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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.12.2005
Aktenzeichen: 5 Sa 428/05
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG, BetrVG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1 HS 1
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
ZPO § 138 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 428/05

Entscheidung vom 13.12.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.04.2005 - 2 Ca 2183/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.500,- EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die am 21.05.1953 geborene Klägerin ist seit dem Jahre 1986 bei der Beklagten, einem Gebäudereinigungsunternehmen, als Reinigungskraft beschäftigt (gewesen). In den letzten Jahren gestaltete sich das Arbeitsverhältnis der Parteien u.a. wie folgt:

Ab dem 19.02.1999 bis Juli 2000 kam die Klägerin in B-Stadt bei der Fa. U. Deutschland GmbH zum Einsatz. Dieser Einsatz der Klägerin endete nachdem sich der Zeuge B. gegenüber der Beklagten in Bezug auf die Klägerin so geäußert hatte, wie sich dies aus dem Schreiben der U. Deutschland GmbH vom 06.07.2000 (Bl. 34 d. A.) ergibt. Mit dem Schreiben vom 25.05.1999 (Bl. 33 d. A.) hatte die M. GmbH, Werk A. , der Beklagten mitgeteilt, dass "größter Wert" darauf gelegt werde, dass die Klägerin bei ihr, der M. GmbH, nicht zum Einsatz komme.

Die Beklagte setzte die Klägerin (dann) bei ihrem Auftraggeber/Kunden M. W.C. Deutschland GmbH, F.-Stadt, ein. Der Einsatz der Klägerin endete mit der Beendigung des Vertrages der Beklagten mit diesem Auftraggeber am 30.10.2001. In dem Schreiben der M. W.C. Deutschland GmbH vom 18.09.2002 erwähnt diese gegenüber der Beklagten "große Probleme mit der bei uns eingesetzten Tageskraft Frau D." (s. Bl. 35 d. A.).

Von November 2001 bis Juli 2002 wurde die Klägerin mit Reinigungsarbeiten betraut, die in Räumen des Klinikums der Universität F.-Stadt/Main ("Uniklinik") zu erledigen waren. Dieser Einsatz der Klägerin endete, nachdem sich die Zeugin A. für den Auftraggeber der Beklagten in Bezug auf die Klägerin gegenüber der Beklagten so geäußert hatte, wie sich dies aus den Schreiben der H. GmbH, F.-Stadt, vom 15.07.2002 und vom 23.07.2002 (Bl. 36 f. d. A.) ergibt.

Während des Einsatzes der Klägerin in den Räumen des Universitätsklinikums F.-Stadt wandte sich die Beklagte mit folgenden Schreiben an die Klägerin:

- "Abmahnung" vom 14.05.2002,

- "2. Abmahnung" vom 26.06.2002 und

- "3. Abmahnung" vom 08.07.2002

(s. dazu Bl. 6 und 8 ff. des Anlagenordners zu - 4 Ca 2433/03 -; bereits mit dem Schreiben vom 13.10.2000, Bl. 4 des Anlagenordners zu - 4 Ca 2433/03 -, hatte die Beklagte gegenüber der Klägerin das - nach Ansicht der Beklagten - "schwierige Verhältnis" der Klägerin zum damaligen Auftraggeber der Beklagten - "W.C." - erwähnt).

In der Zeit ab ca. Ende Juli 2002 bis ca. Mitte April 2003 war die Klägerin unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freigestellt. (Wohl) ab dem 14.04.2003 wurde die Klägerin als Reinigungskraft bei der Fa. M. KGaA in D. eingesetzt. Deren Auftragskoordinator T. äußerte sich in Bezug auf die Klägerin so, wie sich dies aus der Webmail vom 23.07.2003 ergibt (Bl. 43 d. A.: weitergeleitete Nachricht vom 18.06.2003 an den damaligen Betriebsleiter der Beklagten L. ).

Mit dem Schreiben vom 25.07.2003 kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos. Mit Urteil vom 15.10.2003 - 4 Ca 2433/03 - wies das Arbeitsgericht die (damalige) Kündigungsschutzklage der Klägerin ab. Die Klägerin legte Berufung ein. Der Berufungsverhandlungstermin in dem Verfahren - 11 Sa 23/04 - (= - 4 Ca 2433/03 - ) fand am 08.07.2004 statt. Die Parteien verhandelten damals streitig und schlossen den - später von der Klägerin mit dem Schriftsatz vom 21.07.2004 widerrufenen - Widerrufsvergleich (Bl. 154 d. A. - 4 Ca 2433/03 - = - 11 Sa 23/04 -) ab. Nach näherer Maßgabe des Schreibens vom 19.07.2004 (Bl. 30 f. d. A.) informierte die Beklagte den Betriebsratsvorsitzenden G. von der Absicht der Beklagten, der Klägerin "betriebsbedingt zu kündigen". Mit dem Schreiben vom 28.07.2004 teilte der Betriebsratsvorsitzende G. der Beklagten mit, dass der Betriebsrat einstimmig beschlossen habe, der Kündigung der Klägerin zuzustimmen (s. Bl. 32 d. A.).

Mit dem Schreiben vom 29.07.2004 (Bl. 4 d. A.) kündigte die Beklagte der Klägerin fristgerecht. Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 19.04.2005 - 2 Ca 2183/04 - (dort S. 2 ff. = Bl. 100 ff. d. A.). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das ihr am 28.04.2005 zugestellte Urteil vom 19.04.2005 - 2 Ca 2183/04 - hat die Klägerin am 25.05.2005 Berufung eingelegt und diese am 19.07.2005 - innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist (s. dazu den Beschluss vom 24.06.205, Bl. 137 d. A.) - mit dem Schriftsatz vom 19.07.2005 (Bl. 140 ff. d. A.) begründet.

Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 19.07.2005 verwiesen.

Dort beanstandet die Klägerin u.a., dass sich das Arbeitsgericht nicht mit der Rechtsprechung des BAG zur betriebsbedingten Druckkündigung auseinander gesetzt habe. Die Klägerin versteht diese Rechtsprechung so, dass eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen lediglich dann in Betracht komme, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der - von Dritten erklärten - Drohung fehle. Vorliegend berufe sich die Beklagte (aber) darauf, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung bei den jeweiligen Auftraggebern nicht ordnungsgemäß erbracht. Die Beklagte mache gerade nicht geltend, dass es an einer objektiven Rechtfertigung der jeweiligen Drohungen der einzelnen Auftraggeber gefehlt habe. Deshalb sei der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung von vornherein unzulässig. Jedenfalls habe sich die Beklagte zunächst schützend vor die Klägerin stellen müssen. Der Vortrag der Beklagten lasse aber nicht erkennen, dass bzw. inwieweit sich die Beklagte gegenüber den Firmen M. , H. GmbH und U. Deutschland GmbH schützend vor die Klägerin gestellt haben wolle. Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte die Drucksituation letztlich selbst herbeigeführt habe, indem Druck auf die damalige Objektleiterin G. ausgeübt worden sei, der Klägerin zusätzliche Arbeitsaufträge zu erteilen. Die Klägerin nimmt für sich in Anspruch seit dem 01.11.1986 zunächst beanstandungsfrei über Jahre hinweg für den Betrieb der Beklagten gearbeitet zu haben. Sie, die Klägerin, habe ihre Arbeit stets ordnungsgemäß verrichtet. Im Zusammenhang mit ihrem Beweisangebot "Zeugnis A. R. " spricht die Klägerin erneut davon, dass ihr derart viele Arbeitsaufträge erteilt werden sollten, dass es schließlich schlichtweg nicht mehr möglich gewesen sei, alle Arbeitsaufträge in angemessener Zeit zu erledigen. Deshalb habe es zwangsläufig zu Beschwerden der Kunden kommen müssen. Die Klägerin behauptet, dass es während der Zeit ihres Einsatzes bei der Fa. W.C. keinerlei Beschwerden über ihre Tätigkeit gegeben habe. In Bezug auf das Schreiben der U. Deutschland GmbH vom 06.07.2000 lässt sich die Klägerin so ein, dass die Klägerin dort für Küchen überhaupt nicht zuständig gewesen sei. Hinsichtlich des Einsatzes der Klägerin bei der Uniklinik F.-Stadt möchte die Klägerin berücksichtigt wissen, dass die damalige Bereichsleiterin M. die Objektleiterin G. veranlasst habe, die Zeugin A. aufzufordern, etwas zu schreiben, damit die Klägerin nicht mehr bei der Uniklinik eingesetzt werden dürfe.

Soweit es um anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten geht, meint die Klägerin (auch), dass die Beklagte ihr eine (entsprechende) Stelle im Umfang von vier Stunden (arbeitstäglich von 17:00 Uhr bis 21:00 Uhr) habe anbieten müssen. Die Klägerin verweist auf die Stellenanzeige der Beklagten im "Blitztip" vom 14.01.2004 (Bl. 90 d. A.), das Objekt "F.-Stadt, Solmsstraße" betreffend. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass diese Stelle bei Kündigungsausspruch schon anderweitig besetzt gewesen sei. Für einen Wegfall dieser Beschäftigungsmöglichkeit sei nichts ersichtlich.

Die Klägerin führt dazu aus, dass die Kündigung wegen fehlender Sozialauswahl unwirksam sei.

Weiter hält die Klägerin - wozu sie ebenfalls ausführt - die Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates für unwirksam.

Zumindest - so macht die Klägerin schließlich geltend - sei ihrem Fortsetzungs- bzw. Wiedereinstellungsantrag stattzugeben. Die Klägerin verweist auf die Stellenanzeige im "Blitztip" vom 16.02.2005 (Bl. 91 d. A.). Es sei davon auszugehen, dass der Beklagten der entsprechende Beschäftigungsbedarf schon vor Ablauf der Kündigungsfrist der Klägerin (= 31.01.2005) bekannt gewesen sei, so dass die Beklagte der Klägerin die entsprechende Stelle hätte anbieten müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.04.2005 - 2 Ca 2183/04 - abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.07.2004 nicht aufgelöst worden ist und

hilfsweise

2. die Beklagte zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 05.01.1996 jedoch mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden anzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 19.08.2005 (Bl. 160 ff. d. A.), auf deren Inhalt verwiesen wird.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen.

Die Akten der Verfahren - 4 Ca 2433/03 -, - 4 Ca 3505/03 - und - 2 BV 2457/02 - waren zu Informationszwecken beigezogen.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 13.09.2005 - 5 Sa 428/05 - (Bl. 168 d. A.) durch Vernehmung der Zeugin A. und des Zeugen B.. Die Zeugenaussagen sind festgehalten in der Sitzungsniederschrift vom 13.12.2005 - 5 Sa 428/05 - (dort S. 3 ff. = Bl. 200 ff. d. A.). Hierauf wird zwecks Darstellung des Inhalts der Beweisaufnahme verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.

II.

Die Klage ist mit beiden Klageanträgen unbegründet.

1.

Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG und/oder gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

a)

aa) Es liegt ein Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG vor. Es sind dringende betriebliche Erfordernisse gegeben, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin im Betrieb entgegenstehen. "Betriebliche Erfordernisse" im Sinne des Gesetzes können dann vorliegen, wenn die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit (ersatzlos) weggefallen ist, - wenn also bei Kündigungsausspruch absehbar ist, dass bei Ablauf der Kündigungsfrist keine (zumutbaren) Beschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer mehr bestehen. Eine derartige Prognose/Feststellung durfte die Beklagte vorliegend bei Kündigungsausspruch am 29.07.2004 stellen bzw. treffen. Eine Beschäftigung der Klägerin im Rahmen der Abwicklung von Reinigungsaufträgen bei den Firmen M., W.C. und M. ist nicht möglich gewesen, weil die Vertragsbeziehungen der Beklagten mit diesen Firmen zur Zeit des Kündigungsausspruches unstreitig beendet waren. Dies gilt insbesondere auch für die Fa. M., in deren Räumen die Klägerin zuletzt für die Beklagte tätig gewesen ist. Das Arbeitsgericht hat das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten (= S. 1 - unten - des Schriftsatzes vom 17.02.2005 = Bl. 73 d. A.) zu recht als unstreitig behandelt. Gegen die entsprechende tatsächliche Feststellung auf S. 10 des Urteils vom 19.04.2005 - 2 Ca 2183/04 - (dort bei A. II. 1. 2 a) - 1. Satz - = Bl. 108 d. A.) richtet sich insoweit kein Berufungsangriff der Klägerin.

Der Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin im Rahmen des Objekts "M. " stellt freilich noch nicht ohne weiteres (auch) ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG für eine ordentliche Kündigung dar. Die betrieblichen Erfordernisse müssen vielmehr nach Gesetz und Rechtsprechung "dringend" sein, - d.h. eine Kündigung im Interesse des Betriebes wirklich notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der bei Ausspruch der Kündigung bestehenden betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art als durch eine (Beendigungs-)Kündigung zu entsprechen. Auch die Möglichkeit, den Arbeitnehmer, der an sich - wie hier die Klägerin durch den unstreitigen Wegfall der Aufträge "M.", "W.C." und "M. " - in seinem bisherigen Arbeitsgebiet entbehrlich geworden ist, auf einem anderen freien Arbeitsplatz einzusetzen bzw. dort hin umzusetzen, gehört grundsätzlich zu den Tatbeständen, die ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Beendigungskündigung ausschließen können.

bb) Insoweit waren hier an sich noch Einsatzmöglichkeiten für die Klägerin im Rahmen der Aufträge

- U./B-Stadt und

- Universitätsklinikum F.-Stadt/H. GmbH

in Betracht zu ziehen.

Diese - an sich gegebenen Einsatzmöglichkeiten - stehen der Dringlichkeit der oben festgestellten betrieblichen Erfordernisse jedoch deswegen nicht entgegen, weil es der Beklagten unter den gegebenen Umständen subjektiv und objektiv nicht zumutbar gewesen ist, die Klägerin dort einzusetzen. Diese Unzumutbarkeit ergibt sich aus folgenden Umständen:

(1) Die Auftraggeberin U. Deutschland GmbH hatte die Beklagte unstreitig mit Schreiben vom 06.07.2000 "eindringlich" um Auswechslung der bei ihr eingesetzten Klägerin mit der Begründung gebeten, das Verhalten der Klägerin gegenüber ihren Mitarbeitern sei nicht mehr tragbar und entspreche nicht dem Dienstleistungsverständnis der Beklagten. Verantwortlicher Verfasser dieses Schreibens ist der Zeuge B. gewesen, der auch noch zur Zeit des Kündigungsausspruches bei der Fa. U. Deutschland GmbH beschäftigt gewesen ist. Letzteres steht aufgrund der am 13.12.2005 durchgeführten Beweisaufnahme fest. Die Klägerin hat im Anschluss an die Vernehmung des Zeugen B. ihr ursprüngliches diesbezügliches Bestreiten nicht aufrechterhalten. War B. - wovon hiernach auszugehen ist - vor und bei Kündigungsausspruch aber noch bei U. Deutschland GmbH beschäftigt, so musste sich die Beklagte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) vor Kündigungsausspruch nicht dergestalt schützend vor die Klägerin stellen, dass sie gleichwohl noch versuchte, die Klägerin bei dem Auftraggeber U. Deutschland GmbH einzusetzen. Einen derartigen Versuch durfte die Beklagte im Hinblick auf die Eindeutigkeit der Beanstandungen im Schreiben vom 06.07.2000 und den dort enthaltenen Hinweis auf die Möglichkeit "negativer Konsequenzen auf den gesamten Dienstleistungsauftrag" für von vornherein nicht erfolgsversprechend halten. Dies gilt mit Rücksicht auf die (übrigen) Beanstandungen des Kunden/Auftraggebers auch für den Fall, dass die Klägerin dort für die Küchen nicht zuständig gewesen sein sollte.

(2) Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der Einsatzmöglichkeit in den Räumen der Universitätsklinik F.-Stadt. Insoweit steht nach durchgeführter Beweisaufnahme fest, dass die verantwortliche Verfasserin der Schreiben der H. GmbH vom 15.07.2002 und vom 23.07.2002 vor und bei Kündigungsausspruch noch für die Universitätsklinik F.-Stadt bzw. die H. GmbH tätig (gewesen) ist. Die in den Schreiben vom 15.07.2002 und vom 23.07.2002 enthaltenen Formulierungen sind so eindeutig, dass die Beklagte einen etwaigen Versuch, die Klägerin doch in den Räumen der Universitätsklinik F.-Stadt einzusetzen, für von vornherein nicht erfolgsversprechend halten durfte.

(3) Das Vorbringen der Klägerin - insbesondere auch das in das Wissen der Zeuginnen R., S. und G. gestellte Vorbringen - hat eine weitergehendere Darlegungs- und Beweislast der Beklagten nicht ausgelöst. Dieses Vorbringen rechtfertigt es (auch) nicht, die Vernehmung dieser Zeuginnen anzuordnen.

(4) Eine zumutbare anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestand zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches auch nicht im Rahmen des Reinigungsauftrages der Beklagten in "F.-Stadt, S.". Die Beklagte hat - von der Klägerin letztlich gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unwidersprochen - dargelegt, dass es sich insoweit um "2-Stunden-Beschäftigungsverhältnisse" bzw. um "Geringverdienerbereiche" gehandelt habe. Es seien damals lediglich "Netto-Kräfte gesucht" worden (S. 5 der Berufungsbeantwortung vom 19.08.2005, Bl. 164 d. A.). Hatte die Beklagte das Anforderungsprofil für einen Einsatz im Rahmen des Reinigungsauftrages "F.-Stadt, S." derart festgelegt, musste die Beklagte der Klägerin dort keine Beschäftigung anbieten. Sie durfte davon ausgehen, dass eine derartige Beschäftigung weder ihr noch der Klägerin zumutbar gewesen wäre.

(5) Soweit es um einen Einsatz im Rahmen des Objekts "F.-Stadt," geht, ist nicht ersichtlich, dass bei Kündigungsausspruch eine derartige Beschäftigungsmöglichkeit bereits vorhanden bzw. absehbar war. Die entsprechende Stellenanzeige der Beklagten ist erst am 16.02.2005, - d.h. nach Ablauf der Kündigungsfrist der Klägerin (31.01.2005) erschienen. Dies ist unstreitig. Die Beklagte hat diesbezüglich weiter - ebenfalls unstreitig bzw. unwidersprochen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO - vorgetragen, dass ihr der entsprechende, vorübergehende Beschäftigungsbedarf vor Ablauf der Kündigungsfrist der Klägerin nicht bekannt gewesen sei. Es seien ab dem 16.02.2005 Reinigungsarbeiten aufgrund einer Krankheitsvertretung der hauseigenen Reinigungskraft durchzuführen gewesen. Der Einsatz sei zunächst für die Dauer von acht Wochen geplant gewesen.

b)

Hiernach ist festzustellen, dass die Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse (= Wegfall von Reinigungsaufträgen und Fehlen von zumutbaren anderweitigen Einsatzmöglichkeiten) an sich betriebsbedingt erfolgt ist. Die Rechtsprechung des BAG zur sogenannten "Druckkündigung" steht der Feststellung der Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht entgegen. Betriebsverfassungsrechtlichen Beschränkungen unterliegt das kündigungsbegründende Vorbringen der Beklagten nicht (s. dazu näher unten bei Ziffer II. 1. d)). Ist aber eine Kündigung - wie hier - an sich betriebsbedingt, kann sich eine Interessenabwägung allenfalls in (seltenen) Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers auswirken. Die Berufungskammer hat das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalles nach entsprechender Prüfung (letztlich) verneint.

c) Die Kündigung erweist sich (auch) nicht unter Berücksichtigung des § 1 Abs. 3 S. 1 HS 1 KSchG als rechtsunwirksam. Zwar ist eine Kündigung nach dieser Vorschrift "trotzdem" sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei einer Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die Darlegungs- bzw. Einlassungslast ist im Rahmen des § 1 Abs. 3 KSchG abgestuft verteilt. Letztlich hat der Arbeitnehmer die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG erscheinen lassen. Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die sie treffende Erklärungslast allein mit dem Hinweis darauf erfüllt hat, die Beklagte habe zur Zeit des Kündigungsausspruches in der Uniklinik F.-Stadt Reinigungskräfte beschäftigt, die jünger als die Klägerin seien und noch nicht so lange in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stünden wie die Klägerin. Soweit der Arbeitnehmer dazu in der Lage ist, hat er die soziale Auswahl konkret zu beanstanden. Die von der Klägerin genannten Kriterien bzw. Sozialdaten "Alter" und "Betriebszugehörigkeit" stellen nur einen - wenn auch wichtigen - Teil der Umstände dar, die der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl zu beachten hat. Bedeutsam sind insoweit aber auch die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung von Arbeitnehmern. Insoweit wäre ggfs. zu beachten gewesen, dass die Klägerin keiner Person zum Unterhalt verpflichtet ist.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die soziale Auswahl ausreichend gerügt hat. Diese Frage ist deswegen nicht entscheidungserheblich, weil in die soziale Auswahl (nur) die Arbeitnehmer einzubeziehen sind, die von demselben dringenden betrieblichen Erfordernis betroffen sind. Die dringenden betrieblichen Erfordernisse, von denen die Klägerin betroffen ist, bestehen in dem Wegfall der früheren Reinigungsaufträge der Beklagten "M.", "W.C." und "M. " und darin, dass sich die Auftragnehmer der Beklagten im Rahmen der Reinigungsaufträge, die der Beklagten noch verblieben sind (U. Deutschland GmbH und Universitätsklinikum F.-Stadt bzw. H. GmbH) eindeutig gegen einen Einsatz der Klägerin ausgesprochen haben. Darauf beruft sich die Beklagte - entgegen der Ansicht der Klägerin - zu Recht. Damit sind die anderen Reinigungskräfte, die die Klägerin unter Ziffer 5. auf der Seite 11 der Berufungsbegründung vom 19.07.2005 (= Bl. 150 d. A.) erwähnt, jedenfalls mit der Klägerin nicht vergleichbar.

d) Eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist ebenfalls zu verneinen. Allerdings ist es nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkanntes Recht, dass die in § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG normierte Rechtsfolge "Unwirksamkeit der Kündigung" nicht nur dann eintritt, wenn die Anhörung des Betriebsrates gänzlich unterbleibt, - sondern auch dann gegeben sein kann, wenn dem Arbeitgeber bei der Einleitung und/oder der Durchführung des Anhörungsverfahrens - zur Unwirksamkeit der Kündigung führende - Fehler unterlaufen. Ein derartiger Fehler des Arbeitgebers ist vorliegend jedoch nicht festzustellen. Die Beklagte hat dort insbesondere dem Betriebsrat die nach Ansicht der Beklagten maßgebenden Kündigungsgründe (= den Wegfall bisheriger Einsatzmöglichkeiten und die Aufforderungen der Arbeitgeber U. Deutschland GmbH und H. GmbH) genannt. Vergleicht man die im Anhörungsschreiben vom 19.07.2004 zum Kündigungsgrund gemachten Angaben mit dem kündigungsbegründenden Vorbringen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit, so ergibt sich, dass das prozessuale Vorbringen der Beklagten keineswegs über die (bloße) Erläuterung und/oder Ergänzung von - dem Betriebsrat im Schreiben vom 19.07.2004 - bereits mitgeteilter Tatsachen hinausgeht. Dem Arbeitgeber ist im Kündigungsschutzprozess die Erläuterung (= Substantiierung und/oder Konkretisierung) der dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe gestattet. Damit ist hier weder eine Rechtsunwirksamkeit im Sinne des § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG festzustellen, noch ein betriebsverfassungsrechtlich unzulässiges Nachschieben eines neuen Kündigungsgrundes bzw. Kündigungssachverhaltes.

Unter den gegebenen Umständen erfolgte die Anhörung vorliegend (auch) nicht "auf Vorrat". Zwar ist für die ordnungsgemäße Einleitung des Anhörungsverfahrens ein aktueller Kündigungsentschluss des Arbeitgebers erforderlich. Ist die künftige Entwicklung, die zu einer Kündigung führen könnte, noch nicht sicher abzusehen, - erfolgt die Anhörung aber trotzdem, ist eine solche Anhörung auf Vorrat unzulässig. Es widerspricht nämlich dem Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens, es bereits zu einem Zeitpunkt einzuleiten, in dem der Arbeitgeber seine Kündigungsabsicht noch gar nicht verwirklichen will oder kann. Um eine derartige Fallgestaltung ("Anhörung auf Vorrat") geht es vorliegend nicht. Die Beklagte hatte bei der Einleitung des Anhörungsverfahrens - dies ergibt die Auslegung des Anhörungsschreibens - eine konkrete und aktuelle Kündigungsabsicht. Diese Absicht drückt die Beklagte bereits in der Überschrift des Anhörungsschreibens und im ersten Satz des Anhörungsschreibens unmissverständlich aus. Auch aus dem weiteren Inhalt des Anhörungsschreibens wird genügend deutlich, dass die Beklagte ihre Kündigungsabsicht nach Abschluss des Anhörungsverfahrens umgehend verwirklichen wollte. Dies hat die Beklagte, nachdem ihr die Stellungnahme des Betriebsrates (Zustimmung gemäß Schreiben vom 28.07.2004) vorlag, ja (auch) unstreitig mit dem Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vom 29.07.2004 getan.

2.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, mit der Klägerin einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Fortsetzungs- bzw. Wiedereinstellungsanspruch nicht zu. Nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann allerdings dem betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer dann ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen, wenn sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist (unvorhergesehen) eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt. Entsteht diese Beschäftigungsmöglichkeit aber erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, besteht grundsätzlich kein Wiedereinstellungsanspruch. Die Umstände des vorliegenden Falles erfordern es nicht, von diesem Grundsatz hier eine Ausnahme zu machen. Unter Berücksichtigung des bereits oben wiedergegebenen Vorbringens der Beklagten zur Stellenanzeige vom 16.02.2005 ist festzustellen, dass diese Einsatzmöglichkeit erst nach dem 31.01.2005, - also nach Ablauf der Kündigungsfrist der Klägerin -, entstanden ist. Handelte es sich - wovon gemäß § 138 Abs. 3 ZPO auszugehen ist - um eine der Beklagten vor Ablauf der Kündigungsfrist nicht bekannte Krankheitsvertretung, dann fehlt es dem geltend gemachten Wiedereinstellungsanspruch der Klägerin an der notwendigen Anspruchsgrundlage. Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin den Wiedereinstellungsanspruch rechtzeitig geltend gemacht hat und inwieweit ggfs. sonstige Umstände dem Weiterbeschäftigungsanspruch entgegenstehen könnten.

III.

Ergänzend wird im Übrigen unter Bezugnahme auf § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen. Hiernach ist die Berufung mit der sich für die Klägerin aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Das vorliegende Berufungsurteil ist deswegen derzeit mit der Revision nicht anfechtbar. Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann von der Klägerin unter den Voraussetzungen des § 72a ArbGG und nach näherer Maßgabe dieser Vorschrift selbständig durch Beschwerde, die beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuss-Platz 1, 89084 Erfurt, einzulegen ist, angefochten werden. Hierauf wird die Klägerin hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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