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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 04.06.2007
Aktenzeichen: 5 Sa 36/07
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, ZPO, GewO


Vorschriften:

BGB § 315
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
GewO § 106
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 15.11.2006 - 4 Ca 832/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob eine von der Beklagten ausgesprochene Versetzung des Klägers hinsichtlich seines Arbeitsortes rechtswirksam ist.

Der Kläger ist seit dem 01.10.1974 bei der Beklagten, zuletzt als Sachbearbeiter in der Antragsannahme bei der Kindergeldkasse tätig. Er erlitt 1998 einen Herzinfarkt. Die Beschwerdesymptomatik äußert sich in Angststörungen mit retizivierend auftretenden Panikattacken. Der ursprüngliche Arbeitsplatz des Klägers, Teamassistent in der Familienkasse, ist durch eine zentral vorgegebene interne Umorganisation zum 01.04.2003 weggefallen.

Der Kläger wurde in diesem Zusammenhang im Rahmen des Weisungsrechtes der Beklagten zum 01.04.2003 zur Geschäftsstelle Z. örtlich umgesetzt. Dagegen wendet sich der Kläger vorliegend.

Der Kläger hat vorgetragen,

er sei nicht in der Lage, mit dem eigenen Familienfahrzeug oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu seinem neuen Arbeitsplatz nach Z. zu fahren.

Auf Wunsch der Beklagten habe er sich einem amtsärztlichen Gutachten unterzogen, in dem der Gutachter zu dem Ergebnis gelangt sei, dass bei ihm eine Panikstörung und eine depressive Entwicklung bestehe. Der Gutachter sehe ihn als vollschichtig arbeitsfähig an, soweit es um seinen Arbeitsplatz in P. gehe.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Versetzung nach Zweibrücken unwirksam sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

mit dem Personalhaushalt für das Haushaltsjahr 2003 habe die Dienststelle im Bereich Kindergeld eine halbe Stelle eines Teamassistenten verloren. Die davon betroffene Person sei der Kläger gewesen. Da der Kläger an einer Teilzeitbeschäftigung kein Interesse gehabt habe, habe die Notwendigkeit bestanden, ihn eingruppierungsgerecht in Z. einzusetzen.

Mit Verfügung vom 27.03.2003 sei der Kläger dann, was zwischen den Parteien unstreitig ist, mit Wirkung ab 01.04.2003 umgesetzt worden.

Der Kläger sei aus ihrer Sicht nicht bereit, seine gesundheitliche Situation ernsthaft zu ändern. So sei der Kläger während der laufenden Behandlung zu Dr. K. gewechselt. Aus dessen Attest werde aus ihrer Sicht deutlich, dass die gesundheitlichen Einschränkungen durch eine Therapie abgebaut werden könnten. Sie könne nicht verpflichtet werden, einen zusätzlichen Arbeitsplatz in der Dienststelle P. zu schaffen. Der Kläger sei, wie jeder andere Arbeitnehmer auch, dafür selbst verantwortlich, seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Grundsätzlich könne der Leistungsort vom Arbeitgeber festgelegt werden. Zwar finde zu Gunsten des Arbeitnehmers § 315 BGB Anwendung. Da aber zwingende haushaltsrechtliche Gründe einer Weiterbeschäftigung in P. entgegenstünden, sei der Kläger nach billigem Ermessen zu Recht nach Z. umgesetzt worden. Eine Beschäftigung in P. sei nicht möglich. Diese Stellen seien alle mit Mitarbeitern besetzt, die längere Dienstzeiten aufwiesen. Es sei daher faktisch unmöglich, den Kläger weiterhin in der Agentur in P. zu beschäftigen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat daraufhin Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie Dr. med. R., Chefarzt des Städtischen Krankenhauses. Auf den Inhalt seines Gutachtens zu der Frage, ob der Kläger aufgrund seiner Erkrankung in der Lage ist, die vertraglich geschuldete Tätigkeit in Z. (P.) zu verrichten, vom 13.10.2006 wird auf Blatt 188 bis 236 der Akte Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat daraufhin durch Urteil vom 15.11.2006 - 4 Ca 832/04 - festgestellt, dass die Versetzung des Klägers nach Z. unwirksam ist. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 258 bis 262 der Akte Bezug genommen.

Gegen das ihr am 18.10.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 12.01.2007 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 15.03.2007 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 09.02.2007 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 16.03.2007 einschließlich verlängert worden war.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, das Arbeitsgericht habe sich nicht ausschließlich auf das Gutachten von Herr Dr. R. stützen dürfen. Es sei auch nicht hinreichend beachtet worden, dass ein entsprechend bewerteter Arbeitsplatz nur in der örtlich am nächsten gelegenen Dienststelle in Z. vorhanden sei. Zu beachten sei des Weiteren, dass der Kläger unter einer Krankheit leide, die therapierbar sei; der Kläger sei aber offensichtlich nicht bereit und willens, sich einer entsprechenden Therapie zu unterziehen. Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 15.03.2007 (Bl. 279 - 282 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 15.11.2006 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, das Gutachten habe seine Darstellung ausdrücklich bestätigt, wonach er krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, zu seinem neuen Dienstort zu gelangen. Er habe sich im Übrigen auch keiner Therapie versagt, sondern werde nach wie vor von Herrn Dr. K., einem anerkannten Facharzt behandelt. Es sei ihm auch aktuell aufgrund einer akuten Erkrankung nicht möglich, selbst Auto zu fahren oder im erforderlichen Maße öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Aufgrund der derzeitigen gesundheitlichen Beeinträchtigung sei auch ein alleiniges Wohnen des Klägers am neuen Dienstort nicht empfehlenswert. Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 23.04.2007 (Bl. 304 - 309 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 310, 311 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 04.06.2007.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten durchaus grundsätzlich auf der Basis des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages vorgenommene Versetzung im Hinblick auf den Wechsel des Dienstortes rechtswidrig ist.

Sie entspricht nicht den gesetzlichen Vorschriften der §§ 106 GewO, 315 BGB.

Nach Maßgabe dieser Regelungen hat eine Ausübung des Direktionsrechts im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien billigem Ermessen zu entsprechen. Das bedeutet, dass die wechselseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien angemessen berücksichtigt werden müssen. Daran fehlt es vorliegend, weil die Beklagte die berechtigten Belange des Klägers nicht hinreichend beachtet hat. Insoweit folgt die Kammer ausdrücklich der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 4 bis 6 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 260 - 262 d. A.) Bezug.

Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes.

Das gilt zunächst für die Rüge der Beklagten, das Arbeitsgericht habe sich lediglich auf das eingeholte Sachverständigengutachten gestützt. Insoweit ist ein fehlerhaftes Vorgehen des Arbeitsgerichts nicht erkennbar, denn es ist gerade aufgrund eines förmlichen Beweisbeschlusses vorgegangen und hat aufgrund fehlender eigener Sachkunde sich die ohne weiteres nachvollziehbare Darstellung und Beurteilung durch den Sachverständigen zueigen gemacht, die zu dem gefundenen Ergebnis geführt hat. Das Ergebnis des Gutachtens begründet ein sehr starkes berechtigtes Interesse des Klägers am Verbleib an seinem bisherigen Dienstort. Bestätigt wird das Gutachten durch die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Atteste vom Allgemeinarzt C.K. (Bl. 310 d. A.), wonach dem Kläger aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen ein alleiniges Wohnen auf unabsehbare Zeit (ohne seine Familie am neuen Dienstort Z.) aus ärztlicher Sicht nicht empfehlenswert ist, sowie von Dr. K. (Chefarzt) und Herrn Sch. (Funktionsoberarzt) von der medizinischen Abteilung des Krankenhaus R. (vom 26.02.2007) wonach aufgrund der akuten Erkrankung mit erheblicher Schwindelsymptomatik der Kläger zur Zeit und bis auf Weiteres nicht in der Lage ist, selbständig Auto zu fahren. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist danach nur eingeschränkt möglich.

Aufgrund dieser Unterlagen steht zweifelsfrei fest, dass der Zwang, arbeitstäglich den neuen Dienstort aufzusuchen, dazu führen würde, dass der Kläger das seit vielen Jahren bestehende Arbeitsverhältnis selbst kündigen müsste.

Die dagegen vorgebrachten eigenen Belange der Beklagten führen nicht zu einem - notwendigen - Überwiegen ihrer berechtigten Interessen. Zum einen wird lediglich unsubstantiiert behauptet, in P. sei eine eingruppierungsgerechte Beschäftigung des Klägers nicht möglich. Insoweit fehlt es an jeglichem nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierten Tatsachenvortrag. Dies wäre aber umso erforderlicher gewesen, als die Beklagte gerade für sich ein weites Direktionsrecht in Anspruch nimmt, so dass der Belang ihrer berechtigten Interessen im hier maßgeblichen Zusammenhang tatsächlich davon abhängt, inwieweit eine vergütungsgerechte Beschäftigung des Klägers in P. objektiv unmöglich ist. Zum anderen hat die Beklagte lapidar darauf hingewiesen, dass die Stellen in P. sämtlich mit Mitarbeitern besetzt seien, die längere Dienstzeiten aufwiesen (Seite 4 des Tatbestandes der angefochtenen Entscheidung = Bl. 260 d. A.). Dies steht im deutlichen Widerspruch zum Berufungsvorbringen, weil dort behauptet wird, eine eingruppierungsgerechte Beschäftigung des Klägers sei in P. gar nicht möglich, während der erstinstanzliche Sachvortrag so verstanden werden muss, dass eine eingruppierungsgerechte Beschäftigung in P. deshalb nicht möglich ist, weil auf den insoweit vorhandenen Stellen Mitarbeiter tätig sind, die längere Dienstzeiten aufweisen. Der Umstand des Vorhandenseins längerer Dienstzeiten ist aber im Hinblick auf die festgestellte Erkrankung des Klägers kein hinreichendes Argument, um zum Überwiegen des berechtigten Arbeitgeberinteresses zu führen. Im Übrigen macht das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren lediglich deutlich, dass die Beklagte die Auffassung des Arbeitsgerichts, der die Kammer vollinhaltlich folgt, nicht teilt. Da neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachen im hier maßgeblichen Zusammenhang nicht vorgetragen werden, sind weitere Ausführungen nicht veranlasst.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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