag begehrt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 11.07.2000 - 3 Ca 194/00 - verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung in Höhe von 920,-- DM (ein Wochenlohn) entsprochen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, in der Regel solle bei einem Vertragsbruch die Strafe das für die normale Kündigungsfrist zu zahlende Gehalt nicht übersteigen. Einerseits sei zu berücksichtigen, dass die Parteien die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Aufnahme der Tätigkeit ausgeschlossen hatten. Andererseits hatten die Parteien vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis täglich zum Arbeitsende des gleichen Tages kündbar war. Diese Vereinbarung sei soweit sie sich zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirkte, nicht wegen Verletzung einer Schutznorm unwirksam. Zu berücksichtigen sei zu Gunsten der Klägerin, dass sie durch die Vereinbarung der Vertragsstrafe vor überraschenden Kündigungen des Arbeitnehmers geschützt werden wollte. Andererseits hatte sie nach Aufnahme des Arbeitsverhältnisses keinen gesteigerten Bestandsschutz, da der Beklagte das Arbeitsverhältnis ohne weiteres kurzfristig hätte kündigen können, sei es mit der vereinbarten kurzen Kündigungsfrist von einem sei, sei es jedenfalls mit der zweiwöchigen Kündigungsfrist während der Probezeit des § 622 Abs. 3 BGB. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte halte die Kammer eine Festsetzung in Höhe eines Wochenlohnes für angemessen. Der Klägerin sei auch offensichtlich kein besonderer Schaden durch die vertragswidrig ausgesprochene Kündigung entstanden. Auf der anderen Seite treffe die vom Gericht festgesetzte Vertragsstrafe den Beklagten fühlbar. Im Urteil hat das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Das Urteil wurde der Klägerin am 03.08., dem Beklagten am 03.08.2000 zugestellt. Beide Parteien haben gegen das Urteil Berufung eingelegt, die Klägerin am 08.08.2000, diese Berufung wurde gleichzeitig begründet, der Beklagte am 01.09.2000, diese Berufung wurde am 08.09.2000 begründet.

Beide Parteien greifen das Urteil des Arbeitsgerichts aus Rechtsgründen an. Die Klägerin vertritt die Auffassung, es sei nicht gerechtfertigt, die Vertragsstrafe herabzusetzen. Neben dem vertraglichen vereinbarten Bruttogehalt sei eine Provision vereinbart worden, die ohne weiteres durchschnittlich einen weiteren Betrag von 4.000,- DM ergeben hätte.

Der Beklagte seinerseits vertritt die Auffassung, dass bei der vereinbarten Kündigungsfrist von einem Tag ein besonderes Sicherungsinteresse der Klägerin an der Einhaltung des Arbeitsvertrages nicht bestand.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils dem Antrag der Klägerin in erster Instanz in vollem Umfang stattzugeben.

Der Beklagte beantragt,

1. die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11.07.2000, Az.: 3 Ca 194/00, zurückzuweisen;

2. auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11.07.2000, Az.: 3 Ca 194/00, abzuändern und die Klage abzuweisen;

hilfsweise wird beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die der Klageforderung zu Grunde liegende Vertragsstrafe auf einen angemessenen, vom Gericht festzusetzenden Betrag herabzusetzen, der 920,--DM unterschreiten soll;

3. dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten kostenfällig zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Es wird weiter verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 26.10.2000.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufungen von Klägerin und Beklagtem sind zulässig, sie sind insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs.1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 518, 519 ZPO). Die selbständige Berufung des Beklagten ist zulässig. Das Arbeitsgericht hat die Berufung im Urteilstenor zugelassen. Damit ist es nicht von Bedeutung, dass der Beschwerdewert für den Beklagten 1.200,--DM nicht übersteigt. Dass die Berufungszulassung ohne eine gesetzliche Begründung erfolgt, diese ist jedenfalls weder ersichtlich, noch in der Urteilsbegründung aufgenommen, ist unschädlich. Das Landesarbeitsgericht ist insoweit an die Zulassung gebunden.

II.

Das Rechtsmittel der Klägerin hat teilweise, das Rechtsmittel des Beklagten keinen Erfolg. Die im konkreten Einzelfall angemessene Vertragsstrafe beträgt 2.000,-- DM. Soweit das Arbeitsgericht eine diesbezügliche Verurteilung des Beklagten nicht ausgesprochen hat, war das arbeitsgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern.

1.

Das Vertragsstrafeversprechen des Arbeitsvertrages ist wirksam. Nach § 339 BGB kann eine Vertragsstrafe für den Fall vereinbart werden, dass der Schuldner eine Vereinbarung nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt. § 339 BGB gilt als Bestimmung des allgemeinen Schuldrechts auch für Arbeitsverhältnisse. Dies hat das Bundesarbeitsgericht zu Recht in ständiger Rechtsprechung anerkannt (vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 339 BGB).

Gegen die konkrete Ausgestaltung des Vertragsstrafeversprechens bestehen keine Bedenken. Die Pflichtverletzung, welche die Strafe auslöst, ist klar bezeichnet. Die Voraussetzungen, die zur Verwirkung der Vertragsstrafe führen, sind so bestimmt, dass sich der Beklagte in seinem Verhalten darauf einstellen konnte.

Die Vertragsstrafenabrede konnte auch in einem vorformulierten Arbeitsvertrag getroffen werden. Das Verbot solcher Vereinbarungen nach § 11 Nr. 6 AGB-Gesetz gilt gemäß § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz nicht für Arbeitsverträge. Eine entsprechende Anwendung scheidet auf Grund der eindeutigen Regelung des § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz aus (vgl. BAG a.a.O.).

2.

Die Vertragsstrafenabrede hält auch einer Inhaltskontrolle stand. Sie ist weder sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB noch dem Grunde nach unangemessen (§ 242 BGB). Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (EzA Art. 2 GG Nr. 8) geht das Bundesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass § 242 BGB die Befugnis zur richterlichen Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen begründen kann (vgl. BAG EzA § 611 BGB "Ausbildungsbeihilfe Nr. 10"). Dabei dürfen die Gerichte freilich nicht bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts den Vertrag in Frage stellen oder korrigieren. Nur bei typisierbaren Fallgestaltungen, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lassen und ungewöhnlich belastende Folgen für den Unterlegenen Vertragsteil haben, muss die Zivilrechtsordnung reagieren.

Grundsätzlich ergibt sich im Vertragsrecht der sachgerechte Interessenausgleich nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragspartner. Beide binden sich und nehmen damit zugleich ihre individuelle Handlungsfreiheit wahr. Nur dann, wenn einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht hat, dass er den Vertragsinhalt faktisch selbst einseitig bestimmen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich für die Zivilgerichte daher die Pflicht bei Auslegung und Anwendung der bürgerlich rechtlichen Generalklauseln darauf zu achten, dass Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienen. Ist der Inhalt eines Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, haben die Gerichte zu klären, ob die vereinbarte Regelung eine Folge strukturell ungleicher Behandlungsstärke ist, um dann gegebenenfalls im Rahmen der §§ 138, 242 BGB korrigierend einzugreifen.

Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Vertragsstrafenabrede weder als sittenwidrig noch als dem Grunde nach unangemessen. Die Bindung an den Arbeitsvertrag für den Zeitraum zwischen dem Abschluss des Vertrages und der beabsichtigten Arbeitsaufnahme von nahezu einem halben Jahr führt nicht zur Nichtigkeit des Vertragsstrafeversprechens nach § 138 BGB. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte bei Abschluss des Vertrages von der Klägerin in eine Zwangslage gebracht wurde. Somit hat die Klägerin keine besondere Notlage ausgenutzt, um das Vertragsstrafeversprechen in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.

Für die Klägerin bestand ein berechtigtes Interesse an der Vereinbarung der Vertragsstrafe. Im Hinblick auf die lange Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und vereinbarter Arbeitsaufnahme sollte der Beklagte zur Vertragstreue angehalten werden.

Für eine weitergehende Angemessenheitskontrolle der Vereinbarung nach Maßgabe der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze ist im Streitfall kein Raum. Es ist nicht erkennbar, dass es sich um eine typisierbare Fallgestaltung struktureller Unterlegenheit des Arbeitnehmers gehandelt hat. Die bloße Tatsache, dass ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer einen Vertrag geschlossen hat, genügt jedenfalls nicht für die Annahme einer strukturellen Unterlegenheit eines Vertragspartners, nämlich des Arbeitnehmers.

3.

Der Beklagte hat die Vertragsstrafe verwirkt. Er hatte, ohne dass die Möglichkeit einer Kündigung vor Vertragsbeginn vertraglich eingeräumt wurde, der Klägerin mitgeteilt, dass er die Stelle nicht antreten werde. Die Mitteilung erfolgte dabei ungewöhnlich kurz vor Beginn der Arbeitsaufnahme.

Damit ist im Grunde nach die Vertragsstrafe verwirkt.

4.

Auf Antrag des Beklagten war allerdings die vereinbarte und durch den unterbliebenen Dienstantritt auch verwirkte Vertragsstrafe auf einen halben Bruttomonatsverdienst, entsprechend der vereinbarten Bruttobezüge auf 2.000,-- DM herabzusetzen.

Eine unverhältnismäßig hohe verwirkte Vertragsstrafe kann durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht lediglich das Vermögensinteresse in Betracht zu ziehen. Maßgebend sind neben dem Grad des Verschuldens auch die wirtschaftliche Lage des Schuldners. Ein möglicherweise entstandener Schaden kann berücksichtigt werden. Dagegen rechtfertigt das Fehlen eines Schadens allein noch nicht die Herabsetzung der Vertragsstrafe (vgl. LAG Berlin LAGE § 339 BGB Nr. 8).

Zur Feststellung der Angemessenheit einer im Falle des Vertragsbruchs verwirkten Vertragsstrafe ist auch die maßgebliche Kündigungsfrist von Bedeutung. Hierin kommt zum Ausdruck, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber im Beendigungsfall Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer verlangen kann. Da es bei Vereinbarung einer Vertragsstrafe jedenfalls auch um einen vermögensmäßigen Ausgleich nicht erbrachter Vertragsleistungen geht, sind die Kündigungsfristen, die durch den Vertragsbruch vom Arbeitnehmer nicht beachtet wurden, ein relevanter Abwägungsgesichtspunkt zur Feststellung der angemessenen Höhe im Sinne von § 343 Abs. 1 BGB vgl. auch LAG Baden Württemberg LAGE § 339 BGB Nr. 1).

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze war die verwirkte Vertragsstrafe im konkreten Einzelfall nach § 343 Abs. 1 BGB auf den Betrag von 2.000,-- DM herabzusetzen.

Dabei erfolgt die Angemessenheitskontrolle unter gleichmäßiger Berücksichtigung der wesentlichen vorbenannten drei Kriterien. Entscheidend ist dabei allerdings nicht darauf abzustellen, dass etwa mit der vereinbarten Kündigungsfrist ein Höchstbetrag für die Vertragsstrafe festzusetzen wäre. Soweit verschiedentlich in der Literatur die Auffassung vertreten wird, mit dem für den Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist zu zahlenden Entgelt werde das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Aufnahme der Tätigkeit abgedeckt, wird hierbei verkannt, dass das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers nicht in der Zahlung einer Gegenleistung für die vereinbarte Tätigkeit darstellt, sondern was aus dieser vereinbarten Tätigkeit für betriebliche messbarer Nutzen gezogen werden kann. Das Entgelt für die Kündigungsfrist ist daher kein taugliches Abgrenzungskriterium um festzustellen, dass hierbei ein etwaiger Schaden schätzungsweise umrissen wird. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass bei einer kurzen vereinbarten Kündigungsfrist ein Arbeitgeber ohnehin damit rechnen muss, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb kürzester Zeit beendet wird.

Bei Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles ist aber festzuhalten, dass, wenn der Kläger sich vertragstreu verhalten hätte, er auf jeden Fall zum vereinbarten Termin die Arbeit hätte aufnehmen müssen. Ob es ihm dann noch möglich gewesen wäre, seine anderweitige Beschäftigung, die er offensichtlich aufgenommen hat, zu diesem Zeitpunkt aufzunehmen, erscheint fraglich. Es erscheint daher auch fraglich, ob er dann die Beschäftigung bei der Klägerin überhaupt beendet hätte. Jedenfalls kann verlangt werden, dass sich ein Arbeitnehmer vertragstreu verhält. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, ist verpflichtet, diese vertraglich übernommene Beschäftigung auch aufzunehmen, sei es auch nur für kurze Zeit. Es ist daher nicht hinreichend sicher festzustellen, dass auch dann das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit mit der kurzen vereinbarten Frist gekündigt worden wäre. Die Kammer kann dabei ausdrücklich offen lassen, ob die Kündigungsfrist, die auf jeden Fall zu Lasten des Beklagten nicht auf einen Tag zum Ende des Arbeitstages abgekürzt werden konnte, ebenfalls zu Lasten der Klägerin wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, nicht wirksam auf diese Frist hat herabgesetzt werden können.

Die Vertragsstrafe dient ausschließlich dazu, ein bestimmtes Vertragsverhältnis zweier Parteien zu sichern. Zur Begründung der Angemessenheit kann nicht ausgeführt werden, die Strafe solle auch dazu dienen, ganz allgemein einer in einer bestimmten Branche verbreiteten Vertragsuntreue entgegenzuwirken.

Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin bestand darin, dass der Beklagte die Tätigkeit zum vereinbarten Vertragsbeginn aufnehmen sollte. Dieses wirtschaftliche Interesse kann nicht in dem Arbeitsentgelt für eine Kündigungsfrist von einem Tag gesehen werden.

5.

Bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles ist noch weiter entscheidend darauf abzustellen, dass der Beklagte seinen Entschluss, das Arbeitsverhältnis nicht aufzunehmen, nur wenige Tage vor geplanter Arbeitsaufnahme der Klägerin mitgeteilt hat, noch zu einem Zeitpunkt, in dem Betriebsferien waren und in denen die Klägerin ersichtlich nicht mehr ausreichend schnell auf den plötzlichen Mangel an Arbeitskraft reagieren konnte. Dieses Verhalten ist als besonders grober Vertragsverstoß zu bewerten. Der Beklagte hat auch keinerlei Angaben dazu gemacht, weshalb es ihm nicht möglich gewesen war, sich geraume Zeit früher mit der Klägerin in Verbindung zu setzen und wegen der Aufnahme der Tätigkeit ein klärendes Gespräch zu suchen.

6.

Andererseits ist eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,-- DM, die einem normalen Bruttogrundlohn des vereinbarten Vertragsverhältnisses entspricht, als unangemessen hoch einzustufen. Das Sicherungsinteresse der Klägerin wird durch die Zahlung einer fühlbaren Vertragsstrafe ausreichend berücksichtig. Unter Abwägung der vorbezeichneten Gesichtspunkte erachtet die Kammer eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.000,-- DM, dies entspricht der Hälfte des vertraglich vereinbarten Bruttogrundlohns, für ausreichend und angemessen. Dafür, dass der Beklagte bei einer kurzfristigen Arbeitsaufnahme überhaupt Provisionen verdient hätte und sich diese in der Größenordnung von 2.000,-- bis 4.000,-- DM bewegen würde, hat die Klägerin ausreichenden Tatsachenvortrag nicht gebracht. Der Umstand, dass andere Mitarbeiter Provisionen in vergleichbarer Höhe beziehen können, besagt nichts darüber, ob ein Neuanfänger wie der Beklagte, ebenfalls diese Provisionen bezogen hätte.

III.

Nach allem war, wie geschehen, das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern. Der Klägerin war eine Vertragsstrafe in Höhe von insgesamt 2.000,-- DM nebst Zinsen zuzusprechen. Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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