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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 17.11.2005
Aktenzeichen: 4 TaBV 49/05
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 91
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 TaBV 49/05

Entscheidung vom 17.11.2005

Tenor:

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 13.07.2005 - 1 BV 32/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Schulungskosten. Aus abgetretenem Recht macht der Antragsteller die Erstattung von Kosten geltend, die aus Anlass der Teilnahme des Betriebsratsmitgliedes der beteiligten Arbeitnehmerin Frau K. entstanden sind. Die Arbeitgeberin beschäftigt ca. 150 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat mit 7 Mitgliedern.

Der Betriebsrat beschloss am 06.04.2004, dass das Betriebsratsmitglied Frau K. an dem Seminar "Schriftverkehr, Protokolle, Beschlüsse" vom 10.05. bis 14.05.2004 in B. teilnimmt. Das Seminar wurde durch den Antragsteller veranstaltet. Der Betriebsrat unterrichtete den Arbeitgeber über die beabsichtigte Teilnahme. Der Arbeitgeber lehnte die Kostenübernahme und Freistellung der Frau K. an diesem Seminar ab. Sie nahm gleichwohl teil, klagte ihre Vergütung ein und erstritt mit rechtskräftigem Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 19.10.2004 (3 Ca 1227/04) die Fortzahlung ihres Arbeitsentgeltes. Der Betriebsrat hat mit Erklärung vom 29.07.2004 seine Ansprüche gegen den Arbeitgeber auf Freistellung/Erstattung der durch die Teilnahme entstandenen Kosten in Höhe von unstreitig 1.344,00 € an den Antragsteller abgetreten.

Frau K. ist Mitglied des Betriebsrates seit 2002. Zunächst war sie stellvertretende Schriftführerin und ist seit etwa 1 1/2 Jahren Schriftführerin. Im Unternehmen der Arbeitgeberin arbeitete sie als sogenannter Computer-Key-User.

Sie wurde im Jahre 1999 besonders in EDV geschult, um den Mitarbeitern im Bereich des Verkaufs die Einführung eines neuen EDV-Systems zu vermitteln. Der Umgang mit dem Rechner gehört im Rahmen ihrer täglichen Arbeiten zu ihren Hauptaufgaben. Aufgrund der Aufgabenstellung ist sie im Hinblick auf EDV-Nutzung und Rechnerkenntnisse eine der am besten geschulten Mitarbeiter der Arbeitgeberin. Sie bearbeitet auch insbesondere umfangreichen Schriftverkehr im Rahmen ihrer täglichen Arbeit.

Sie nahm bereits zuvor an 4 Schulungsveranstaltungen teil, nämlich an der Veranstaltung "BR 1", an der Veranstaltung "Soziale Angelegenheiten", am 06.05.2003 an einer Veranstaltung "Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes" und am 04.11.2003 an der Veranstaltung "Arbeitszeitvereinbarung".

Das hier streitgegenständliche Seminar umfasste folgende Themen:

- Rechtsgrundlagen und Anforderungen an die Praxis

- Die richtige Beschlussfassung

- Die Niederschrift gem. § 34 BetrVG

- Die Beschlüsse des Betriebs-/Personalrats

- Der tägliche Schriftverkehr

- Vorstellung von Formulierungstechniken

- Rechtssprechungsübersicht.

Im Anmeldungsschreiben des Veranstalters hieß es, dass in dem Spezialseminar die Rechtsvorschriften und Regeln zur Beschlussfassung der Erstellung von Sitzungsniederschriften und von Protokollen vermittelt werden. Weiter heißt es wörtlich:

"Die formalen Anforderungen werden auf den Betriebs-/Personalalltag übertragen. Praktische Übungen am PC sind ein Seminarschwerpunkt."

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, dass die Teilnahme der Frau K. an dem Seminar erforderlich sei.

Er hat beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, an die Beteiligte zu 1) 1.344,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 28.05.2005 zu zahlen.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Teilnahme von Frau K. an dem genannten Seminar sei nicht erforderlich. Es habe insbesondere keine Kenntnisse vermittelt, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich gewesen seien. Frau K. habe aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit ausreichende Kenntnisse im Erstellen von Niederschriften, Festhalten von Beschlüssen und dem täglichen Schriftverkehr. Ausweislich der Seminarankündigung hätten die praktischen Übungen einen Seminarschwerpunkt gebildet.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruches seien gegeben, weil Kenntnisse vermittelt worden seien, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussbegründung verwiesen.

Gegen den der Arbeitgeberin am 29.07.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29.08.2005 eingelegte Beschwerde. Diese Beschwerde wurde mit am 29.09.2005 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Arbeitgeberin rügt fehlerhafte Rechtsanwendung. Aus den Einzelthemen und Zeitplan ergebe sich, dass insgesamt 13,5 Stunden und damit knapp 50 % der insgesamt 29,5 Stunden umfassenden Seminarinhalte auf praktische Übungen am PC entfielen, die damit eindeutig den Schwerpunkt der Schulung bildeten. Die Vermittlung von Kenntnissen in der PC-Arbeit sei bei Frau K. nicht notwendig. Auch habe Frau K. als stellvertretende Schriftführerin bzw. Schriftführerin in Fragen der Beschlussfassung und Niederschrift bislang ihre Arbeit tadellos erledigt. Es habe bislang noch keine Beschlussfassung im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens aufgehoben werden müssen. Das Arbeitsgericht argumentiere auch widersprüchlich, als es seinerseits ausführe, Frau K. habe Kenntnisse in Bezug auf ein Betriebsratsamt nicht, es andererseits aber einräume, es liege in der Natur der Sache, dass eine Schulungsveranstaltung in Teilbereichen Programmpunkte enthalte, die dem einen oder anderen Teilnehmer schon geläufig seien. Auch der Besuch anderer Seminare habe Frau K. die notwendigen Kenntnisse vermittelt.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 13.07.2005 - 1 BV 32/04 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 23.07.2005 - 1 BV 32/04 - wird zurückgewiesen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der beteiligte Betriebsrat hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Beschwerdeverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 17.11.2005.

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist zutreffend. Der Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch aus abgetretenem Recht zu.

Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Hierzu zählen auch die erforderlichen Kosten einer Betriebsratsschulung. Voraussetzung ist, dass die Schulungs- und Bildungsveranstaltungen Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind (§ 40 Abs. 1 i. V. m. § 37 Abs. 6 BetrVG). Erforderlich ist die Vermittlung von Kenntnissen, wenn diese unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Es muss ein aktueller konkreter betriebsbezogener Anlass bestehen.

Die Schulungsveranstaltung Schriftverkehr, Protokolle und Beschlüsse vermittelt Kenntnisse für einen nicht unwesentlichen Teil des Betriebsverfassungsrechts, nämlich den Bereich der Protokollführung bzw. der Aufnahme von Niederschriften, Beschlussfassung und des Schriftverkehrs, sowie der damit zusammenhängenden Aufgaben. Grundkenntnisse in diesem Teilbereich sind zumindest für ein Betriebsratsmitglied erforderlich, welche diese Vorschriften in der praktischen Betriebsratsarbeit umsetzt, also in der Regel der Schriftführer des Betriebsrates. Das gilt sowohl für die richtige Beschlussfassung nach § 33 BetrVG, als auch für die Aufnahme der Sitzungsniederschrift nach § 34 BetrVG, als auch für den täglichen Schriftverkehr.

Dem tritt im Ergebnis die Arbeitgeberin auch nicht entgegen. Sie macht nur geltend, aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Schulung und der Vorkenntnisse der Frau K. sei für dieses Betriebsratsmitglied die konkrete Schulung nicht erforderlich gewesen.

Die Erforderlichkeit der Schulung wird jedoch nicht dadurch berührt, dass nach Ankündigung des Veranstalters praktische Übungen am PC einen Schwerpunkt des Seminars bilden. Auch die im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Darstellung der Arbeitgeberin über den zeitlichen Umfang der praktischen Übungen führt zu keinem anderen Ergebnis. Nimmt die Behandlung nicht erforderlicher Themen einen größeren Umfang ein, ist der erforderliche und der nicht erforderliche Teil der Schulung jedoch sowohl in thematischer Hinsicht als auch hinsichtlich der zeitlichen Verhandlung so klar von einander abgrenzbar, dass ein zeitweiser Besuch der Veranstaltungen möglich und sinnvoll ist, beschränkt sich die Erforderlichkeit auf den Teil, auf den die für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Kenntnisse vermittelt werden (vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 65 BetrVG 1972). Ein zeitweiliger Besuch der Veranstaltung war allerdings nicht möglich. Der Schulungsinhalt zur Frage der rechtlichen Bedeutung und der praktischen Übungen am PC war derart ineinander verzahnt, dass eine Trennung in einen zeitweisen Besuch nicht möglich war. Ist ein zeitweiser Besuch einer Schulungsveranstaltung praktisch nicht möglich oder sinnvoll, kommt es darauf an, ob die Schulungszeit der erforderlichen Themen mit mehr als 50 % überwiegt. Ist dies der Fall, ist die gesamte Veranstaltung als erforderlich anzusehen (vgl. BAG AP Nr. 24 zu § 37 BetrVG 1972).

Dies ist hier festzustellen. Ausweislich der Zeitangaben machen die praktischen Übungen am PC einen unterhälftigen Anteil der gesamten Schulungszeit aus. Damit ist, da eine Aufteilung nicht möglich ist, die gesamte Schulung als erforderlich anzusehen. Im Übrigen ist der Ausgangspunkt des Arbeitsgerichts zutreffend, dass es in der Natur der Sache liegt, dass eine Schulungsveranstaltung, welche nicht nur individuell auf einzelne Personen zugeschnitten ist, sondern für einen größeren Teilnehmerkreis bestimmt ist, in Teilbereichen Programmpunkte enthält, die dem einen oder anderen Teilnehmer schon geläufig sind, so dass in diesen Teilbereichen möglicher Weise ein Schulungsbedarf nicht gegeben ist. Entscheidend ist in diesem Fall dass der Schulungsbedarf in dem übrigen Programmteil überwiegt. Dies ist, wie dargestellt, festzuhalten.

Der Erforderlichkeit der Schulung steht ebenfalls nicht entgegen, dass Frau K. schon an vorangegangenen Seminaren teilgenommen hat. In keinem der vorangegangenen Seminare war die Beschlussfassung des Betriebsrates mit all den dazu im Kontext stehenden ins Einzelne gehenden zu beachtenden Formvorschriften Gegenstand einer in die Tiefe gehenden Schulung. Zwar hat Frau K. in der Zeit vom 26.08. bis 30.08.2002 ein Seminar Betriebsrat I "Aller Anfang ist gar nicht so schwer" besucht, in dem auch Gegenstand die richtige Beschlussfassung war. Allein der Themenplan dieser Betriebsratschulung zeigt, dass diese fünftägige Schulungsveranstaltung lediglich am Mittwoch als einem von vier Punkten die Geschäftsführung des Betriebsrates zum Gegenstand hatte, also weder die ins Einzelne gehenden Fragen der ordnungsgemäßen Beschlussfassung, der richtigen Protokollierung und der bei dem gesamten Schriftverkehr zu beachtenden Formalien vertieft zum Gegenstand hatte. Im Seminar Betriebsverfassung "Soziale Angelegenheit" ist die Protokollführung und Beschlussfassung überhaupt nicht Gegenstand gewesen, auch nicht im Seminar über die flexiblen Arbeitszeiten. Sollte im Seminar Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts die Aufgaben einer Protokollführung einer richtigen Beschlussfassung und der Behandlung des Schriftverkehrs angesprochen worden sein, nahm diese ebenfalls nicht den für die Vermittlung erforderlicher Kenntnisse notwendigen Stellenwert ein.

Der Umstand, dass bislang Frau K. ihre Arbeiten als Schriftführerin ohne Beanstandung von Beschlussfassungen erledigt hat, spricht nicht dafür, die Schulungsmaßnahme als nicht erforderlich anzusehen. Gerade im Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 29.09.2004 hat diese über die Seiten 1 und 2 hinweg Formalien hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung im vorliegenden Verfahren beanstandet. Dies zeigt gerade, wie notwendig es ist, dass auch die Schriftführerin über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, um ihre Arbeit ordnungsgemäß erledigen zu können.

Nach allem erweist sich die angefochtene Entscheidung als zutreffend.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin musste erfolglos bleiben.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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