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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 10.02.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 2013/03
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, KSchG


Vorschriften:

BGB § 242
ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 2
KSchG § 23 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 2013/03

Verkündet am: 10.02.2004

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.08.2003 - 4 Ca 746/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.200,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die am 31.01.1953 geborene Klägerin ist seit August 1996 bei der Beklagten als Arbeiterin in der Produktion beschäftigt (gewesen). In ihrer Freizeit hat die Klägerin zeitweise (hauptsächlich im Sommer) eine Nebentätigkeit ausgeübt (= Aushilfe in einem Imbissstand). Seit dem 01.01.2000 ist es zu folgenden krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin gekommen:

Jahr 2000: Vom 01.01. bis zum 25.02.2000.

Jahr 2001: 10 Fehltage im November.

Jahr 2002: Vom 14.03.2002 bis zum 30.04.2002. Weitere vier Fehltage im Juli.

Jahr 2003: Im Januar hat die Klägerin fünf und im Februar 13 Tage gefehlt.

(Vgl. zu den krankheitsbedingten Fehlzeiten die Anlage B 1, - von der Beklagten mit dem Schriftsatz 15.05.2003 zu Bl. 31 d.A. gereicht, sowie die Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 06.02.2004, Bl. 108 d.A.).

Die Beklagte hat der Klägerin wie folgt gekündigt:

- mit dem Schreiben vom 20.02.2003 (Bl. 4 d.A.) zum 31.08.2003 "wegen anhaltend schlechter Auftragslage und starker Umsatzeinbrüche";

- mit dem Schreiben vom 31.03.2002 (Bl. 12 d.A.) "auch aus personen- und verhaltensbedingten Gründen... rein vorsorglich zum nächstmöglichen Termin" und

- mit dem Schreiben vom 06.10.2003 außerordentlich und hilfsweise ordentlich (- die zuletzt genannte Kündigung ist Gegenstand des Verfahrens - 4 Ca 4303/03 - ArbG Koblenz).

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 20.08.2003 - 4 Ca 746/03 - (S. 3 ff. = Bl. 57 ff. d.A.). Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung des Beklagten vom 20.02.2003, noch durch die Kündigung vom 31.03.2003 aufgelöst wird.

Gegen das ihr am 24.10.2003 zugestellte Urteil vom 20.08.2003 - 4 Ca 746/03- hat die Beklagte am 21.11.2003 Berufung eingelegt und diese am 22.12.2003 begründet.

Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird Bezug genommen auf den Schriftsatz der Beklagten vom 19.12.2003 (Bl. 88 ff. d.A.). Die Beklagte führt dort u.a. aus:

Der erhöhte Sozialschutz der Klägerin habe (im Rahmen der Sozialauswahl) letztlich keine Bedeutung gehabt. Für die Beklagte hätte die Bewältigung der betrieblichen Krisensituation mit Arbeitnehmerinnen Vorrang haben müssen, die erheblich geringer krankheitsanfällig als die Klägerin gewesen seien und die Beklagte zukünftig nicht noch mit unverhältnismäßig hohen Entgeltfortzahlungskosten belasten würden. Die Beklagte verweist - bezogen auf einen Vier-Jahres-Zeitraum - darauf, dass die Klägerin die Beklagte mit Entgeltfortzahlungskosten infolge Krankheit (über) 7.004,01 EUR belastet habe, während sich die Belastungen im übrigen wie folgt darstellten, - bei:

- X. W.: 4.432,20 EUR, - V. U.: 2.420,68 EUR und bei - T. S.: überhaupt keine Entgeltfortzahlung.

Die Beklagte macht geltend, dass die Arbeitnehmerinnen W., U. und S. der Beklagten eher für einen ordnungsgemäßen Betriebs- bzw. Produktionsablauf zur Verfügung stünden als die Klägerin. Die Beklagte verweist auf die insgesamt 107 krankheitsbedingten Fehltage der Klägerin in der Zeit von Januar 2000 bis Februar 2003 sowie auf die von der Klägerin in Anspruch genommenen 37 freien Tage und weitere 166,25 Stunden Freistellung von der Arbeit.

Die Beklagte meint, dass es - angesichts des diesbezüglichen Bestreitens der Beklagten - Sache der Klägerin gewesen sei, die durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten bedingte bzw. indizierte Negativprognose zu erschüttern.

Die Beklagte behauptet, dass die vorhandenen Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin in den Kniegelenken, in der Psyche nach Nervenzusammenbruch und das Krampfadernleiden auch zukünftig krankheitsbedingte Fehlzeiten der Klägerin in einer Größenordnung von mehr als 15 bis 25% aller Arbeitstage jährlich auslösen würden (Beweis: Einzuholendes arbeitsmedizinisches Gutachten). Entgeltfortzahlungskosten - so meint die Beklagte -, die sich im Jahr regelmäßig auf mehr als 30 Arbeitstage erstreckten, seien für sich genommen bereits nicht mehr für ein Unternehmen zumutbar, - besonders dann nicht, wenn eine betriebliche Krisensituation, bedingt durch nachhaltigen Auftragseinbruch, vorliege und die Personalkosten entscheidend die Betriebsverluste bedingten. Die von ihr, der Beklagten, ausgesprochene personenbedingte Kündigung sei nicht unverhältnismäßig gewesen.

Schließlich seien auch die von der Beklagten herangezogenen verhaltensbedingten Gründe für die Kündigung durchgreifend gewesen. Die Beklagte bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Bestreiten auf S. 3 des Schriftsatzes vom 29.07.2003 (= Bl. 51 d.A.). Fehle aber - so argumentiert die Beklagte weiter - eine Erklärung auf Seiten der Beklagten, wie ihr von der Klägerin zugeschrieben, so stelle sich die Erklärung der Klägerin gegenüber dem Betriebsleiter (R. Q.) - "Euch werde ich es noch zeigen, insbesondere dir R." - als so die Vertrauensbasis zerstörend dar, dass die Beklagte dem nur noch mit der Kündigung habe begegnen können. Alles andere, insbesondere eine Abmahnung, hätte in keinem Verhältnis zu dem von der Klägerin gezeigten Fehlverhalten gestanden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des ArbG Koblenz vom 22.08.2003 - 4 Ca 746/03 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in den Schriftsätzen vom 19.01.2004 und vom 06.02.2004 (Bl. 103 ff., 108 f. d.A.); hierauf wird verwiesen.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

II.

Die Klage ist mit beiden Klageanträgen begründet.

Die persönlichen und betrieblichen Anwendungsvoraussetzungen der §§ 1 Abs. 1 und 23 Abs. 1 KSchG (- Wartezeit und Betriebsgröße -) sind unstreitig erfüllt. Insbesondere sind in dem Betrieb der Beklagten in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt.

1.

Die Kündigung vom 20.02.2003 hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet.

a) Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob diese Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Diese Kündigung ist jedenfalls deswegen sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte bei der Auswahl der Klägerin soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG). Aufgrund der unstreitigen Sozialdaten ist die Klägerin noch mehr auf den Erhalt des Arbeitsplatzes angewiesen als die Arbeitnehmerin W.. Darüber, dass (auch) die Arbeitnehmerin W. in die soziale Auswahl einzubeziehen war - weil die Klägerin und X. W. nach der jeweils ausgeübten Tätigkeit miteinander vergleichbar und austauschbar sind - haben die Parteien zu Recht nicht gestritten. Die am 31.01.1953 geborene Klägerin ist älter als die erst am 27.09.1955 geborene R. W.. X. W. gehört dem Betrieb (auch) erst seit dem 02.05.1993 an, während die Klägerin schon seit August 1986 bei der Beklagten beschäftigt ist. Die Klägerin gehört dem Betrieb also bereits deutlich länger an. Beide Arbeitnehmerinnen - die Klägerin und X. W. - sind verheiratet. Dass der Ehemann der Klägerin über ein höheres monatliches Einkommen verfügt als der Ehemann der X. W., - der Omnibuskontrolleur sein soll - (- wohingegen es sich bei dem Ehemann der Klägerin um einen Frührentner mit einer monatlichen Rente von 600,00 EUR handeln soll -), ist nicht ersichtlich. Nicht ersichtlich ist des weiteren, dass die Klägerin mit ihrer Aushilfstätigkeit Einkünfte in einer solchen Höhe regelmäßig erzielt, die es rechtfertigen könnte, die Arbeitnehmerin W. aus diesem Grunde für sozial schutzwürdiger zu halten.

b) Demgemäß geht auch die Beklagte davon aus, dass der Klägerin an sich ein erhöhter Sozialschutz zuzubilligen ist. Daran ändert sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - nichts dadurch, dass die Beklagte im 4-Jahreszeitraum für die Klägerin höhere Entgeltfortzahlungskosten im Krankheitsfall aufwenden musste als für X. W.. Soweit es um die Berücksichtigung krankheitsbedingter Fehlzeiten im Rahmen der Sozialauswahl geht, folgt die Berufungskammer der Auffassung, die besagt, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten dann zu berücksichtigen sind, wenn sie Hinweise auf eine besondere Schutzbedürftigkeit des betreffenden Arbeitnehmers geben, oder ausnahmsweise dann, wenn die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung vorliegen, - also eine negative Prognose für die gesundheitliche Entwicklung des Arbeitnehmers vorliegt und sich daraus eine unzumutbare betriebsorganisatorische oder wirtschaftliche Beeinträchtigung ergibt. Entsprechende Anforderungen zu stellen, ist deswegen gerechtfertigt, weil andernfalls die wegen ihrer Krankheit bzw. Krankheitsanfälligkeit ganz besonders schutzbedürftigen Arbeitnehmer ausgerechnet bei der sozialen Auswahl im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung schlechter gestellt wären als bei einer krankheitsbedingten Kündigung.

Ähnliches gilt für die Berücksichtigung krankheitsbedingter Fehlzeiten im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Das Interesse der Beklagten, anstelle der Klägerin die Arbeitnehmerin W. weiter zu beschäftigen, könnte nur dann als berechtigtes betriebliches Bedürfnis im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG anerkannt werden, wenn die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung erfüllt wären. Dies ist aber - wie nachfolgend bei Ziffer II.2. noch näher aufgezeigt wird - nicht der Fall.

2.

(Auch) die Kündigung vom 21.03.2003 hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.

a) Insbesondere ist diese Kündigung nicht durch Gründe, die in der Person der Klägerin liegen, bedingt.

aa) Vorliegend ist nach dem unstreitigen Sachverhalt weder der Fall einer Leistungsunfähigkeit der Klägerin gegeben, noch der der langanhaltenden Krankheit. Freilich können auch "häufige Kurzerkrankungen" nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung die ordentliche Kündigung rechtfertigen. Als erheblich und damit als Kündigungsgrund geeignet wird erachtet, wenn über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren in jedem Jahr Entgeltfortzahlung für mehr als sechs Wochen zu gewähren war und wenn aufgrund der negativen Prognose anzunehmen ist, dass dieser Zustand sich nicht ändern wird (vgl. dazu im Einzelnen die Rechtsprechungsnachweise bei Ascheid in Dieterich/Müller-Glöge u.a. 4. Aufl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht KSchG § 1 Rz 223 ff. = S.. 2115 ff.). Die Berufungskammer folgt der dort nachgewiesenen BAG-Rechtsprechung.

Vorliegend ist nicht ersichtlich, wie sich der von der Beklagten genannte Entgeltfortzahlungsbetrag in Höhe von 7.004,01 EUR auf die einzelnen auf S. 5 oben des Schriftsatzes vom 15.05.2003 genannten Krankheitszeiträume verteilt. Unter Berücksichtigung des von der Klägerin erzielten Monatslohnes in Höhe von 1.550,00 EUR brutto lässt sich ohne weiteres nicht nachvollziehen, dass die Beklagte über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren in jedem Jahr Entgeltfortzahlung für mehr als sechs Wochen zu leisten hätte. Einer sechswöchigen Entgeltfortzahlung würde ungefähr ein Betrag in Höhe von EUR 2.100,00 entsprechen. Dieser Betrag ist jedenfalls im Jahr 2001 (mit nur 10 Krankheitstagen) nicht erreicht worden. Er ist auch - bei 18 Krankheitstagen - im Jahre 2003 bis zum Kündigungsausspruch nicht erreicht worden. Eine Hochrechnung der Zahl der Krankheitstage (18 in den Monaten Januar und Februar 2003) auf das gesamte Jahr 2003 erscheint unter den gegebenen Umständen nicht statthaft. (Auch) der - bezogen auf einen 4-Jahreszeitraum - ermittelte jährliche Durchschnittsbetrag der Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von (EUR 7.004,01 : 4 =) EUR 1.751,00 überschreitet den Betrag des für die Dauer von sechs Wochen zu leistenden Entgelts nicht. Aus diesem Grunde kann bereits nicht die Prognose gestellt werden, dass im Zeitpunkt des Kündigungsausspruches für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist damit zu rechnen war, dass künftig in jedem Jahr Entgeltfortzahlung für mehr als sechs Wochen zu gewähren sein würde. Alleine auf die in den Jahren 2000 und 2002 angefallenen Entgeltfortzahlungskosten kann diese Prognose jedenfalls nicht gestützt werden. Treten allerdings gleichzeitig wirtschaftliche Belastungen und Betriebsablaufstörungen auf, können auch schon Ausfallzeiten von weniger als sechs Wochen kündigungsrelevant sein. Dieser Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Dass durch die bisherigen krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin in der Vergangenheit (zusätzlich) Betriebsablaufstörungen verursacht worden und derartige Störungen auch für die Zukunft zu besorgen sind, hat die darlegungspflichtige Beklagte nicht hinreichend dargetan.

bb) Bereits aus diesem Grunde durfte dem Beweisangebot der Beklagten (= Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens) nicht stattgegeben werden. Deswegen kann (auch) dahingestellt bleiben, ob sich die Beklagte ausreichend mit den Argumenten der Klägerin auseinandergesetzt hat, wonach die Erkrankung am Knie aufgrund der Operation und der sich dann bis zum 30.04.2002 anschließenden Genesung ausgeheilt war. Es ist nicht ersichtlich, dass es im Anschluss daran - aufgrund einer Knieerkrankung - noch zu krankheitsbedingten Fehlzeiten gekommen ist. Ähnlich verhält es sich mit der psychischen Erkrankung der Klägerin. Auch insoweit lässt sich nicht feststellen, dass es im Anschluss an die seinerzeit bis zum 25.02.2000 durchgeführte Kur erneut zu Fehlzeiten gekommen ist, die ihre Ursache im psychischen Bereich hatten.

cc) Wollte man gleichwohl die in der Vergangenheit aufgetretenen finanziellen Belastungen der Beklagten mit Entgeltfortzahlungskosten als erheblich ansehen und sollte aufgrund einer entsprechenden Prognose doch - abgestellt auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruches - anzunehmen sein, dass sich dieser Zustand nicht ändern werde, so reichen diese Belastungen durch Entgeltfortzahlungskosten unter den gegebenen Umständen nicht aus, um im Rahmen der Interessenabwägung dem Beendigungsinteresse der Beklagten Vorrang einzuräumen vor dem Interesse der Klägerin, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. In diesem Zusammenhang wirkt es sich jedenfalls zum Nachteil der Beklagten aus, dass sich nicht feststellen lässt, dass zu der von ihr erwähnten Belastung mit Entgeltfortzahlungskosten (in Höhe von EUR 7.004,01 im Vier-Jahres-Zeitraum) gleichzeitig Betriebsablaufstörungen aufgetreten wären. Derartige Betriebsablaufstörungen lassen sich - hinreichend konkret - dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen. Mit Rücksicht auf die doch schon relativ lange Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie im Hinblick auf das Alter der Klägerin reichen die von der Beklagten vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht aus, um feststellen zu können, dass die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen der Beklagten ein solches Ausmaß erreicht hätten, dass sie für die Beklagte nicht mehr tragbar sind. Erkennbar hat das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum 31.12.1999 ungestört bestanden. Es hat also - seit August 1986 - relativ lange ungestört bestanden. Es ist anerkanntes Recht, dass je länger ein Arbeitsverhältnis ungestört bestanden hat, desto mehr Rücksichtnahme vom Arbeitgeber zu erwarten ist. Die Interessenabwägung ergibt, dass die Beklagte die von ihr vorgetragenen wirtschaftlichen Belastungen (noch) hinzunehmen hat. Damit ist ein personenbedingter Kündigungsgrund zu verneinen.

b) Schließlich ist die Kündigung vom 31.03.2003 (auch) nicht durch Gründe, die in dem Verhalten der Klägerin liegen, bedingt.

Zwar kann die fragliche Äußerung der Klägerin (- "Euch werde ich es noch zeigen - insbesondere dir R." -) nicht dadurch abgeschwächt werden, dass man sie auf eine angebliche Erklärung der Beklagten zurückführt (- dahingehend: "man werde die älteren Arbeitnehmer entsorgen"-). Ob die Klägerin die Abgabe einer entsprechenden Erklärung von Beklagtenseite überhaupt genügend substantiiert in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht dargetan hat, ist zweifelhaft. Das Verhalten der Klägerin erscheint jedoch deswegen in einem milderen Lichte, weil die Klägerin die Äußerung im Anschluss an den Zugang der (ersten) Kündigung vom 20.02.2003 getan hat. Berücksichtigt man den zeitlichen Umstand, unter dem die Klägerin sich geäußert hat, so dürfen die von ihr damals benutzten Worte nicht "auf die Goldwaage gelegt" werden. Es ist unstreitig, dass die Äußerung der Klägerin erfolgte, nachdem die Klägerin die Kündigung vom 20.02.2003 erhalten hatte. Berücksichtigt man weiter die lange Dauer der Betriebszugehörigkeit der Klägerin, so ist es verständlich, dass die Klägerin auf die Kündigung ihres langjährigen Arbeitsverhältnisses emotional reagiert hat. Von daher handelt es sich um eine einmalige Trotzreaktion, - allenfalls um eine bis dahin einmalige verbale Entgleisung der Klägerin. Die Äußerung der Klägerin lässt sich in der damaligen konkreten Situation auch so deuten, dass sie dem Überbringer der Kündigung deutlich machen wollte, dass sie die Kündigung so nicht hinnehmen wollte, - dass sie vielmehr beabsichtigte, gegen die Kündigung (gegebenenfalls gerichtlich) vorzugehen. Dieser objektive Erklärungswert der Äußerung der Klägerin bleibt auch dann noch erhalten, wenn man berücksichtigt, dass die Klägerin sich nicht darauf beschränkt hat anzukündigen, es der Beklagten noch "zeigen" zu wollen, - sondern den Betriebsleiter durch die Worte "insbesondere dir R." auch persönlich angesprochen hat. Wegen dieser Äußerung der Klägerin erscheint - in Abwägung der Interessen beider Parteien - die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (noch) nicht billigenswert und angemessen. Ein ruhig und verständig urteilender Arbeitgeber - in der damaligen Situation der Beklagten - wäre durch die Äußerung der Klägerin nicht zur Kündigung bestimmt worden. Die damalige Äußerung der Klägerin beeinträchtigte die - für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige - Vertrauensgrundlage noch nicht nachhaltig. Die Klägerin hat damals weder ausdrücklich noch konkludent erklärt, dass sie es der Beklagten und dem Betriebsleiter Q. mit rechtswidrigen oder unzulässigen Mitteln "zeigen" werde.

3.

Auch die Gesamtwürdigung aller von der Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte führt hier nicht zu der Feststellung, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sozial gerechtfertigt wäre. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf zu verweisen, dass die Beklagte - zumindest gemäß § 242 BGB - daran gehindert ist, Fehlzeiten der Klägerin, die darauf beruhen, dass die Beklagte der Klägerin unbezahlten Urlaub bzw. unbezahlte Freistunden gewährt hat, zur Begründung der Kündigung heranzuziehen. Durch die Inanspruchnahme von Freizeiten, die ihm der Arbeitgeber selbst - wie hier die Beklagte der Klägerin - gewährt hat, verletzt der Arbeitnehmer weder eigene Vertragspflichten, noch beeinträchtigt er dadurch schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers.

III.

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte tragen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 GKG. Der vom Arbeitsgericht festgesetzte Streitwert ist weder von den Prozessbevollmächtigten, noch von den Parteien beanstandet worden. Im Berufungsverfahren hat sich dieser Streitwert nicht verändert.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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