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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 20.01.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 1253/03
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 4 S. 1
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
KSchG § 23 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 3
BGB § 613 a Abs. 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 1253/03

Verkündet am: 20.01.2004

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 31.07.2003 - 2 Ca 852/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 6.116,07 festgesetzt.

Tatbestand:

Die am 01.04.1950 geborene Klägerin ist vom 01.10.1986 bis zum 30.06.1996 bei der Firma X. AG, W.straße 154, Kaiserslautern (folgend: Firma X.) und seit dem 01.07.1996 bei der Beklagten als Sachbearbeiterin beschäftigt gewesen. Die Beklagte hatte mit der Firma X. den "Rahmenvertrag über Betriebsteilübergang Lager-, Packerei- und Versandabwicklung" vom 27.06.1996 (Bl. 13 ff d.A.) abgeschlossen. Mit dem Schreiben vom 04.12.2002 (Bl. 30 d.A.) kündigte die Firma X. der Beklagten den Vertrag vom 27.06.1996 einschließlich seiner Ergänzungen zum 30.06.2003. Mit dem Schreiben vom 24.04.2003 (Bl. 17 d.A.) kündigte die Beklagte der Klägerin zum 31.10.2003. Für die Zeit nach dem 30.06.2003 war die Klägerin von der Arbeit freigestellt.

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des ArbG Kaiserslautern vom 31.07.2003 - 2 Ca 852/03 - (dort Seite 3 f = Bl. 57 f d.A.). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen das ihr am 10.09.2003 zugestellte Urteil vom 31.07.2003 - 2 Ca 852/03 - hat die Klägerin am 01.10.2003 Berufung eingelegt und diese am 10.11.2003 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 10.11.2003 (Bl. 76 ff d.A.) verwiesen.

Die Klägerin weist dort u.a. auf den unstreitigen Umstand hin, dass die Firma X. die von ihr produzierten Waren nunmehr selbst verpacke und versende. Die Klägerin macht geltend, dass vorliegend vom Fortbestand der wirtschaftlichen Einheit auszugehen sei. Die von der Firma X. in Eigenregie erledigte Dienstleistung des Verpackens und des Warenversandes vollziehe sich - so die Behauptung der Klägerin - in den gleichen Betriebsräumen und mit denselben Betriebsmitteln. Auch die Arbeitsorganisation und die Methoden seien gleich geblieben (Beweis: Zeugen V., U. und T.). Nach näherer Maßgabe ihrer weiteren Ausführungen hält die Klägerin dem Arbeitsgericht vor,

- die Darlegungs- und Beweislast zu verkennen;

- die Wertung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Sozialauswahl sei ebenfalls nicht nachzuvollziehen.

Die Klägerin weist darauf hin, dass die Sozialauswahl betriebsübergreifend zu erfolgen habe, wenn mehrere Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten würden. Hinsichtlich des S.-Lagers in Kaiserslautern sei zu berücksichtigen, dass in dieses Lager ständig Personal von der Beklagten hin- und hergeschickt worden sei; dem Betriebsleiter R. sei auch mehrfach angeboten worden, beide Lager zu leiten.

Der Vorgänger von R. habe die beiden Unternehmen einen längeren Zeitraum geleitet. Da im Unternehmen auch kaufmännische Angestellte beschäftigt seien, wäre es der Beklagten unschwer möglich gewesen - so führt die Klägerin weiter aus -, sie dort weiter zu beschäftigen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des ArbG Kaiserslautern vom 31.07.2003 - 2 Ca 852/03 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.04.2003, zugegangen am 26.04.2003, nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 02.01.2004 (Bl. 95 ff d.A.), auf deren Inhalt zwecks Darstellung aller Einzelheiten verwiesen wird.

Die Beklagte führt dort insbesondere dazu aus, dass die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sei, da ein dringendes betriebliches Erfordernis die Kündigung bedingt habe, kein anderer gleichwertiger und auch kein anderer, nicht gleichwertiger freier Arbeitsplatz vorhanden sei und die Sozialauswahl ordnungsgemäß vorgenommen worden sei.

Sie, die Beklagte, habe die einzige Betriebsstätte, die sie in Kaiserslautern auf dem Betriebsgelände der Firma X. unterhalten habe, stilllegen müssen. Das aus den X.-Räumlichkeiten entfernte Inventar stehe nach wie vor zur Verwertung. Die Beklagte legt dar, dass die Firma X. keine Betriebsmittel und auch kein Inventar übernommen habe.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

II.

Die Klägerin klagt ausschließlich mit dem Kündigungsschutzantrag gem. § 4 S. 1 KSchG. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet.

1.

Die Kündigung ist nicht rechtsunwirksam im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG. Zwar sind die persönlichen und betrieblichen Anwendungsvoraussetzungen der §§ 1 Abs. 1 und 23 Abs. 1 KSchG (Wartezeit und Betriebsgröße) erfüllt. Es liegt hier jedoch ein Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG vor, so dass die Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt ist.

Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen, bedingt.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen) oder durch außerbetriebliche Gründe ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen "dringend" sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Der - nicht auf Schlagworte beschränkte - Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige des Kündigungszugangs. Grundsätzlich muss zu diesem Zeitpunkt der Kündigungsgrund - Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit - vorliegen. In Fällen, in denen zwar bei Zugang der Kündigung noch die Möglichkeit der Beschäftigung besteht, aber die für den künftigen Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses maßgeblichen Entscheidungen bereits getroffen sind, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer bis zum Kündigungstermin voraussichtlich entbehrt werden kann. Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu erwarten ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins werde mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden Grundes gegeben sein. Die der Prognose zugrunde liegende Entscheidung muss aber bereits gefallen sein. So ist eine Kündigung wegen Betriebsschließung nicht gerechtfertigt, so lange der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss lediglich erwägt oder plant, aber noch nicht gefasst hat (s. dazu im einzelnen die BAG-Rechtsprechung wie sie von Etzel u.a. KR 6. Aufl. KSchG § 1 Rz 570 ff, 573 ff und 579 ff nachgewiesen wird).

b) Unter Berücksichtigung und bei Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin wegen der von der Beklagten im Zeitpunkt des Kündigungsausspruches beabsichtigten Stilllegung der Betriebsstätte/wirtschaftlichen Einheit, die sie seit dem 01.07.1996 auf dem Betriebsgelände der Firma X. betrieben hatte, gekündigt hat.

Zwar konnte die Beklagte diese Betriebsstätte, - da sie ihr nicht gehörte -, nicht so zerschlagen, wie es der Eigentümer hätte tun können. Sie hat aber die Stilllegungsmaßnahmen beschlossen und durchgeführt, die ihr als Vertragspartner des Rahmenvertrages vom 27.06.1996 rechtlich und tatsächlich möglich waren.

Nachdem dieser Rahmenvertrag unstreitig zum 30.06.2003 von der Firma X. gekündigt worden war, hatte die Beklagte keine Möglichkeit mehr auf der Grundlage dieses Vertrages weiter Dienstleistungen im Lager-, Packerei- und Versandabwicklungsbereich für die Firma X. zu erbringen. Diese Möglichkeit hatte die Beklagte auch deswegen nicht, weil sie den in diesem Bereich beschäftigten Arbeitnehmern - wie der Klägerin - gekündigt hatte. Von daher stand der Beklagten das notwendige Personal nicht mehr zur Verfügung. Der Umstand, dass die Beklagte nahezu allen Arbeitnehmern im Bereich der von ihr betriebenen X.-Betriebsstätte gekündigt hat, ist ebenso unstreitig wie die zum 30.06.2003 erfolgte Kündigung der Firma X. vom 04.12.2002. Weiter ist es als unstreitig anzusehen, dass die Firma X. das Personal, das von der Beklagten auf dem Betriebsgelände der Fa. X. eingesetzt worden war, nicht übernommen hat. Die Klägerin legt selbst dar, dass das Personal "ausgewechselt" worden sei. Der Umstand, dass die Beklagte zwei Arbeitnehmern (zunächst) nicht gekündigt hat, steht der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht nicht entgegen. Ein Arbeitsverhältnis betraf insoweit einen Arbeitnehmer, der aus Altersgründen ohnehin ausschied. Das andere Arbeitsverhältnis betraf eine in Erziehungsurlaub/Elternzeit befindliche Mitarbeiterin, bei der noch die notwendige behördliche Zustimmung ausstand (vgl. dazu § 18 Abs. 1 S. 2 und 3 BErzGG).

Unter den gegebenen Umständen hat die Beklagte im Wortlaut des Kündigungsschreibens ihre Stilllegungsabsicht genügend unmissverständlich geäußert. Außerdem hat die Beklagte ihre zeitweise auf dem Betriebsgelände der Firma X. erbrachte Betriebstätigkeit mit Ablauf des 30.06.2003 (auch) tatsächlich vollständig eingestellt. Die Klägerin hat im Berufungsverhandlungstermin das Räumen der Betriebsstätte zum genannten Termin selbst erwähnt.

Schließlich hat die Beklagte dargelegt (s. dazu die Ausführungen auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 30.05.2003, Bl. 25 d.A. und des Schriftsatzes vom 14.07.2003, S. 4 - unten - = Bl. 42 d.A.), dass die Kündigungen erst erfolgt seien, als die Verhandlungen über eine Fortführung des Vertrages gescheitert waren. Diese Darlegungen sind von der Klägerin mit der sich aus § 138 Abs. 3 ZPO ergebenden prozessualen Konsequenz nicht bestritten worden.

Hiernach ist festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin nicht wegen des Übergangs eines Betriebes oder eines Betriebsteiles gekündigt hat, sondern weil sie - ernstlich und endgültig - die von ihr auf dem Firma X.-Betriebsgelände betriebene Betriebsstätte stilllegen wollte und stillgelegt hat. Die Beklagte hat der Klägerin somit betriebsbedingt i. S. des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG, - also aus einem anderen Grund im Sinne des § 613 a Abs. 4 S. 2 BGB gekündigt.

2.

a) Allerdings ist auch in einem Fall der vorliegenden Art darauf Bedacht zu nehmen, ob die Kündigung durch eine anderweitige Beschäftigung des Arbeitnehmers hätte vermieden werden können. Insbesondere gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass der Arbeitgeber vor jeder Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen zuweist, - falls eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. (Auch) unter diesem rechtlichen Aspekt erweist sich die Kündigung nicht als unwirksam. Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich bestritten, dass ein anderer freier Arbeitsplatz vorhanden sei (s. dazu insbesondere den Schriftsatz der Beklagten vom 14.07.2003 dort Seite 3 f = Bl. 41 f d.A.). Im Hinblick auf diese bestreitende Einlassung, die die Beklagte im Berufungsverfahren aufrechterhalten hat, hätte die Klägerin darlegen müssen, wie sie sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Eine weitergehende Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers wird nur durch einen entsprechenden, i. S. der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend konkreten Vortrag des Arbeitnehmers ausgelöst. An einem derartigen Vortrag hat es die Klägerin vorliegend fehlen lassen. Das Vorbringen der Klägerin, insbesondere auch das auf Seite 4 der Berufungsbegründung, lässt nicht erkennen, dass der Beklagten und/oder der Firma Q. und P., Saarbrücken, eine Weiterbeschäftigung der Klägerin auf einem freien Arbeitsplatz möglich gewesen wäre.

b) Schließlich reichen die Darlegungen der Klägerin zur Sozialauswahl nicht aus, um feststellen zu können, die Beklagte habe bei der Auswahl der Klägerin soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. Es ist bereits nicht ersichtlich, welche - mit der Klägerin vergleichbare - Arbeitnehmer (aus welchen Gründen im einzelnen?) weniger als die Klägerin auf den Erhalt des Arbeitsplatzes angewiesen sein könnten.

c) Dahingestellt bleiben kann, ob überhaupt - wie die Klägerin zu meinen scheint - bezüglich anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten und bezüglich der sozialen Auswahl das Unternehmen Q. und P. GmbH, Saarbrücken, mit in die Prüfung einbezogen werden kann.

III.

Die Tatsachen, aus denen sich die Rechtfertigung der Kündigung ergibt, sind als unstreitig anzusehen. Aus diesem Grunde war eine Beweisaufnahme nicht anzuordnen.

Die Kosten ihrer hiernach erfolglosen Berufung muss gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Klägerin tragen. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde gem. § 25 Abs. 2 GKG festgesetzt.

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