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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 30.01.2007
Aktenzeichen: 5 TaBV 60/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG, KSchG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 91
BetrVG § 103
BetrVG § 103 Abs. 1
BetrVG § 103 Abs. 2
KSchG § 15 Abs. 1 S. 1
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 TaBV 60/06

Entscheidung vom 30.01.2007

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - wie folgt abgeändert:

Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin (= Beteiligte zu 1) wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die am 28.10.1957 geborene Beteiligte zu 3 ist seit dem 07.10.1992 bei der Arbeitgeberin beschäftigt (s. dazu den Arbeitsvertrag vom 09.10./22.10.1992 nebst den Zusatzverträgen Bl. 18 ff., 21 ff. d.A.). Die Beteiligte zu 3 ist in der Filiale 1312, B., als Assistentin des "Store-Managers" tätig. Während der urlaubsbedingten Abwesenheit des Store-Managers L. nahm die Beteiligte zu 3 am 07.01.2006 die aus Bl. 28 f. d.A. ersichtliche Kassenabrechnung vor (- vgl. dazu auch die von der Arbeitgeberin nachträglich erstellte Auflistung der Einzelbelege der Kasse 3, Bl. 95 d.A. - vorgelegt mit dem Schriftsatz vom 25.07.2006). Die Beteiligte zu 3 gehörte bis zu den im Frühjahr 2006 durchgeführten Betriebsratswahlen als Betriebsratsmitglied dem Betriebsrat "Mitte 9" an. Seit den Betriebsratswahlen vom Frühjahr 2006 gehört die Beteiligte zu 3 keinem Betriebsrat an, - die Arbeitgeberin und die Betriebsratsvorsitzende T. machen geltend, die Beteiligte zu 3 sei Ersatzmitglied. Die Betriebsratsvorsitzende erklärt weiter, dass die Beteiligte zu 3 als Ersatzmitglied nicht zu Betriebsratstätigkeiten herangezogen worden sei.

Seit den Betriebsratswahlen im Frühjahr 2006 ist für den "Store" in B. nicht mehr der Betriebsrat Mitte 9, sondern der Betriebsrat Süd 1 zuständig.

Mit dem Schreiben vom 22.02.2006 richtete die Arbeitgeberin die aus Bl. 31 f. d.A. ersichtliche "Kündigungsanfrage" an den Betriebsrat - dieser damals noch vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden N.. Am Ende des Schreibens vom 22.02.2006 heißt es u.a.:

"... Wir bitten Sie, falls Sie auf das BetrVG gestützte Bedenken gegen die Kündigung haben, diese uns unter Angabe von Gründen baldmöglichst mitzuteilen....".

Der Betriebsrat erklärte sich "aus folgenden Gründen" nicht einverstanden:

"Der Betriebsrat der DSM Süd 1 gibt keine Stellungnahme zur fristlosen Kündigung des BR-Mitglieds Frau B. ab".

Mit der Antragsschrift vom 23.02.2006, die am 28.02.2006 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist, begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3 gemäß § 103 BetrVG.

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird in analoger Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - (dort S. 2 bis 7 = Bl. 111 ff. d.A.). Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3 ersetzt und seinen Beschluss vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - mit der aus S. 10 des Beschlusses (= Bl. 119 d.A.) ersichtlichen Rechtsmittelbelehrung versehen. Gegen den am 28.09.2006 zugestellten Beschluss vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - hat der Verfahrensbevoll-mächtigte der Beteiligten zu 3 am 09.10.2006 mit dem Schriftsatz vom 04.10.2006 (Bl. 129 ff. d.A.) Beschwerde eingelegt und diese am 27.11.2006 mit dem Schriftsatz vom 22.11.2006 (Bl. 140 ff. d.A.) begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 22.11.2006 verwiesen. Ergänzend äußert sich die Beteiligte zu 3 in den Schriftsätzen vom 18.01.2007 (Bl. 176 f. d.A.) und vom 26.01.2007 (Bl. 182 f. d.A.), worauf ebenfalls verwiesen wird.

Die Beteiligte zu 3 beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - in der Weise abzuändern, dass durch das angerufene Gericht die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Beschwerdeführerin nicht ersetzt wird.

Der Betriebsrat verweist darauf,

dass er beschlossen habe, gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts kein Rechtsmittel einzulegen (vgl. dazu auch das Schreiben der Betriebsratsvorsitzenden T. vom 12.12.2006 (Bl. 158 d.A.) sowie deren E-Mail vom 24.11.2006 (Bl. 171 d.A.) sowie das Schreiben des früheren Betriebsratsvorsitzenden N. vom 24.01.2007 (Bl. 180 d.A.).

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Beschwerdebeantwortung der Arbeitgeberin wird auf deren Schriftsatz vom 28.12.2006 (Bl. 166 ff. d.A.) Bezug genommen. Aus den dort - auf den S. 1 bis 3 der Beschwerdebeantwortung (= Bl. 166 bis 168 d.A.) - genannten Gründen ist die Arbeitgeberin der Ansicht, dass sich der Beschwerdeschrift vom 04.10.2006 nicht entnehmen lasse, dass die Beschwerde im alleinigen Auftrag der Beteiligten zu 3 eingelegt worden sei. Damit erweise sich die Beschwerde bereits als unzulässig. Jedenfalls sei die Beschwerde aus den Gründen, die auf den S. 3 ff. der Beschwerdebeantwortung sowie im erstinstanzlichen Vortrag der Arbeitgeberin und im Beschluss vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - genannt würden, unbegründet. Ergänzend äußert sich die Arbeitgeberin in den Schriftsätzen vom 24.01.2007 (Bl. 181 d.A.) und vom 29.01.2007 (Bl. 186 f. d.A.). Hierauf wird ebenfalls verwiesen.

Im Rahmen der im Anhörungstermin vom 30.01.2007 erfolgten Erörterung der Sach- und Rechtslage wurde die Arbeitgeberin vom Kammervorsitzenden darauf hingewiesen, dass es nach dem Ausscheiden der Beteiligten zu 3 aus dem Betriebsrat keiner Zustimmungsersetzung mehr bedürfe.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 ist als sogenannte Beschlussbeschwerde gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG an sich statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne des § 87 Abs. 2 S. 1 und des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden. In der rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Beschwerdeschrift vom 04.10.2006 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, nach Datum genau bezeichnet. Der Beschwerdeschrift lassen sich weiter die Beteiligten des Beschlussverfahrens entnehmen sowie das Aktenzeichen des erstinstanzlichen Verfahrens. Auch wird - wie in § 89 Abs. 2 S. 1 ArbGG vorgeschrieben - erklärt, dass gegen den Beschluss vom 24.08.2006 Beschwerde eingelegt werde. Bei den Rechtsanwälten, die die Beschwerdeschrift verfasst haben handelt es sich um die Verfahrensbevollmächtigten, die die Beteiligte zu 3 bereits im erstinstanzlichen Verfahren vertreten haben (s. dazu das Rubrum auf S. 1 des Beschlusses vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - = Bl. 110 d.A.; dieses Rubrum entspricht weitgehend den Partei- bzw. Beteiligtenbezeichnungen nebst Verfahrensbevollmächtigten wie sie auf S. 1 der Beschwerdeschrift enthalten sind). Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich eindeutig, dass die Beschwerde für die Beteiligte zu 3 eingelegt werden sollte, - dass also die Beteiligte zu 3 Beschwerdeführerin ist. Die von der Arbeitgeberin insoweit in der Beschwerdebeantwortung geäußerten Zweifel teilt die Beschwerdekammer nicht. In den angekündigten Beschwerdeanträgen (- s. Schriftsatz vom 04.10.2006 dort S. 2 = Bl. 130 d.A. -) wird als "Beschwerdeführerin" alleine die Beteiligte zu 3 genannt. Von dem Betriebsrat oder von einem Beschwerdeführer ist dort keine Rede. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, - insbesondere ist die erforderliche Beschwer gegeben. Allerdings bedarf der Beschwerdeantrag der Beteiligten zu 3 der Auslegung. Die Auslegung ergibt, dass die Beteiligte zu 3 mit ihrem Antrag die Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses und die Zurückweisung des Zustimmungsersetzungsantrages der Arbeitgeberin begehrt.

2. Mit diesem Inhalt ist der Beschwerdeantrag der Beteiligten zu 3 begründet.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - ist - wie geschehen - unter Zurückweisung des Zustimmungsersetzungsantrages der Arbeitgeberin abzuändern.

a) Freilich bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrates (und der weiteren in § 103 Abs. 1 BetrVG genannten Mitglieder betriebsverfassungsrechtlicher Organe) der Zustimmung des Betriebsrates. Dieses Erfordernis (Zustimmung des Betriebsrates bzw. die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung gemäß § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG) besteht jedoch nur solange wie das entsprechende Betriebsratsmitglied den vollen besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1 BetrVG genießt. Seit dem Frühjahr 2006 - genauer mit der Beendigung der Amtszeit des Betriebsrates, für den die Beteiligte zu 3 bei der vorletzten Betriebsratswahl gewählt worden war, - endete der volle besondere Kündigungsschutz der Beteiligten zu 3 nach den beiden vorgenannten gesetzlichen Vorschriften. Die Beendigung des vollen Kündigungsschutzes führt dazu, dass ab diesem Zeitpunkt die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung nicht mehr erforderlich ist (vgl. Erfurter Kommentar, Kiel, 7. Aufl. KSchG § 15 Rz 19).

b) In diesem Zusammenhang ist in tatsächlicher Hinsicht festzustellen, dass die Beteiligte zu 3 seit der Konstituierung des neuen Betriebsrates keinem Betriebsrat mehr angehört. Diese Feststellung der Beschwerdekammer stützt sich auf das Vorbringen der Arbeitgeberin im Schriftsatz vom 29.01.2007 (dort S. 1 = Bl. 186 d.A.). Dort werden die Mitglieder des Betriebsrates "Süd 1" im Einzelnen namentlich aufgeführt. Der Name der Beteiligten zu 3 befindet sich nicht unter den dort genannten Betriebsratsmitgliedern. Dieser Vortrag der Arbeitgeberin steht in Einklang mit der Darlegung der Beteiligten zu 3 im Schriftsatz vom 26.01.2007, wo die Beteiligte zu 3 darauf hinweist, dass sie nicht mehr Mitglied eines Betriebsrates sei. Da schließlich auch der Betriebsrat, der Beteiligte zu 2, nicht dargelegt hat, die Klägerin sei doch noch Betriebsratsmitglied, musste die Beschwerdekammer im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung feststellen, dass die Mitgliedschaft der Beteiligten zu 3 im Betriebsrat beendet ist. Dahingestellt bleiben kann, ob die Beteiligte zu 3 Ersatzmitglied ist - wie die Arbeitgeberin und der Betriebsrat geltend gemacht haben - oder ob die Beteiligte zu 3 - wie diese im Schriftsatz vom 26.01.2007 behauptet hat - seinerzeit "durch irgendeine Person oder Institution von der Wahlliste gestrichen worden" ist. Bloße Ersatzmitglieder des Betriebsrates genießen den qualifizierten Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG, § 103 Abs. 1 BetrVG nicht. Dies ergibt sich aus dem Gesetz und ist anerkanntes Recht. Der genannte besondere Kündigungsschutz (mit dem Erfordernis der Zustimmung des Betriebsrates) beginnt erst mit dem Nachrücken des Ersatzmitglieds in das Gremium (Betriebsrat). Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligte zu 3 als Ersatzmitglied im Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung in dieser Weise bereits dauerhaft oder zumindest vorübergehend nachgerückt wäre, ergeben sich aus dem Vorbringen der Beteiligten nicht.

c) Hiernach ist für die - von der Arbeitgeberin beabsichtigte - außerordentliche Kündigung der Beteiligten zu 3 die Zustimmung des Betriebsrates entbehrlich. Eine Zustimmung, die entbehrlich ist, kann aber nicht durch das Gericht ersetzt werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit, der Verfahrensökonomie und mit Rücksicht auf den Zweck des § 103 Abs. 2 BetrVG wird zur Klarstellung festgestellt, dass - abgestellt auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung - eine Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung der Arbeitgeberin gegenüber der Beteiligten zu 3 entbehrlich ist. Allerdings wird diese klarstellende Feststellung ohnehin schon von dem Beschluss-Tenor des vorliegenden Beschlusses umfasst.

d) Im Hinblick auf die vorstehenden Entscheidungsgründe sind Ausführungen zur Frage, ob die von der Arbeitgeberin beabsichtigte außerordentliche Kündigung von einem wichtigen Grund im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB getragen ist, nicht veranlasst. Ebensowenig ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasst.

Ende der Entscheidung

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